Titel: Bemerkungen über neue Kriegswaffen.
Fundstelle: Band 288, Jahrgang 1893, S. 2
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Bemerkungen über neue Kriegswaffen. Mit Abbildungen. Bemerkungen über neue Kriegswaffen. Gewehre. In der letzten Zeit sind Angaben über 6,5 mm-Gewehre von Mannlicher und Daudeteau bekannt geworden, welche einen Anhalt zur Beurtheilung der kleinkalibrigen Handfeuerwaffen bieten, die in Italien, Holland und Rumänien zur Einführung bestimmt sind. Die Angaben über das erstgenannte 6,5 mm-Mannlicher-Gewehr sind fast gleichzeitig im Juli 1892 in der Revue d'Artillerie und in den Mittheilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens erschienen; sie machen es zunächst möglich, einen Rückblick über die Verbesserung des Geschossfluges während der letzten 30 Jahre zu werfen, aus dem sich auch einige Schlüsse auf die zukünftigen Leistungen der Kriegsgewehre ergeben. Dieser Rückblick besteht in einem Vergleich der Flugbahnen des Zündnadelgewehres von 1862, des französischen Gras-Gewehres von 1874, des österreichisch. Gewehres M. 88 und des Mannlicher-6,5-mm-Gewehres (1892). Es wird damit der Flug von 13, 11, 8, 6,5 mm-Geschossen mit ungefähr 300, 450, 620 und 730 m Anfangsgeschwindigkeit verglichen. Textabbildung Bd. 288, S. 1 Fig. 1. a Flugbahnen innerhalb Mannshöhe nebst Treffbildern. (Höhen im 20fachen Massstab der Längen.); b Eindringen der Geschosse in Sand und in Buchenholz; c Flugbahnen für 1800 m nebst Geschwindigkeiten und Treffbildern; Zündnadel-Gew. M. 4; Frz. (Gras-); Oesterr.-Ung.; Mannlicher Die nächste Folge einer grösseren Anfangsgeschwindigkeit ist natürlich eine geringere Krümmung, also eine grössere Gestrecktheit (Rasanz) der Flugbahn. Recht auffallend ist das bei den für das Schützengefecht besonders wichtigen Bahnen, d.h. bei denen, welche sich nur um ein kleines Maass, z.B. von Mannshöhe (1,6 m) über den Boden erheben. Wie Fig. 1a zeigt, ändern sich die Schussweiten für diesen „ganz bestrichenen Raum von Mannshöhe“ von 295 auf 375, 490, 590 m, also um das Doppelte. Diese Verbesserung wird noch dadurch erhöht, dass auch die wagerechte Projection des Theils der Bahn, welcher innerhalb einer noch geringeren Höhe, z.B. von 0,8 oder 0,4 m liegt, mit der Vergrösserung der Geschwindigkeit ein grösserer wird. Die Zeichnung deutet die in genanntenHöhen „bestrichenen Räume“ durch Schraffirung an, danach werden diese Ziele noch getroffen, wenn sie sich 48, 50, 60, 76 m bezieh. 23, 24, 28, 36 m näher dem Schützen befinden, als die wirkliche Schussweite beträgt. Es gleicht also die grössere Streckung der Bahn neuerer Waffen Fehler im Schätzen der Entfernung, welche naturgemäss mit der Vergrösserung der Schussweiten wachsen müssen, erheblich aus. Mit der Geschwindigkeit scheint auch die Treffähigkeit auf kleinen Entfernungen beträchtlich zuzunehmen. Es würde zwar zur Zeit schwer fallen, diesen Zusammenhang ganz überzeugend theoretisch darzulegen, die Wirklichkeit scheint ihn aber zu beweisen. Unter den Bahnen der Fig. 1a u. c sind die kleinsten Räume angegeben, welche auf den betreffenden Entfernungen alle gut gezielten Schüsse aufnehmen (die kleinsten, schwarz angelegten, gelten für das Mannlicher-Gewehr). Zum genaueren Vergleich mögen die Zahlen für die Höhen dieser Räume dienen. Es betragen die „(totalen) Höhenstreuungen“ bei einer Anfangsgeschwindigkeit von auf 300 400 500 600 m 300 m (Zündnadel-Gewehr) 1,62 2,36 3,18 4,14 m 450 „ (Gras-Gewehr) 0,96 1,37 1,83 2,34 „ 620 „ (Oesterr. Gewehr M. 88). 0,48 0,69 0,94 1,27 „ 730 „ (Mannlicher-6,5-mm-Gew.) 0,36 0,52 0,71 0,93 „ Es ergibt sich daraus zunächst die verblüffende Thatsache, dass die Treffähigkeit des Mannlicher-Gewehrs (1892) auf 600 m besser ist, als die des Gras-Gewehrs (1874) auf 300 m war. (Wenn man auch Bedenken trägt, Treffähigkeitsangaben für heutige Gewehre von fast gleichen Geschossdurchmessern und Anfangsgeschwindigkeiten, wie z.B. für die des französischen, deutschen und österreichischen Gewehrs, zu vergleichen, weil die Unterschiede zu gering sind und in den Ausführungen der Versuche liegen können, so sind die Zahlen obiger Tabelle doch so verschieden, dass man sie in Betracht nehmen kann.) Wenn man die vergrösserte Ladegeschwindigkeit und das verminderte Munitionsgewicht in Betracht zieht, so lässt sich eine Zusammenstellung aufstellen, welche die Leistungen der neuen Waffen noch mehr hervorhebt. Diese Zusammenstellung geht davon aus, dass es zur allgemeinen Beurtheilung einer Waffe nothwendig ist, die Belastung, welche ihre Munition für die Truppe bildet, ihrer Leistung gegenüberzustellen (eigentlich müsste das Gewicht der Waffe auch einbezogen werden, das würde hier aber zu weit führen). Es werden dazu die Schusstafeln herangezogen und die Annahme gemacht, dass beträgt: die Patronenzahl(Lader inbegriffen)auf 1 k die Schuss-zahl in1 Min. beim 11 mm-(Gras-) Gewehr 25,5 12    „     8    „    (Oesterr.) Gewehr 29,5 16    „     6,5 „    (Mannlicher-) Gewehr   41,66 16 Es ergeben sich dann gegen eine Zielfläche von 0,4 m im Quadrat: Auf 300 m Auf 400 m auf 1 k Munitionsgewicht 10 Treffer aus auf 1 k Munitionsgewicht 10 Treffer aus beim 11 mm-Gewehr   5 Treffer in 2,1 Min. 1,402 k in 3,9 Min.   3 Treffer in 2,1 Min. 3,405 k in 7,2 Min.     „    8    „        „ 26     „     „  1,8   „ 0,385 k  „  0,7   „ 18      „    „  1,8   „ 0,555 k  „ 1      „     „    6,5 „        „ 42     „     „  2,6   „ 0,231 k  „  0,6   „ 36      „    „  2,6   „ 0,362 k  „ 0,7   „ Für den Beurtheiler der Waffe sind besonders die senkrechten Spalten für „10 Treffer“ von Belang; daraus ergibt sich z.B., dass ein vorzüglicher Schütze mit dem Gras-Gewehr viel mehr als seinen ganzen Patronenvorrath auf 400 m gebrauchen müsste, um das angegebene Ziel eines liegenden Infanteristen in 7,2 Minuten mit nur 10 Treffern zu belegen. Mit dem Mannlicher-Gewehr würde derselbe Schütze zu diesem Zwecke mit nur 1/10 des Munitionsgewichtes und der Zeit ausgekommen sein. Die beiden anderen Spalten, Treffer „auf 1 k Munitionsgewicht“ sind nur angegeben, um zu zeigen, dass derartige Vergleichungen in Folge der Rauchlosigkeit der neuen Pulversorten auch praktisch angestellt werden können. Es muss besonders eingeschaltet werden, dass nur ganz hervorragend geschickte Schützen den Record der gegebenen Zahlen zu verbessern im Stande sein werden; für praktische Zwecke, z.B. zum Berechnen der Wirkung eines Gefechtsschiessens, würden die Gewichts- und Zeitzahlen mit 2 bis 10 zu multipliciren sein. Aus dem bisher Angeführten lässt sich noch schliessen, dass mit einer Steigerung der Anfangsgeschwindigkeit und einer weiteren Verminderung des Geschossdurchmessers auch eine Steigerung der Leistungen auf kleinen Schussweiten möglich sein wird, dass also ein neueres Gewehr von 6 mm und einer Anfangsgeschwindigkeit von 800 m noch bessere Ergebnisse bei diesen Entfernungen erreichen kann als das Mannlicher-Gewehr. Bei grösseren Schussweiten macht sich die grössere Anfangsgeschwindigkeit in der Form der Bahn zwar noch weiter geltend, so dass die Bahn der grösseren Geschwindigkeit bis auf 1800 m und selbst bis auf 2000 m die gestrecktere bleibt, indess nimmt die Krümmung auffallend stark zu. Die Hauptursache davon ist der Luftwiderstand, der bei Geschwindigkeiten, die eine gewisse Grösse überschritten haben, plötzlich unverhältnissmässig stark zunimmt. (Näheres wird weiter unten besprochen werden.) Dies drückt sich durch grossen Geschwindigkeitsverlust der Geschosse aus; derselbe ergibt sich bei der Zeichnung 1c aus der Angabe der Geschwindigkeiten (ds : dt) bei den Schussweiten 0–600–800–1200 m. Es verliert das Geschoss mit derAnfangsgeschwindigkeit von 450 m 620 m 730 m auf der Strecke  0 bis  600 m 206 m 283 m 311 m   „    „        „    600  „  1200 „   86 „   82 „ 125 „   „    „        „  1200  „  1800 „   47 „   46 „   75 „ Aus diesen Zahlen ergibt sich, dass selbst das österreichische Geschoss trotz seiner scheinbar günstigsten Form zur Ueberwindung des Luftwiderstandes von 600 m ab seine Flugbahn mit einem Geschwindigkeitsverlust fortsetzen muss, der um ⅓ grösser als beim Gras-Gewehr ist. (Ein etwas kürzeres 8 mm-Geschoss mit derselben Anfangsgeschwindigkeit von 620 m würde vielleicht noch grössere Verlustzahlen zeigen und seine Bahn mehr krümmen, wenn auch nicht so stark, wie es das 6,5 mm-Gewehr bei 730 m Anfangsgeschwindigkeit thut.) Durchaus fehlerhaft kann es sein, wenn bei den Gewehren mit hohen Anfangsgeschwindigkeiten und bei anderen mit noch höheren von der Gestrecktheit der Bahn bei kleinen Schussweiten auf die bei grossen geschlossen wird. Noch fehlerhafter würde es sein, anzunehmen, dass die Zahlen für die Treffähigkeit bei kleinen Schussweiten, wie sie oben in der Tabelle über Höhenstreuungen gegeben wurden, auch bei grossen Entfernungen in einem ähnlichen Verhältnisse wiederkehren. Schon aus der Betrachtung der unter den drei Flugbahnen bei 6–12–1800 m (Fig. 1c) dargestellten kleinsten Trefflächen für alle von einem „guten Schützen“ abgegebenen Schüsse lässt sich das feststellen; nachfolgende Tabelle macht dies noch ersichtlicher. Die Zahlen in den wagerechten Reihen unter dem Striche geben an, um das Wievielfache die Höhenstreuungen grösser sind: Auf 300 400 500 600 1200 1800 2000 2100 2400 m beim Gras-Gewehr als beim österreichischen 2 2 1,95 1,84 (1,34) 1,3    „    Gras-Gewehr als beim Mannlicher      2,66      2,63 2,58 2,56 (2,25)   1,57    „    österr. Gewehr als beim Mannlicher.      1,33      1,31 1,30 1,28 (1,67)   1,16 1 0,912 0,51 Recht bezeichnend ist besonders der Vergleich der senkrechten Spalten für 300 m und 1800 m; während auf ersterer Entfernung die Treffähigkeit der neuen Gewehre mit 620 bis 730 m Anfangsgeschwindigkeit das Doppelte und 2⅔fache des alten Gras-Gewehrs beträgt, sinken diese Zahlen bei 1800 m auf 1,3 und 1,57 herab. (Auf 1200 in scheint in den Schusstafeln entweder die Treffähigkeit des österreichischen Gewehrs zu klein, oder die der beiden anderen zu gross angegeben zu sein, sonst würden die Zahlen noch deutlicher sprechen.) Aus diesen Angaben ergibt sich, dass die Verbesserung der Leistungen der Gewehre auf grossen Entfernungen nur wenig zugenommen hat und dass die vielfach aufgetretene Ansicht, die neueren Gewehre könnten auch auf grossen Entfernungen die Feldartillerie ersetzen, ganz irrig ist. Wenn die Wirkung der Feldartillerie auf mehr als 1200 m nur wenig verbessert wäre, dann dürfte sie den Leistungen der neuesten Infanteriegewehre auf grösseren Schussweiten ebenso überlegen gegenüber treten, wie vor 10 oder 20 Jahren den damaligen besten Gewehren; eine grosse Ueberlegenheit der neuesten Gewehre über die Feldartillerie ist eben nur auf kleinen Entfernungen vorhanden und darauf beschränkt geblieben. Wenn man die Veränderungen der Gewehre mit den Veränderungen in den Leistungen zusammenstellt, so darf man die Möglichkeit nicht ausschliessen, dass auf den Geschossflug nicht nur die Vergrösserung der Anfangsgeschwindigkeit, sondern auch die Verminderung des Geschossdurchmessers Einfluss haben. (Weiter unten wird dies unter „Forschungen über den Geschossflug“ noch besprochen werden.) Sollte vielleicht bei grossen Entfernungen die Annäherung der Streuungen neuer Gewehre an die der alten und weiter noch die in der letzten Tabelle angedeutete ganz eigenthümliche Verschlechterung der Treffähigkeit des 6,5 mm-Gewehrs über 2000 m dieser Verkleinerung des Kalibers theilweise zuzuschreiben sein, so könnte die bis jetzt noch offene Frage über die Begrenzung des Kalibers in einfacher Weise gelöst werden. Es brauchten dann nur mit neuen Gewehren von 5 mm, z.B. Treffbilder auf grossen Entfernungen, 18–15–1200 m erschossen und mit den entsprechenden der 8 mm-Gewehre verglichen zu werden; wenn die letzteren gleich oder besser sind dann wird die sogen. Kaliberfrage wohl verstummen. Mit der Anfangsgeschwindigkeit hängt augenblicklich auch die Grösse der Durchschlagskraft der Geschosse zusammen und zwar ist die Durchschlagskraft der Mantelgeschosse (also auch die des österreichischen und des Mannlicher-Gewehrs) in Holz, Sand und Metallblech bei grösseren Geschwindigkeiten grösser als bei kleinen. Bei den Bleigeschossen älterer Gewehre, wie z.B. der Gras- und Zündnadel-Gewehre, war das nicht der Fall. Bei grossen Auftreffgeschwindigkeiten (also dicht vor der Mündung) schlugen sich die Geschosse pilzförmig breit, und so geschah es, dass auf nahen Entfernungen sich kleinere Eindringungstiefen ergaben, als auf grösseren. Fig. 1b gibt einen Vergleich der Eindringungstiefen auf 10 bis 20 m vor der Mündung in Sand und in Buchenholz; hier dringen das Zündnadel- und Gras-Geschoss nur 26 bis 20 cm in Sand ein, das österreichische und Mannlicher aber 80 bezieh. 100 cm tief. Dieses „Formverlieren“ der früheren und das „Formbehalten“ genannter neuer Geschosse hat vielleicht eine besondere Bedeutung für das Schiessen im Gelände. Während ein Bleigeschoss ohne Mantel bei einem Aufschlage auf nicht zu grossen Entfernungen seine Gestalt verlorund mit ungünstiger Form und geringer Geschwindigkeit eine kurze Strecke weiter flog, prallen die Mantelgeschosse bei einem Anschlage sehr leicht ab und fliegen mit grosser Geschwindigkeit eine grosse Strecke weiter. Diese neuen Geschosse gefährden also jetzt nach dem Anschlage ein viel grösseres Gelände, als es die mantellosen thaten, und deshalb besonders müssen für neue Schiessplätze sehr ausgedehnte Flächen beansprucht werden. In Gefechten wird sich wohl die Trefferzahl der Prellschüsse sehr vermehren, wenn die Truppenführung in der Aufstellung der Unterstützungstruppen keine freie Hand hat. Vielleicht würde in den Worten: „Aufstellung seitwärts rückwärts der Schützenlinie“ das „seitwärts“ durch „rechts“ zu ersetzen sein, wenn die Gewehre des Gegners Zugwindungen in dem Sinne eines Uhrzeigers haben und wenn die Beobachtung richtig ist, dass diese Geschosse zum weitaus grössten Theile nach der Seite der rechten Hand des Feuernden abprallen. (Zur Beurtheilung solcher neuen Gewehre, welche, wie das Schweizer Gewehr, kein Geschoss mit vollständigem, besonderem Mantel haben, würden Angaben über die Durchschlagskraft und das Abprallen dieser [Rubin-] Geschosse sehr beachtenswerth sein.) Die Bedeutung, welche die Verkleinerung des Kalibers und die Steigerung der Anfangsgeschwindigkeit hatte, ist vielleicht den übrigen Einrichtungen des Mannlicher-Gewehrs nicht zuzuschreiben. Es sei deshalb nur erwähnt, dass die Waffe ein Kastenmagazin für das Einladen der Patronen sammt Lader und ein ähnliches Schloss hat, wie das deutsche Gewehr. Hervorgehoben sei die Thatsache, dass der Constructeur den Verschluss des ihm nahe liegenden österreichischen Gewehrs (mit „Gradzug“) nicht angenommen hat; er scheint demnach den grossen Abstand des Verschlusskopfes von dem einseitigen Stützpunkte des Verschlusscylinders nicht für richtig zu halten und verurtheilt damit gewissermaassen die Schlösser des österreichischen und des Schweizer Gewehrs. Eine Einrichtung des Schlosses, welche erst dann ein Hochgehen der obersten Magazinpatrone gestattet, wenn vorher der Verschluss ordentlich geschlossen und dann vollständig zurückgezogen worden war, ist wohl selbstverständlich; sie soll das „doppelte Repetiren“ verhindern. Zu letzterem Zwecke ist vielleicht auch bei der Patrone die vorspringende Krempe wieder eingeführt, welche ein sichereres Arbeiten des Ausziehers gewährleistet. Neu ist die Lagerung der Patronen, im Lader, d.h. einem Rahmen von buchdeckelartigem Querschnitt; nur die Ränder der drei mittleren Patronen stehen über einander, die der untersten und obersten legen sich davor, dadurch werden die Höhen des Laders und des Magazins etwas vermindert. Um den Lauf ist kein Mantelrohr gelegt, sondern nur ein hölzerner Handschützer, welcher eine Lücke für das Visir enthält. Letzteres ist mit einer zweckmässigen Einrichtung versehen, um ein Stellen während des Anschlages zu ermöglichen. Das Gewehr Daudeteau hat dasselbe Kaliber, 6,5 mm, wie das von Mannlicher und im Allgemeinen auch dieselbe Einrichtung. Das Visir ist dem französischen nachgebildet; der Lader wird nicht in das Magazin geladen, sondern die aus demselben gedrückten Patronen allein. Es scheint diese Einrichtung der des belgischen Mauser-Gewehrs zu gleichen. Eine Bemerkung in der Beschreibung dieses Gewehrs (Revue du cercle milit. September 1892) bedarf besonderer Erwähnung. Ein Theil der Gewehre wird nämlich ohne Sicherheitsvorrichtung hergestellt; zu seiner Sicherung soll der Schütze mit einem Gewehr marschiren, welches keine Patrone im Laufe enthält; er hat zuvor bei geöffnetem Verschluss die oberste Patrone einfach hinunter zu drücken, so dass der Verschluss beim Vorschieben hinübergleiten muss. Um schiessen zu können, muss der Schütze dann bei einem plötzlichen Angriff den Verschluss öffnen und schliessen. Daudeteau hält das für sicherer als das Entsichern des Gewehrs, weil diese Bewegung eine seltene und deshalb ungewohnte ist. Für diese Art der Sicherung spricht aber noch eine andere, bisher noch nicht erwähnte Vermuthung. Wenn ein Gewehr viele Schüsse hinter einander, besonders im Schnellfeuer abgegeben hat, so erwärmt es sich bekanntlich beträchtlich (daher der Handschützer); befindet sich nun eine Patrone im Laufe, während das Feuer eine Zeitlang, z.B. auf 15 Minuten, eingestellt worden ist, so wird sie durch die Wärme des umschliessenden Laufes allmählich erhitzt. Steigt bei dieser Art der Erwärmung die Temperatur der Pulverladung über 70°, so beginnt eine Zersetzung, welche sicherlich die Wirkung des nächsten Schusses beeinträchtigt, und da es nach Zeitungsnachrichten sehr wohl möglich erscheint, dass bei einer solchen Zersetzung eine plötzliche („brisante“) Gasentwickelung des Nitratpulvers eintritt, so ist damit die Gefahr des Springens der Waffe nahe gelegt. Wenn Versuche diese Ansicht bestätigen sollten, so dürfte ein ähnliches Schliessen der Verschlüsse „ohne zu laden“ auch bei den eingeführten Gewehren bei Feuerpausen empfehlenswerth sein und zwar besonders bei grosser Sonnenhitze. Textabbildung Bd. 288, S. 4 Fig. 2. a1 Wandconstruction des schweren nordamerikanischen Feldgeschützrohres; a Durschnitt des leichten nordamerikanischen Feldgeschützrohres; b Leichtes nordamerikanisches Feldgeschütz; c Achsfutter; d Querschnitt der Laffetewände; e Verbindung von Protze und Laffete. Eine weitere Besprechung des Nitratpulvers, welches die Leistungen der Gewehre, besonders die Anfangsgeschwindigkeit und Treffähigkeit, vielleicht noch mehr bedingt als die Einrichtung der Waffen selbst, kann hier noch nicht stattfinden. Es verdient vielleicht eine Anordnung der französischen Regierung vom verflossenen Jahre der Erwähnung, welche es ermöglicht, grosse Vorräthe an Gewehrpulver rasch zu verbrauchen; dadurch werden einestheils zu erwartende, aber noch wenig bekannte Nachtheile einer jahrelangen Aufbewahrung vermieden und anderentheils alle Verbesserungen in der noch recht jungenFabrikation für die vorhandenen Gewehre nutzbar gemacht. Diese Anordnung besteht darin, dass das Scheibenschiessen der Reservisten und Landwehrleute im Civilstande in grossartiger Weise unterstützt wird. Die Scheibenstände der Truppen, Gewehre früherer Art, Munition, Schiesspreise, Verkehrserleichterungen werden der Bevölkerung zur Verfügung gestellt, und es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, dass Munition mit Nitratpulver überwiesen werden wird, wenn das noch vorhandene alte Schwarzpulver aufgebraucht ist. Diese Art und Weise, das Schiessvergnügen des Volkes für die Landesverteidigung nutzbar zu machen, ist wahrscheinlich eine verbesserte Nachahmung der Einrichtungen, welche andere Staaten (z.B. Oesterreich und die Schweiz) schon getroffen hatten, ehe noch die Neuheit der Fabrikation und die Aufbewahrung einer ganz neuen Pulversorte einen raschen Verbrauch wünschenswerth machten. Feldartillerie. Ueber die Einführung neuer Feldgeschütze bei den Grossmächten unseres Erdtheils lässt sich noch Nichts berichten. Eine Steigerung der Wirkung durch eine Erhöhung der Anfangsgeschwindigkeit auf 600 bis 700 m und mehr, wie sie bei den Gewehren, Küsten- und Schiffsgeschützen stattfand, ist nirgends eingetreten; auch scheinen die Einrichtungen zum schnellen Laden durch Anwendung von Metallhülsen zur Aufnahme der Pulverladung noch nicht zur Einführung gelangt, Versuche mit Feldlaffeten, in welchen das Rohr zurückläuft und eine kleine Seitenrichtung bekommen kann, bei einigen Staaten noch in der Schwebe zu sein. Vielleicht sind einige Bemerkungen über die heutigen Feldgeschütze der Vereinigten Staaten von Nordamerika beachtenswerth, welche aus Angaben des Engineering vom April 1892 zusammengestellt wurden. Nachdem dieses Land den Beschluss gefasst hatte, unter Benutzung der eigenen Industrie seine Artillerie der anderer Mächte gleichwerthig zu machen, entstanden ein leichtes und ein schweres Feldgeschütz von 8,13 und 9,14 cm Seelenweite (in Frankreich betragen die entsprechenden Zahlen 8 und 9, in Oesterreich 7,5 und 8,7 cm). Die Leistungen der Geschütze sind es indessen nicht, welche die Bemerkungen veranlassen, sondern Einzelheiten der Einrichtungen, welche zeigen, wie die in Europa gefundenen Constructionsgrundsätze mehr oder minder verbessert ausgeführt worden sind, und welche den Beweis führen, dass die amerikanische Eisenindustrie eine achtunggebietende Höhe erreicht hat. – Für beide Rohre wird dieselbe Laffete benutzt; für das leichte ist die Anfangsgeschwindigkeit mit 535, für das schwere mit 474 m angegeben; durch ein anderes Pulver werden sich diese Zahlen wohl noch steigern lassen. Das leichte Geschütz ist in Fig. 2b dargestellt. Das leichte Rohr (durch Fig. 2a im Längenschnitt gegeben) besteht aus einem Kernrohr und einem Mantel, der sich aus mehreren Stücken zusammensetzt und um den hinteren Theil des ersteren gelegt ist. Das rückwärtige Ende des Mantels ragt über das Kernrohr nach hinten hinaus, um eine grosse Hohlschraube aufzunehmen, welche innerlich ein Gewinde für den Schraubenverschluss hat. Das hintere Mantelstück wird bei der Fabrikation von vorne so weit über das Kernrohr geschoben, bis sich ein vorne befindlicher Vorsprung an eine vorspringende Kante des letzteren lehnt. Ein Hinausdrücken des Kernrohres aus dem Mantel ist damit unmöglich gemacht. Drei andere Mantelstücke sind noch weiter vorwärts aufgeschoben, das mittlere trägt die Querachse (Schildzapfenachse) zum Lagern des Rohres, Um eine Bewegung des Kernrohres nach rückwärts zu verhindern, ist eine besonders bemerkenswerthe Einrichtung getroffen. Vor der Vorderkante des Schildzapfenstückes ist eine kleine rechteckige Vertiefung in die Aussenwand des Kernrohres geschnitten, in dieselbe ein in seine Hälften getheilter, genau passender rechteckiger Ring gelegt, welcher nach aussen ein wenig vorspringt; darüber ist von vorne das letzte Mantelstück geschoben, welches mit einem entsprechenden Ausschnitt versehen ist. Durch den Widerlagering und die eben erwähnten Kanten sind Kernrohr und Mantel untrennbar mit einander verbunden. Alle Mantelstücke haben vor dem Aufziehen einen inneren Durchmesser bekommen, der etwas kleiner ist, als der äussere des Kernrohres an der Stelle, wo sie liegen sollen; zum Aufschieben sind sie durch Erwärmen erweitert worden; nach dem Aufschieben ziehen sie sich beim Erkalten zusammen, dabei einen Druck auf die Aussenwand des Kernrohres ausübend. Vor dem Schusse hat also das Kernrohr eine nach innen gerichtete Spannung, beim Schusse müssen die Pulvergase diese zuerst überwinden, sie werfen damit einen Theil ihrer Kraft zuerst auf den Mantel und drücken die Schichten des Kernrohres erst mit dem Rest ihrer Kraftäusserung auseinander. Durch diesen Theil der Mantelconstruction wird also die Wand des Kernrohres gegen eine radial nach aussen gerichtete Kraft verstärkt; durch die Anbringung des Verschlusses, welcher den Druck der Pulvergase nach hinten auffangen muss, im Mantel, soll die Längenanstrengung des Kernrohres vermindert werden. Von der inneren Einrichtung des Rohres ist die eigenthümliche, ellipsoidale Form des Ladungsraumes hervorzuheben. Wahrscheinlich sollte damit ein weiter Raum geschaffen werden, den die Pulverladung nicht ausfüllt, um eine Verminderung der Gasspannung zu erzielen (bei den französischen Geschützen wird dieselbe durch eine Verlängerung des cylindrischen Ladungsraumes bewirkt). Die Züge haben eigenthümlich er Weise keine Windung mit zunehmender Steilheit (also keinen „Progressivdrall“), aber mit sehr starker gleichförmiger; sie machen auf nur 25 Seelenweiten eine Umdrehung. Vielleicht ist für diese Anordnung die neuerdings von Nobel aufgestellte Behauptung maassgebend gewesen, dass bei Progressivdrall zwar der grösste Widerstand (an irgend einer Stelle) Meiner, der gesammte Kraftverlust aber grösser sei als bei einem entsprechenden gleichförmigen Drall. Die fast rechteckige Form der Zugbalken ist vielleicht auch nicht gerade den neueren Anschauungen entsprechend, welche nur eine Kante radial machen will, die sogen. Führungskante, das heisst diejenige; gegen welche das Geschoss bei der Vorwärtsbewegung geschoben wird, die andere aber ganz wegfallen lässt (also einen sägeförmigen Querschnitt der Wand zur Folge hat). Der ganz veralteten Anbringung des Zündloches über dem Pulverraume hat vielleicht die Annahme zu Grunde gelegen, dass seine Lage im Verschlusse, wie z.B. bei den französischen Geschützen, Uebelstände mit sich bringe. Das hintere Ende des Rohres ist oben und an denSeiten nach rückwärts verjüngt und erlaubt dadurch bei grossen Erhöhungen eine Bewegung des Rohres zwischen den Laffetenwänden. Das schwere Feldrohr hat eine cylindrische Pulverkammer und eine kleine Aenderung in der Verbindung zwischen Mantel- und Kernrohr (Fig. 2a1). Sein Mantel besteht aus einem Stück und reicht von der Bodenfläche des ganzen Rohres bis vor die Schildzapfen, das heisst bis zu einem Absatz des Kernrohres, der durch eine Verstärkung der Wand nach aussen gebildet wird. Das vordere Ende des Mantels ist zunächst auf den Durchmesser dieses Kernrohrvorsprunges abgedreht. Wie aus der Fig. 2a1 ersichtlich, ist dann auf jedem Stücke eine Rille angebracht zur Aufnahme der Vorsprünge eines halbirten Ringes. Die Verbindung hat im Querschnitt Aehnlichkeit mit der Zusammenfügung zweier Wandstücke eines Schrankes durch eine Knaggenklammer. Festgehalten wird der halbirte Ring in seiner Lage, ähnlich wie der des leichten Feldrohres durch einen aufgeschobenen, kappen artig umfassenden Ring. Durch diese Verbindung wird das Innere des schweren Rohres nicht nur auf einer grösseren Strecke von dem Widerstände gegen Zug nach hinten entlastet, sondern gleichzeitig auch an einer Stelle, an welcher die höchste Gasspannung auftritt. Es ist eine eigenthümliche Thatsache, dass die vier kleinen Vorsprünge, welche vielleicht verhältnissmässig noch kleiner sind, als in der Zeichnung angegeben, die Anstrengungen der Pulvergase in der Längenrichtung aushalten. Etwas von diesen Anstrengungen wird allerdings gemindert durch die Reibung, welche die feste Auflage des Mantels auf dem Kernrohre erzeugt. – Das Kernrohr hat z.B. einen äusseren Durchmesser von 157,62 mm, der Mantel einen inneren von 157,45 mm. Durch Erwärmen wird letzterer um 0,51 mm ausgedehnt, dann der Mantel aufgeschoben; beim Erkalten wird sich dieser sehr fest um das Kernrohr legen, da ihm theoretisch 0,17 mm Durchmesser im Inneren zum Zusammenschrumpfen fehlen. Textabbildung Bd. 288, S. 5 Fig. 3.Schraubenverschluss von Gerdom. Nach einer besonderen Angabe des Engineering (29. April 1892 S. 517) soll die Einführung eines Schrauben Verschlusses nach dem System Gerdom bei den amerikanischen Feldgeschützen in Erwägung gezogen worden sein. Dieser Verschluss bedarf nur zweier Bewegungen (Griffe) zum Oeffnen oder Schliessen, während der der französischen Feldgeschütze drei erfordert. Bei demselben kommt das Herausziehen oder Hineinschieben des Verschlusscylinders in Wegfall; zum Oeffnen braucht er zuerst nur um seine Achse und dann um ein seitliches Scharnier gedreht zu werden. Letzteres befindet sich in einem Ansatz des Verschlusstrageringes; dieser Ansatz bewegt sich in einem seitlichen Ausschnitte des Rohres, wie Fig. 3 andeutet. Aus der eigenthümlichen Lage des als Drehpunkt dienenden Bolzens ergibt sich, dass das Drehen des Trageringes um denselben möglich ist, wenn der Verschlusskopf an der entgegengesetzten Seite (hier rechts) etwas Spielraum hat. Dieser Spielraum kann bei kleinen Verschlüssen durch die Anordnung der Unterbrechungen der Verschlussgewinde herbeigeführt werden, indem die Ausschnitte (parallel der Achse) an vier Stellen gemacht und die Gewindetheile des Rohres an der Seite ausgeschnitten sind (bezieh. nur an der rechten, da links das Scharnier angebracht ist). Wenn der Tragering vollständig herumgeschwenkt worden ist, so liegt der Verschluss derartig, dass er nur um seine Achse gedreht zu werden braucht, um mit seinen stehengebliebenen und seitlich sich befindenden Gewindegängen in die „oben“ und „unten“ verbliebenen Gewindegänge des Rohres einzugreifen und letzteres zu verschliessen. In Bezug auf das Material der Rohre muss erwähnt werden, dass nach neueren Angaben in Nordamerika Versuche mit einer Nickelstahllegirung gemacht werden sollen. Die zu verwendenden Blöcke sind in Frankreich bei Schneider (Creuzot) bestellt, weil diese Firma das bezügliche Patent für die Vereinigten Staaten besitzt. Einige Einzelheiten über diesen Stabl werden weiter unten, bei den „Panzerplatten“ besprochen werden. Bei der nordamerikanischen Feldlaffete fallen zwei Neuerungen auf: die Einrichtung der Wände und die Verstärkung der Achse. Die Wände zeigen eine so ausgedehnte Benutzung des Drückens (Stanzens) von Stahlblech, wie sie wohl bis dahin noch nicht vorgekommen ist. Wie sich aus dem Querschnitt Fig. 2d ergibt, ist jede Wand eigentlich eine Doppelwand. Die oberen und unteren Ränder bilden Hohlräume von kreisförmigem Querschnitt, welche das zu einer Wand zusammengelegte und vernietete Doppelblech verbindet. Unten stossen beide Enden zusammen, das innere ist schräg abgeschnitten, das äussere verlängert zur Befestigung von Verbindeplatten (oder Blechen). (Leider ist in der Beschreibung des Engineering [15. April 1892 S. 453] nicht genau die Form der winkeligen Stücke der Schildzapfenlager und des Laffetenschwanzes angegeben und die hier gegebene Zeichnung an diesen Stellen vielleicht recht verbesserungsbedürftig.) Die neuartige Verstärkung der hohlen Achse besteht in einem Achsenfutter, das aus zwei auf einander genieteten Kesselblechstücken zusammengesetzt ist (Fig. 2c). Die Aushöhlung für die Achse liegt so, dass nach einer Seite ein kleinerer, nach der anderen ein grösserer trapezförmiger Vorstand gebildet ist. Beide werden mit den Verbindeplatten unter der Vorderseite der Laffete vernietet und zwar so, dass der grössere Vorstand nach hinten, nach dem Laffetenschwänz hin, gerichtet ist. Wenn diese Form des Achsenfutters nur des Rückstosses, nicht auch der Befestigung der Achsensitze wegen eingeführt ist, so erscheint sie verbesserungsfähig mit Rücksicht auf die Wirkung des Rückstosses, wenn das Rohr mit einer Neigung nach unten schiessen soll; es kommt dies z.B. bei einer Stellung auf einem 100 m hohen Hügel vor gegen ein in der Ebene auf 1000 bis 2000 m gelegenes Ziel. Der in der Richtung der Seelenaxe des Rohres sich äussernde Rückstoss wirkt dann in einem Winkel von über 30° zur Richtung der Achsenfuttervorsprünge und veranlasst ein Drehen der ganzen Laffete um den Laffetenschwanz, weil dieser sich der Rückwärtsbewegung widersetzt; hierbei ziehen die Räder die Achsenschenkel nach unten. Um eine Achsenverbiegung zu vermeiden, müsste für diesen Fall auch eine Verstärkung des Achsenfutters nach unten angebracht sein. Möglicher Weise ist aber die Achsenfutterverstärkung ganz überflüssig; ihr Wegfall würde also eine bedeutende Erleichterung ergeben. Die Richtmaschine für das Heben und Senken desHintertheiles des Rohres entspricht zum Theil der in Deutschland eingeführten Doppelschraubenrichtmaschine. Die Kurbel und das Getriebe zum Drehen der äusseren Schraube liegen, in der Zeichnung unsichtbar, in der rechten Wand. Das Durchführen der Kurbel durch die Wand scheint das Laffetengewicht nicht gerade zu verringern. Die Laffete würde vielleicht an Haltbarkeit bedeutend gewinnen, wenn eine Vorrichtung angebracht wäre, welche das Rohr lose mit der Richtsohle verbindet, damit das schädliche Hochgehen des hinteren Rohrendes bei einem Schusse mit kleinen Erhöhungen oder mit Senkung der Mündung vermieden wird. Vorhin schon, bei der Besprechung des Achsenfutters, wurde erwähnt, dass dann ein Drehen der Laffete stattfindet, während das Rohr seine alte Richtung beibehält und sich mit seinem hinteren, unteren Ende immer mehr von seinem Auflagepunkte auf der Richtsohle entfernt; es behält diese Bewegung oft dann noch bei, wenn schon die Vorderseite der Laffete eine Abwärtsbewegung begonnen hat. Stossen nun die Räder auf den Boden, so fällt auch bald das hintere Röhrende herunter, schlägt gewaltig auf die Richtsohle und strengt damit die Laffeten wände von oben nach unten an. Wenn die erwähnte lose Verbindung zwischen Rohr und Richtsohle (z.B. durch ein Kettenstück oder eine Feder) hergestellt wäre, welche natürlich die senkrechte Bewegung des Rohres nicht beeinflussen dürfte, so lange das Geschoss noch nicht heraus ist, dann würde die leicht zu vermeidende „secundäre“ Wirkung des Rückstosses und damit vielleicht ein Brechen der Laffetenwände bei gewissen ungünstigen Umständen zu verhindern sein. Solche Umstände treten möglicher Weise bei grosser Kälte ein. In den österreichischen Mittheilungen über Gegenstände des Artillerie- und Gen.-Wesens, 1892 Heft 9 und 10, befindet sich ein interessanter Aufsatz über das Verhalten von Stahl und Eisen bei Kälte, der vielleicht hier von Belang ist. Nach demselben hielten alle Laffeten gut, bis 1890 bei Kälte unerwartet die Wände dreier Feldlaffeten und einer 15 cm-Mörserlaffete auf dem Versuchsschiessplatz Felixdorf sprangen. Um diese Thatsache zu erklären, wurde Metall aus den Laffetenwänden untersucht und zwar wurde die Festigkeit ermittelt für Stücke parallel der Walzrichtung und senkrecht dazu. Es zeigte sich, dass bei Kälte die Festigkeit des Eisens und Stahles bei einem ruckartigen Zuge in Richtung des Walzens nicht kleiner, sondern eher grösser wird, dass aber die Festigkeit in der senkrechten Richtung dazu beträchtlich geringer erscheint. Demzufolge würden also Laffetenachsen in der Zug- und Schussrichtung, Laffetenwände in senkrechter Richtung, das heisst von oben nach unten geringere Festigkeit zeigen. Dass diese Erscheinung bis jetzt nicht vorgekommen ist, mag daran gelegen haben, dass die beiden Umstände: Kälte und geringe Erhöhungswinkel oder sogar Neigung der Rohrmündung nach unten selten zusammengetroffen sind. Ein Feldgeschütz muss aber unbedingt auch für diesen Fall ausreichende Widerstandsfähigkeit besitzen, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass er im Kriege vorkommt. In dem Berichte über die amerikanische Laffete wird besonders hervorgehoben, dass der Richtbaum aus einer senkrechten Stahlschiene mit je einer halbrunden Holzschiene an jeder Seite besteht; andere Constructionen waren nicht haltbar. Es würde vielleicht eine weniger starre Verbindung zwischen diesem Baume und der Laffete eine Verbesserung bedeuten. Wenn eine Federvorrichtung so angebracht wäre, dass die oben beschriebene drehende Bewegung der Laffete um den Auflagepunkt sich allmählich auf den Baum übertrüge, so würde eine grössere Haltbarkeit oder eine Gewichtsverminderung zu erzielen sein. Die amerikanische Laffete wird mit einer neuen Schiess- und Fahrbremse versehen, welche noch in Versuch ist. Die Lagerhöhe des Rohres beim amerikanischen Feldgeschütz erscheint heutzutage als zu hoch. Ein Tieferlegen des Rohres um ungefähr 12 cm würde das concave Ansteigen des oberen Laffetenrandes überflüssig machen und eine grosse Gewichtsverminderung und eine festere Lage bei schiefem Räderstande ermöglichen. Wenn eine hohe Visirlinie erforderlich erscheinen sollte, so könnte diese auf dem Rohre angebracht werden, ohne besondere Gewichtsvermehrung. Die Verbindung der Laffete mit der zugehörigen Protze (dem Vorderwagen) zu einem Fahrzeuge zeigt dadurch eine gewisse Aehnlichkeit mit den französischen Geschützen, dass der Protzhaken, in welche sich die Oese des Laffetenschwanzes legen soll, sehr nahe an der Protzachse liegt. In entsprechender Weise tragen auch die Stangenpferde allein das Vordergewicht der Deichsel und zwar mittels einer Vorderbracke. Die Taue bezieh. Zugriemen der Mittelpferde werden in nicht gerade vortheilhafter Weise unmittelbar an die der Stangenpferde befestigt. – Durch die Lage des Protznagels zwischen den Rädern wird das Wenden der Geschütze recht ungünstig beeinflusst, wie in Fig. 2d dargestellt ist. (Zum Vergleich ist ein Geschütz mitgezeichnet, welches eine weiter nach rückwärts verlegte Verbindung zwischen Vorder- und Hinterfahrzeug hat). Textabbildung Bd. 288, S. 7 Fig. 4.Shrapnel. Die Shrapnels der amerikanischen Feldgeschütze sind durch Benutzung des elektrischen Schweissens hergestellt. Das Geschoss besteht aus Kopf, Mittelstück und Bodenstück (Fig. 4). Im Inneren des Mittelstückes ist ein Schraubengewinde für den Zünder angebracht und ein Messingrohr eingelegt. Auf den Gusstahlkopf wird zuerst das aus gezogenem Stahl bestehende Mittelstück geschweisst, dann werden die Kugeln eingefüllt, hierauf Gyps eingegossen und eine eiserne Platte aufgelegt, das hineinragende Ende des Messingrohres umgebogen und endlich der Boden angeschweisst. Zuletzt, nachdem noch ein kupferner Führungsring in die Wand des letzteren eingepresst worden ist, werden die durch das Schweissen entstandenen Unebenheiten beputzt, und das Shrapnel ist zum Einbringen der Pulverladung und des Doppelzünders fertig. Wenn diese Geschosse gute Trefffähigkeit haben, so muss das Schweissverfahren ganz erstaunlich genau arbeiten. Die Schussleistungen der amerikanischen Geschütze scheinen noch für frühere Pulversorten bemessen zu sein. Mit Einführung neuen Pulvers werden sie sich noch steigern lassen. Die nordamerikanischen Feldgeschütze von 1889 geben im allgemeinen Zeugniss von dem Bestreben der Vereinigten Staaten, sich das Neueste und Beste zu Nutze zu machen und auch selbständig mit Neuerungen vorzugehen. Allerdings scheinen praktische artilleristische Vorversuche den betreffenden Versuchscommissionen nicht in so grosser Zahl vorzuliegen, wie den europäischen, und deshalb erscheineneinzelne Gesichtspunkte noch nicht genügend beachtet, z.B. der, jedes überflüssige Gewichtstheilchen mit der peinlichsten Sorgfalt zu vermeiden. Indess scheinen Verbesserungen nach dieser Richtung angestrebt zu werden, und da einerseits die nordamerikanische Armee klein ist, nach unseren Begriffen höchstens zwei Armeecorps umfasst, und andererseits verhältnissmässig grosse Geldmittel vorhanden sind, so können Aenderungen viel leichter vorgenommen werden, als bei dem ungeheueren Artilleriematerial einer europäischen Armee. Aus allen diesen Gründen ergibt sich, dass in Zukunft die Geschütze der Vereinigten Staaten von Nordamerika auch mit Vortheil von Europäern studirt werden können. Nach der Darstellung des amerikanischen Feldgeschützes wird vielleicht die Berührung der Frage verständlicher, weshalb das Steigern der Anfangsgeschwindigkeit der Feldgeschosse so schwierig ist. Greift man die Hauptsache aus vielen Umständen heraus, so muss man sagen, besonders deshalb, weil Laffete nebst Rohr der Bedienung wegen ein bestimmtes Gewicht nicht überschreiten dürfen. Wahrscheinlich hat das Gewicht des leichten amerikanischen Geschützes nebst der Lafette mit 925 k schon die zulässige Grenze erreicht. Die Anfangsgeschwindigkeit zu steigern durch Verstärkung der Pulverladung bei Beibehaltung der jetzigen Geschossdurchmesser und gewichte und durch Verlängerung der Rohre ist der Gewichtsvermehrung wegen unzulässig. Grössere Anfangsgeschwindigkeiten würden demnach eine Verkleinerung des Kalibers nothwendig machen. Longridge will sie dadurch ermöglichen, dass er grössere Spannungen, als bisher gebräuchlich, verwendet, nachdem die Rohrwand stärker construirt ist. Er schlägt deshalb Geschütze mit Drahtumwickelung vor, bei welchen Gasdrücke bis zu 4750 at gefahrlos sein sollen (die bisherigen betrugen 2600 bis höchstens 3000). Es scheint aber, dass man bis jetzt Bedenken getragen hat, so weit zu gehen; denn nach der Revue d'artillerie, Bd. 40 S. 286 sind 21 Sorten neuer Feldgeschütze von Fabriken tabellarisch aufgeführt (6 ausserdem angedeutet), aber keine hat über 580 m Anfangsgeschwindigkeit und einen Gasdruck über 2800 at. Diese Bedenken sind vielleicht durch die geringen Erfahrungen mit den neuen Nitratpulversorten wachgerufen. Man kann ruhig zugeben, dass besonders verstärkte Rohre die angegebenen riesigen Spannungen aushalten; aber es fragt sich, ob die angewendeten Nitratpulver nicht durch Aufbewahrung oder durch andere Umstände einmal dazu gebracht werden können, grössere Spannungen zu entwickeln, die zum Springen führen müssen, wenn die Rohre nicht einen Sicherheitscoefficienten haben, wie er bei den bisherigen geringeren Ladungen und Spannungen möglicher Weise vorhanden war. Selbst wenn die Zeitungsnotiz unrichtig ist, dass das neue Pulver durch Aufbewahrung brisanter wird, so kann doch der beim Gewehr Daudeteau angedeutete Vorgang der Erhitzung des Pulvers durch Liegen in einem heissen Rohr besonders bei Geschützen eine unangenehme Bedeutung durch die niedrige Zersetzungstemperatur von 70° bekommen. Wer Gelegenheit hatte, 30 bis 50 Schuss mässig schnell mit einem Feldgeschütz abzugeben, wird wissen, dass ein Schneeball, der nach dem Schiessen in oder auf das Geschützrohr gelegt wird, sich bald in kochendes Wasser verwandelt. Die Temperatur beträgt also über 100°. Liegt eine Pulverladung einige Zeit in dem Rohre, so muss sie sich unbedingt über 70° erhitzen, und was dann geschieht, wird zwar noch untersucht werden müssen, wahrscheinlich tritt aber eine grosse Steigerung des Gasdruckes ein, die recht bedenklich werden kann. Eine Besprechung aller veröffentlichten Vorschläge für neue Feldgeschütze mit Nitratpulver liegt hier zu fern. Einiges aus denselben ist zur obigen Beurtheilung der amerikanischen Feldgeschütze C. 89 benutzt worden. (Fortsetzung folgt.)