Titel: Neuheiten in der Explosivstoffindustrie und Sprengarbeit.
Fundstelle: Band 282, Jahrgang 1890, S. 61
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Neuheiten in der Explosivstoffindustrie und Sprengarbeit. Mit Abbildungen. Neuheiten in der Explosivstoffindustrie und Sprengarbeit. In der österreichisch-ungarischen Armee ist seit einiger Zeit an Stelle des Dynamites ein neuer Sprengstoff, das Ecrasit eingeführt, welches wesentlich aus dem Ammonsalze des Trinitrokresols bestehen soll und von den Chemikern Kubin und Siersch der Nobel'schen Dynamitfabrik in Pressburg entdeckt wurde. Das Ecrasit wurde schon vor mehreren Jahren zur Füllung von Granaten verwendet, und Versuche damit in Gegenwart des Kaisers auf dem Steinfelde angestellt, wobei nach dem Berichte von Beobachtern ein bräunlicher Rauch, manchmal vermischt mit dunklen Flecken zu bemerken war. Nun wurde es auch als Normalsprengstoff für die Genietruppe eingeführt, jedoch bedarf es Zündhütchen von 2 g Füllung, um mit Sicherheit zur Explosion gebracht zu werden. Versuche mit Trinitrokresol an Stelle von Trinitrophenol (Pikrinsäure) wurden vom Referenten und Anderen schon vor sechs Jahren gemacht, und seither ist Trinitrokresol mehrfach zur Zusammensetzung von Explosivstoffen verwendet worden, wie es wahrscheinlich auch einen Hauptbestandtheil des französischen Cresylite ausmacht. Man hat auch um dieselbe Zeit Pikrinsäure durch Ammonpikrat zur Füllung von Granaten ersetzt. Zur Erprobung der Kraft des Ecrasits wurde eine neue Stauchprobe normirt, welche von Oberstlieutenant Hess in Mitth. über Geg. d. Artill. und Geniewesens, 1891 S. 215, mitgetheilt ist. 50 g Ecrasit, welche in einer cylindrischen Weissblechbüchse von 40 mm äusserem Durchmesser und 31 mm äusserer Höhe (Blechstärke 0,5 mm) einlaborirt sind, werden mit Hilfe eines verdämmten Zündhütchens von 2 g Füllung auf einer Unterlage detonirt, welche aus einer eisernen Platte, zwei Bleicylindern (30 mm Höhe, 40 mm Durchmesser) und zwei Stahlscheibchen (40 mm Durchmesser, 4,5 mm Höhe) besteht, und gegen vier Stifte an der Unterlagsplatte durch Drahtverschnürung fixirt ist. Die Mittelwerthe für o + u sind 38,0 und 35,1 mm, für u (den unteren Cylinder allein) 27,0 und 24,0 mm. Mitte Juli d. J. wurden in Pressburg grössere Sprengungen mit dem Ecrasit vorgenommen. Nach österreichischen Berichten ist es von schwefelgelber Farbe, fühlt sich fett an, und wird durch Pressen, bezieh. Stampfen mit hölzernen Stempeln leicht in zusammenhängende Patronen geformt. Es soll gegen Feuchtigkeit, Temperaturunterschiede, Stoss und Reibung, selbst Gewehrschüsse unempfindlich sein, bei 100° schmelzen, und, directer Glut oder Flamme ausgesetzt, bloss verbrennen. Die verschiedenen Sprengungen zeigten grosse Ueberlegenheit gegen Dynamit, angeblich doppelt so starke Wirkung. Ein Apparat zum Nitriren von Cellulose der Rheinischwestfälischen Sprengstoff-Actiengesellschaft in Köln (D. R. P. Nr. 54077, vom 22. Februar 1890) besteht aus einer gusseisernen Pfanne A (Fig. 1) mit Siebboden S, welche in ein Kühlgefäss B eingesetzt ist. Ein an der Seite angegossener Kanal steht einerseits mit dem Ablaufstutzen der Pfanne, andererseits mit einem Säurebehälter in Verbindung. Eine Luftpumpe saugt durch letzteren hindurch die Säure nach beendigter Nitrirung ab, und sobald die nitrirte Cellulose entfernt ist, kann die Säure zu abermaliger Benutzung wieder in die Pfanne gelassen werden. Der Apparat ist sehr sinnreich, doch dürfte die Luftpumpe häufigen Reparaturen unterliegen, und der angegossene Kanal wird sich verstopfen, sowie zu localen Zersetzungen Anlass geben können. Textabbildung Bd. 282, S. 62Fig. 1.Apparat zum Nitriren von Cellulose. Am 9. Juli d. J. hat die Miners Safety Explosive Company in ihrer Fabrik in Stanfordle-Hope vor geladenen Gästen Versuche mit Ammonit angestellt. Dieselben bewegten sich in den üblichen Grenzen, und zeigten nichts, was nicht von Roburit, Securit, Bellit u. dgl. nahezu identischen Sprengmitteln bekannt wäre. Ein Stahlblock von 59 Pfund (etwa 26 k) wurde von 23 Fuss (7 m Höhe) auf Ammonit fallen gelassen, ohne es zu detoniren; Sprengpulver explodirte bei dieser Hohe, und Nitroglycerinpulver schon bei 5 Fuss (1,50 m) Fallhöhe. Versuche mit Gewehrschüssen, Werfen in Feuer, Sprengen von Platten, Palissaden u.s.w. folgten. Hauptsächlich auffällig waren Mörserversuche, bei welchen ein cylindrisches Geschoss von 29 Pfund (13,25 k) Gewicht durch Ladungen von 5 g aus einem Mörser in üblicher Weise geschleudert wurde. Die erzielten Distanzen waren: Ammonit 320 Fuss Dynamit 289 Roburit 320 Carbonit 180 Stonit 255 Securit 197 Tonite 219 Schwarzpulver 136 Dass Dynamit weniger brisant sein solle als Roburit und Ammonit, lässt sich nach den bisherigen Erfahrungen schwer annehmen. Wir wissen nicht, ob auch in diesem Falle die zu derlei Sprengmitteln nöthigen stärker geladenen Zündhütchen genommen wurden; Erkundigung bei einem Augenzeugen Hess uns nur erfahren, dass die Besucher die hergerichteten Ladungen nicht prüfen konnten, und dass bei dem Schusse mit Dynamit eine unstäte Bewegung des Geschosses beobachtet wurde. Ammonit ist eigentlich ein alter Bekannter. Ursprünglich hiess es Favier's Explosiv (vgl. 1885 256 * 410). Dann wurde es als Miners safety explosive in England concessionirt und jetzt hat man den Namen auf Ammonit umgeändert. Nach dem Génié civil, 1891 S. 241, werden in Frankreich jetzt fünf Typen erzeugt: 1) Grisounite für Flöze    (Explosionswärme 1480°) AmmonnitratTrinitronaphtalin 95,5  4,5 2) Grisounite für Gestein    (Explosionswärme 1785°) AmmonnitratDinitronaphtalin 92,0  8,0 3) Favier's Pulver Nr. 1 AmmonnitratDinitronaphtalin 87,012,0 4) Favier's Pulver Nr. 2 AmmonnitratNatriumnitratDinitronaphtalin 44,040,016,0 5) Favier's Pulver Nr. 3 NatriumnitratMononitronaphtalin 75,025,0 Type Nr. 3 gibt die besten Resultate. In Frankreich wird es wie folgt erzeugt: Der Salpeter wird getrocknet, indem er durch eine archimedische Schraube in einer dampfgeheizten Röhre vorwärts geschoben wird, dann wird er in einem geheizten Mörser zerstossen und mit dem geschmolzenen Nitronaphtalin besprengt. Der so erzeugte Kuchen kommt in eine Walzenkörnmaschine, dann in ein Sieb. Die feinen Körner werden bei Seite gelegt, die groben werden unter schwachem Drucke warm zu Hohlcylindern gepresst, welche dann paraffinirt, mit feinem Pulver gefüllt und in Paraffinpapier gewickelt werden. In England werden die beiden Materialien nach dem Trocknen aufgeheizten Kollergängen gemischt. Es wird nur loses Material verwendet, welches durch eine Schraubenfüllmaschine in dünne Hülsen aus Zinnfolie, ähnlich denen der Malerfarben, eingepresst wird, jedoch ist deren Hals geschlossen, der Boden aber mit einem Gewindedeckel versehen und mit wasserdichter Paste verdichtet. Das Zündhütchen wird eingeführt, indem man den Hals aufschneidet und dann mit einer Zange ankneipt. Die Patronen sind 8,5 Zoll (21,6 cm) lang und enthalten 4 Unzen (112 g) Ammonit, was bei einem Durchmesser von 1 Zoll (26 mm) einem specifischen Gewichte von 0,98 entsprechen würde; dies macht entweder unverhältnissmässig grosse Bohrlöcher nöthig, oder gestattet nur geringe Kraft zu laden. In den Mitth. über Gegenst. des Art.- und Geniewesens, 1891 S. 67, entwickelt Oberstlieutenant Nikolaus Ritter v. Wuich, der bekannte Ballist, eine hochinteressante Studie über die Bestimmung der Verbrennungstemperatur von Explosivstoffen, welche um so actueller ist, als sie die rauchlosen Pulver mit in Betrachtung zieht. Wir müssen natürlich wegen ausführlicherer Kenntniss auf den Artikel selbst verweisen, wollen aber die wesentlichen Schlussfolgerungen hier summiren. Wuich zog in den Kreis seiner Berechnung die folgenden Explosivstoffe mit den beistehenden Zersetzungsschemen: 1) Schwarzpalver 2KNO3 + 3C + S= K2S + 3CO2 + 2N. 2) Pulver mit 1 Mol. Trinitro-cellulose und 2 Mol. Dinitro-cellulose C6H7(NO2)3O5 + 2C6H8(NO2)2O5= CO2 + 17CO + 10H2O + 7N+ 3H. 3) Pulver mit 1 Mol. Trinitro-cellulose und 1 Mol. Dinitro-cellulose 2C6H7(NO2)3O5+ 2C6H8(NO2)2O5 = CO2+ 23CO + 15H2O + 10N. 4) Pulver mit 2 Mol. Trinitro-cellulose und 1 Mol. Dinitro-cellulose 2C6H7(NO2)3O5 + C6H8(NO2)2O5= CO2 + 16CO + 11H2O + 8N. 5) Pulver aus reiner Trinitro-cellulose 2C6H7(NO2)3O5= 3CO2 + 9CO + 7H2O + 6N. 6) Nobel'sches Ballistit (1 Th.)Nitroglycerin, 1 Th. Dinitro-cellulose) 10C3H5(NO2)3O3+ 9C6H8(NO2)2O5 = 26CO2+ 58CO + 61H2O + 48N. 7) Nitroglycerin 2C3H5(NO2)3O3= 6CO2 + 5H2O + 6N + O. Die in neuerer Zeit in den Vordergrund getretenen Stärkenitrate konnten ausser Betracht gelassen werden, da sie die gleiche empirische Formel wie die Cellulosenitrate haben. Das Zersetzungsschema des Schwarzpulvers ist das allgemein angenommene, die der Nitrocellulose-Pulver bestimmte Wuich nach Andeutungen von Major Schwab, wobei angenommen wurde, dass Wasserstoff und Kohlenstoff möglichst vollständig verbrennen, das Schema des Ballistit ist von der Krupp'schen Fabrik angegeben und entspricht fast genau der wirklichen Zusammensetzung. Wuich führt in seinen Berechnungen im Gegensatze zu anderen Forschern die specifische Wärme als Function der Temperatur und nicht unabhängig davon ein. Mit Rücksicht auf Wiedemann's Versuche über Kohlensäure, wonach die specifische Wärme für je 1° um 0,000155 wächst, nimmt er diese Ziffer allgemein für die Verbrennungsproducte der Pulver an. Hieraus ermittelt Wuich die nachstehende Formel: t=\frac{-c_0+\sqrt{{c_0}^2+2\,Q_r\,.\,a}}{a} worin c0 = absolute specifische Wärme der Explosions-producte, Qr = Wärmemenge, welche 1 k bei der Explosionabgibt (reducirte Wärmemenge), a = 0,000155. Werden in diese Formel die von Bunsen und Schischkoff gefundenen Werthe für c0 = 0,18548 und für Qr= 620 Cal. eingeführt, so ergibt sich für das Schwarzpulver als Verbrennungstemperatur t = 1874°. Für die anderen Explosivstoffe erhielt Wuich folgende Daten: Laufende Nummer: 2 3 4 5 6 7 Gewicht des Körpers    in Kilo 0,801 1,098 0,846 0,594 4,538 0,454 Verfügbare Wärme-    menge in Cal. 806 862 914 1010 1133 1427 Specifische Wärme    c0 0,2183 0,2146 0,2121 0,2064 0,2110 0,1971 Verbrennungstem-    peratur t° 2110 2234 2329 2516 2697 3005 Abgebbare Energie-    menge Er (redu-    cirte Energie-    menge in k/m) 341744 365488 387536 428240 480392 605048 Reducirte Wärme-    menge Qr' (vom    absoluten Null-    punkt gerechnet)    für Schwarzpulver    670 Cal. 866 920 972 1066 1190 1480 Die Wärmemenge Qr' kann als Maass für die Kraftleistung angesehen werden, indem die Spannung nur von Qr' abhängt und dieser Grösse direct proportional ist. Aus einer Tabulirung der für Qr erhaltenen Werthe und Beobachtung der dabei auftretenden Differenzen kommt Wuich zu dem höchst interessanten Schlusse, dass die Wärmemenge und damit die Energiemenge Er sowohl mit dem Stickstoffgehalte wie mit dem Sauerstoffgehalte des Explosivstoffes wächst, und zwar für die Nitrocellulosepulver innerhalb des Gebietes der betrachteten Stickstoffgehalte um rund 11 Cal. bezieh. 4664 k/m für je 0,1 Proc. Stickstoff und um durchschnittlich 15,2 Cal. bezieh. 6445 k/m für je 0,1 Proc. Sauerstoff. Auch der Civilfachmann wird nicht verfehlen, Wuich's Studie als eine äusserst dankenswerthe Bereicherung unserer Kenntniss der Explosivstoffe zu würdigen und die mancherlei Lehren beherzigen, welche – insbesondere mit Rücksicht auf die bisher viel zu hoch angenommenen Explosionstemperaturen und den Einfluss der Zusammensetzung auf die Wirkung – daraus geschöpft werden können. In der Einleitung zu seiner Studie erwähnt Wuich, dass die bisher angenommenen Verbrennungstemperaturen (z.B. für Schwarzpulver zwischen 3000 und 4000°) viel zu hoch sein müssen. Auch Referent kam zu einer ähnlichen Ansicht, als er fand, dass die kleinen Pyramiden in seinem Kraftmesser (vgl. 1883 250 * 122) bei der Explosion von Schwarzpulver oft ganz zerschmolzen, wenn sie aus weichem Stahl gemacht waren, jedoch mehrere Schüsse aushielten, wenn sie aus besonders gut gehärtetem Stahle hergestellt wurden, dass also die Explosionstemperatur nicht weit über 1600° betragen könne, jedenfalls aber unter 2000° sein müsse. Lieutenant Willoughby Walke der Vereinigten Staaten Artillerie hat eine Reihe von Entzündungstemperaturen von Explosivstoffen bestimmt. Zu diesem Zwecke brachte er eine Patrone aus dünnem Kupfer in geschmolzenes Zinn oder Paraffin und las die Temperatur ab, bei welcher Explosion stattfand. Er fand so für Entzündungs-temperatur Gepresste Schiesswolle 186 bis 201° lufttrocken 137 139° anderes Muster 186 189° getrocknet bei 65° 136 141° Collodiumwolle lufttrocken 186 191°              „           anderes Muster 197 199° Hydronitrocellulose 201 213° Nitroglycerin 203 205° Dynamit Nr. I 197 200° Sprenggelatine 203 209°           „           gecamphert 174 182° Knallquecksilber 175 181° Geschützpulver 278 287° Pikratpulver von Hill 273 283° Forcite Nr. 1 184 200° Atlas-Pulver (75 Proc.) 175 185° Emmensit Nr. 2 165 177° Nr. 3 205 217° Einen interessanten Beitrag zu dem Einflüsse der Luftverdünnung auf die Verbrennung haben Versuche geliefert, welche Oberst Alfred Roth, Director der Munitionsfabrik in Thun, mit Satzringen von Zeitzündern in Thun (563 m Ortshöhe), Fondo del Bosco (1309 m) und auf dem Gotthard (2095 m) angestellt hat. Dieselben ergaben nach der Schweizerischen Zeitschrift für Artillerie und Genie, dass mit zunehmender Ortshöhe (abnehmendem Barometerstande) die Brennzeiten zunehmen, und zwar rund um 1 Proc. der Tempirung für je 100 m Höhenunterschied (1,2 Proc. für 10 mm Barometerunterschied). Vieille hat der französischen Akademie der Wissenschaften ein Memorandum über wellenförmige Pressungen, entstanden durch Verbrennung von Explosivstoffen im geschlossenen Raume, vorgelegt (Comptes rendus, 1890 S. 639). Während in den üblichen Probemörsern von kleinen Dimensionen stets gleiche Pressungen gefunden wurden, hat Vieille mit einem Stahlrohre von 60 mm äusserem, 22 mm innerem Durchmesser und 1 m Länge ganz verschiedene Ergebnisse erhalten. Die beiden Enden des Stahlrohres wurden mit Stauchmanometern versehen, deren Kolben mit Hilfe von Stahlschreibstiften auf einem sich drehenden Cylinder die Stauchcurve verzeichneten. Die Einzelheiten der Einrichtung sind ähnlich denen, welche von Vieille und Sarrau wiederholt benutzt wurden, und hier nicht von Belang. Die Versuche wurden mit Pulvern aller Art, von gekörntem Schiesswollpulver bis zum langsamsten Marinepulver durchgeführt. Da die Versuchsbombe fast genau die üblichen Dimensionen eines Bohrloches hat und wir wiederholt darauf hingewiesen haben, dass die Vorgänge in einem gut verdämmten Bohrloche anderer Natur seien, als man gewöhnlich anzunehmen geneigt ist, so seien hier Vieille's Schlussfolgerungen wörtlich wiedergegeben: „Die Verbrennung einer explosiven Ladung im geschlossenen Raume gibt gleichmässige Drücke auf die Wände des Gefässes in jedem Augenblicke nur unter der Bedingung, dass diese Ladung gleichmässig vertheilt sei. Im Falle von Gefässen mit geringem Durchmesser genügt es zur Erreichung desselben Erfolges, dass diese Verkeilung in der Richtung der grossen Dimension des Probemörsers gleichmässig sei. „Sobald diese Bedingung nicht mehr erfüllt ist und besonders, wenn die Ladung an einem Ende des Gefässes concentrirt ist, sieht man eine besondere Art der Vertheilung der Pressungen entstehen, welche in eine Art Balanciren der Gasmasse in der Richtung der grossen Achse des Probemörsers endigt. Es entstehen daraus Condensationen, deren Bedeutung mit der Gasabgabe der Ladung wächst, d.h. mit der Brisanz des Explosivstoffes oder für denselben Stoff mit der Ladedichte. „Die Condensationen zeigen sich abwechselnd an den beiden Enden des Probemörsers in Zeiträumen, welche im Verhältnisse zu seiner Länge sind und sehr nahe der Dauer für die Fortpflanzung des Schalles in den Zersetzungsproducten bei der Explosionstemperatur (1100 bis 1200 m in der Secunde für die Pulver B und 600 bis 700 m für die Schwarzpulver). „Die Pressungen, welche aus diesen Condensationen entstehen, können in dem Probemörser von 1 m Länge selbst das Dreifache des normalen Druckes erreichen, welcher der vollständigen Verbrennung der Ladung entspricht. Man bemerkt sie bei den geringsten Ladedichten, entsprechend einem Normaldrucke von 1000 k mit den brisantesten Explosivstoffen, wie das gekörnte Schiesswollpulver oder Jagdpulver; aber man erhält sie ebenso mit Stoffen mittlerer Brisanz bei grösserer Ladedichte, entsprechend einem Normaldrucke von 2500 k. „Die Bedeutung dieser Gascondensationen vermindert sich rasch mit der Länge des Probemörsers. Mit keinem Explosivstoffe konnten wir davon die geringste Spur finden, weder durch die Stauchungen, noch durch die Diagramme, wenn der Probemörser 15 cm lang war.“ Für die Sprengarbeit lassen sich aus Vieille's Arbeit bedeutungsvolle Schlüsse auf die Wirkung hohlgeladener Schüsse, sowie auf die Notwendigkeit gleichmässigen Verrammens der Ladung im Bohrloche ziehen. Die grosse Explosion im Pulvermagazine „Vigna Pia“ bei Rom ist durch die Tagesblätter genügend bekannt gemacht worden. Nach dem Esercito Italiano waren darin 265000 k Pulver, 24000 Geschützladungen, 35000 Zünder und 1000 Signalraketen aufbewahrt. Wenn man von der ungewöhnlich grossen Menge von explosivem Materiale absieht, welche in einem einzigen Magazine aufbewahrt war, so muss es doch auffallen, dass trotz vielfacher Unglücksfälle fertige, adjustirte Patronen und gar Signalraketen zugleich mit 265 t Pulver eingelagert wurden, Raketen enthalten häufig solche Beimischungen, welche unter ungünstigen Umständen Zersetzung und Selbstentzündung hervorrufen können, und es ist wahrscheinlich, dass auch die Explosion im Magazine Vigna Pia auf diese Weise entstand. Die Wirkung der Explosion war auf 40 km Entfernung zu hören, sie zerstörte sämmtliche Gebäude im Umkreise von 1 km und das Barometer in Rom fiel um 15 mm. In einer dem Referenten verspätet zur Kenntniss gelangten Notiz in der Oesterreichischen Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1890 S. 486, wird berichtet, dass in Zbeschau (Mähren) ein Arbeiter vor dem Abthun der Schüsse vorschriftsmässig die Funkenlänge an der Zündmaschine prüfte und dass dabei die Schüsse explodirten, trotzdem er die Leitungsdrähte nicht eingeschaltet hatte. Angestellte Versuche ober Tage zeigten, dass, wenn ein Draht auf dem Hartgummirande der Zündmaschine auflag, die zweite Polkugel aber nicht mit der Erde in Verbindung war, dennoch drei von fünf Schüssen explodirten, wobei die Rückleitung jedenfalls durch die Erde erfolgte, der Funke aber über den Hartgummirand hinüber in den Leitungsdraht sprang. Es haben mit dem Referenten wohl auch andere Fachgenossen häufig abenteuerlich klingende Geschichten über frühzeitige Explosionen von mit elektrischen Zündern versehenen Schüssen gehört; es wäre eine dankenswerthe Arbeit, einmal eingehende Versuche mit solchen Schüssen anzustellen. (Schluss folgt.)