Titel: Botanische Berichte aus dem Gebiete der Waarenkunde und Nahrungsmittellehre.
Autor: Alfred Schober
Fundstelle: Band 285, Jahrgang 1892, S. 16
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Botanische Berichte aus dem Gebiete der Waarenkunde und Nahrungsmittellehre. Botanische Berichte aus dem Gebiete der Waarenkunde und Nahrungsmittellehre. Die Botanik hat sich in neuerer Zeit auf dem Gebiete der Waarenkunde und Nahrungsmittellehre einen hervorragenden Arbeitsantheil mit grossem Erfolge gesichert. Während früher ihre Thätigkeit naturgemäss nur darauf beschränkt war, nähere Kenntniss von den Pflanzen, welche die Rohmaterialien für bestimmte technische Gebiete und die Nahrungs- und Genussmittel liefern, zu fördern und zu erweitern, ist gegenwärtig in der Bestimmung und Untersuchung dieser pflanzlichen Producte selber zu der chemischen Analyse die botanisch-mikroskopische Arbeit zum grossen Vortheil für die Sache hinzugetreten, besonders in solchen Fällen, wo es sich um Untersuchung von Verfälschungen handelt. Es wird daher beabsichtigt, da die chemischen und technologischen Fragen, welche in dieses Gebiet fallen, schon längere Zeit in vorliegender Zeitschrift eine eingehende Besprechung erfahren, gewissermaassen als Ergänzung zu denselben auch über den botanischen Theil regelmässig zu berichten. In einem polytechnischen Journal wird das Hauptinteresse ganz natürlich denjenigen pflanzlichen Producten zuzuwenden sein, welche mit der Technik in naher Beziehung stehen, bezieh. den Pflanzen, von welchen diese Stoffe gewonnen werden; bei dem grossen Interesse, welches jetzt ganz allgemein für die Nahrungsmittellehre vorhanden ist, glaube ich aber auch dieses Kapitel mit in den Kreis dieses Berichtes hineinziehen zu dürfen; dagegen soll von vornherein alles das ausgeschlossen bleiben, was vorwiegend von medicinisch-pharmaceutischem Interesse ist. Im vergangenen Jahre ist von Prof. Eduard Hanausek in Wien der Versuch gemacht worden, alle Arbeiten, welche von Seiten der Chemie, der Zoologie, der Botanik, der mechanischen Technologie im Interesse der Waarenkunde, der Nahrungsmittellehre und ähnlicher Disciplinen geleistet wurden, in einer besonderen Zeitschrift zu concentriren, welche er Centralorgan für Waarenkunde und Technologie nannte. Die Anlage dieser Zeitschrift war vortrefflich und dieselbe sicherlich allen Interessenten höchst willkommen. Sie brachte in besonderen Originalarbeiten neuere Untersuchungen, ferner Aufsätze allgemeineren Inhalts, z.B. allgemeine Waarenkunde in Theorie und Praxis, die Mikroskopie bei dem waarenkundlichen Unterricht, Geheimmittel u.s.w.; in kleineren Mittheilungen wurden interessante Tagesfragen aus unserem Gebiete erörtert; Referate von Originalarbeiten anderer Zeitschriften und sehr ausführliche Besprechungen der grösseren einschlägigen literarischen Erscheinungen trugen des weiteren dazu bei, den Zweck der Zeitschrift als eines Centralorganes zu erfüllen. Es ist lebhaft zu bedauern, dass dieselbe, welche im Verlage von Felix Krais in Stuttgart bisher erschienen ist, nicht mehr fortgesetzt zu werden scheint. Ich glaubte, dieses Unternehmen um so weniger unbeachtet lassen zu dürfen, als ich des öfteren auf Originalarbeiten der Zeitschrift botanischen Inhalts in dem Folgenden zurückkommen muss. Ein technisches Gebiet, welches häufiger mit der Botanik Fühlung hat, ist die Papierfabrikation. Von neueren botanischen Arbeiten aus diesem Gebiet ist zunächst eine Arbeit von Höhnel zu nennen: Beitrag zur Mikroskopie der Holzcellulosen (Mittheilungen des k. k. technologischen Gewerbemuseums in Wien, 1891 Heft 6 bis 8). Sie enthält eine sehr genaue mikroskopische Untersuchung von 15 verschiedenen Natroncellulosen, welche eine österreichische Cellulosefabrik in Wien gelegentlich einer Ausstellung zusammengestellt hat. Diese Arbeit kann als eine Ergänzung zu dem bekannten vorzüglichen Lehrbuch desselben Verfassers: Die Mikroskopie der technisch verwendeten Faserstoffe, Wien 1887, dienen und zwar speciell zu dem Kapitel: Mikroskopische Untersuchung des Papiers. In demselben werden die Holzfasern nur sehr flüchtig gestreift, und es handelt sich dort eigentlich nur darum, in einem Holzstoff entweder Nadelhölzer oder Laubhölzer ganz allgemein zu erkennen, und es werden für die ersteren nur die durch die Verarbeitung meist zerrissenen Tracheiden angeführt, deren kreisrunde Hoftüpfel sich charakteristisch hervorheben, für die Laubhölzer als diagnostische Elemente die Gefässtücke mit den kleinen mehr elliptischen Hoftüpfeln hervorgehoben. In der neuen Arbeit nun geht Höhnel von dem Gedanken aus, dass die bisherigen Angaben zur Lösung der leichtesten und einfachsten Aufgaben in der praktischen Mikroskopie des Papiers durchaus genügen, dass es aber darauf ankäme, die mikroskopische Untersuchung derart zu vertiefen, dass alle anatomischen und histologischen Thatsachen, soweit wir sie im verarbeiteten Material mit dem unverarbeiteten vergleichen und deuten können, auch zur Untersuchung mit herangezogen werden müssen. Es ist dies ein durchaus fruchtbarer Gedanke Höhnel's, und es wird immer das Ideal einer mikroskopischen Untersuchung sein, alle vorliegenden Elemente in dem mikroskopischen Bilde richtig deuten und in der Diagnose verwerthen zu können. Dies gilt ganz besonders auch von der Mikroskopie der Nahrungsmittel, Genussmittel und Futtermittel, wo wir uns bisher nur von den hervorstechendsten, specifisch eigenartigsten Elementen leiten lassen. Allerdings kennt ein jeder, der mit solchen Untersuchungen zu thun hat, die Schwierigkeiten, die einer solchen Forderung entgegenstehen, da ausserordentlich viel Zeit und geduldige, ausdauernde Arbeit daran gewendet werden muss. Höhnel führt nun seinen Gedanken an der Untersuchung der 15 Natroncellulosen durch. Dieselben sind hergestellt aus folgenden Hölzern: Bergföhre (Pinus pumilio), Tanne (Abies pectinata), Weissföhre (Pinus silvestris), Schwarzföhre (Pinus austriaca), Lärche (Larix europaea), Fichte (Abies excelsa), Erle (Alnus glutinosa), Esche (Fraxinus excelsior), Buchweide (Salix fragilis), Salweide (Salix capraea), Rothbuche (Fagus silvestris), Vogelbeere (Sorbus aucuparia), Weissbirke (Betula alba), Aspe (Populus tremula) und Silberpappel (Populus alba). Die Cellulosen unterscheiden sich schon makroskopisch von einander, insofern in der angegebenen Reihenfolge die Bergföhre die dunkelste, die Silberpappel die hellste Cellulose liefert, und überdies die Nadelholzcellulosen viel langfaseriger, zäher und steifer sind als die Laubholzcellulosen. In der mikroskopischen Analyse beschreibt er von jeder der Nadelholzcellulosen die Form und Grösse der Tracheiden, der sogen. Strangtracheiden im Gegensatz zu den Markstrahl- oder Quertracheiden, ferner die Parenchymzellen (und zwar Markstrahl- und Strangparenchymzellen) und wo Quertracheiden vorkommen, auch diese; von den Laubhölzern ebenfalls die Laubholztracheiden, deren behöfte Tüpfel, wie schon erwähnt, von denen der Nadelholztracheiden verschieden sind, die Laubholzfasern (ohne Tüpfel), die Gefässe und die Parenchymzellen, und zwar wiederum Markstrahl- und Strangparenchymzellen, welche häufiger Unterschiede bieten und von denen besonders die ersteren mit Vortheil z.B. zur Diagnose von Pappelholz- und Weidenholzcellulosen verwerthet werden können. – Von dem gleichen Gedanken geleitet, wie ich ihn oben erörtert habe, hat Mohlisch (Centralorgan für Waarenkunde u.s.w., Heft 1) eine genaue mikroskopische Untersuchung der Steinschale der bekannten Elfenbeinnuss (Phytelephas) vorgenommen und macht auf eine Gewebeschicht aufmerksam, die aus prismatischen, senkrecht zur Oberfläche gestellten Zellen besteht; er nennt dieselben, da ihr Inhalt anscheinend von Kieselsäure erfüllt ist, Kieselzellen, und hält sie für diagnostisch wichtige Elemente. – Um wieder zur Papiertechnik zurückzukehren, so liegen noch andere werthvolle Arbeiten von Höhnel vor. Heft 4 des Centralorgan für Waarenkunde und Technologie enthält Mittheilungen aus dem Laboratorium für technische Waarenkunde und Mikroskopie der technischen Hochschule zu Wien. In denselben schildert er einen Schädling der Holzcellulose, einen Pilz aus der Gruppe der Ascomyceten, Stachybotrys lobulata Berk, die Gonidienform eines Chaetomium, welcher auf feuchter Sulfitcellulose schwarze Flecken hervorbringt. Von grösserer Wichtigkeit aber ist die an gleicher Stelle befindliche Arbeit desselben Verfassers über die Holzstoffreactionen. Es handelt sich häufig darum, in Papieren den Holzschliff, d.h. die auf mechanischem Wege gewonnene Holzfaser nachzuweisen und eventuell quantitativ zu bestimmen. Es sind zu diesem Zwecke meist dieselben Holzstoffreactionen üblich, welche der Botaniker in der Mikroskopie seit längerer Zeit zum Nachweis des Holzes in Geweben anwendet, das schwefelsaure Anilin und Phloroglucinsalzsäure; beide sind von Wiesner in die Wissenschaft und Technik eingeführt worden, Höhnel weist nun nach, das Phloroglucinsalzsäure nicht nur Holz (Lignin), sondern auch Kohlehydrate wie Rohrzucker, Stärke und Dextrin roth färbt. Aus reiner Cellulose bestehendes schwedisches Filtrirpapier nimmt, mit Rohrzucker getränkt und darauf mit Phloroglucinsalzsäure behandelt, wenn es rasch getrocknet wird, eine rothe Farbe an; ja in reinen Cellulosepapieren tritt selbst ohne Hinzufügung eines Kohlehydrats bei Behandlung mit Phloroglucinsalzsäure und schnellem Trocknen die rothe Farbe ein, als wenn die Cellulose stark verholzt wäre. Das Gleiche soll nach seinen Untersuchungen auch von dem schwefelsauren Anilin in seiner Art gelten und er spricht sich in Folge der Unzuverlässigkeit dieser Reactionen dahin aus, dass dieselben bei einer Diagnose nicht ausreichen und die mikroskopische Untersuchung immer mit zu Rathe gezogen werden muss. Ich habe dies etwas ausführlicher erwähnt, weil, wie aus einem Bericht von Herzberg in den Mittheilungen aus der königl. technischen Versuchsstation zu Berlin, 1891 (Ueber die Schätzung des Holzschliffs im Papier) hervorgeht, gerade das schwefelsaure Anilin zur Bestimmung des Holzschliffs im grösseren Maasstab angewendet wird, und zwar derart, dass besondere Papiere von bestimmtem, bekanntem Holzschliffgehalt als Vergleichsobjecte dienen. Man wird nach den mitgetheilten Beobachtungen Höhnel's auf eine andere Methode zurückgreifen müssen, vielleicht auf die Methode von Godeffroy und Conton, in welcher die Fähigkeit des Holzschliffs, Goldchloridlösungen zu reduciren, verwerthet wird, um so mehr, als ihr schon jetzt von Herzberg in dem genannten Bericht grosse Genauigkeit nachgerühmt wird und Godeffroy selber in dem neuesten Hefte der Mittheilungen des k. k. technologischen Gewerbemuseums in Wien, 1891 Heft 11 bis 12, seine Methode zu vereinfachen und weiter auszubilden sucht. Für die Papierindustrie interessirt vielleicht noch, dass sich bei einer Untersuchung von mehreren japanesischen Papierarten durch Prof. Laubeck in Wien herausgestellt hat, dass neben der Broussonetia papyrifera noch eine andere japanesische Pflanze, Wickstroemia canescens, die Fasern zur Papierfabrikation liefert (Untersuchungsergebnisse von vier japanesischen Papiersorten. Mittheilungen des k. k. technologischen Gewerbemuseums in Wien, 1891 Heft 9 bis 10). Die letztere Faser, welche bis jetzt weder in Wiesner's Rohstoffen noch in Höhnel's technisch verwendeten Faserstoffen aufgeführt ist, wird hier ausführlich beschrieben. Sie wird durch eine wässerige Jodlösung gelb gefärbt; die Enden sind kolbenförmig und abgerundet; in Kupferoxydammoniak quillt sie perlschnurartig auf und unterscheidet sich durch dieses alles von der schon länger bekannten und öfters beschriebenen Faser von Broussonetia papyrifera. Bei uns hat neuerdings die Papierindustrie und besonders die Cellulosefabrikation ein neues Rohmaterial im Torf gefunden, dessen zarte schmiegsame Pflanzenfaser sich zur Darstellung eines Torfcellulosepapiers trefflich eignen soll. In Oldenburg und Schweden haben Actiengesellschaften aus den aus Moostorfschichten gewonnenen staubfreien Fasern auch Gewebe und Teppiche hergestellt. Da wir gerade das Gebiet der pflanzlichen Fasern allgemeiner berühren, möchte ich noch einmal auf die Ramiefaser hinweisen und dem nach einem im Franclin-Institut von Jules Juvenet gehaltenen Vortrage verfassten Berichte in D. p. J., 1891 280 55, noch einige Mittheilungen meist botanischer Natur hinzufügen. Alles, was unter dem Namen Chinagras, Rhea, Ramie in den Handel kommt, stammt nach den Ausführungen von Hassak (Centralorgan für Waarenkunde u.s.w., 1891 Heft 1 bis 2) von Boehmeria nivea Hook et Arn. – Boehmeria nivea var. tenacissima ist eine auf den Sundainseln einheimische Varietät, welche sich nur in warmen Klimaten zur Cultur eignet, während Boehmeria nivea auch in gemässigten Gegenden, z.B. in Tiflis, mit Erfolg angebaut wird; in Italien, in Ungarn und in Baden (Emmendingen) wird der Ramiebau versuchsweise im Kleinen betrieben. Das beste Material zur Verarbeitung ist erfahrungsmässig der von den äusseren Geweben befreite Bast, das sogen. rohe Chinagras, wie er als Rohbast aus China auf den Markt gebracht wird. Der Bast aus Java soll minderwerthig sein. An einer anderen Stelle (Jahresbericht der Wiener Handelsakademie, 1890) hat Hassak schon früher darauf hingewiesen, dass die Ramiefaser vielleicht auch zum Anbau in unseren deutschen ostafrikanischen Colonien sich eigne, wo die Cultur der Baumwolle und Jute z.B. schon länger ausgebildet ist. Ich will bei dieser Gelegenheit nicht versäumen, auf zweiSchriften hinzuweisen, welche sich sehr eingehend mit der Frage nach der Cultur wichtiger Nutzpflanzen in Deutsch-Ostafrika beschäftigen und zwar sowohl dort schon einheimischer als auch neu einzuführender. Es ist dies einmal „Die tropischen Nutzpflanzen Ostafrikas, ihre Anzucht und ihr eventueller Plantagenbetrieb“ von Sadebeck, Hamburg 1891; der Verfasser legt hier die Erfahrungen nieder, welche er in dieser Frage durch exacte Untersuchungen in den Hamburger wissenschaftlichen botanischen Instituten und einem botanischen Privatgarten für eine grosse Anzahl der wichtigsten tropischen Nutzpflanzen seit einer längeren Reihe von Jahren gesammelt hat; sodann ist es ein in der Pharmaceutischen Zeitung, 1891 Nr. 89 u. f., erschienener Aufsatz: „Deutsche Colonialproducte, I. Ostafrika“. Der Verfasser ist leider nicht genannt, sondern nur angegeben, dass der Aufsatz mündlichen Mittheilungen des Herrn Dr. Hindorf, einem um die Plantagengründung in Ostafrika sehr verdienten Manne, zum grössten Theil seine Entstehung verdanke. Ich kann aus diesen beiden Schriften nur einiges herausgreifen, z.B. das, was über die neuen Anlagen von Thee-, Kaffee- und Cacaoplantagen gesagt ist. Nach allen Vorarbeiten hofft man im April d. J. so viel Samenpflanzen zu haben, dass je 100 Morgen damit bepflanzt werden können. Für den Thee sind Samen von Thea sinensis und Thea assamica aus Ceylon bezogen, wo nach Tschirch (Indische Heil- und Nutzpflanzen und deren Cultur, Berlin 1891) die Theecultur sich eine, China fast überflügelnde Stellung erworben hat; die Samen für den Kaffee stammen aus Sumatra, die für den Cacao ebenfalls aus Ceylon. Sadebeck setzt ganz besonders auf die Kaffeecultur in Ostafrika die grössten Erwartungen und macht darauf aufmerksam, neben der Coffea arabica die im tropischen Westafrika heimische Coffea liberica Hiern. nicht unbeachtet zu lassen, deren Culturbedingungen allerdings andere sein müssen als die des arabischen Kaffeebaumes. Von Nutzpflanzen, welche in Afrika selber ihre Heimath haben, weist Sadebeck besonders auf den in Centralafrika heimischen Colanussbaum (Cola acuminata Schott et Endl.) hin, dessen rationelle Cultur in unseren Colonien nur von grösstem Vortheil sein kann.Da es hier an Raum fehlt, auf die neuerdings so bekannt gewordene Colanuss näher einzugehen, verweise ich auf Schuchardt, Die Colanuss in ihrer commerciellen, culturgeschichtlichen und medicinischen Bedeutung, Rostock 1891. Gelegentlich der Besprechung der afrikanischen Kautschukbäume Vahea kirkii Hook und Vahea florida Benth., durch deren Entdeckung Afrika zu einem wichtigen Productionsgebiet des Kautschuks geworden (es wurden im letzten Jahre 200000 k Kautschuk importirt), spricht Sadebeck sein Bedauern darüber aus, dass die Gewinnungsweise desselben noch eine durchaus rohe sei, weil er nur von wild wachsenden Pflanzen gewonnen werde, und fordert dazu auf, auch andere Kautschukpflanzen in Ostafrika einzuführen, da er gerade dieses Gebiet ganz besonders günstig für die Kautschukproduction halte, allerdings nicht ohne vorhergehende eingehende wissenschaftliche Versuche, denen ähnlich, welche in den Kew Gardens angestellt werden und sich gerade für die Kautschukproduction Ceylons durch die Cultur von Manihot Glazovii Müll.-Ary. durchaus bewährt haben. Aus den oben angeführten Mittheilungen des Herrn Dr. Hindorf geht aber hervor, dass solche Versuche in Ostafrika selber mit Hevea brasiliensis und Manihot Glazovii schon mit gutem Erfolge gemacht wurden. Da es vielleicht nicht allgemein bekannt ist, will ich hier einfügen, dass früher einmal Georg Kastner (Ist in Deutschland eine Production von Kautschuk möglich, gestützt auf den Anbau einheimischer Culturpflanzen? Eine Frage an Landwirthe, Industrielle, Techniker und Chemiker, Breslau 1885) den Vorschlag gemacht hat, Sonchus oleraceus zum Zweck der Kautschukgewinnung anzubauen; wenn auch der reine Kautschukgehalt nur 0,187 Proc. betrüge, so würde der Anbau doch durch viele Nebenproducte, Fett, Wachs, grünen Farbstoff, Futtermehl, die Pappushaare (zur Papierfabrikation) lohnend. Mit Recht hat damals Tschirch (Botan. Zeitung, 1886) darauf hingewiesen, dass die Arbeitskosten bei uns viel zu hohe sind, dass der Kautschuk des Handels in Gegenden gewonnen wird, wo die Arbeit so gut wie nichts kostet, und überdies von Bäumen, die einen gewaltigen Ertrag liefern, dass aber ausserdem die angeführten Nebenproducte schon viel besser und billiger auf anderem Wege gewonnen werden. Um zu den Culturpflanzen in Ostafrika zurückzukehren, sollen von den vielen Pflanzen, über welche Sadebeck in der genannten Schrift seine Beobachtungen mittheilt, nur noch die Oelpflanzen erwähnt werden. Da sollen zunächst Cocospalmenpflanzungen, wie Sadebeck angibt, mit gutem Erfolge im ostafrikanischen Küstengebiet betrieben werden; in dem schon mehrfach genannten Aufsatz der Pharmaceutischen Zeitung wird allerdings die Meinung vertreten, dass die Cultur der Cocospalmen im Grossbetrieb ohne finanziellen Erfolg sein würde, da die Nüsse nicht die Qualität der von Ceylon und den Südseeinseln herkommenden erreichten. Sodann befürwortet Sadebeck die Anlage von Oelpalmenpflanzungen, ferner neben den bereits cultivirten Oelpflanzen, wie Sesam und Erdnuss, die Cultur eines ebenfalls in Ostafrika einheimischen, bisher nicht ausgenutzten Klettergewächses, einer Cucurbitacee, Telfaira pedata Hook, deren entschälte Samen 59 Proc. fettes Oel enthalten, sowie die der sogen. Nigersaat, Guirotia abessinica Cass., welche bisher nur sehr vereinzelt in Cultur genommen wird. Von anderer Seite (Lewin, Die Früchte der Arecapalme, Centralorgan für Waarenkunde) wird auch der Anbau dieser Palme, als einer Oelpflanze, in unseren ostafrikanischen Colonien empfohlen. Die Samen derselben liefern bekanntlich das wichtigste Ingredienz zu dem sogen. Betel; Lewin stellt aus denselben auch ein Fett her, das Arecafett, welches in der Pharmacie schon Anwendung findet, und von welchem er eine ausgedehntere Verwendung speciell auch in der Seifenindustrie und zu Ernährungszwecken erwartet; die Cultur der Palme sei um so mehr zu empfehlen, als das Mesocarp der 4 bis 7 cm langen und 4 bis 5 cm breiten Früchte ähnlich wie bei den Cocosfrüchten aus dichten zähen Fasern bestehe, welche für die Papierfabrikation in Betracht kommen können. Um nun von diesen botanischen Bestrebungen in unserem ostafrikanischen Colonialgebiet zu unserer einheimischen. Industrie zurückzukehren, so hat sich bei uns vor einiger Zeit durch die Beobachtung von C. Müller (Berichte der Deutschen botanischen Gesellschaft, 1890 Heft 10) die Linde als ein hervorragender Oelbaum herausgestellt. Die Samen der Tilia ulmifolia var. intermedia übertreffen nach den Mittheilungen des Autors unsere bekannten Oelsamen, wie Raps, Lein, Hanf u.s.w., bedeutend in ihrem Gehalt an fettem Oel, welcher bis zu 60 Proc. steigt; das Oel selber soll ein schönes gelbes, in der Farbe an Provenceröl erinnerndes, im Geschmack dem besten Olivenöl ebenbürtiges, nicht trocknendes Oel sein. Es ist bis jetzt leider nichts darüber bekannt, ob sich dasselbe schon als Genussmittel oder in der Technik einen Platz erobert hat. Auf die Arbeiten, welche es speciell mit der Untersuchung von Verfälschungen der vegetabilischen Oele zu thun haben, z.B. die Arbeiten von Holde (in den Mittheilungen aus der königl. technischen Versuchsstation zu Berlin, 1891) soll nur ihres mehr chemischen Charakters wegen kurz hingewiesen werden, ebenso auf die sehr interessante Arbeit von Welmanns (vgl. 1892 284 262. 298) über den Nachweis von Baumwollsamenöl im amerikanischen Schweinefett. – Dagegen will ich die Aufmerksamkeit noch auf die zum Zwecke der Oelgewinnung neuerdings auch in Deutschland angepflanzten Rosen lenken. Während bisher mehrere Arten, Rosa alba L. F. var. suaveolens Dieck, Rosa gallica var. byzantina Dieck, Rosa gallica var. conditorum Dieck, Rosa gallica var. aus Brussa und Rosa gallica var. damascena L. F. trigintipetala Dieck angebaut wurden, und unter diesen die Byzantina darum häufig vorgezogen wurde, weil sie direct aus Stecklingen gezogen werden kann, macht gegenwärtig Dieck, der Begründer der Oelrosenculturen bei uns, darauf aufmerksam, dass die Cultur nur bei Verwendung der letztgenannten Rose, der sogen. echten Kazanlikrose, in Deutschland erfolgreich werde, und dass besonders die Blüthe der Byzantina, welche früher von ihm als „Lückenbüsserin“ empfohlen wurde, eine durchaus minderwerthige Waare sei. Ich möchte diesen Bericht nicht schliessen, ohne eine wissenschaftliche Leistung der jüngsten Zeit zu erwähnen, welche den in so vielen Theilen unseres Vaterlandes besonders angebauten Tabak betrifft und ein Ergebniss der in immer weitere Kreise auch unseres industriellen Lebens hineingreifenden bakteriologischen Forschung ist. Es ist dies die durch die Untersuchungen Suchsland's festgestellte Thatsache, dass die Fermentation des Tabaks und die dadurch hervorgerufene Veränderung der in den Tabaksblättern enthaltenen Stoffe eine Wirkung der Thätigkeit von Bakterien ist, und dass die verschiedene Qualität der türkischen, brasilischen und Havannatabake, sowie unserer Pfälzer, Uckermärker und Badenser Tabake neben Klima, Cultur und Boden mit bedingt wird durch eine specifisch verschiedene Thätigkeit und Wirkung der auf allen Tabaksblättern specifisch verschiedenen Bakterien. In einem im Tabakverein in Mannheim am 11. Januar 1892 gehaltenen Vortrage setzt Suchsland die experimentellen Beobachtungen des näheren aus einander, welche zu dieser Anschauung zwingen. Er führt ganz allgemein den rauhen Geschmack des deutschen Tabaks auf eine unvollkommene Zersetzung der eiweisshaltigen Stoffe durch die einheimischen Bakterien zurück; man müsse daher dafür sorgen, edlere Fermentationserreger in einem Stadium der Fermentation auf unsere Tabake zu übertragen, was möglich sei, da an jedem ausländischen Tabakblatte sich Spaltpilze befinden, von welchen Reinculturen gemacht werden können. Die Versuche, welche er selbst mit verschiedenen einheimischen Tabaken gemacht habe, seien nach seinen Mittheilungen von gutem Erfolge gewesen, und er fordert die deutsche Tabakindustrie zu weiteren Versuchen in dieser Richtung auf. Dr. Alfred Schober.