Titel: | Zum Kapitel der öffentlichen Gesundheitspflege. |
Autor: | F. H. Haase |
Fundstelle: | Band 290, Jahrgang 1893, S. 30 |
Download: | XML |
Zum Kapitel der öffentlichen
Gesundheitspflege.
Von F. H. Haase, gepr. Ingenieur, Patentanwalt
in Berlin.
Mit Abbildungen.
Zum Kapitel der öffentlichen Gesundheitspflege.
Transport und Verbrennung von Abfuhrstoffen und
Thierleichen.
Zu den wichtigsten Aufgaben der öffentlichen Gesundheitspflege gehört die Sorge für
Reinhaltung von Haus, Hof und Strassen.
Um die Reinhaltung einzelner Wohnungen bekümmert sich die Gesundheitspolizei im
Allgemeinen nicht, so lange die Nachbarschaft von den Folgen vorkommender
Unreinlichkeit nicht belästigt wird, und diese Beschränkung der behördlichen
Ueberwachung dürfte wohl auch in allen Gesellschaftsklassen gebilligt werden.
Gleichwohl kamen im vorigen Jahre zur Zeit der europäischen Choleraepidemien Zustände
zu Tage, welche eine behördliche Ueberwachung der Reinhaltung zahlreicher Wohnungen
sowohl im Interesse der Inhaber derselben als auch der Allgemeinheit zu
rechtfertigen sehr wohl geeignet waren.
Wohl und Wehe des Einzelnen kann nicht Gegenstand der öffentlichen Gesundheitspflege
sein, so lange nicht auch andere dabei in Mitleidenschaft gezogen werden; dagegen
kann es schon Aufgabe der Gesundheitspolizei sein, die Gesundheitsverhältnisse von
Räumen und Plätzen zu überwachen, welche nur wenigen Wohnungsinhabern zugleich
angehören, weil es diesen selbst nicht immer möglich ist, die zu ihrem
Gesundheitszustand zweckdienlichen Maassnahmen zu sichern, wenn auch selbst
contractliche Festsetzungen darüber bestehen, die ein Recht zur Privatklage
gewähren. Diese behördliche Ueberwachung wird aber zur dringenden Nothwendigkeit,
wenn die Anzahl der an einem gemeinschaftlichen Raume theilnehmenden Parteien so
gross ist, dass die Aufrechterhaltung einer für die Gesundheitsverhältnisse
nothwendigen Ordnung ohne behördliche Beihilfe überhaupt nicht gesichert werden
kann, wie dies in den zahlreichen Miethskasernen grosser Städte sehr oft
zutrifft.
Für öffentliche Gebäude ergibt sich eine Ueberwachung der für die
Gesundheitsverhältnisse nöthigen Ordnung als selbstverständlich, und der Reinhaltung
von öffentlichen Strassen und Plätzen wird in Deutschland jetzt wohl überall
behördlicherseits die nöthige Aufmerksamkeit gewidmet.
In grossen Städten werden zur Zeit wohl überall bestimmte Anordnungen hinsichtlich
der Ansammlung von aus den Wohnungen entfernten Kehricht-, Speiseabfall- und
Aschemengen getroffen. Insbesondere sind für die Ansammlung der letzteren mit
Rücksicht auf die Feuersicherheit bestimmte Maassregeln vorgeschrieben.
Die Asche wird meistens in offene oder geschlossene, gemauerte oder eiserne
Sammelbehälter geschüttet, in welche dann in der Regel auch Kehricht, Glasscherben,
Stroh, Heu, Speisereste u.a.m. geworfen werden. Man nennt solche Ansammlung in
Berlin gemeinhin „Müll“ und die Sammelbehälter, welche hier in der Regel eine
Kastenform besitzen, „Müllkasten“.
Wird nicht darauf geachtet, dass die Asche vollständig abgekühlt ist, bevor sie in
den allgemeinen Sammelbehälter (Müllkasten) geschüttet wird, so entwickeln sich in
diesem unter dem Einfluss der Wärme der Asche nicht selten die durchdringendsten
Gerüche der Verbrennung und Zersetzung.
Da sich diese Sammelbehälter in der Regel auf dem Hofraum der Gebäude befinden, so
sind die Hofräume, wenn sie klein und ringsum von hohen Bauten umschlossen sind, oft
wahre Brutstätten von Krankheiten aller Art. Zur Behebung dieses Uebelstandes ist in
den meisten grossen Städten die Bestimmung getroffen, dass der Inhalt der besagten
Sammelbehälter täglich durch Abfuhr nach dafür besonders ausersehenen, ausserhalb
der Stadt mehr oder weniger weit von dieser entlegenen Stellen hin entfernt werden
muss.
Mit dieser Abfuhr selbst sind oft Misslichkeiten verbunden, die den Regeln der
öffentlichen Gesundheitspflege direct zuwiderlaufen.
In erster Linie wird die Abfuhr oft keineswegs nach Bestimmung alltäglich, sondern
(beispielsweise in Berlin) kaum wöchentlich ein- oder zweimal besorgt, weil die
Abfuhrunternehmer so sehr mit Aufträgen überhäuft sind, dass sie selbst bei bestem
Willen mit der ihnen zu Gebot stehenden Wagen- und Pferdezahl nicht im Stande sind,
ihren Verpflichtungen regelmässig nachzukommen; eine Vermehrung der Unternehmer ist
aber ausgeschlossen, so lange man die Abfuhr der privaten Vereinbarung über lässt
und eine Steigerung der Transportpreise durch Ausübung eines Zwanges vermieden wird.
Man drückt deshalb in Berlin ein Auge zu und, anstatt die Abfuhr auf bestimmte
Stunden in der Frühe oder auch am Abend zu beschränken, lässt man es zu, dass die
Müllwagen während des ganzen Tages durch die Strassen fahren.
Dieser Umstand ist in Berlin ganz besonders misslich wegen der daselbst
gebräuchlichen Art der Verladung-, denn es werden
entweder die Müllkasten im Hofraume leer geschaufelt und ihr Inhalt in Körben oder
in undichten Kasten zum Wagen gebracht, auf den dann die Körbe oder Kasten
ausgeschüttet werden, oder es werden die Müllkasten selbst zum Wagen getragen und
auf denselben durch Umkippen entleert. Dabei werden natürlich die Vorübergehenden
oft in schmutzige übelriechende Staubwolken eingehüllt, welche auch durch geöffnete
Fenster und Thüren in die benachbarten Erdgeschosswohnungen eindringen.
Das Gesundheitsgefährliche dieses Zustandes ist von der Behörde sehr wohl
anerkannt worden und bildet seit längerer Zeit Gegenstand der Erwägung; es wurden
aber bisher noch keine von den zur Behebung des Uebelstandes vorgeschlagenen Mitteln
als hinreichend befriedigend erachtet. Es mag wohl naheliegend erscheinen, dass man
das Ausleeren der Müllkasten in der Stadt selbst vermeiden könnte, wenn man, wie
dies in kleineren Städten üblich, die Hauseigenthümer verpflichten würde, allgemein
transportable Müllkasten in doppelter Zahl anzuschaffen, so dass die
Abfuhrunternehmer jeweils volle Müllkasten gegen leere auszuwechseln vermöchten;
allein dadurch würden die Abfuhrkosten (welche zur Zeit in Berlin auf mehr als
1000000 M. zu veranschlagen sind) zufolge des Gewichts und des Umfangs der nicht
immer ganz gefüllten Kasten ganz bedeutend vermehrt und die Abfuhr selbst noch mehr
verzögert werden.
Dieser Umstand brachte mehrere Fachleute zugleich auf die Idee, anstatt der schweren
Müllkasten Säcke zu benutzen, welche, in die ersteren
eingehängt, unmittelbar zur Aufnahme der Abfuhrstoffe bestimmt und von den
Fuhrleuten gegen leere Säcke ausgetauscht werden sollten. Der Verwendung von
Faserstoffsäcken steht nun der Umstand entgegen, dass dieselben der hohen
Temperatur, in welcher sehr oft die Asche in die Müllkasten geschüttet wird, nicht
lange widerstehen würden; deshalb kam der Director der Berliner
Strassenreinigungsdeputation, Schlosky, auf die Idee,
geeignete Säcke aus Asbest herstellen zu lassen. Solche Säcke widerstehen allerdings
höherer Temperatur und verbinden – bei der gewählten Herstellungsart – mit dieser
Eigenschaft auch eine Biegsamkeit, welche derjenigen der Faserstoffsäcke nur wenig
nachsteht, werden jedoch bei gewaltsamer Verschnürung an der Schnurstelle sehr bald
mürbe und brüchig, weshalb sie bei der sonst für Säcke üblichen Verschlussweise
binnen sehr kurzer Zeit unbrauchbar werden müssen. Ein Gürtler Namens Nadge wählte deshalb, als er unabhängig von Director
Schlosky's Erfindung ebenfalls auf die Idee kam,
Säcke zur Müll-Ansammlung und -Verladung vorzuschlagen, für solche Säcke eine
Aufhängeeinrichtung, welche es ermöglicht, den Sack mit einem einfachen eisernen
Deckel abzuschliessen und sammt seinem Verschluss auszuwechseln und zu verladen.
Diese Einrichtung, welche vor Kurzem gesetzlich geschützt wurde, ist in den
beigefügten Fig. 1 bis
3 dargestellt.
Der Sack A ist staubdicht an einen Rahmen B angefügt, welcher den zur Aufnahme des Sackes
bestimmten Kasten C ringsum überdeckt, selbst aber eine
grosse Oeffnung besitzt; die mittels eines einfachen steifen Deckels D fest verschlossen werden kann. Für den Zweck der
Abfuhr wird der Deckel D auf dem Rahmen B befestigt und der Sack sammt dem Rahmen B und dem Deckel D aus dem
Kasten C herausgehoben und zum Transport umgedreht,
wobei er, wenn er nur wenig gefüllt ist, in sich zusammensinkt, wie Fig. 3 veranschaulicht,
so dass er nur sehr wenig Raum auf dem Wagen einnimmt.
Damit könnte die Frage der Behebung der oben erwähnten Misstände beim Verladen der Abfuhrstoffe im Allgemeinen wohl
gelöst sein. Natürlich dürfen in einen Sack der erwähnten Art Glasscherben u. dgl.
scharfe Gegenstände nicht hineingeworfen werden, weil er sonst sehr bald
unbrauchbar werden müsste. Dieser Umstand ist jedoch als Hinderniss kaum
aufzufassen, da wohl jeder Hausbesitzer selbst dafür sorgen würde, dass man seine
Transportsäcke nicht muthwillig vernichtet. Zugleich wird durch die Absonderung
solcher Gegenstände noch ein besonderer Vortheil erreicht, dessen weiter unten
gedacht werden wird.
Eine bei der Abfuhr für grosse Städte sehr schwer wiegende Frage betrifft die Wahl
des Abladeplatzes. Bei dieser Wahl kommen ausser hygienischen Erfordernissen auch
der Bodenwerth und die durch diese beiden Factoren bedingte Entfernung des
Abladeplatzes, sowie die zur Beförderung dahin zu Gebote stehenden Transportmittel
in Betracht.
Was die Transportmittel betrifft, so kann natürlich die Beförderung nach Stellen, die
mehrere Kilometer weit von der Stadt entfernt sind, nicht in Strassenwagen erfolgen,
weil eine solche Beförderung viel zu theuer zu stehen käme; es muss daher in solchem
Falle nothgedrungen eine Umladung in Eisenbahnzüge (eventuell in Feldbahnzüge) oder
wo möglich in Schiffe erfolgen. Hierbei kommen wieder die zum möglichst billigen
(insbesondere raschen) Umladen erforderlichen Hilfsmittel in Betracht; unter welchen
im Allgemeinen die schiefe Ebene als das vortheilhafteste erscheint, weil diese
nicht nur eine rasche, sondern auch eine für das zu beladende Gefährt
(Eisenbahnwagen oder Schiff) wie für das Ladgut (hier also die Säcke) wenig
nachtheilige Umladung ermöglicht. Dabei kann es als besonders zweckmässig erachtet
werden, die zu entleerenden Wagen selbst in die Richtung der schiefen Ebene zu
bringen, um ihren Inhalt auf diese selbsthätig zu entleeren, wie es hin und wieder
beim Umladen von Kohlen aus Eisenbahnwagen in Schiffe vorkommt.
Textabbildung Bd. 290, S. 31Nadge's Müllsack. Es versteht sich von selbst, dass man in so grossen Städten wie Berlin,
Petersburg, London u.s.w. alle Factoren berücksichtigen muss, welche eine möglichst
weitgehende Verminderung der Transportkosten für Abfuhrstoffe in Aussicht stellen.
Es ist deshalb auch schon vielfach die Frage erörtert worden, ob es nicht möglich
sei, das auf weite Entfernungen zu transportirende Abfuhrmaterial in geeigneter
Weise zu vermindern. In der That ist eine solche Verminderung in mancherlei Weise
denkbar. Beachtet man beispielsweise, dass die Brennmaterialasche für manche
Bodenarten sehr gute Düngsalze enthält, dass sich ferner daraus auch ohne besondere
Schwierigkeit Steine herstellen lassen, welche für manche Bauarbeiten in
umschlossenem Raum
sehr gut und mit Vortheil als Wärmeisolirmaterial verwendbar sein würden, dass man
ferner die unter den Abfuhrstoffen befindlichen organischen Abfälle der häuslichen
und wirthschaftlichen Gebrauchsgegenstände und mancher Industriegebiete, sowie auch
Verbandstoffe, Thierleichen u.s.f., welche unter die Abfuhrmassen gelangen,
verbrennen kann, so übersieht man, dass sich sogar eine ganz bedeutende Verminderung
der auf weite Entfernungen zu transportirenden Abfuhrmassen bewerkstelligen lässt.
Hierbei fragt es sich jedoch, in welcher Weise die Sortirung der Materialien in
möglichst billiger Weise geschehen kann und wo eine solche Sortirung vorgenommen
werden soll; ausserdem müssten für die Verwendung der Aschebestandtheile Abnehmer
erst gewonnen werden, und endlich fragt es sich, wo und auf welche Weise die
Verbrennung der brennbaren Stoffe am zweck-massigsten zu bewirken ist.
Wenn eine Verminderung der Abfuhrstoffe zum Zweck der Ersparniss an Transportkosten
bewirkt werden soll, so ist es naheliegend anzunehmen, dass die Ersparniss am
grössten werde, wenn die Verminderung in möglichst geringer Entfernung von der
Ansammelstelle vorgenommen wird. Dies ist jedoch nicht ganz zutreffend; denn wenn
nachher die übrig bleibende Masse wieder auf einen Strassenwagen geladen werden
muss, der später in Eisenbahnwagen oder in ein Schiff entladen wird, so kann unter
Umständen die nochmalige Beladung des Strassenwagens theurer zu stehen kommen, als
wenn die ursprüngliche Abfuhrmasse unvermindert weiter verfahren würde. Die
Verminderung muss deshalb, wenn sie nicht in ganz bedeutendem Maasse bewirkt wird,
unbedingt an solchen Orten erfolgen, wo ohnehin eine Umladung der Strassenwagen in
Eisenbahnwagen oder in Schiffe vorgenommen werden könnte.
Wesentlich günstiger lägen die Verhältnisse, wenn man alle organischen Abfuhrstoffe
(wie Knochen, Gemüseabfälle, Stroh, Lumpen, Papierfetzen u.s.w.) von vornherein
schon in den Hofräumen von den unorganischen Abfuhrmassen trennen und etwa auch noch
von den letzteren die Asche absondern würde; es müssten dann eben statt je eines
Müllkastens je drei, oder doch wenigstens je zwei, in den Höfen vorgesehen werden.
In solchem Falle könnte man die organischen Stoffe nach einer benachbarten
Verbrennungsstation verfahren, die von Asche freien oder auch mit etwas Asche
vermengten unorganischen Stoffe ohne weiteres für den Ferntransport verladen und die
etwa gesonderte Asche von besonderen Unternehmern abholen lassen. Es erscheint aber
fraglich, ob sich überall die Bevölkerung daran gewöhnen würde, die Absonderung in
der angegebenen Weise selbst vorzunehmen. Einzelne Versehen könnten dabei schon
ruhig mit in den Kauf genommen werden.
Ingenieur Kori ist der Meinung, man könne einen für die
unorganischen Stoffe bestimmten Kasten durch einen einfachen starken Siebboden in
zwei Theile theilen, in dem unteren derselben würde sich dann von selbst
vorzugsweise Asche ansammeln, während der obere Theil nur wenig Asche enthalten
würde. Auf die Anwendung eines Sammelsackes müsste man in diesem Falle für den
oberen Kastentheil, den man zweckmässiger Weise sammt seinem Siebboden abhebbar
machen müsste, verzichten, was übrigens auch sehr wohl geschehen könnte, da die
Fuhrleute die geringe von Asche freie unorganische Masse zu bestimmter Stunde
(früh am Morgen oder auch am Abend) in einen mitgebrachten Sack aus beliebigem Stoff
oder auch in einen tragbaren Kasten umschütten und etwa diesen letzteren auf den
Strassenwagen entleeren könnten. Für den Aschebehälter könnte man wohl in diesem
Falle wieder einen Asbestsack in Anwendung bringen; übrigens könnte man wohl auch
einen eisernen Aschebehälter mit einem nach unten zu öffnenden Boden versehen,
welcher die Möglichkeit bieten würde, den Behälter mit sehr wenig Staubentwickelung
in einen geeignet construirten überdeckten Wagen zu entleeren.
Die Sammel- und Transportfrage dürfte hiernach wohl in praktischer Weise gelöst sein,
zumal die Fortschaffung von Abfuhrstoffen aus Markthallen und von industriellen
Betrieben auch in der bisher gebräuchlichen Weise nicht als gesundheitswidrig in
Betracht kommt, weil die dafür bestimmten Strassenwagen in die Hallen und Höfe
selbst hineinfahren. Es bliebe somit nur noch die Frage der Verbrennung organischer
Abfuhrstoffe näher zu erörtern.
In dieser Hinsicht können wir uns die in französischen und ganz besonders die in
englischen Grosstädten gewonnenen Erfahrungen zu Nutzen machen, da man dort seit
einer Reihe von Jahren der Verbrennungsfrage praktisch näher getreten ist und in
mancher Beziehung sehr gute Resultate erzielt hat. Auf Grund dieser Erfahrungen
erweist es sich als vortheilhaft, die organischen Stoffe nicht nur vorzutrocknen,
sondern auch förmlich zu dörren, bevor sie zur Verbrennung gebracht werden, die
Verbrennung selbst aber in einem Ofen vorzunehmen, der so gebaut ist, dass die
Stoffe der Verbrennungsstelle nach und nach zugeschoben und demzufolge allmählich
mehr und mehr erhitzt werden, wobei ihre Gasausscheidungen mit denjenigen
vollkommener Verbrennung und mit stark vorerhitzter Luft gemischt werden; kurz es
erweist sich als vortheilhaft, alle diejenigen Maassnahmen für die Verbrennung zu
treffen, welche am meisten Aussicht auf eine vollständige Zersetzung aller organischen Stoffe zu Kohlensäure mit einem geringsten Maasse von
Verbrennungsluft gewähren. Werden alle diese Maassnahmen eingehalten, so benöthigt
die Verbrennung der organischen Abfuhrstoffe nicht nur keinen Verbrauch von anderem
Brennmaterial während des normalen Betriebes, sondern man gewinnt auch sehr heisse
Verbrennungsgase, deren Wärme zum Theile zu anderen nutzbaren Heizzwecken verwendet
werden kann, da nur ein Bruchtheil der erzeugten Wärme für die Vortrocknung und
Vorerhitzung der Stoffe, sowie zum Vorerhitzen von Verbrennungsluft benöthigt wird.
In England; woselbst in mehr als 30 Städten Abfuhrstoffe verbrannt werden, benutzt
man vielfach die aus den dafür bestimmten Verbrennungsöfen entweichenden
Verbrennungsgase zum Heizen von Dampfkesseln.
Natürlich muss man bei solchen Einrichtungen das Anheizen der Verbrennungsöfen mit
gewöhnlichen Brennmaterialien bewirken; ist die Verbrennung aber einmal in vollem
Gang, so wird der weitere Betrieb, wie erwähnt, durch die bereits in Verbrennung
befindlichen Abfuhrstoffe selbst unterhalten.
Hat man in unmittelbarer Nähe der Verbrennungsöfen keine Verwendung für die Wärme
hoch erhitzter Verbrennungsgase, so kann man durch Abbrechen der Zersetzung bei
beschränkterer Luftzuführung in den Verbrennungsöfen brennbare Gase entwickeln, die man in gleicher Weise wie Leuchtgas in grossen
Reservoiren ansammeln und nach erfolgter Abkühlung in Rohrleitungen nach anderen
Orten hinleiten kann, an welchen sie nach vorangängiger Mischung mit Luft und unter
weiterer Zuführung von Luft in möglichst vorerhitztem Zustand vollständig zu
Kohlensäure verbrannt werden können.
Die Einrichtung eines zur vollständigen Verbrennung von organischen Abfuhrstoffen
geeigneten Ofens von der in England viel gebräuchlichen Art mit Verbesserungen von
H. Kori in Berlin veranschaulichen die neben
stehenden Fig. 4 und 5.
Textabbildung Bd. 290, S. 33
Fig. 4.Kori's Ofen für Abfuhrstoffe.
Der Ofen besteht hier aus drei Theilen, dem Verbrennungsraum
A und zwei Nebenräumen A1A2, in welchen die Verbrennungsgase eine
Anzahl eiserner Röhren durchziehen, während atmosphärische Luft, an denselben
vorbeistreichend, vorerhitzt wird. Diese Nebenräume sind mit Eisenplatten B überdeckt, auf welchen die zu verbrennenden
Abfuhrstoffe vorgetrocknet werden. Ein Theil der Luft, welche sich in diesen
Nebenräumen erhitzt, strömt durch senkrecht ansteigende Mauerkanäle in den zwischen
beiden Räumen liegenden Verbrennungsraum A ein. Dieser
enthält, wie Fig. 4 erkennen lässt, eine Platte P, auf welcher die zu verbrennenden Stoffe erhitzt
werden, ferner einen Treppenrost, auf welchem die Verkohlung der Stoffe beginnt, und
einen an den Treppenrost sich anschliessenden schräg liegenden Planrost R1, auf welchem die
Verbrennung der verkohlten Masse vor sich geht. Unter diesem Planrost,
entgegengesetzt geneigt, liegt ein anderer Planrost R2, auf welchem während der Zeit des
Anheizens des Ofens gewöhnliches Brennmaterial verbrannt wird. Die Bedienung dieses
Rostes erfolgt von der Thür S aus.
Textabbildung Bd. 290, S. 33Fig. 5.Kori's Ofen für Abfuhrstoffe. Lässt man in die Räume A1A2 reichliche Mengen Luft Kori's Ofen für
Abfuhrstoffe. einströmen, um den die Röhren durchziehenden Verbrennungsgasen hier
ihre Wärme möglichst zu entziehen, so kann man einen Theil dieser Luft als Heizluft
in andere Räume einführen, z.B. im Winter in bewohnte Räume, oder auch in
Trockenräume. Man kann aber auch die Anzahl der in den Räumen A1A2 liegenden Röhren
vermindern und die abziehenden Verbrennungsgase noch an anderen Orten zur Heizung
verwenden.
Um die Feuergase, bevor sie in die beiden Röhrensysteme (in A1 und A2) einströmen,
vollständig zu verbrennen, ist eine besondere Mischkammer E vorgesehen, in welche seitlich durch eine grosse Anzahl Löcher noch
einmal vorerhitzte Verbrennungsluft einströmt, die hier mit den Feuergasen in
Mischung tritt. Endlich liegt hinter der Kammer E noch
eine andere weite Kammer F, in welcher die Gase
vollständig ausbrennen, bevor sie nach den zu beiden Seiten liegenden Röhrensystemen
der Räume A1A2 strömen.
Bei den bisherigen Betrachtungen wurde nur von solchen Abfuhrstoffen gesprochen, wie
sie sich in Wohnhäusern, in Markthallen und in einzelnen Fabriken ergeben.
Der Kehricht der Strassen, von welchem der Thierkoth für besondere Verwerthung,
soweit als es ohne Hemmung der Strassenreinigung geschehen kann, abgesondert wird,
wird wohl auch in Zukunft am besten wie bisher auf kürzestem Wege aus der Stadt
hinaus zu schaffen sein, weshalb hierüber nähere Betrachtungen entbehrlich
erscheinen.
Anders verhält es sich mit den Abfallstoffen von Schlachthäusern, sowie mit den nicht
zum Hausunrath gehörigen ungeniessbaren Thierleichen, ferner mit den Verbandstoffen,
mit grösseren thierischen und menschlichen Absonderungen in öffentlichen
Lazarethanstalten, sowie endlich mit den in solchen vorkommenden abgeschnittenen
Gliedmaassen.
Ueber das Gesundheitsschädliche vorkommender Fäulniss solcher
Ausscheidungsgegenstände in bewohnter Gegend bestehen keine Zweifel; es liegt daher
– und zwar ganz besonders zur Zeit von Epidemien – im Interesse der öffentlichen
Gesundheitspflege, diese Gegenstände auf möglichst kurzem Wege aus dem Luftbereiche
aller Menschen und Thiere zu entfernen, wozu sich am besten die Verbrennung im
abgeschlossenen Ofen eignet. In England und in Frankreich ist dieses Mittel in
grossen Städten seit langer Zeit in Gebrauch, während man in Deutschland erst in den
letzten Jahren vereinzelt dazu geeignete Verbrennungsöfen angelegt hat.
Textabbildung Bd. 290, S. 33Fig. 6.Kori's Ofen für Abfuhrstoffe. Die Einrichtung derartiger Oefen beruht auf dem folgenden Princip.
Die zu verbrennenden Gegenstände müssen sofort in den Ofen geworfen und in demselben
angesammelt werden können und, dabei völlig von der Umgebung des Ofens
abgeschlossen, einem Feuergasstrom derart aussetzbar sein, dass sie von allen Seiten
der trocknenden Wirkung desselben unterliegen. Es muss sodann, nachdem die
Vortrocknung beendet ist, möglich sein, die Gegenstände unter verstärkter Erhitzung
auf einer schrägen Bahn derart auszubreiten, dass sie allmählich und gleichmässig
mehr und mehr ausgedörrt und unter weiterem Vorschieben allseitig verkohlt und
schliesslich in den Feuerherd selbst hineingeschoben werden können.
In den Fig. 6 bis 8
sind Verbrennungsöfen der in England gebräuchlichen Systeme mit Verbesserungen von
H. Kori in Berlin dargestellt, und zwar
veranschaulicht Fig. 6 einen Verbrennungsofen für
kleine Thierleichen, Verbandstoffe, Gliedmaassen und Knochen, während Fig. 7 die gebräuchliche Einrichtung eines
Verbrennungsofens für unzertheilte grössere Thierkörper veranschaulicht. Fig. 8endlich lässt eine Sondereinrichtung des vorderen
Theiles des in Fig. 7 dargestellten Ofens für den
Zweck der Ansammlung von Rückständen unvollkommener Verbrennung oder auch der
Ansammlung der reinen Asche der Thierleichen für industrielle Verwerthung
erkennen.
Bei dem in Fig. 6 dargestellten Ofen werden die
Gegenstände durch eine seitlich angeordnete verdeckbare Rinne A in einen freistehenden durchlöcherten Schacht E hineingeworfen, dessen von aussen drehbare Klappe K dabei in wagerechter Lage liegt. Ein auf dem Rost B entfachtes Feuer erhitzt zunächst den Ofen räum und
die Verbrennungsgase strömen theilweise durch den Schacht E hindurch und theilweise um denselben herum nach dem Fuchs B. Demzufolge werden die im Schacht E angesammelten Gegenstände zunächst ausgetrocknet. Ist
dies geschehen, so wird die Feuerung verstärkt und die Klappe K in die punktirte schräge Lage gedreht, so dass die
vorgetrockneten Gegenstände allmählich auf die gemauerte Sohle M fallen, von wo sie von Zeit zu Zeit von der bei S vorgesehenen im Allgemeinen dicht verschlossenen
Bedienungsöffnung aus in den Feuerraum selbst hinabgestossen werden. Nach Kori's Angabe können in einem solchen Ofen bei
fortwährender Feuerung 100 k kleine Thierleichen und Fleischtheile mit etwa 20 k
Kohle binnen zwei Stunden zu Asche verbrannt werden.
Textabbildung Bd. 290, S. 34Fig. 7.Kori's Verbrennungsofen für Thierleichen. Bei dem in Fig. 7 dargestellten
Verbrennungsofen werden grössere Thierleichen durch die Oeffnung A auf ein mit zahlreichen Durchbrechungen versehenes
Gewölbe C geworfen, dessen Vordertheil wagerecht
verläuft, damit die Leichen nicht unverkohlt in den Feuerschacht hineinfallen, wenn
sie vorgeschoben werden.
Das durchbrochene Gewölbe überdeckt einen oder mehrere parallel laufende Feuerzüge.
Zum Anheizen des Ofens und Vortrocknen der Leichen wird die links gezeichnete
Feuerstelle benutzt. Die Feuergase strömen dann in einer den gezeichneten Pfeilen
entgegengesetzten Richtung dem bei B1 liegenden Abzugskanal zu. Ist die Vortrocknung
beendet, so wird der bei R1 liegende Abzugskanal geschlossen und ein bei B2 einmündender Abzugskanal geöffnet,
während zugleich in die rechts unten gezeichnete Feuerstelle geheizt wird.
Das Verbrennen grosser Thierleichen stellt sich nach Kori ungefähr doppelt so theuer als das Verbrennen kleiner Thierleichen
und Fleischtheile und zwar vermuthlich deshalb, weil unzerlegte grosse Thierkörper
nicht so rasch ausgetrocknet werden können, wie zerlegte und kleine Körper. Die
Asche wird in England als Dünger- und Wegbaumaterial gesucht und gut bezahlt, so
dass die Verbrennung nur wenig Nettokosten verursacht.
Sollen Knochenrückstände zu weiterer Verwerthung vor der vollständigen Verbrennung
bewahrt werden oder die Asche der Thierleichen, welche ihrer blendend weissen Farbe
wegen zur Herstellung von Schmuckgegenständen verwendbar ist, rein erhalten werden,
so wird in den Vordertheil des Verbrennungsofens ein schräges Zwischengewölbe Z (Fig. 8) eingebaut,
auf welchem sich die abzusondernden Rückstände der Verbrennung ansammeln, so dass
sie von Zeit zu Zeit von einer in der Vorderwand befindlichen Bedienungsstelle O aus herab in einen Sammelraum geschoben werden
können.
Textabbildung Bd. 290, S. 34
Fig. 8.Kori's Verbrennungsofen für Thierleichen.