Titel: Elektrische Hilfseinrichtung zur Feststellung von Bremswirkungen.
Autor: L. Kohlfürst
Fundstelle: Band 288, Jahrgang 1893, S. 39
Download: XML
Elektrische Hilfseinrichtung zur Feststellung von Bremswirkungen. Mit Abbildungen. Elektrische Hilfseinrichtung zur Feststellung von Bremswirkungen. Bei den königl. preussischen Staatsbahnen werden seit Längerem eingehende Versuche über die Wirkungsweise der Carpenter-Bremse angestellt, und die hierbei erfolgten Feststellungen haben bereits ebenso reiche und interessante, als wichtige und werthvolle Ergebnisse geliefert. Jedoch bilden nicht diese letzteren den Gegenstand der nachstehenden Darlegungen, sondern hier sollen vorläufig lediglich die Art und Weise der Versuchsdurchführung, sowie die Hilfsmittel nähere Beleuchtung finden, welche bei den gedachten Feststellungen und zwar im Besonderen bei den im Juli und August 1891 seitens der königl. Eisenbahndirection Frankfurt a. M. auf der Strecke Hanau-Gelnhausen durchgeführten Versuchen in Anwendung gebracht worden sind. Der dort benutzte Probezug bestand aus zwei Personenzugslocomotiven, fünf Brems- und fünfzehn gewöhnlichen Leitungswagen und war mit der Carpenter-Bremse (mit Brüggemann'schen Luftauslassventilen) ausgerüstet. Das Gesammtgewicht des Zuges betrug 366,08 t. Die eine der beiden Locomotiven konnte irgend eine verfügbare normale Personenzugsmaschine sein, während die zweite Locomotive von derselben Gattung, aber für die Versuchszwecke eigens eingerichtet war, deshalb jedem Versuchszuge beigegeben wurde und die Führung desselben zu übernehmen hatte. Für gewöhnlich durfte denn auch nur die Tenderbremse der letztgedachten Locomotive in Verwendung kommen, wogegen die Triebradbremse derselben, sowie die Tender- und Triebradbremsen der dem Zuge beigegebenen zweiten Locomotive ausschliesslich in Nothfällen bei etwaigen aussergewohnlichen Verkehrsereignissen benutzt werden sollten. Von den zwanzig Wagen des Zuges waren drei Personenwagen (Bremswagen) mit den zur Durchführung der Beobachtungen und Messungen nöthigen Einrichtungen versehen und stand der erste davon – bei der Fahrt von Hanau nach Gelnhausen – als vierter Wagen hinter der zweiten Locomotive, der zweite als zwölfter und der dritte als letzter Wagen im Zuge. Bei der Rückfahrt standen die Wagen, da der Zug in Gelnhausen nicht umgesetzt werden konnte, mit dem früheren Schlusswagen hinter der zweiten Locomotive beginnend in umgekehrter Reihenfolge. An den fünf Bremswagen – dreiachsigen Personenwagen dritter Klasse – waren zunächst die Brüggemann'schen selbsthätigen Luftauslassventile derartig angebracht, dass sie ausgeschaltet werden konnten. Hierdurch wurde es ermöglicht, die Beobachtungen und Messungen am Versuchszuge sowohl für die Carpenter-Bremse ohne als mit den genannten Ventilen vorzunehmen. Schliesslich wurden bei dem gleichen Zuge die Bremswagen auch noch mit Kappa-Ventilen versehen und auch hierfür unter sonst gleichen Voraussetzungen dieselben Versuche und Feststellungen durchgeführt. Die Feststellungen, um deren Gewinnung es sich nun in erster Linie handelte, waren: a) die Zeit von dem Augenblicke des Umlegens des Bremshahnhebels auf „Bremse fest“ bis zum Beginne der Kolbenbewegung am Bremscylinder; b) die Zeit vom Beginne bis zur Vollendung der Bewegung des Bremscylinderkolbens; c) die Zeit von dem Augenblicke des Zurückstellens des Bremshahnhebels auf „Bremse lösen“ bis zum Beginne der Rückkehr des Bremscylinderkolbens; d) die Zeit vom Beginne bis zur Vollendung des Bremskolbenrückganges. Zu diesem Behufe war der Zug mit einer elektrischen Einrichtung versehen, wie sie in Fig. 1 schematisch dargestellt erscheint. Die Versuchzugslocomotive und die drei bereits oben namhaft gemachten Messwagen stehen unter einander durch vier längs des ganzen Zuges hingeführte Leitungsdrähte L1, L2, L3 und L4 in Verbindung. Auf der Locomotive befindet sich erstens der Kurbelumschalter k, welcher bei seiner in der Zeichnung dargestellten Ruhelage keinen Contact herstellt, hingegen, auf i gebracht, L1 mit L2 leitend verbindet; es ist ferner der Bremshahnhebel K mit der Leitung L2 dauernd verbunden und der Bremshahn mit zwei derart angebrachten Contacten versehen, dass durch das Umlegen von K auf „Bremse fest“ L2 mit L3, beim Umlegen auf „Bremse los“ hingegen L2 mit L4 in leitende Verbindung gebracht wird. Textabbildung Bd. 288, S. 40 Fig. 1.Schematische Darstellung der elektrischen Bremseinrichtung. (K und k in Ruhelagen.) Textabbildung Bd. 288, S. 40 Fig. 2.Elektrische Bremsvorrichtung. (Bei V sollte Feder x mit n in Contact stehen.) In den drei Messwagen befinden sich absonderlich zur Erlangung der obenstehend angeführten Daten – was im zweiten Wagen noch Weiteres vorhanden ist, dient einem anderen Zwecke und wird erst später in Betracht zu ziehen sein – je eine galvanische Batterie b1, b2, b3, dann ein achtspangiger, doppelarmiger Umschalter U1, U2, U3 ferner ein Federumschalter V1, V2, V3 und die Schreib- oder Registrirvorrichtung M1, M2 und M3. Die letztere gleicht im Wesentlichen einem Morse-Farbschreiber, dessen Laufwerk jedoch mittels eines besonderen Pendelwerkes regulirt wird, damit die Abwickelungsgeschwindigkeit des Papierstreifens auf das Genaueste gleichmässig bleibt. Die Länge des in der Minute ablaufenden Streifens lässt sich über dem durch Einstellen des Apparates so wählen, dass selbst Aufschreibungen, welche nur kleinen Bruchtheilen von Secunden entsprechen, abgelesen werden können. Die Ingangsetzungdes Laufwerkes bezieh. des Papierstreifens kann mit Hilfe eines eigenen Elektromagnetes m1, m2, m3 bewirkt werden, indem der Anker desselben, sobald er angezogen wird, ein kleines Hebelwerk beeinflusst, welches dadurch die Hemmung des Papierstreifen-Laufwerkes löst. Was die Umschalter U anbelangt, so gleichen sie den bekannten Vorrichtungen dieser Art und wäre nur zu bemerken, dass die beiden Contactarme w und z durch ein isolirtes Gelenkstück verbunden sind und gleichzeitig umgelegt werden, was der Beobachter nach Erforderniss, und zwar mit der Hand, bewerkstelligt. Der Federumschalter V ist es schliesslich, der die zu prüfende Wagenbremse mit der Schreibvorrichtung in Beziehung bringt. Die beiden Contactfedern x und y (Fig. 1 und 2), der regulirbare zweiseitige Contact w, sowie die beiden Contactschrauben p und q sind an der Gestellsplatte des Umschalters isolirt befestigt; an letzterer ist eine mit zwei Seitenarmen versehene Rolle v angebracht, über welche ein Drahtseil d (Fig. 2) läuft, das durch eine Oeffnung des Wagenfussbodens, sowie über die nöthigen Führungsrollen geleitet ist und mit einem Ende an einer Spiralfeder f, mit dem anderen aber an der Kolbenstange des Bremscylinders des betreffenden Wagens befestigt wird. Mittels dieses Seiles wird die Rolle v durch das Einziehen des Bremskolbens im Sinne des eingezeichneten Pfeiles gedreht, ebenso aber auch beim Lösen der Bremse, d.h. beim Rücklauf des Bremskolbens durch die Feder f in entgegengesetzter Richtung bewegt und in die Ursprungslage zurückgebracht. Dabei wirken die Seitenarme der Rolle v auf die Contactfedern x und y der Reihe nach so ein, wie dies in Fig. 2 unter I, II, III, IV und V dargestellt erscheint. Demgemäss ist bei der gewöhnlichen Ruhelage I die Verbindung p, x, sowie jene zwischen n und y vorhanden; sobald beim Bremsen die Bremskolbenstange ihren Weg beginnt, verlässt die Feder y den Contact n – Stellung II – und legt sich auf q – Stellung III –, d.h. die Verbindung n, y hört auf und y, q wird dafür hergestellt. Der letztgenannte Contact erfährt nun bis zum Rückgange des Bremskolbens keine Aenderung mehr, dagegen wird beim Abschlusse der Bremskolbenbewegung für „Bremse fest“ der bisher bestandene Contact p, x gelöst – Stellung IV – und dafür die Verbindung w, x Stellung V – hergestellt. Die gleichen Contactänderungen erfolgen auch wieder beim Lösen der Bremse, nämlich beim Rückgange des Bremskolbens, jedoch selbstverständlich in umgekehrter Reihenfolge. Die Darstellung der früher angeführten vier Zeitabschnitte vollzieht sich nun mit Hilfe der Schreib Vorrichtungen M1, M2 und M3 in folgender Weise: Vorerst wird auf der Locomotive einige Secunden vor dem Bremsen die Umschalterkurbel k auf i gelegt und dadurch eine im mittleren Messwagen aufgestellte Batterie B (Fig. 1) wirksam gemacht. Durch den Strom dieser Batterie werden, wie es sich in der Zeichnung leicht verfolgen lässt, sämmtliche in die Leitung L1 eingeschalteten Elektromagnete m erregt und demgemäss in der schon oben erwähnten Weise die Laufwerke sämmtlicher Schreibvorrichtungen ausgelöst. Nachdem hiermit die letzteren schreibbereit gemacht sind, wird der Bremshahnhebel K auf der Locomotive auf „Bremse fest“ umgelegt. Hierdurch gelangen die Batterien b1, b2, b3 in Wirksamkeit und die angezogenen Ankerhebel der Schreibvorrichtungen M1, M2, M3 schreiben, weil der betreffende Strom in jedem der drei Messwagen seinen Weg über die Spulen des Elektromagnetes (M1, M2, M3), dann über 5, w, n, y, x, p, 2, 3, z, 7, L3, K, L2 zum Zinkpol geschlossen findet. Jeder dieser Ströme dauert so lange, als der Bremskolben der zugehörigen Wagenbremse nach dem Umlegen des Bremshahnhebels der Locomotive noch in Ruhe verbleibt; es tritt aber vermöge der sich ändernden Lage des Federumschalters V eine Stromunterbrechung ein, sobald der Bremskolben des Wagens seinen Weg beginnt und dabei y von n abhebt. Diese Unterbrechung dauert jedoch nur einen Augenblick, nämlich so lange, bis die Feder y sich auf q gelegt hat, da dann die Batterie b1 bezieh. b2 oder b3 über den Elektromagnet der Schreibvorrichtung, dann über das zugehörige 5, w, 1, q, y, x, p, 2, 3, z, 7, L3, K, L2 geschlossen ist. Immerhin ist die dazwischen gefallene Stromunterbrechung aber genügend, sich am Papierstreifen durch eine kleine Lücke im geschriebenen Striche erkennen zu lassen. Bis dann der Bremskolben schliesslich seinen Weg vollendet hat und im Federumschalter F die Stellung IV und V (Fig. 2) erreicht wurde, hört die zugehörige Schreibvorrichtung auf zu schreiben, da nunmehr ersichtlichermaassen ein Stromschluss zufolge Aufhebung des Contactes p, x auf keinem Wege mehr möglich ist. Nachdem nun der gebremste Zug vollständig still steht, wird auf der Locomotive der Bremshahnhebel K in die Mittelstellung zurückgebracht und werden in jedem Messwagen die Umschalter U durch den Beobachter nach rechts gekippt (wie es z.B. Fig. 7 zeigt); schliesslich wird K auf „Bremse los“ umgelegt. Hierdurch gelangen die Batterien b1, b2, b3 aufs Neue zur Wirksamkeit, indem ein Strom weg vom Kupferpol über die zugehörige Schreibvorrichtung, dann über 5, 6, w, w, p, x, y, q, 4, z, 8, L4, K und L2 zum Zinkpol hergestellt worden ist. Dieser Strom erfährt nun wieder eine momentane Unterbrechung, sobald in V die Lage IV (Fig. 2) eintritt, d.h. sobald der Bremskolben des bezüglichen Wagens seinen Rückweg beginnt; er entsteht jedoch neuerdings, wenn sich x, von v losgelassen, wieder auf p gelegt hat, da nunmehr ein Stromschluss über die Spulen der Schreibvorrichtung, ferner über 6, w, 2, p, x, y, q, 4, z, 8, L4, K und L2 entstand, der erst wieder aufhört, bis in V die Feder y wieder von q abgehoben wird, d.h. bis der Bremskolben vollkommen zurückgelaufen ist und die normale Ruhelage wieder gewonnen hat. Das durch die geschilderten Vorgänge am Papierstreifen erzeugte Bild besteht sowohl für „Bremse fest“ als für „Bremse los“ aus je zwei dicht hinter einander liegenden Strichen, wie dies Fig. 3 und 4 zeigen. In Fig. 3 stellt, wie aus den bisherigen Klarlegungen bereits hervorgeht, die Linie PT die Zeit dar, vom Momente der Umlegung des Bremshahnhebels auf der Locomotive bis zur Beendigung der Bremskolbenbewegung am betreffenden Wagen und ist zusammengesetzt aus dem Stücke PQ, das der Zeit entspricht, welche die Wagenbremse nach Umlegung des Bremshahnhebels (K in Fig. 1) brauchte, umthätig zu werden, und aus dem Stücke Q T, das die Zeit darstellt, welche vom Beginne bis zur Beendigung der Bewegung des Bremscylinderkolbens verlief. Die Linien XZ bezieh. XY und YZ in Fig. 4 geben dieselben Daten hinsichtlich der Lösung der Bremse; d.h. XZ gibt das Bild der Gesammtzeit vom Zurückstellen des Bremshahnhebels auf „Bremse los“ bis zur völligen Beendigung des Bremskolben-Rücklaufes und XY stellt die Zeit dar, welche zwischen der gedachten Bremshebelumlegung und dem Beginne des Bremskolben-Rücklaufes verfliesst. Da nun die Ablaufgeschwindigkeiten der Papierstreifen an den Schreib Vorrichtungen genau gemessen, bezieh. eingestellt und sonach bekannt sind – bei den hier in Betracht genommenen praktischen Versuchen lief der Papierstreifen in allen Schreibvorrichtungen 4 mm in der Secunde – so sind die Striche P, Q, T sowie X, Y, Z unmittelbare, genaue Maasse der Zeitgrössen, durch welche sie gewonnen wurden. Textabbildung Bd. 288, S. 41 Papierstreifen zur Bremsvorrichtung. Des weiteren war es nun wichtig und eine Hauptaufgabe der Versuche, die bezüglich des Festbremsens gewonnenen Zeitdaten und ausserdem die Zeit, welche vom Momente des Umlegens des Bremshahnhebels auf der Papierstreifen zur Brems Vorrichtung. Locomotive bis zum völligen Stillstande des Zuges verfliesst, als Weg darzustellen, bezieh. auf Radumdrehungen zu beziehen. Diesem Zwecke diente die bereits früher erwähnte ausserordentliche Einrichtung des mittleren Messwagens, welche aus einer zweiten Schreibvorrichtung MS (Fig. 1), dem Relais B, dem Taster T und den Batterien b, B1 und B2 besteht. Die Schreibvorrichtung MS hat zwei Schreibhebel, wovon der eine durch den Elektromagnet M thätig gemacht wird und mittels der Batterie B1 im Localschlusse des Schreibhebels der früher in Betracht gezogenen Schreibvorrichtung M2 steht. Dieser Schreibhebel macht also dieselben Zeichen, wie der Schreibhebel der Vorrichtung M2, schreibt sie jedoch, weil er nach bekannter Art eines gewöhnlichen elektrischen Rasselweckers auf Selbstunterbrechung eingerichtet ist, nicht in der Form eines gleichmässigen Striches, sondern als feinpunktirte Linien. Der zweite Schreibhebel der Schreib Vorrichtung MS wird vom Elektromagneten S thätig gemacht, der im Localschlusse des Relais R, der Batterie B2 und der Contactvorrichtung ac liegt. Letztere ist an der ungebremsten Achse des Messwagens – von den drei Achsen dieses Wagens waren nur zwei mit der Bremse verbunden – so angebracht, dass bei der einen halben Umdrehung der Wagenachse die metallische Verbindung zwischen den Gleitfedern a und c hergestellt, dagegen während der zweiten Umdrehungshälfte aufgehoben wird. Die zweihebelige Schreib Vorrichtung MS hat schliesslich gleich allen anderen Schreibvorrichtungen eine elektrische Auslösung ihres Laufwerkes, welche durch den Elektromagnet m genau so bewirkt wird, wie es bei M1, M2 und M3 durch m1, m2 und m3 geschieht. Wenn nun bei einem Bremsversuche, wie er vorhin beleuchtet wurde, die Kurbel k auf i gebracht wird, gelangt der Strom der Batterie B ersichtlichermaassen auch nach m, und der Papierstreifen der Schreib Vorrichtung MS fängt zu laufen an; kommt dann K auf „Bremse fest“, so schreibt die Batterie b2 die Striche PQ und QT (Fig. 4) auf dem Streifen der Schreib Vorrichtung M2 (Fig. 1), deren Schreibhebel diese Zeichen durch den Localschluss der Batterie B2 auf den zum Elektromagneten M gehörigen Hebel der Schreibvorrichtung MS überträgt. Auf dem Papier st reifen des letzteren entsteht aber gleichzeitig noch eine zweite gestrichelte Linie, die der vom Elektromagneten S thätig gemachte Schreibhebel hervorbringt, da das Relais R bezieh. die Linienbatterie b des Relais in demselben Augenblicke zur Wirksamkeit gelangt ist, als K mit der Leitung L3 (Bremse fest) in Berührung gebracht wurde. Jeder Punkt oder vielmehr jedes Strichelchen dieser zweiten, genau parallel oberhalb der ersten erscheinenden Linie entspricht einer Umdrehung des nichtgebremsten Rades, und die einzelnen Strichelchen und leeren Zwischenpausen werden gegen das Ende der Linie stetig länger, weil die Contactdauer zwischen a und c natürlich in eben demselben Verhältnisse zunimmt, als die Zugsgeschwindigkeit abnimmt. Sobald der Zug nach erfolgtem Bremsen zum Stillstande kommt, drückt der Bahnbeamte, welcher im mittleren Messwagen die Beobachtungen vornimmt, den Taster T nieder und kennzeichnet dadurch auch noch den gedachten Moment auf dem Streifen der Schreibvorrichtung MS, so dass schliesslich das in Fig. 5 dargestellte Bild gewonnen wird. Die Linien PQ und QT sind dieselben wie in Fig. 3; D ist das Zeichen für den eingetretenen Stillstand des Zuges und die Strichlein in der oberen Zeile sind die Radumdrehungen, deren Anzahl für die einzelnen Entfernungen PQ, QT und TD ohne weiteres abgezählt werden kann. Die hiermit gewonnenen Grössen bieten alle nöthigen Anhalte, um für die Bremswirkungen Schaulinien anzufertigen, welche, sei es in Bezug auf die verschiedenen Anordnungen der Carpenter-Bremse, sei es in Betreff der Gefällsverhältnisse der Bremsversuchsstellen, ebenso übersichtliche als genaue Vergleiche ermöglichen. Für die letzte Periode der Versuchsfahrten zwischen Hanau und Gelnhausen, in der die Carpenter-Bremse bei Einschaltung von Carpenter-Schulze'schen Kappaventilen geprüft worden ist, hatte die Anordnung der drei Messwagen noch eine Vervollständigung erhalten, indem in den Stromweg zwischen dem Elektromagneten der Schreib Vorrichtung M1, M2, M3 (Fig. 1) und der Spange 5 des zugehörigen Umschalters U noch je eine besondere Contactvorrichtung a, c, t (Fig. 6 und 7) eingelegt wurde. Diese Einschaltung geschah mit der Absicht, in den Linien QT (Fig. 3) und YZ (Fig. 4) jene Momente zu kennzeichnen, in welchen die Bremsklötze an den Messwagen mit den Radreifen in Berührung gelangen, bezieh. dieselben wieder loslassen. Zu dem Ende ist an dem über die Rolle v des Federumschalters V laufenden Drahtseil d, wie es Fig. 6 unter I, II und III darstellt, mittels einer Schraubenklamme r ein zweites kurzes Stück h genau so befestigt, dass in dem Augenblicke, wo sich die Bremsklötze an die Radreifen legen, h straff gespannt wird und den durch die Spiralfeder s auf die Contactschraube c festgepressten Contactarm a auf die Contactfeder t legt. Beim Uebergange der Umschalterlage von I in III wird durch die dabei eintretende Zwischenstellung II, wie aus dem Stromschema(Fig. 7) hervorgeht – es darf übrigens bei der Betrachtung der Stromwege in Fig. 7 nicht vergessen werden, dass der Umschalter U bereits für „Bremsen los“ gestellt ist, „Bremse fest“ jedoch die in Fig. 1 dargestellte Lage haben muss –, eine kurze Unterbrechung des den Elektromagnet M der Schreib Vorrichtung erregenden Stromes verursacht und sonach in dem Striche QT (Fig. 3) eine kleine Lücke hervorgebracht. Dasselbe wird bei der Lösung der Bremse hinsichtlich der Linie YZ (Fig. 4) bewirkt werden, sobald a (Fig. 6 und 7) wieder auf c zurückgelangt, d.h. sobald die Berührung zwischen den Bremsklötzen und Radreifen wieder aufhört. Die auf diese Weise gewonnenen Bilder haben nunmehr die in Fig. 8 und 9 dargestellte Form und – das bisher Betrachtete nochmals zusammengefasst – gibt also PQ in Fig. 8 die Zeit vom Umlegen des Bremshahnhebels der Locomotive auf „Bremse fest“ bis zum Beginne der Bewegung des Bremscylinderkolbens, Qq die Zeit vom Beginne der Kolbenbewegung bis zu dem Augenblicke, in welchem sich die Bremsklötze des Messwagens an die Radreifen anlegen und qT die Zeit vom letztgedachten Augenblicke bis zum Abschlusse der Bremskolbenbewegung. Uebereinstimmend damit gibt in Fig. 9 die Linie XY die Zeit vom Umlegen des Bremshahnhebels auf. „Bremsen los“ bis zum Beginn des Bremskolbenrücklaufes, Yy die Zeit vom Anfange des Kolbenrücklaufes bis zum Momente, wo die Berührung zwischen Bremsklötzen und Radreifen aufhört, und yZ schliesslich die Zeit bis zur Vollendung des Kolbenrücklaufes. Textabbildung Bd. 288, S. 42 Fig. 6.Contactvorrichtung zur Bremse. Textabbildung Bd. 288, S. 42 Fig. 7.Conractvorrichtung zur Bremse. Der Vollständigkeit wegen muss schliesslich noch der Umstand Erwähnung finden, dass seitens des Beobachters auf der Locomotive ausser den gewöhnlichen Aufschreibungen über die allgemeinen Verhältnisse des Versuchszuges und die örtlichen Umstände jeder Versuchsstelle auch noch für jeden einzelnen Versuch die Geschwindigkeit des Zuges beim Einschalten der Bremse nach Angabe eines eigens zu diesem Behufe vorhandenen Messapparates von Buss, Bombart und Co. (Magdeburg), ferner den Atmosphärendruck in der Bremsleitung bei der Umschaltung des Bremshahnes, sowie die Abnahme der Atmosphärendruckes im Hauptreservoir möglichst genau festzustellen und anzumerken ist. Betreffs der oben geschilderten, sinnreichen elektrischen Anordnung und Ausrüstung des Versuchszuges wäre aber noch zu bemerken, dass dieselbe für den angestrebten Zweck einen wesentlichen Fortschritt bedeutet und sowohl einfacher als auch genauer, kurz weitaus vollkommener ist, als jene Hilfsmittel waren, welche bei den im Jahre 1887 in Burlington stattgehabten „Concurrenzversuchen“ (vgl. Lumière électrique, Bd. 26 S. 301), sowie zwei Jahre später gelegentlich des Eisenbahncongresses in London (vgl. Engineering vom 20. December 1889 Bd. 48 S. 703) für die Gewinnung vergleichender Feststellungen über die Wirkungen der Eisenbahnzugsbremsen in Benutzung kamen. L. Kohlfürst.