Titel: | Ueber Entfärbungsversuche an Bernsteinöl. |
Autor: | Adolf Jolles |
Fundstelle: | Band 288, Jahrgang 1893, S. 22 |
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Ueber Entfärbungsversuche an
Bernsteinöl.
Von Dr. Adolf Jolles in
Wien.
Ueber Entfärbungsversuche an Bernsteinöl.
Das Bernsteinöl wird gleich der Bernsteinsäure als Nebenproduct bei der Erzeugung des
Bernsteincolophons gewonnen. Zu dessen Herstellung dienen die ihrer Kleinheit wegen
für eine andere Verarbeitung nicht geeigneten Bernsteinstücke, welche im Handel
unter dem Namen Spitzblank, Gelbblank, Plattfirniss I, II und III erscheinen.
Die bei der trockenen Destillation des Bernsteins entstehenden Zersetzungsproducte
sind im Wesentlichen Bernsteinsäure, Wasser und Bernsteinöl, und zwar beträgt die
Ausbeute an Bernsteinsäure etwa 1,5 bis 2,5 Proc. die an Bernsteinöl etwa 5 bis 6
Proc.
Das bei der Schmelzung überdestillirende Bernsteinöl ist mit beträchtlichen
Quantitäten Bernsteinsäure und Wasser vermengt. Zur Absonderung dieser Substanzen
wird das Destillationsproduct in einem Reservoir einem Klärungsprocesse unterworfen,
wobei das Wasser in dem Reservoir sich unten ansammelt, während an der Grenze der
Wasser- und Oelschicht sich die Bernsteinsäure ausscheidet.
Das sich oben ansammelnde Bernsteinöl wird durch einen entsprechend angebrachten Hahn
abgelassen und in den Handel gebracht.
Das Bernsteinöl erscheint als eine syrupdicke, schmutzigbraune, widerlich riechende,
fluorescirende Flüssigkeit. Es ist im Wasser unlöslich, in Alkohol, Aether,
Terpentinöl, Eisessig, Benzol, Chloroform u.s.w. löslich.
Von chemischen Elementen sind darin enthalten: Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff
und etwas Schwefel.
Letzterer ist durch anhaltendes Kochen des Oeles mit einer Bleiverbindung an dem
hierbei entstehenden Schwefelblei leicht nachzuweisen.
Stickstoff bezieh. Stickstoffverbindungen sind nicht vorhanden.
Um nun das Rohöl von den färbenden Substanzen zu befreien bezieh. aus dem Rohöle ein
lichtes klares Oel zu gewinnen, haben wir zunächst das Verhalten des rohen
Bernsteinöles gegenüber den verschiedenen Reagentien systematisch festzustellen
versucht und haben das Oel unter verschiedenen Bedingungen einer Reihe von
Entfärbungsversuchen unterworfen.
Was nun das Verhalten des Bernsteinöles gegen Mineralsäuren betrifft, so sind
verdünnte und concentrirte Salzsäure, sowie verdünnte Schwefelsäure und verdünnte
Salpetersäure selbst beim Erwärmen nahezu wirkungslos. – Concentrirte Schwefelsäure
greift Bernsteinöl in der Kälte und noch mehr beim Erwärmen unter mehr oder minder
starker Verkohlung, sowie unter lebhafter Entwickelung von schwefliger Säure
energisch an.
Auch concentrirte Salpetersäure und insbesondere rauchende Salpetersäure zersetzen
das Bernsteinöl unter lebhafter Erwärmung und unter lebhafter Ausstossung von
Stickoxyddämpfen.
Es entsteht hierbei, wie bekannt, neben viel Bernsteinsäure ein rothgelbes,
terpentinartiges Harz, welches einen starken Moschusgeruch besitzt und vielfach als
„künstlicher Moschus“ in Verwendung gelangt.
Durch Einwirkung von Alkalien konnten irgend welche erwähnenswerthe Veränderungen an
Geruch und Farbe des Oeles nicht wahrgenommen werden.
Reducirende Substanzen, wie schweflige Säure, Schwefelblumen, Zinnchlorür,
unterschwefligsaures Natron, die sonst auf pflanzliche Oele und Fette eine
energische Wirkung äussern, bleiben bei Einwirkung auf rohes Bernsteinöl ohne
Wirkung.
Was das Verhalten des Bernsteinöles gegen oxydirende Agentien betrifft, so konnte
sowohl beim Einleiten von Chlorgas in Rohbernsteinöl, als auch nach Behandlung des
Rohöles mit Chlorkalk und Salzsäure eine merkliche Erwärmung wahrgenommen werden,
jedoch waren die Aenderungen an Farbe und Geruch des Oeles äusserst geringfügig. Die
kräftige Durchschüttelung des Oeles mit einer 5procentigen
Wasserstoffsuperoxydlösung hatte keine Einwirkung zur Folge. Hingegen konnte bei
Einwirkung von Kaliumpermanganat und chromsaurem Kali unter Zusatz von Schwefelsäure
eine lebhafte Oxydationswirkung an der raschen Entfärbung des Oxydationsmittels
wahrgenommen werden, nichtsdestoweniger zeigte die Farbe des Oeles, selbst als der
Versuch bei einer Temperatur von etwa 100° C. ausgeführt wurde, keine merkliche
Hellergestaltung.
An diese Studien über das Verhalten des Rohöles gegen die verschiedensten Reagentien
reihte sich noch eine Untersuchung seines Verhaltens gegen Absorptionsmittel an. Zu
diesem Zwecke wurde das Rohöl mit den entsprechenden ausgeglühten
Entfärbungspulvern, als Thierkohle, Spodium, Blutlaugensalzrückständen u.s.w.,
behandelt, und zwar derart, dass man in das auf eine Temperatur von 50 bis 100° C.
erhitzte Oel – höhere Temperaturen konnten, da das Oel dann ins Sieden gerieth und
überzudestilliren begann, nicht eingehalten werden – die betreffenden
Entfärbungspulver unter wiederholtem Umrühren eintrug.
Das nach erfolgtem Absetzenlassen filtrirte Oel zeigt jedoch nicht die leiseste
Veränderung hinsichtlich seiner Farbe und seines Geruches.
Aus den erwähnten Versuchen geht hervor, dass die färbenden Bestandtheile des Rohöles
wahrscheinlich niedere Zersetzungsproducte sind, welche – nachdem sie auf pyrogenem
Wege entstanden sind – durch Zusätze von Absorptionsmitteln bezieh. durch Einwirkung
von chemischen Agentien überhaupt nicht zu beseitigen sind.
Diese Thatsache führte nun dahin, eine vorherige Rectification durch Destillation des
Rohöles zu versuchen und dann die Wirkung der erwähnten Mittel zu verfolgen.
Wird das Bernsteinöl der Destillation unterworfen, so geht anfangs Wasser, dann
ein gelb gefärbtes Oel, daraufhin ein hellgrün gefärbtes und zum Schlusse ein
dunkelgrünes, schwer flüssiges Oel über.
Das Thermometer steigt, nachdem das Wasser übergegangen ist, von 100° C. rasch auf
150° und dann unaufhaltsam weiter, bis zum Schlusse der Destillation über 360° C.
hinaus.
Nur an einzelnen Punkten, wie 230° und etwa 255 bis 260° C, bleibt es einige Zeit
constant, vermuthlich geht in diesen Intervallen ein selbständig constituirter
Körper über.
Der pechartige, im Destillationskolben zurückbleibende Rückstand betrug etwa 10 bis
15 Gew.-Proc. des angewandten Rohöles.
Die Destillation im Vacuum lieferte nahezu dieselben Resultate, wie die gewöhnliche
Destillation.
Die einzelnen Fractionen ergaben folgende Procentmengen:
I.
Fraction
(130 bis etwa 180°) hellgelbes Oel
33
Proc.
II.
„
(180 „ „ 300°) grünes Oel.
45
„
III.
„
(über 360°) dunkles Oel
15
„
–––––––––
93
Proc.
Der Verlust beträgt
7
„
Die bisher erwähnten Destillationsversuche haben alle in Mengen von etwa 33 bis 35
Proc. ein Oel von hellgelber Farbe ergeben, dem jedoch noch ein widerlicher Geruch
anhaftete.
In letzterer Hinsicht erfolgreicher gestalteten sich die Destillationsversuche mit
Wasserdämpfen.
Zu diesem Zwecke wurde in einen Kolben ein Gemisch von 1 Th. Wasser auf 2 Th.
Bernsteinöl gebracht und in dasselbe unter gleichzeitiger Erwärmung der Wasserdampf
eingeleitet.
Es zeigte sich nun, dass das Bernsteinöl nicht unbedeutend mit Wasserdämpfen flüchtig
ist und dass das hellgelb gefärbte Destillat nicht jenen widerlich durchdringenden
Geruch besass, wie er dem Rohöle eigen ist.
Die Ausbeute betrug etwa 38 Proc. und zwar scheinen mit Wasserdampf diejenigen
Bestandtheile des Bernsteinöles überzugehen, welche ihrer chemischen Natur nach
Kohlenwasserstoffe sind.
Wird das oben erwähnte Gemisch vor der Destillation mit Wasserdämpfen mit einer
10procentigen Alkalilösung versetzt, so resultirt dasselbe Destillat wie bei der
Destillation ohne irgend welchen Zusatz, hingegen zeigt der Retortenrückstand –
abgesehen von der innigen, erst durch Aussalzen zu beseitigenden Emulsion – insofern
eine Umgestaltung, als er sich durch einen eigenthümlich angenehmen Geruch
auszeichnet.
Die verhältnissmässig günstigen Resultate, welche die Destillationsversuche mit
Wasserdämpfen im Kleinen lieferten, haben insofern eine praktische Bedeutung
erlangt, als sie unter mannigfachen Modificationen – über die ich an anderer Stelle
zu berichten mir vorbehalte – auch im Grossen in praxi ausgeführt werden.
Was nun das Verhalten des destillirten Bernsteinöles, und zwar sowohl des trockenen,
als auch des mit Wasserdampf überdestillirten Oeles gegenüber den chemischen
Bleichmitteln betrifft, so ergaben die Versuche, dass die reducirenden Bleichmittel;
wie unterschwefligsaures Natron, schweflige Säure u.s.w., keine wesentliche
bleichende Wirkung auf dasselbe äussern.
Hingegen üben die oxydirenden Bleichsubstanzen und insbesondere
Kaliumpermanganat in saurer Lösung eine energische Wirkung aus.
Zur Bleichung des mit Wasserdampf übergetriebenen Destillates genügt im Allgemeinen
ein 8procentiger Kaliumpermanganatzusatz.
Die Ausführung der Bleichoperation geschieht in der Weise, dass man in ein Gemisch
von verdünnter Schwefelsäure und Oel eine heiss bereitete Lösung von
Kaliumpermanganat in kleinen Portionen unter beständigem Umrühren des Gemisches
hinzufügt.
Das Ganze wird hierauf erkalten gelassen, die Oelschicht von der wässerigen Schicht
durch Abheben getrennt und durch ein Leinwandfilter filtrirt. Zur vollständigen
Entwässerung des Oeles wird dasselbe mit einer kleinen Menge Kochsalz oder
gebranntem Gyps versetzt, 24 Stunden stehen gelassen und von letzterem durch
Filtration getrennt.
Bei der Bleichung tritt je nach der Quantität des aufgebrauchten Kaliumpermanganats
ein Verlust von 7 bis 9 Proc. destillirten Oeles ein und beträgt sonach die Ausbeute
etwa 91 bis 93 Proc. an rein gebleichtem Oele.
Bei Anwendung von Kaliumchromat und Schwefelsäure als Bleichmittel sind ähnliche
Resultate erhalten worden. –
Zum Schlusse sei noch die Bemerkung gestattet, dass in der höheren Fraction des
trockenen, destillirten Bernsteinöles, also in dem dunkelgrünen Antheile, ein
selbständig individualisirter Körper von keton- oder aldehydartiger Natur –
wahrscheinlich das letztere – beobachtet wurde, welcher mit schwefligsaurem Natron
ein krystallinisches Salz lieferte und bei Behandlung mit wässerigem Ammoniak eine
schön krystallisirte Verbindung ergab.
Die genaue Feststellung der Constitution dieses Körpers bleibt einer späteren Arbeit
vorbehalten.
Aus dem chemisch – mikroskopischen Laboratorium von Dr. Max und Dr. Adolf Jolles in Wien.