Titel: P. Picard's Anordnung zum gleichzeitigen Telephoniren und Telegraphiren auf denselben Drähten.
Fundstelle: Band 290, Jahrgang 1893, S. 133
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P. Picard's Anordnung zum gleichzeitigen Telephoniren und Telegraphiren auf denselben Drähten. Mit Abbildungen. Picard's Anordnung zum gleichzeitigen Telephoniren und Telegraphiren auf denselben Drähten. Die bereits in D. p. J. 1892 283 * 15 kurz charakterisirte Anordnung Pierre Picard's, mittels welcher dieselben Telegraphenleitungen gleichzeitig zürn Telephoniren und Telegraphiren verwendbar gemacht werden, hat inzwischen weitere Verwendung in Frankreich gefunden und schickt sich an, an Stelle der in Frankreich ziemlich verbreiteten van Rysselberghe'schen Anordnung (vgl. 1882 245 231. 1883 249 * 260. 1884 254 182) zu treten, von welcher man dort abgeht, weil sie sich nicht für die sich dort immer mehr verbreitenden Vielfachtypendrucker von Baudot (vgl. 1883 250 307) verwenden lässt, während die Anordnung Picard's sich in den letzten 2 Jahren gleich gut für Morse, Hughes und Baudot erwiesen hat. Der Hauptapparat Picard's, der Differentialinductor (Transformateur differentiel), besitzt die nach Génie civil, 1893 Bd. 23 * S. 73, in Fig. 1 skizzirte Einrichtung. Auf einen aus weichen Eisendrähten gebildeten Kern sind paarweise die vier Rollen a, b, c und d gewickelt, welche aus gleich langen und gleich dicken Drähten bestehen. Sie ruhen auf einer Holzplatte mit ihren Enden auf zwei Holzbacken, während sie eine Holzwange in ihrer Mitte trennt. Die Aussenenden von a und b liegen an den Klemmen 1 und 3, ihre Mitte gemeinschaftlich an der Klemme 2; die von den Klemmen 5 und 4 ausgehenden Rollen d und c vereinigen sich in ihrer Mitte. Wenn nun aus den an 1 und 3 geführten Telegraphenleitungen L1 und L2 gleichzeitig gleich gerichtete und gleich starke Ströme ankommen und von 2 aus in dem Drahte n weiter gehen, so muss sich ihre auf d und c ausgeübte inducirende Wirkung aufheben. Wenn dagegen ein Strom bloss aus L1 ankommt und in L2 weiter geht, so werden a und b in gleichem Sinne inducirend auf d und c wirken und sich ihre Wirkungen in dem an 4 und 5 angeschlossenen Stromkreise p, q summiren. Ebenso summiren sich in L1, L2 die von c und d auf b und a ausgeübten, von einem Strom in p, q herrührenden Inductionswirkungen. Textabbildung Bd. 290, S. 133Picard's Anordnung von Leitungen. 1) In den Endämtern von L1, L2 nun wird in den beiden Differentialinductoren J hinter n einfach in gewöhnlicher Weise der Telegraphenapparat eingeschaltet, in p, q dagegen die Telephone und die secundäre Wickelung eines Inductors, dessen primäre Rolle von den Mikrophonströmen durchlaufen wird. Dann wirken die abgehenden und ankommenden, sich an 2 verzweigenden bezieh. vereinigenden Telegraphirströme nicht auf die Telephone; die in L1 und L2 gleichsinnigen, von dem Mikrophon in a und b inducirten Telephonströme dagegen wirken durch Induction in den Telephonen des anderen Amtes und vermögen die Telegraphenapparate nicht zu beeinflussen. 2) Soll ein Amt als Endamt für zwei Telegraphenleitungen L1L2 und L1'L2' dienen und zugleich als Zwischenamt für die Telephonleitung L1L1'L2'L2, so werden die beiden Telegraphenapparatsätze in gewohnter Weise an n und n' angeschaltet, p und q aber werden unter Mithilfe dreier Stöpselumschalter U, U0 und U' und Stöpselschnuren mit je zwei Stöpseln mit p' und q' zu einem die Telephone und die secundäre Rolle des Mikrophoninductors enthaltenden Localstromkreise vereinigt. 3) Würde dagegen ein Telegraphenapparatsatz zwischen n und n' eingeschaltet, so ist das Amt Telegraphenzwischenamt und wird doppeltes Telephonendamt für die beiden Leitungen, wenn in den Umschaltern U und U' zwei getrennte Telephonsätze angeschaltet werden. 4) Die Schaltung kann natürlich auch so gewählt werden, dass das Amt zugleich für die Telegraphen und für die Telephone Zwischenamt bezieh. doppeltes Endamt wird; endlich lassen sich in ihm im ersteren Falle leicht die Leitungen L1L2 und L1'L2' unter Ausschaltung der Telegraphen oder der Telephone, oder selbst beider mit einander verbinden. Unter Umständen spielen dabei die Inductoren J und J' die Rolle von Telephonübertragern. Beim Auftreten von Veränderungen der Capacität und des Widerstandes in den Leitungen L1 und L2 machen sich diese zufolge der dadurch bedingten Ungleichheit der Ströme in den Telephonen wahrnehmbar; man macht dies durch Hinzufügung eines Condensators von 0,5 bis 1 Mikrofarad und einer Widerstandsrolle von 200 bis 250 Ohm zum Inductor J unschädlich. Zur Benutzung neben seiner Anordnung hat P. Picard eine eigenthümliche, in Fig. 2 skizzirte Ruf Vorrichtung angegeben. Bei derselben soll eine mittels eines Inductors mit Selbstunterbrecher entsendete Folge von kurzen Strömen die Ankerplatte eines Elektromagnetes in Schwingungen versetzen; gegen diese Platte legt sich ein Hebel mit Contactschraube an, dessen Achse durch den Draht d mit der einen Rolle m1 des Elektromagnetes der Klingel K in Verbindung steht, während von der zweiten Rolle ein Draht f nach der Achse x des Ankerhebels k der Klingel führt; der eine Pol der Batterie b ist durch n mit dem Verbindungsdrahte der beiden Rollen m1 und m2, der andere durch c mit der schwingenden Platte und zugleich über i mit der Contactschraube s des Ankerhebels k verbunden. Für gewöhnlich, also bei nicht schwingender Platte, hält der Strom von b in m1 den Anker a auf den Polen des Elektromagnetes K fest; versetzen dann die ankommenden Rufströme die Platte in Schwingungen, so fällt a ab und der Klöppel k legt sich an s, die Klingel läutet daher unter der Wirkung der Rolle m2, bis die Platte wieder zum Stillstehen kommt. Seit November 1891 arbeiten solche Ruf klingeln so gut, als man es von phonischen Rufern verlangen kann. Jüngst ist Picard auf eine viel einfachere Rufvorrichtung gekommen: er schaltet die Rufklappe oder Rufklingel einfach zwischen den Klemmen 1 und 3 (Fig. 1) ein und fügt einen Taster hinzu, mittels dessen die für gewöhnlich an beiden Polen isolirte Rufbatterie geschlossen werden kann und zwar unter gleichzeitiger Ausschaltung der Rufklingel oder Klappe. Auf letztere vermögen dabei die Telegraphirströme nicht zu wirken, da sie aus L1 und L2 zugleich ankommen und über a und b nach n gehen. Die Rufströme für die Telephonämter verzweigen sich von 1 und 3 aus in L1 und in L2 und bringen in den anderen Aemtern die Klappe zum Fallen bezieh. die Klingel zum Läuten. Es mag daran erinnert werden, dass der Grundgedanke der in Fig. 1 skizzirten Anordnung bereits 1885 von C. Elsasser verwerthet worden ist (vgl. Elektrotechnische Zeitschrift, 1885 * S. 284, 1886 * S. 91 und 1887 * S. 30), in grösserer Allgemeinheit aber schon in dem D. R. P. Kl. 21 Nr. 21824 vom 14. Juli 1882 von Siemens Brothers and Co. in London enthalten ist. Andere verwandte Vorschläge bespricht Zetzsche in seinem Handbuche der elektrischen Telegraphie, Bd. 3, 2. Hälfte S. 201 bis 203. Alle diese Vorschläge sind wesentlich verschieden von den Anordnungen, welche Zetzsche bei den in D. p. J. 1878 227 56 und 1879 231 * 143 besprochenen Versuchen benutzt.