Titel: | Zuschrift. |
Autor: | J. Hermanuz |
Fundstelle: | Band 288, Jahrgang 1893, S. 110 |
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Zuschrift.
Zuschrift.
Esslingen, 9. Februar 1893.
Geehrteste Redaction.
Heft 12 (vom 16. December 1892) Ihrer Zeitschrift bringt auf S. 276 bis 281 einen
Aufsatz über „Die neue Dampfkesselanlage der Spinnerei und Buntweberei Pfersee bei
Augsburg“, der in sehr ausführlicher Weise diese von dem Verfasser des
Aufsatzes selbst gelieferte Kesselanlage beschreibt und manche interessante
Einzelheiten enthält, daneben aber bestrebt ist, den Eindruck zu erwecken, als ob
Doppelkessel der beschriebenen Construction die einzig richtigen und rationellen
Kessel für hohen Dampfdruck seien. Es wird dies insbesondere gesagt im Gegensatz zu
den Batteriekesseln, welche von dem Verfasser als unökonomisch bezeichnet
werden.
Wenn der Unterzeichner dieses die Ansichten des Verfassers obengenannten Aufsatzes
nicht theilt, so würde dies selbstredend kein hinreichender Grund sein, an dem
erwähnten Aufsatze Kritik zu üben. Zu dieser Kritik wird aber jeder gedrängt,
welcher die Berichte des bayerischen Dampfkesselrevisionsvereins im 21.
Jahresbericht gelesen und daraus ersehen hat, welch ein Urtheil dort über dieselbe
Anlage, und das System der Doppelkessel überhaupt, abgegeben ist.
Nicht dass der Aufsatz des Herrn Hering andere Zahlen
bezieh. Versuchsresultate enthielte; aber die genannten Berichte enthalten ausserdem
vieles, was dem Verfasser zu seinen Zwecken nicht passend schien, jedoch für eine
objective Beurtheilung, wie solche in technischen Zeitschriften gesucht wird, nöthig
ist.
Da die Berichte des bayerischen Dampfkesselrevisionsvereins nur den Mitgliedern
desselben und den Vorständen der Kesselrevisionsvereine zugänglich sind, wird es im
Interesse der Leser Ihres geschätzten Journals nicht uninteressant sein, auch das zu
erfahren, was der Autor des besprochenen Aufsatzes verschweigt.
Es ist dies:
I. Der Bericht über den verunglückten Versuch der
Garantieerfüllung mit bester Saarkohle der Grube Heinitz,
II. das Gutachten des bayerischen
Dampfkesselrevisionsvereins.
ad I. Der Versuch mit Saarkohlen ergab:
11. JunimitHeinitz I
Dauer des Versuches
Stund.
9,85
Kohlen verheizt im Ganzen
k
6114
„ auf 1 qm Rostfläche in 1 Stunde
k
86,2
Herdrückstände im Ganzen
k
384
„ in Proc. der verheizten
Kohle
k
6,28
Gehalt an Kohlenstoff
Proc.
13,72
Speisewasser, verdampft im Ganzen
k
50513
„ auf 1 qm Heizfläche in 1
Stunde
k
14,09
Temperatur
Gr. C.
30,45
Dampfspannung
at
7,1
Heizgase, Kohlensäuregehalt
Proc.
8,24
Vielfaches der theoretischen Luftmenge
2,3
Temperatur im Rauchkanale nahe
den Kesseln
Gr. C.
271,5
Temperatur abzüglich Kesselhaustemperatur
Gr. C.
251,5
Zugstärke in MillimeterWassersäule
am Kessel-ende (vor der Kamin-klappe)
Kessel linksKessel rechts
mmmm
11,21–
Zugstärke in Millimeter Wassersäule
im Rauchkanale nahe den Kesseln (hinter der
Kaminklappe)
mm
17,67
a) 1 k Kohle verdampfte Wasser
k
8,262
b) bezogen auf Dampf von 100° C. aus Wasser
von 0° C
k
8,144
c) bezogen auf Dampf von 8½ at aus Wasser
von 50° C
k
8,499 *
Dampfpreis (für 1000 k Dampf) nach b)
Mark
3,15
* Es war eine 9,4fache Verdampfung garantirt.
Wärmevertheilung
W.-E.
Proc.
Nutzbar gemacht zur DampfbildungVerloren in den
Herdrückständen „ durch freie Wärme in den
Kamin- gasenVerloren durch Strahlung,
unverbrannte Gase, Russ u.s.w. (Rest)
5187 691468 680
70,1 0,919,8 9,2
Summe-Heizwerth
7404
ad II. Das Gutachten des bayerischen Dampfkesselrevisionsvereins sagt über diese
Versuche:
„Da bei den Versuchen am 7. und 8. August die versprochene
Verdampfungsziffer unter Einhaltung der vertragsmässigenBedingungen sogar
überschritten wurde, konnte die Garantie als erfüllt angesehen werden. Der
Wirkungsgrad der Kessel mit 70 Proc. bei Saarkohle ist als gut, jener bei
Ruhrkohle mit 79 bezieh. 81 Proc. als sehr gut zu bezeichnen und dürfte in
letzterem Falle kaum mehr zu steigern sein, da die Endtemperatur der Heizgase
(197°) schon nahezu die Dampftemperatur (178°) erreichte.
„Der mit Ruhrkohle erreichte hohe Wirkungsgrad ist dem
Zusammenwirken verschiedener Umstände und Verhältnisse zuzuschreiben, von denen
folgende angeführt sein mögen:
1) das günstige Verhältniss der Heizfläche zur Rostfläche (50 : 1);
2) die massige Beanspruchung der Rostfläche (75 k in 1 Stunde und 1 qm);
3) der Umstand, dass die Kessel auch während der Nacht geheizt wurden;
4) die vorzügliche Bedienung des Feuers und
5) die Beschaffenheit der Kohle, welche geradezu als Muster einer besten Kesselkohle
bezeichnet werden darf. Dieselbe lässt sich mit geringem Zuge in hoher Schichtung
und mit kurzer Flamme verbrennen und hinterlässt so wenig Rückstände, dass während
einer ganzen Tagschichte nur einmal geschlackt zu werden brauchte.
„In Folge dieser ausgezeichneten Eigenschaften war es möglich, die
Kohle schon mit dem 1,6- bis 1,5fachen der theoretischen Luftmenge (hohe
Anfangstemperatur) auf dem Planroste vollkommen (Minimum von Russ und
unverbrannten Gasen) zu verbrennen.
„Der Grund, warum mit Saarkohle im vorliegenden Falle nicht der
hohe Wirkungsgrad wie mit Ruhrkohle erzielt wurde, liegt neben der weniger guten
Feuerbedienung hauptsächlich in dem Umstände, dass die Saarkohle weit mehr
flüchtige Bestandtheile (etwa 34 Proc.) enthält, als die Ruhrkohle (etwa 21
Proc). In Folge dessen bedarf die Saarkohle während der Entgasung weit mehr Luft
und bildet eine viel längere Flamme, was insofern nachtheilig ist, als zur
Abkühlung der Heizgase nach beendigter Verbrennung nicht mehr so viel Heizfläche
übrig bleibt als bei der Ruhrkohle. In der That enthielten bei der Saarkohle die
am Flammrohrende entnommenen Gasproben noch bis zu 3,5 Proc. unverbrannte Gase,
und konnte durch eine Schauöffnung beobachtet werden, dass sich die Verbrennung
bis in die Heizröhren des Oberkessels erstreckte, während bei der Ruhrkohle die
Verbrennung schon in den Flammrohren beendigt war. Aus der ungünstigeren
Beschaffenheit der Saarkohle erklärt sich somit bei dem Versuche vom 11. Juni
der geringere Kohlensäuregehalt und die höhere Abgangstemperatur der Heizgase
bezieh. der im Kamin stattfindende hohe Wärmeverlust von etwa 20 Proc.,
gegenüber 11 bis 12 Proc. bei der Ruhrkohle.
„Will man Saarkohle ebenso günstig verbrennen wie die Ruhrkohle
auf dem Planroste, so muss man eine schräge Feuerung, z.B. eine
Tenbrink-Feuerung anwenden.
„Der vorliegende Fall zeigt in schlagender Weise, wie wichtig es
ist, die Feuerung der Beschaffenheit der Kohle anzupassen. “
Es soll durch diese Ergänzung nicht bestritten werden, dass mit den beschriebenen
Kesseln unter Umständen gute Resultate zu erreichen sind, wohl aber, dass dieselben
nur ausnahmsweise erzielt werden, sondern durch die vom bayerischen
Dampfkesselrevisionsverein erwähnten Gründe.
Diese Kritik scheint um so berechtigter, als der bayerische
Dampfkesselrevisionsverein noch zahlreiche Versuche mit gleichen und ähnlichen
Doppelkesseln gemacht hat, bei welchen vergleichsweise sehr geringe Resultate
erzielt wurden.
Unmittelbar nach den Versuchen in Pfersee wurden in dem Jahresberichte des
mehrerwähnten Vereins S. 85 bis 89 die Versuche mit Doppelkesseln in der Zwirnerei und Nähfadenfabrik Göggingen besprochen, bei
welchen nur Nutzeffecte von 60,43, 61,64, 61,04, 58,46, 55,06 constatirt wurden.
Ferner findet sich in demselben Jahresberichte S. 33 bis 37 der Bericht über
Versuche mit Doppelkesseln in der Portland- und
Romancementfabrik Carlstatt, wobei 73,45 Proc. Nutzeffect constatirt
wurden. Ferner auf S. 79 bis 81 Bericht über die Versuche in der Mechanischen Baumwollspinnerei und Weberei Augsburg, wo
mit ähnlichen Doppelkesseln ein Nutzeffect von nur 57,11, 59,3 und 58,2 Proc.
erreicht wurden.
Ueber die Ursachen dieses schlechten Resultates sagt der bayerische
Dampfkesselrevisionsverein (S. 80):
„Der ermittelte Wirkungsgrad mit etwa 59 Proc. ist mit Rücksicht
auf das günstige Verhältniss zwischen Rost- und Heizfläche (1 : 45) als
ungenügend zu bezeichnen, um so mehr, als der Kessellieferant 72 Proc. in
Aussicht gestellt hatte. Bei Einhaltung dieser letzteren Ziffer hätte man 5fache
statt nur 4,2fache Verdampfung erzielen müssen, Der Mehraufwand für Kohle berechnet sich in
Folge der Minderleistung des Kessels auf 9,70 M. für je 10 Arbeitstunden.
„Nachdem für eine Dampfleistung von 10,5 k in 1 Stunde auf 1 qm
Heizfläche bereits 114 k Kohlen auf 1 qm Rostfläche verheizt werden mussten,
kann die quantitative Leistung des Kessels ohne erhebliche Einbusse an der
qualitativen nicht weiter erhöht werden.
„Der etwa 8,5 Proc. betragende Wärmeverlust durch Unverbranntes in
den Herdrückständen sollte 5 Proc. nicht überschreiten und ist die
Ueberschreitung hauptsächlich dem hohen Griesgehalte der trocken verheizten
Kohle bezieh. den hierfür etwas weiten Rostspalten zuzuschreiben; auch dürfte
die grosse Rostlänge und die starke Anstrengung des Rostes hier von Einfluss
gewesen sein.
„Dass der Verlust an freier Wärme in den Kamingasen trotz des
niedrigen Kohlensäuregehaltes nicht zu gross ist, ist der relativ grossen
Heizfläche zu verdanken. Viel lässt sich in diesem Punkte überhaupt nicht mehr
gewinnen, da die Abgangstemperatur der Heizgase (177° Vormittags) der absoluten
Temperatur des Dampfes (172° C.) sehr nahe steht.
„Die Procentziffer für den Wärmeverlust durch Strahlung u.s.w. ist
mit 16 Proc. für einen Kessel mit Innenfeuerung ziemlich hoch, was sich aber aus
der etwa 110 qm betragenden Grösse der Strahlungsoberfläche des Kessels und aus
dem niedrigen Heizwerthe der Kohle genügend erklärt.
„Wenn auch die einzelnen Wärmeverluste möglicher Weise noch um
einige Procente vermindert werden könnten, so lassen sich doch mit fraglichem
Kesselsystem niemals 72 Proc. nutzbare Wärme aus der vorliegenden Kohle
gewinnen. Was die Würdigung des Systems in Beziehung auf die oberbayerische
Kohle betrifft, verweisen wir auf unseren 17. Jahresbericht S. 45 bis 48.
Ueberhaupt wird bei Verwendung von Brennmaterial mit niedrigem Heizwerthe (bis
etwa 5500 W.-E.) ein mit guter Aussenfeuerung (z.B. Münchener Stufenrost)
ausgestatteter Dampfkessel von 150 qm Heizfläche quantitativ und qualitativ
mindestens dasselbe leisten, was hier der Doppelkessel mit 200 qm Heizfläche
geleistet hat.“
Der Jahresbericht von 1891 gibt auf S. 39 bis 43 wieder ein besseres Resultat für
einen Doppelkessel, und zwar bei Ruhrkohlenbrand 74,9 Proc. Nutzeffekt bei nur 8 k
Dampfproduction für 1 qm Heizfläche und bei Braunkohlenbrand von 71,7 und 69,4
Proc.
Durch alle diese Zahlen wird bestätigt, was die Berichte des Vereins hervorheben.
Dieselben Berichte geben aber auch mehrere Versuche mit Batteriekesseln mit Tenbrink'scher rauchverzehrender Feuerung, bei welchen
Nutzeffecte zwischen 78,9 und 83 Proc. mit verschiedenen Brennmaterialien constatirt
sind und die ausführlich hier anzuführen den Rahmen dieser Erwiderung weit
überschreiten würde; es genüge zu erwwähnen, dass dieselben enthalten sind
im
Jahrgang
1878
S.
87
„
„
1887
„
47
bis
52
„
„
1889
„
49
„
53.
(Allen Interessenten stehen diese Berichte leihweise zur Verfügung.)
Durch alle diese Vergleiche und zahlreiche dem Unterzeichneten bekannte
übereinstimmende Versuchsresultate ist bewiesen, dass der Doppelkessel im Nutzeffect
gegen solche Batteriekessel auch bei Ruhrkohlenbrand noch um einige Procente
zurücksteht, bei anderen Brennmaterialien aber um etwa 10 bis 20 Proc.
Diese Unterschiede zeigen sich auch in den von genanntem Verein stets ausgerechneten
Dampfpreisen, der bei den Doppelkesseln mit 3,01 bis 3,15 M. für 1000 k noch
wesentlich höher ist als bei den Batteriekesseln mit Tenbrink-Feuerung.
Abgesehen davon, dass nach diesen Resultaten die Nutzeffecte der Doppelkessel nicht
immer die höchst erreichbaren sind, spricht zu deren Ungunsten noch der Umstand,
dass für 1 qm Heizfläche viel weniger Dampf erzeugt werden kann als mit
Batteriekesseln; weil bei letzteren die Roste grösser sein können (gewöhnlich auch
grösser sind) und bei ersteren der kleine Querschnitt der Siederohre nur ein
beschränktes Quantum Heizgase durchlässt.
Solche und ähnliche Vergleichungen werden dem unparteiischen Beurtheiler wohl den
Gedanken aufdrängen, dass mehr die Batterie- oder Cornwall-Kessel mit
Tenbrink-Feuerung als die combinirten Cornwall-Röhrenkessel da zu wählen sein
werden, wo die Kohlenersparniss eine grosse Rolle spielt, insbesondere, wenn keine
Kohlen bester Sorte zu billigen Preisen erhältlich sind und nicht auf eine
ausserordentlich gute Wartung der Feuerung gerechnet werden kann.
Hochachtungsvoll
J. Hermanuz.