Titel: Stahlkette ohne Schweissnähte.
Fundstelle: Band 282, Jahrgang 1890, S. 108
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Stahlkette ohne Schweissnähte. Mit Abbildungen. Stahlkette ohne Schweissnähte. Textabbildung Bd. 282, S. 108Entwickelung der Kettenglieder nach Oury's Patent. Nach Engineering vom 1. Mai 1891 (bezieh. Iron vom 5. Juni) werden durch William Reid und Co. in London Stahlketten nach Oury's Patent in den Handel gebracht, welche aus einem Stahlstabe von kreuzförmigem Querschnitte hergestellt werden, in der Weise, dass durch Bohren, Stanzen und Pressen die einzelnen Kettenglieder aus dem kreuzförmigen Stabe allmählich entwickelt werden. Wir waren geneigt, den in dieser Weise entstandenen Kettengliedern aus dem Grunde wenig Festigkeit zuzutrauen, weil die Faser bei gewalzten Stäben vorwiegend nach einer, und zwar der Achsenrichtung des Stabes entwickelt wird, während quer zu dieser Richtung die Festigkeit meist erheblich geringer ist. Demgemäss müssten auch an zwei Stellen der Kettenglieder die Fasern quer zur Kraftbeanspruchung stehen und zwei entsprechend schwache Stellen sich vorfinden. Indess scheint die Art der Bearbeitung, über welche jedoch jede nähere Mittheilung fehlt, einen so günstigen Einfluss auf die Festigkeit der besagten Ketten auszuüben, dass diese doch Beachtung verdienen. In den nachstehenden, Engineering v. u. O. entnommenen Zeichnungen ist die allmähliche Entwickelung der Kettenglieder dargestellt. Fig. 1 zeigt, wie die kreuzförmige Stange zunächst durchbohrt wird, demnächst werden nach Fig. 2 die Rippen des Kreuzeisens zwischen den Bohrungen auf einem Stanzwerke ausgestossen bezieh. werden diese Stellen eingekerbt, darauf, wie Fig. 3 zeigt, werden die flachgedrückten Glieder ausgestanzt und unter der Presse gerundet (Fig. 4). Jetzt hängen die einzelnen Glieder, wie aus Fig. 5 zu ersehen, noch zusammen und müssen durch nochmaliges Stanzen von einander getrennt werden. Die weitere Behandlung besteht in den Vollendungsarbeiten, der Entfernung des Grates, dem Abrunden und dem Biegen in die längliche Form. Es sollen auf diese Weise Ketten bis zu 50 Fuss Länge hergestellt werden, die erforderlichen Falles durch ein besonders eingesetztes Nothglied mit einander verbunden werden. Die so hergestellten Ketten sollen nur ⅔ des Gewichtes der nach dem alten Verfahren hergestellten erfordern, und ergaben auch die vom Bureau Veritas angestellten Versuche mit vier Ketten verschiedener Stärke eine Zugfestigkeit von 36 bis 37 k auf 1 qmm des tragenden Querschnittes. Einer gründlichen Untersuchung wurde eine derartige Kette in der mechanisch-technischen Versuchsanstalt zu Charlottenburg, wie aus den Mittheilungen, S. 145, zu entnehmen ist, unterworfen. Der Bericht besagt Folgendes: „Das zur Prüfung eingereichte Kettenstück bestand aus vier Gliedern mit den in Tabelle 1 zusammengestellten Abmessungen: Tabelle 1. GliedNr. Länge der Glieder Breite der Glieder Material-stärke aussen innen aussen innen mm mm mm mm mm 1 137,0 82,3 91,7 39,1 26,5 2 136,6 91,7 26,3 3 136,8 92,5 26,2 4 134,9 81,2 91,8 38,4 26,1 Textabbildung Bd. 282, S. 109 Entwickelung der Kettenglieder nach Oury's Patent. Zum Zugversuche wurden die beiden Endglieder 1 und 4 mit Hilfe von zwei starken Vorsteckstücken in den zur Prüfung starker Flachstäbe bestimmten Einspannmäulern der Werdermaschine festgelegt. Die Längen- und Breitenänderungen in Folge der Belastung wurden nur an den Gliedern 2 und 3 ermittelt. Hierzu waren auf der einen Breitseite der Glieder etwa in Mitte der Eisenstärke Körnerschläge angebracht, deren Entfernung von einander vor und nach dem Versuche mit einem Zirkel abgegriffen wurden. Da bei der ersten Belastungsreihe das eine Endglied Nr. 4 brach, ohne dass die übrigen Glieder Anzeichen von Zerstörung zeigten, so wurden diese in der gleichen Weise wie beim ersten Versuche nochmals eingespannt und von neuem belastet. Die Ergebnisse beider Versuchsreihen sind in Tabelle 2 zusammengestellt. Wie schon gesagt, erfolgte der Bruch bei dem ersten Versuche im Gliede Nr. 4 und an der Berührungsstelle mit dem Gliede Nr. 3. Die ebene Bruchfläche zeigt im Allgemeinen ein gesundes, feinkörniges, kristallinisch glänzendes Gefüge mit deutlich ausgeprägten Brachlinien, welche von einer am äusseren Rande gelegenen blätterigen, etwa 1 mm tiefen und 4 mm breiten Fehlstelle ausgehen. Tabelle 2. Versuchs-reihe GliedNr. Ursprüngliche Marken-abstände Markenabstände nachdem Bruch Formänderungen Bruchbelastung Breite Länge Breite Länge Breitenabnahme Längenzunahme Gesammt Als Zugspan-nung bezogenauf den tragen-den Querschnitt mm mm mm mm mm Proc. mm Proc. k k/qmm I 23 65,868,3 113,0109,3 65,668,2 113,5109,8   0,2  0,1   0,1    0,15   0,5  0,5 0,440,46 20000 18,7 II 23 52,263,1 130,7123,0 13,6  5,2 20,7  7,6 17,713,7 15,712,5 46750 42,4 Bei dem zweiten Versuch bewahrten alle drei Glieder unter 20000 k ein unverändertes Aussehen; bei 35000 k traten zuerst bei dem mittleren Gliede (Nr. 2) mehrere kurze Risse auf, welche sich später auch bei den anderen Gliedern zeigten. Unter der Belastung von 46750 k brachen schliesslich beide Schenkel des Gliedes Nr. 1. Die Brüche lagen um etwa ⅓ der Schenkellänge, der eine vom rechten, der andere vom linken Ende des Gliedes entfernt. Im Aussehen glichen sie dem Bruchgefüge des Gliedes Nr. 4, jedoch verlief der eine in einer gekrümmten Fläche, wie sie bei Biegeversuchen mit weniger zähen Materialien aufzutreten pflegen. Die Oberflächen zeigten zahlreiche Risse und Abblätterungen mit schmutzigem Grunde. Textabbildung Bd. 282, S. 110 Fig. 10.Bruchflächen der Versuchskettenglieder. Die Proben lassen auf eine ausserordentliche Gleichmässigkeit des Materiales schliessen, wie sie auch wohl mit Rücksicht auf die mehrfache Bearbeitung des Materiales bei hohem Drucke zu erwarten war. An den Ergebnissen der Zugversuche mit dem Kettenstücke selbst erscheint auffällig die geringe Bruchbelastung des Gliedes Nr. 4. Sie entspricht, als reine Zugbelastung angesehen, einer Spannung des Materiales von 18,7 k, also nur wenig mehr als der halben Spannung an der Proportionalitätsgrenze. Da der Bruch unter dem nächsten Kettengliede erfolgt ist, so muss irgend ein Einfluss der Befestigung mittels Vorsteckeisen auf die Tragfähigkeit des Gliedes als ausgeschlossen angesehen werden. Die geringe Tragfähigkeit des Gliedes Nr. 4 ist also wohl ausschliesslich in einem örtlichen Materialfehler zu suchen, und zwar in der oben bei der Bruchbeschreibung erwähnten Fehlstelle am äusseren Rande der Bruchfläche. Aus dem Verlaufe der Bruchlinien auf den Bruchflächen (siehe Fig. 10) ist deutlich zu erkennen, dass der Bruch von dieser Fehlstelle ausgegangen ist. Ihren Einfluss wird man mit demjenigen äusserer Verletzungen bei bearbeiteten Stäben auf den Verlauf des Versuches vergleichen können, welcher sich gerade bei festeren Stahlsorten, wie das vorliegende Material, erfahrungsgemäss darin äussert, dass die Bruchlast nicht unerheblich heruntergedrückt und die Ausbildung eines feinsehnigen Bruchgefüges verhindert wird. Die Bruchflächen des Gliedes Nr. 1 zeigen derartige Fehlstellen gleichfalls. Sie dürften auch hier die Tragfähigkeit beeinflusst haben, jedoch nicht in gleich hohem Maasse, weil sie in dem geraden, lediglich auf Zug beanspruchten Theil des Gliedes liegen, während die Fehlstelle im Bruche des Gliedes Nr. 4 in dem bei Belastung der Kette auch auf Biegung beanspruchten Theil, und zwar gerade auf der äusseren am stärksten gespannten Seite lag. Jedenfalls bringen diese Fehlstellen eine erhebliche Gefahr und Unzuverlässigkeit bezüglich der Tragfähigkeit der Kette mit sich. Ihre Entstehung ist auf das Umlegen des beim Pressen der Glieder sich bildenden Bartes (siehe Fig. 4) zurückzuführen. Will man also bei Herstellung der Kette diesen Bart nicht auf geeignete sichere Weise ganz entfernen, so dürfte es sich zur Erhöhung der Zuverlässigkeit der Kette empfehlen, Material von geringerer Festigkeit zu verwenden, welches weniger empfindlich gegen Verletzungen der Oberfläche ist.“ Die symmetrische Lage des Bruches bei Glied 4 scheint unsere anfänglich ausgesprochene Vermuthung des Einflusses der Querfasern zu bestätigen. Bezüglich der ferner angestellten Versuche über Zug- und Abscherungsfestigkeit, da diese hier weniger in Frage kommen, verweisen wir auf die Quelle.