Titel: Die neue Doppelkesselanlage der Spinnerei und Buntweberei Pfersee bei Augsburg.
Autor: A. Hering
Fundstelle: Band 286, Jahrgang 1892, S. 276
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Die neue Doppelkesselanlage der Spinnerei und Buntweberei Pfersee bei Augsburg. Mit Abbildungen. Die neue Doppelkesselanlage der Spinnerei und Buntweberei Pfersee bei Augsburg. Der wirthschaftliche Rückschritt in der deutschen Industrie ist ganz besonders bei der Textilbranche in bedauerlicher Weise aufgetreten und wird namentlich in solchen Etablissements verspürt werden, welche wegen mangelhafter Einrichtungen theurer fabriciren. Es werden daher alle Werke die gegenwärtige Zeit zur Einführung von Verbesserungen benutzen, um bei dem ja nicht ausbleibenden Umschwünge von den besseren Zeiten sofort zu profitiren. Zu den Etablissements, welche zeitig an die erforderliche Reorganisation der Einrichtung – namentlich der motorischen – herangetreten sind, gehört in erster Linie die Spinnerei und Buntweberei in Pfersee bei Augsburg. In diesem Etablissement wird die Betriebskraft zum geringen Theil von einer Turbinenanlage, zum grossen Theil aber von zwei Dampfmaschinen erzeugt. Die eine, grössere dieser Maschinen ist eine einstufige zweicylindrige Condensationsmaschine von Gebrüder Sulzer in Winterthur, die andere eine Verbundmaschine von der Maschinenfabrik Augsburg in Augsburg. Beide Maschinen befinden sich, wie durch wiederholte Versuche festgestellt ist, in gutem Zustande, wenn auch nicht verhehlt werden kann, dass die grössere einstufige zweicylindrige Condensationsmaschine hinsichtlich des sparsamen Dampfverbrauches der Verbundmaschine etwas nachsteht, und ist deshalb in Aussicht genommen, die grössere Eincylindermaschine durch eine Dreicylindermaschine zu ersetzen. Da aber, wie schon angedeutet, der Zustand der demnächst auszuwechselnden Maschine noch sehr gut ist, während andererseits die wirthschaftliche Leistung der inzwischen veralteten Dampfkesselanlage sehr viel zu wünschen übrig liess, so wurde vorerst eine dem heutigen Stande der Technik entsprechende neue Kesselanlage so hergestellt; dass sie später eine Dreicylindermaschine speisen kann. Die Ausführung wurde dem Unterzeichneten übertragen. Der Auftrag lautete zunächst auf zwei Doppelkessel von 180 qm Heizfläche und 8½ at Ueberdruck, an welchen sich später noch die Bestellung eines dritten Kessels der gleichen Construction und Grösse, jedoch für 12 at reihte. Gleichzeitig mit den beiden ersten Kesseln wurde eine „Anlage zur chemischen Reinigung des Speisewassers, System Humboldt, aufgestellt und dieselbe mit den ersten Kesseln in Betrieb gesetzt. Das erforderliche Kesselhaus wurde, nachdem von Unterzeichnetem die Hauptabmessungen festgestellt waren, von Thormann und Schneller in Augsburg entworfen und erbaut, und ist dasselbe in nebenstehender Figur näher veranschaulicht. Textabbildung Bd. 286, S. 277Dampfkesselanlage der Spinnerei Pfersee.A Humboldt'scher Wasserreinigungsapparat; B Worthington's Dampfpumpen; C Cisterne für Condensationswasser; D Kohlensilo. Der für die Aufnahme der Kessel bestimmte Raum hat bei 13 m Tiefe eine lichte Länge von 19 m und ist derselbe so bemessen, dass ausser den bereits untergebrachten drei Stück Doppelkesseln noch zwei weitere Kessel aufgestellt werden können. Die Kohle wird hier nicht in das Kesselhaus gefahren, sondern direct vom Wagen aus in den vor der Front befindlichen „Kohlensilo“ geworfen und von hier aus durch die Heizer zur Verfeuerung herausgeholt. Durch diese Einrichtung wird nicht nur das Kesselhaus viel sauberer erhalten, sondern es wird auch der durch das immerwährende Kohlenfahren entstehende Luftzug vermieden. Die in Holz gehaltene Dachconstruction wird von je zwei schmiedeeisernen, im Kesselgemäuer eingelassenen Säulen getragen, während durch eine aufgesetzte Laterne für genügende Ventilation des Kessellocales Sorge getragen ist. Der sich an das letztere anschliessende und unter dem gleichen Dache befindliche Raum für die Speisewasserreinigung hat eine Länge von 5,5 m, und befinden sich in demselben auch die zur Speisung sowohl der neuen, als auch alten Kesselanlage dienenden zwei Dampfpumpen „System Worthington. Die Aufgabe der letzteren besteht aber nicht allein darin, den Dampfkesseln das erforderliche Wasser zuzuführen, sondern eine derselben hat auch den Wasserreinigungsapparat zu versorgen. Bezüglich der Construction und Wirkungsweise des Wasserreinigungsapparates verweisen wir auf 1890 275 * 412. Textabbildung Bd. 286, S. 277Kessel der Spinnerei Pfersee. Ueber die Arbeitsweise der beiden Dampfpumpen ist zu bemerken, dass dieselben ununterbrochen in Thätigkeit sind; brauchen Apparat und Kesselanlage zeitweise kein Wasser, so tritt das angesaugte Wasser durch ein entsprechend eingestelltes Sicherheitsventil nach dem Behälter zurück, aus dem es entnommen wurde. Durch diese Neuerung ist nicht nur einem Zerspringen der Druckleitungen vorgebeugt, sondern man ist auch sicher, dass die Dampfpumpen richtig functioniren, was nicht immer der Fall ist, wenn dieselben öfter abgestellt bezieh. ausser Thätigkeit gesetzt werden. Die Construction der zur Aufstellung gelangten Dampfkessel ist aus der umstehenden Detailzeichnung (Fig. 1) näher zu ersehen. Da dieses Kesselsystem sich in Folge seiner Vorzüge ausserordentlich rasch eingebürgert hat, so möge dasselbe hier etwas eingehender beschrieben werden. Der aus einem Cornwallkessel mit darüber gelegtem Heizröhrenkessel zusammengesetzte Doppelkessel verdankt seine Entstehung dem Bestreben, die sogen. innere Heizfläche möglichst gross zu machen, um auf diese Weise eine starke Erhitzung des Kesselmauerwerkes zu vermeiden und die Wärme Verluste durch das Mauerwerk möglichst herabzudrücken. Ich habe schon in meinen am 18. April 1884 bezieh. 23. März 1888 zu München im bayerischen Bezirksverein des Vereins deutscher Ingenieure gehaltenen Vorträgen den grossen Werth der Innenfeuerungen hervorgehoben und dabei nachgewiesen, dass der ökonomische Effect eines Dampfkessels mit der relativen Grösse der inneren Heizfläche wächst. (Vgl. Zeitschr. d. V. d. I., Bd. 23 u. 28.) Es genügt ja auch eine einfache Ueberlegung, um darüber klar zu werden, dass diejenige Kohlen- bezieh. Brennstoffmenge, welche bei Kesseln mit Aussenfeuerungen erforderlich ist, um den Feuerherd täglich einmal in Glühhitze zu versetzen, einen sich durchschnittlich jährlich 300mal wiederholenden Verlustposten bildet, welcher um so grösser wird, je ausgedehnter die betreffende Kesselanlage ist. Da man nun gerade in Pfersee an den dort bislang im Betriebe befindlichen Aussenfeuerungskesseln reichlich Gelegenheit hatte, die Grösse dieser Verlustposten kennen zu lernen, so war es mir nicht schwer, den Leiter des Werkes zu überzeugen, dass für die neue Anlage lediglich Innenfeuerungskessel in Frage kommen können. Der abgebildete Doppelkessel ist aber ein Innenfeuerungskessel in des Wortes vollster Bedeutung. Die Feuerung liegt in den beiden, den Unterkessel durchziehenden Flammrohren. Die auf den Rosten entwickelten Verbrennungsproducte gelangen nach dem Verlassen der Flammrohre zunächst in die aus hochfeuerfesten Schwandorfer Kaolinsteinen hergestellte Rauchverbrennungskammer, in welcher eine vollständige Nachverbrennung aller etwa nicht vollkommen verbrannten Gase stattfindet. Erreicht wird dies zunächst durch die im Verhältniss zu den eingebauten langen Rosten sehr kurzen Flammrohre, was zur Folge hat, dass die Verbrennungsproducte mit einer sehr hohen Temperatur in die Verbrennungskammer eintreten. Gelangen nun beim Schüren des einen der beiden Roste noch unverbrannte Gase in die Rauchverbrennungskammer, so kommen sie einerseits mit den in Weissglut befindlichen Wänden derselben in Berührung und mischen sich andererseits mit den aus dem anderen Flammrohre austretenden und überschüssige Luft enthaltenden Verbrennungsproducten, so dass in der Verbrennungskammer eine vollkommene secundäre Verbrennung unter vollständigem Ausschluss von Rauch- und Russbildung stattfindet. Dieser Umstand ist aber, abgesehen von der dadurch wegfallenden Belästigung der Nachbarschaft, noch um deswillen von grösster Wichtigkeit, weil die Heizgase auf ihrem weiteren Wege die im Oberkessel befindlichen Heizrohre passiren müssen. Wären die Heizgase stark mit Russ vermengt, so würde die von diesen Röhren gebildete Heizfläche einen Wärme nicht leitenden Ueberzug erhalten und die Heizgase so behindern, ihre Wärme an das Wasser abzugeben. Nachdem aber häufig vorgenommene pyrometrische Messungen ergaben, dass die Temperatur der aus den Heizröhren austretenden Rauchgase im Maximum 350° C. beträgt, so ist die Wahrheit des oben Gesagten aufs beste bewiesen, damit aber auch dargethan, dass bei dieser Kesselconstruction von besonderen Wärmeverlusten überhaupt nicht die Rede sein kann, weil die Rauchgase erst nach dem Verlassen der Heizröhren die äusseren Wandungen des Kessels bezieh. der wirklichen Einmauerung bespülen, ehe sie nach dem Kamin abziehen, und auf diesem Wege keine grosse Wärmetransmission mehr nach aussen stattfinden kann, da die Abkühlung der Gase schon zu weit vorgeschritten ist. Aus dem Gesagten geht zur Genüge hervor, dass die Feuerungseinrichtung der Doppelkessel eine wirklich vollkommene genannt werden muss; ein Gleiches gilt aber auch von der Bauart und sonstigen Wirkungsweise desselben. Ein Hauptvorzug des ganzen Kesselsystems besteht zunächst noch darin, dass sowohl der Unterkessel, als auch der Oberkessel mit gesondertem Dampfraume versehen sind und dass beide Dampfräume mit einem reichlich bemessenen Dampfsammler in Verbindung stehen, von wo aus der Dampf nach den Verbrauchsstellen geleitet wird. Aus dieser Anordnung ergibt sich zunächst, dass die Dampfblasen bei ihrem Aufstiege keine besonders hohe Wassersäule zu überwinden haben; ferner wird durch die beiden Wasserspiegel eine sehr grosse Verdampfungsoberfläche geschaffen, während aus der Gesammtanordnung grosse Dampf- und Wasserräume resultiren, welche für die Erzeugung von technisch trockenem Dampf von der grössten Wichtigkeit sind. Die Dampfräume stehen mittels eines durch einen weiten Blechstutzen geführten 160 mm messenden Dampfrohres mit einander in Verbindung, während der Unterkessel sein Speisewasser in der Regel aus dem Oberkessel erhält. Zu dem Zwecke ist durch den schon erwähnten weiten Blechstutzen ein in der Höhe des normalen Wasserstandes ausmündendes, nach oben trichterförmig erweitertes Ueberlaufrohr von 80 mm Weite vom Unterkessel nach dem Oberkessel geführt, und taucht dasselbe am unteren Ende einige Centimeter tief in den Wasserspiegel des Unterkessels ein, während das obere trichterförmige Ende, wie schon erwähnt, in der Ebene des Wasserspiegels vom Oberkessel ausmündet. Das wirkliche Speiserohr geht durch den Dampfsammler hindurch nach dem Oberkessel und wird daher in Folge dieser Anordnung das doch immerhin kalte Speisewasser in den von relativ kälteren Heizgasen bespülten Oberkessel geleitet; die kälteren Wasserschichten sinken dort zu Boden, während die warmen Wassermengen nach oben steigen, um bei fortgesetzter Wasserzufuhr durch den Ueberlauftrichter nach dem Unterkessel abzufliessen. Diese Art von Speisung hat den grossen Vortheil, dass alle im Oberkessel schon ausgeschiedenen Kesselsteinbildner, welche anfänglich auf dem Wasserspiegel herumschwimmen, von der auf demselben herrschenden Strömung nach dem Unterkessel geführt werden, wo sie sich auf der kältesten Stelle desselben niederschlagen und dort bequem entfernt werden können. Ausser dieser Speisevorrichtung ist noch durch ein geeignetes Dreiwegerohr mit Ventilen Vorsorge getroffen, dass nöthigenfalls der Unterkessel, wenn dort durch irgend welchen Zufall der Wasserspiegel zu tief gesunken sein sollte, direct von der Pumpe gespeist werden könnte, doch hat diese Einrichtung nur den Charakter eines Nothbehelfes und soll dieselbe in der Regel nicht benutzt werden. Eine weitere Eigenart der Construction ist die, dass, während der Oberkessel wagerecht liegt, der Unterkessel nicht nur stark nach hinten geneigt ist, sondern dass derselbe am hinteren Ende einen wesentlich kleineren Durchmesser hat als vorn beim Heizerstand. Mit dieser Anordnung wird eine allen anderen Doppelkesselconstructionen anhaftende Schwäche beseitigt; nämlich die, dass die hintere Stirnwand nicht ganz von Wasser bedeckt ist. Dies ist auch bei wagerechter Lage des Unterkessels natürlich nicht möglich, und muss daher auch bei anderen Ausführungen der vom Wasser entblösste Theil der hinteren Stirnwand durch eine vorgemauerte feuerfeste Wand vor der Einwirkung der aus den Flammrohren tretenden Stichflamme geschützt werden. Da aber diese Schutzwand an den Feuerrohren ausgespart werden muss, so kam es vor, dass dieselbe während des Betriebes einstürzte, was zur Folge hatte, dass der im Dampfraume liegende Theil der hinteren Stirnwand durch die Einwirkung der Stichflamme defect wurde. Bei der vorliegenden Ausführung ist nur eine auf dem Unterkessel fest aufruhende Scheidewand erforderlich, während die hintere Stirnwand, da sie vollständig im Wasserraume liegt, unbedenklich der Stichflamme ausgesetzt werden darf. Hier ist auch noch die gewölbte Form der Kesselböden zu erwähnen, durch welche es, selbst bei dem hohen Kesseldrucke von 12 at, ermöglicht wurde, nicht nur auf jegliche weitere Verankerung der Stirnwand zu verzichten, sondern durch die gewölbten Böden ist sogar der verschiedenartigen Ausdehnung und des Auftriebes der Flammrohre Rechnung getragen. Es kommen daher die sonst gern auftretenden Undichtheiten an den Stirnwänden, oder Brüche in den Flammrohrrundnähten gänzlich in Wegfall. Während nun die in Pfersee zuerst zur Aufstellung gelangten zwei Stück Doppelkessel für 8½ at Ueberdruck wie bisher wohl allgemein üblich aus „Schweisseisen“ hergestellt wurden, ist man, um geringere Wandstärken zu erhalten, bei dem zuletzt gelieferten Kessel von 12 at, unter Hinwegsetzung über die früher geäusserten, jedoch unbegründeten Bedenken, dazu übergegangen, diesen Kessel aus dem eine wesentlich grössere Festigkeit bietenden „Siemens-Martin-Stahl“ (oder Flusseisen)herstellen zulassen. Gegen dieses Material hat bei vielen Fachgenossen lange Zeit ein grosses Vorurtheil bestanden, weil man gewohnt war, sich darunter ein sehr sprödes, in Folge dessen für den Kesselbau wenig geeignetes Material vorzustellen, während es in Wirklichkeit die gegentheiligen Eigenschaften besitzt. Die für die deutschen Kesselfabrikanten maassgebenden Würzburger Normen schreiben für die beim Kesselbau zu verwendenden Materialien folgende Festigkeit vor: Mantelbleche in der   Längsfaser 33 k für 1 qc bei   7 Proc. Dehnung Bördelbleche 35 k 1 qc 12 Feuerbleche 36 k 1 qc 18 Der nach dem basischen Processe hergestellte „Siemens-Martin-Stahl“ hat aber schon in seiner geringsten Qualität eine Festigkeit von 36 k für 1 qc, welche im Durchschnitt auf 42 k steigt, während die Dehnung im Minimum 20 Proc. beträgt. Diese Zahlen beweisen, dass die Bedenken, welche längere Zeit gegen dieses Material geltend gemacht wurden, für unbegründet gehalten werden können. Was nun die Bearbeitungsweise des hier beschriebenen Kessels für 12 at anbelangt, so ist es selbstverständlich, dass dieselbe mit Rucksicht auf den hohen Betriebsdruck und die durch die grossen Durchmesser bedingten grossen Wandstärken äusserst sorgfältig vorgenommen werden muss, und genügt hierfür weder das gewöhnliche Arbeitsverfahren, noch die bisher übliche Verbindung der einzelnen Platten. Ein Lochen der Bleche mit der Lochmaschine ist vollständig ausgeschlossen, ebenso unzulässig ist es aber auch, die einzelnen Platten in geradem Zustande nach der Schablone zu bohren, da in diesem Falle die einzelnen Löcher nach dem Biegen nicht genau auf einander passen würden und es bei der Steifheit der Platten nicht möglich wäre, die Löcher unter Anwendung eines „Dornes“ passend zu machen. Der einzig richtige Weg, genau passende Nietlöcher zu erhalten, besteht hier darin, dass man die einzelnen Platten, nachdem sie gebogen sind, zu Ringen zusammenstellt und die Enden durch Schraubzwingen oder Heftschrauben fest zusammenhält, worauf dann die Nietlöcher unter grossen Bohrmaschinen durch sämmtliche Wandstärken gleichzeitig hindurchgebohrt werden. Durch diese Bearbeitungsweise werden nicht nur alle nachtheiligen Nebenspannungen im Material vermieden, sondern es können dadurch auch kleinere Nietlöcher bezieh. grössere Niete angewendet werden, weil alle Löcher völlig genau auf einander passen. Die Bleche selbst sind in unserem Falle nicht über einander gelegt, sondern stumpf zusammengestossen, und ist die Verbindung derselben durch Innen- und Aussenlaschung bewirkt. Die Vernietung erfolgt auf hydraulischem Wege mittels Doppelpressen, und zwar in der Weise, dass ein grösserer Stempel die Bleche erst dicht auf einander presst, worauf ein in diesem Stempel geführter zweiter Stempel den Niet geräuschlos in das Loch presst. Bei dieser Art der Vernietung ist ein Nachstemmen selten oder erst nur dann erforderlich, wenn der Kessel einige Zeit im Betriebe war. Da es bei so hohem Drucke wünschenswerth ist, alle Schüsse möglichst kreisrund zu gestalten, so werden bei den Flammrohren die Längsnähte und bei den Mänteln der Hauptkessel die Kopfenden der aussen liegenden Ringe geschweisst. Durch die Verwendung des Siemens-Martin-Materials und die geschilderte Bearbeitungsweise ist es möglich geworden, den Doppelkessel, dessen Construction im ersten Augenblicke nicht für hohe Dampfspannungen geeignet erscheint, als Hochdruckkessel im vollen Sinne des Wortes auszuführen, und ist man daher bei den immer mehr in Aufnahme kommenden Dreicylindermaschinen nicht mehr gezwungen, nur zwischen dem Wasserrohrkessel und dem sehr unökonomisch arbeitenden Batteriekessel wählen zu müssen. – Ausser der üblichen 12monatlichen Garantie für Material und Arbeit des Kessels war seitens der Bestellerin bedungen, dass bei Verwendung von bester reiner Ruhr- oder Saarkohle für 1 qm Heizfläche und 1 Stunde mindestens 15 k Dampf producirt werden und dass entweder 1 k dieser Kohle mindestens 10 k Wasser von 50° C. in Dampf von 100° C., oder dass 1 k dieser Kohle mindestens 9,6 k Wasser von 50° C. in Dampf von 8½ at Ueberdrück verwandelt. Um festzustellen, ob diese Garantie auch erreicht sei, sollte auf Verlangen der Bestellerin spätestens 3 Monate nach Inbetriebsetzung der Kessel durch den bayerischen Dampfkesselrevisionsverein ein Garantie versuch vorgenommen werden, dessen Ausführung sich nach den in Nr. 9 Jahrg. 1884 der Verbandszeitschrift der Dampfkesselüberwachungsvereine gegebenen Vorschriften zu richten habe. Falls bei diesen Versuchen die garantirte Leistung nicht erreicht werde, soll Bestellerin berechtigt sein, für jedes volle Zehntel Minderverdampfung 500 M. vom Kaufpreis in Abzug zu bringen. Auf Grund dieser Bestimmung wurde denn auch am 7. und 8. August 1890 nach einem vom bayerischen Dampfkesselrevisionsverein ausgearbeiteten Versuchsprogramm der Garantieversuch vorgenommen und wie folgt durchgeführt: Die beiden Kessel wurden jeweils vor den Versuchen gereinigt und auf Dichtheit sowohl der Kesselkörper, als auch des Mauerwerkes untersucht und dabei alles in bester Ordnung befunden, auch wurden dieselben programmgemäss jedesmal mindestens einen Tag vor den Versuchen mit der betreffenden Versuchskohle angeheizt und mit dieser auch geheizt erhalten. Durch zwei vierstündige Vorversuche sollte einestheils das bei den Versuchen betheiligte Personal eingeschult, anderentheils auch der ordnungsgemässe Zustand der Instrumente erprobt und ausserdem auch die günstigsten Versuchsbedingungen ermittelt werden. Die Hauptversuche fanden ohne Unterbrechung statt, abgesehen von einer unvermeidlichen Schmierpause von 4 Minuten, während welcher die Rauchklappen der Kessel aber nahezu geschlossen waren. Immerhin wurde diese Zeit von der wirklichen Versuchszeit in Abzug gebracht. Der während der Versuche erzeugte Dampf ging theils direct zur Verbundmaschine, theils durch ein Druckverminderungsventil in die Hauptdampfleitung der mit geringerem Druck arbeitenden alten Kesselanlage, was zur Folge hatte, dass Unregelmässigkeiten in der Bedienung der letzteren durch die Versuchsanlage ausgeglichen werden mussten. Kurz vor Beginn eines jeden Versuches wurden die Heizrohre der Oberkessel möglichst gründlich gereinigt, dagegen während der Versuchszeit keine der Reinigungsthüren geöffnet. Die für die Versuche vorgesehene Steinkohle war von der Zeche Hibernia und Shamrock, und zwar in den Sortirungen Nuss I und Nuss II bezogen. Dieselbe war vor den Versuchen mehrere Tage trocken gelagert worden und dann auf einer genau adjustirten Decimalwage abgewogen. Während der Versuche wurden der Kohle grössere Durchschnittsproben und ausserdem mehrere Feuchtigkeitsproben entnommen. Programmgemäss wurden diese Proben der chemisch-technischen Prüfungs- und Versuchsanstalt Karlsruhe übersandt, damit dieselbe den Heizwerth, Aschen- und Feuchtigkeitsgehalt bestimmt. Nach dem mir seitens der Spinnereidirection zur Verfügung gestellten Berichte ergab diese Untersuchung folgende Resultate: Kohlensorte Nuss I Nuss II Kohlenstoff 81,29 Proc. 81,13 Proc. Wasserstoff 4,59 4,56 Sauerstoff 4,67 5,22 Schwefel 1,48 1,54 Wasser 3,95 2,68 Asche 4,02 4,87 –––––– –––––– 100,00 100,00 Heizwerth in Wärmeeinheiten 7679 7646 Um sich darüber klar zu werden, ob während der Versuche durch die Rostspalten grössere Mengen unverbrannte Kohlen hindurchfallen, wurden auch die Herdrückstände gewogen und aus einer denselben entnommenen Durchschnittsprobe gefunden, dass dieselben bei Nuss I 29,2 Proc. verbrennliche Bestandtheile enthielten. Letztere Ziffer muss als ziemlich ungünstig bezeichnet werden, und hatte dieselbe auch zur Folge, dass bei dem nachträglich aufgestellten Kessel die Rostspalten enger ausgeführt wurden, und dürfte damit auch dieser Verlustposten auf das geringste erreichbare Maass zurückgeführt werden. Das während der Versuche verspeiste Wasser wurde der erwähnten Wasserreinigungsanlage entnommen, doch war zwischen diesem und den Speiseapparaten ein auf einer empfindlichen Wage montirter Holzbottich eingeschaltet, in welchem das gesammte Speisewasser vor der Einführung nach dem Kessel gewogen wurde. Von diesem Bottich aus floss das Wasser in ein gleich grosses entsprechend tiefer aufgestelltes Gefäss, aus welchem es die Speisevorrichtungen ansaugten. Durch die hier beschriebene, vom Verfasser schon in vielen Fällen angewandte und erprobte Einrichtung war es möglich, das verspeiste Wasser ohne jede weitere Zwischenrechnung genau zu bestimmen und können daher auch die durch diesen Versuch gewonnenen Ergebnisse als äusserst genau bezeichnet werden. Als selbstverständlich muss hier noch eingeschaltet werden, dass die Temperatur des verspeisten Wassers fortlaufend notirt wurde und dass die Speiseleitung zur alten Kesselanlage abgeflanscht war. Da in das Versuchsprogramm auch die Untersuchung der Rauchgase aufgenommen war, so wurden an verschiedenen Stellen deren Temperatur durch Quecksilberthermometer und deren chemische Zusammensetzung unter Zuhilfenahme einer Bunte'schen Bürette bestimmt. Ausser diesen Messungen wurde auch noch die Zugstärke durch einen von einem gewöhnlichen Wassermanometer controlirten Siegert'schen Zugmesser bestimmt und die Temperatur im Kesselhause in kleineren Zwischenräumen gemessen. Die zur besseren Beurtheilung der gewonnenen Ergebnisse hauptsächlichsten mechanischen Verhältnisse der Anlage und die Hauptversuchsergebnisse sind in folgender Tabelle enthalten: Tabelle über die mechanischen Verhältnisse und Versuchsergebnisse. a) Mechanische Verhältnisse. Heizfläche (wasserbenetzte) für 1 Kessel 180,00 qm Ueberhitzungsfläche (dampfberührte) für 1 Kessel   22,00 qm Grösse des gesammten Dampfraumes für 1 Kessel   6,00 cbm      „        „         „           Wasserraumes für 1 Kessel 19,50 cbm Verhältniss beider 1 : 3,25 Grösse des gesammten Wasserspiegels für 1 Kessel 14,20 qm Verhältniss des Wasserspiegels zur Heizfläche 1 : 13 Totale Rostfläche für 1 Kessel 3,6 qm Verhältniss von Rostfläche zur Heizfläche 1 : 50 Freie Rostfläche für 1 Kessel    1,80 qm Kleinster freier Querschnitt in den Flammrohren  für 1 Kessel      0,525 qm Kleinster freier Querschnitt in den Heizröhren   für 1 Kessel      0,550 qm Freier Fuchsquerschnitt an der Zugklappe      0,970 qm Schornsteinhöhe 46,00 m Lichter oberer Schornsteinquerschnitt   6,93 qm   b) Versuchsergebnisse 7. AugustmitNuss I 8. AugustmitNuss II Dauer des Versuches Stund. 8,217   9,95 Kohlen verheizt während dieser   Zeit mit beiden Kesseln k 4452 5328 Kohlen verheizt für 1 qm Rost-   fläche und 1 Stunde k       75,3      74,4 Anfall an Schlacke und Asche k 139   207,5       In Procenten der verfeuerten         Kohle Proc. 3,12   3,89       Dieselben enthielten unver-        brannte Kohlentheile Proc. 29,2   5,65 Wasser wurde verdampft während   des Versuches k   44003   51044 Wasser wurde verdampft für 1 qm   Heizfläche und 1 Stunde k     14,71     14,09 Temperatur des Speisewassers. Gr. C.   27,5   28,3           „        der Heizgase beim   Verlassen des Kessels Gr. C. 222,6 242,0 Kohlensäuregehalt (CO2) der Heiz-   gase Proc.    11,79   12,3 1 k Kohle verwandelte Wasser von   50° C. in Dampf von 87½ at k     10,237        9,900 Nutzeffect der Kessel, bezogen auf   den Heizwerth der Kohle Proc.   81,37    79,04 Wie aus den hier mitgetheilten Zahlen ersichtlich, ist die von mir eingegangene Garantie; dass mit 1 k Ruhrkohle mindestens 9,6 k Wasser von 50° C. in Dampf von 8½ at Ueberdruck verwandelt werden, wesentlich überschritten worden, indem die Verdampfungsziffer 10,237 bezieh. 9,901, im Mittel also 10,069 k betrug, was einer Mehrleistung von 20,5 Proc. entspricht. Wenn man den nicht unbeträchtlichen Verlust an unverbrannter Kohle durch die etwas zu weit ausgefallenen Rostspalten berücksichtigt, so hätte am 7. August bei entsprechend engeren Rostspalten die Verdampfungsziffer ganz gut auf 10,5 k Wasser für 1 k Kohle gesteigert werden können. Nichtsdestoweniger stellt die thatsächlich nachgewiesene Verdampfungsziffer eine noch nirgends erreichte Leistung vor und wird dieselbe gewiss nicht verfehlen, die hier beschriebene Doppelkesselconstruction in immer weiteren Kreisen einzubürgern, zumal wenn die Ruhrkohle – wie nach der Lage des Kohlenmarktes mit Sicherheit anzunehmen ist – wieder billiger wird. In letzterem Falle wird es dann möglich sein, diese Kohle bis nach München concurrenzfähig zu machen, was mit Rücksicht auf die dadurch erzielte Verminderung der Rauch- und Russbelästigung viel dazu beitragen dürfte, unserer Residenzstadt den immer fühlbarer werdenden Charakter einer Industriestadt zu benehmen. In dem vom bayerischen Dampfkesselrevisionsverein an die Spinnerei und Buntweberei Pfersee erstatteten Berichte ist im Gutachten über die ermittelte Leistung wörtlich gesagt: „... dass sowohl mit Shamrock I, als auch mit Shamrock II die garantirte Verdampfungsziffer wesentlich überschritten wurde; da auch die auf die vertragsmässige Heizfläche bezogene Dampfleistung nahezu der vertragsmässigen entspricht, so ist zunächst festzustellen, dass bei den Versuchen am 7. und 8. August die Garantieziffern des Lieferungsvertrages erfüllt wurden. Der erreichte Nutzeffect betrug etwa 81 Proc. bezieh. 79 Proc. und ist als sehr gut zu bezeichnen. Das hohe, mit Ruhrkohle erreichte Güteverhältniss ist dem Zusammenwirken verschiedener Umstände und Verhältnisse zuzuschreiben, von denen wir folgende anführen: 1) das günstige Verhältniss von Rostfläche zu Heizfläche (1 : 50); 2) die vortheilhaften Versuchsverhältnisse, insbesondere in Bezug auf Rostbeanspruchung und Dampfleistung; 3) der Umstand, dass die Kessel auch während der Nacht geheizt wurden; 4) die vorzügliche Bedienung der Feuer und endlich 5) die Qualität der Shamrockkohle, welche geradezu als Typus einer besten Kesselkohle bezeichnet werden darf. Dieselbe lässt sich mit geringem Zuge in hoher Schicht verheizen, brennt dabei langsam und ganz gleichmässig mit nicht zu langer Flamme und hinterlässt so wenig Rückstände (3 bis 4 Proc.), dass während einer ganzen Tagschicht nur einmal geschlackt zu werden braucht. In Folge dieser ausgezeichneten Eigenschaften war es möglich, die Kohle mit dem nur 1,6- bezieh. 1,5fachen der theoretischen Luftmenge auf dem Planroste vollkommen zu verbrennen.“ Dass die ad 1, 2, 4 und 5 aufgeführten Punkte nicht zufällig zusammenwirken, sondern von Haus aus berücksichtigt sein mussten, ist selbstverständlich, und wird jeder unparteiische Fachmann aus den gewonnenen Versuchsresultaten die Ueberzeugung gewinnen, dass die hier beschriebene Kesselanlage darauf Anspruch machen darf, zu den besten, für jeden Interessenten sehenswerthen derartigen Neuanlagen gezählt zu werden. A. Hering.