Titel: Selbsthätige Blocksignale mit Luftdruckbetrieb von Westinghouse.
Fundstelle: Band 290, Jahrgang 1893, S. 278
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Selbsthätige Blocksignale mit Luftdruckbetrieb von Westinghouse. Mit Abbildungen. Selbsthätige Blocksignale mit Luftdruckbetrieb. Ueber die in Chicago grossartig ausgestellt gewesenen, von der Vereinigten Weichen- und Signalbaugesellschaft in Pittsburg ausgeführten Westinghouse'schen Signalstellvorrichtungen bringt der Engineering vom 12. Mai 1893, S. 670, einen allerdings nicht sehr eingehenden, sondern mehr allgemeinen, aber immerhin aufklärenden und bemerkenswerthen Bericht, dem wir Nachstehendes entnehmen: Es ist vorauszusehen, dass schon in allernächster Zukunft die Frage der allgemeinen Einführung selbsthätiger Signale in Amerika eine brennende werden wird, einerseits zufolge der diesfälligen Einflussnahme des Parlamentes auf die Eisenbahnen, andererseits zufolge der stets lebhafter werdenden Anforderungen seitens der Bediensteten nach kürzerer Arbeitszeit und besserer Entlohnung. Insbesondere mit Rücksicht auf den letzteren Umstand werden sich die amerikanischen Bahnverwaltungen voraussichtlich gedrängt sehen, die Zahl ihrer Hilfsarbeiter zu vermindern, dieselben aber besser zu bezahlen und den Abgang durch Maschinen zu ersetzen. Nebstbei muss natürlich mit Rücksicht auf die richtige und umsichtige Bedienung der maschinellen Einrichtungen die Verringerung der Arbeiterzahl und der Arbeitszeit auch noch durch die höhere Intelligenz der einzelnen Bediensteten ausgeglichen werden. In Amerika hat die Kostspieligkeit der ersten Anschaffungen, sowie die ganz ausserordentlichen Längenausdehnungen der Eisenbahnlinien durch lange Zeit der Verbreitung und allgemeinen Annahme des Blocksignalsystems entgegengestanden, und letzteres fand bisher gerade nur auf den besonders dicht befahrenen Bahnstrecken zunächst grosser Städte Anwendung. Hierbei gaben sich allerdings die amerikanischen Ingenieure keineswegs damit zufrieden, einfach anderweitig im Gebrauche stehende Anordnungen nachzuahmen, mochten auch für dieselben, wie es besonders in England der Fall ist, jahrelange Erfahrungen vorliegen, sondern sie waren mit grösserem oder geringerem Erfolge bestrebt, hinsichtlich der Ausführungen ihre eigenen Wege einzuschlagen, wobei sie sich in erster Linie die Aufgabe stellten, den Betrieb der Signalanlagen möglichst billig zu gestalten. Unter die bemerkenswerthesten dieser neueren Anordnungen gehören auch die Westinghouse'schen Signaleinrichtungen, deren Ausführung die obengenannte Pittsburger Signalbaugesellschaft übernommen hat und die von der Pennsylvania-Eisenbahngesellschaft in der Form selbsthätiger Blocksignale auf einer von Pittsburg abzweigenden 7 ½ Meilen (= 12 km) langen Bahnstrecke an Stelle der früher daselbst in Verwendung gestandenen mechanischen Blocksignale bereits vor sieben Jahren zuerst versucht und in die Praxis eingeführt worden sind. Die einzelnen Blockstrecken haben daselbst eine Länge von einer halben Meile (= 800 m) und die Signale finden ihren Platz, wie es Fig. 1, eine Ansicht des Pittsburger Bahnhofes, ersehen lässt, auf einer eigenen Brücke, derart, dass jeder einzelne Signalmast genau über demjenigen Gleise angebracht ist, für welches er Geltung hat. Diese Blocksignaleinrichtung erwies sich als so zweckmässig und sicher, dass sie voraussichtlich in wenigen Jahren über das ganze Bahnnetz der Pennsylvania-Eisenbahngesellschaft verbreitet sein wird. Wie das Innere eines zu den Westinghouse'schen Anlagen der Station Pittsburg gehörigen Signalthurmes aussieht, zeigt Fig. 2, aus welchem Bilde gleichzeitig entnommen werden kann, wie gering der Raum ist, den die jetzt nur 24 StellhebelOb das nur Signalhebel oder auch Weichenhebel sind, geht aus dem Originaltexte des Näheren nicht hervor. umfassende Stellvorrichtung einnimmt, während die frühere, mechanische mit 72 Stellhebeln versehen war. Die neue Anlage kann von einem einzigen Manne besorgt werden, und dieser Wärter wird erforderlich, weil Pittsburg eine Endstation ist. Eine ähnliche Einrichtung befindet sich in Jersey-City, wo der Stellwärter in 24 Stunden 2100 Hebelumstellungen durchzuführen hat, von welchen während der Zeit des stärksten Zugverkehrs etwa 130 Umstellungen auf eine Stunde entfallen. Die Beanspruchung der Muskelkraft des Stell Wärters ist jedoch eine so geringe, dass es denselben keineswegs übermässig anstrengen würde, in einem Tage 3000 Hebelumstellungen vorzunehmen. Ein einziger Blick auf die in Fig. 1 ersichtlich gemachten Gleisanlagen stellt es ausser Zweifel, dass hier die in Betracht zu ziehende Einrichtung in einem verhältnissmässig schwierigen und verwickelten Falle erfolgreiche Anwendung gefunden hat und dass sie sonach für kleinere Bahnhöfe und für die offenen Strecken um so zulänglicher sein müsse. Wo bei mechanischen Stellvorrichtungen etwa fünf bis sechs Mann zur Bedienung nöthig sind, kann bei dem Betriebe mit zusammengepresster Luft mit einem Manne das Auslangen gefunden werden, der allerdings befähigter, gewandter und umsichtiger sein muss, als es sonst für diese Dienstposten beansprucht wird. Das erste und wichtigste Erforderniss für Blocksignale und alle sonstigen in Abhängigkeit stehenden Signale bleibt unter allen Umständen das, dass jedes in die Abhängigkeit einbezogene Signal auf Gefahr (Halt) zeigen müsse, sobald irgend eine der Bedingungen für die Sicherheit der Zugsfahrten nicht erfüllt ist. Dass diesem Erfordernisse unter Zuhilfenahme gewisser fernwirkender Mittel, wie die gepresste Luft oder die Elektricität sind, in genügendem Maasse entsprochen werden kann, lehrt die Erfahrung; allerdings müssen diejenigen, welche die betreffenden Entwürfe machen, mit allen den Eigenthümlichkeiten der zu verwendenden Kräfte und ihren Gesetzen, sowie mit den Anforderungen, welche die Zugssicherung stellt, bis in die kleinsten Einzelheiten vertraut sein. Textabbildung Bd. 290, S. 279Fig. 1.Westinghouse's Signaleinrichtung im Pittsburger Bahnhof. Die Haupttheile der auf den Strecken einzurichtenden Westinghouse'schen Blocksignale sind eine Telegraphenleitung nebst Batterie und Relais, ferner eine Luft-Compressionsmaschine, die durch Röhren mit den Mastsignalen verbunden sind, und bei jedem solchen Signal ein Luftcylinder, der mit dem Signalarm in Verbindung steht. Die gedachte Stromleitung besteht der Hauptsache nach aus dem Gleise der ungefähr eine halbe Meile (800 m) langen Blockstrecke; dasselbe ist zu diesem Ende von den anstossenden Gleisfortsetzungen durch nichtleitende Zwischenlagen an den Stössen, Verbindungslaschen und Verbindungsschrauben isolirt; an den beiden Schienensträngen der Blockstrecke selbst sind hingegen, um die Leitungsfähigkeit zu erhöhen und zu sichern, die an einander stossenden Schienen noch durch je ein kurzes Drahtstück metallisch verbunden. Die zwei letzten Schienen am Ende des leitenden Gleises sind durch zwei Leitungsdrähte mit den beiden Polen einer Batterie in Verbindung gebracht, während zwischen den beiden ersten Schienen am Anfange des Gleises der Elektromagnet eines Relais eingeschaltet ist, so dass der Strom der besagten Batterie von einem Pol ausgehend über den linksseitigen Schienenstrang zum Relais und von diesem durch den rechtsseitigen Schienenstrang zurück zum zweiten Pol dauernd geschlossen ist. Der Anker des Relais wird also normal angezogen und in dieser Lage schliesst er den Strom einer Ortsbatterie, die einen Elektromagneten erregt. Dieser letztere beeinflusst das Ventil des Luftcylinders und dadurch die Lage des Signals, so dass bei abgerissenem Anker das Signal Gefahr, bei angezogenem das Signal Freie Fahrt erscheint. Es begreift sich also leicht, dass jeder Bruch in einem der Leitungsdrähte, ebenso jeder Schienenbruch, desgleichen das etwaige Versagen der Batterie oder sonst irgend eine Unterbrechung im äusseren oder örtlichen Stromkreise das selbsthätige Umstellen des Signals auf Gefahr mit sich brächte, falls dasselbe auf Frei gestanden; wäre das Signal aber bereits auf Gefahr gestanden, so würde es diese Stellung nicht ändern können. Ganz dasselbe ist natürlich auch der Fall, sobald und so lange sich ein Zug oder eine Locomotive oder sonst ein Fahrzeug in der Blockstrecke, d.h. auf dem leitenden GleiseDie Verwendung der Eisenbahnschienen bezieh. Gleise als Leitung ist für die amerikanischen selbsthätigen Blocksignalanlagen sozusagen charakteristisch und wurde durch Pope und Hendrickson bereits 1872 zuerst versucht; diese Anordnung haben später auch Oskar Gassett, Hall u.a. in ganz ähnlicher Weise benutzt, wie es von Westinghouse geschieht. befindet, weil zufolge des durch die Räder und Achsen entstehenden Kurzschlusses das Relais stromlos gemacht wird und in allen diesen Fällen wird sonach sicher und selbsthätig Gefahr signalisirt. Die Luft-Compressionsmaschinen können immerhin von beliebiger Gattung sein, in der Regel werden jedoch solche von Norwalk vorgezogen und gewöhnlich sind deren zwei vorhanden, damit sofort die andere in Dienst gestellt werden kann, wenn die eine schadhaft würde. Das von der Maschine abgehende Hauptrohr ist an der rechten Seite des Gleises längs desselben in den Bahnkörper verlegt und überall, wo sich ein Signal befindet, zweigt ein schwächeres Nebenrohr dahin ab. An einzelnen Stellen der Rohrleitung und besonders am Boden jedes Luftcylinders sind gefässartige Räume vorhanden, wo sich die etwa eingedrungene und sich niederschlagende Feuchtigkeit absetzen kann, damit die Luftwege nicht verstopft und insbesondere nicht vereist werden. Die Pressung der Luft soll regelmässig auf nahezu 60 Pfd. (4 at) erhalten bleiben. Textabbildung Bd. 290, S. 280Fig. 2.Westinghouse's Signaleinrichtung im Pittsburger Bahnhof. Auf den durchlaufenen Strecken befinden sich in der Regel auf jedem Blockposten für jede Zugsrichtung zwei Signale, nämlich ein Mastsignal mit zwei beiläufig 6 Fuss (1,524 m) langen Armen. Davon bildet der obere, roth bemalte Arm das sogen. Ortssignal (Home-Signal), d.h. das Deckungssignal für die beim Signalposten beginnende Blockstrecke; der zweite etwa 6 Fuss (1,828 m) tiefer angebrachte, grün bemalte Arm steht mit dem oberen Arm in keinerlei Zusammenhang, sondern bildet das sogen. Distanzsignal, d.h. das zum nächsten Ortssignal verbundene Wiederholungs- oder Vorsignal. Der obere Arm gilt, wenn er wagerecht liegt, oder bei Nacht rothes Licht zeigt, als ein absolutes Haltsignal, der zweite Arm bedeutet hingegen, wenn er wagerecht steht, nur Vorsicht und zeigt deshalb bei Nacht grünes Licht. Für Freie Bahn zeigen beide Arme beiläufig 60° schräg nach abwärtsWie in England, wogegen bei allen europäisch-continentalen Bahnen bekanntlich der 45° schräg nach aufwärts zeigende Signalarm Freie Bahn bedeutet. oder bei Dunkelheit weisses Licht. Das Ortssignal sagt also dem Locomotivführer, ob er in die beim Signal beginnende Blockstrecke einfahren darf oder nicht, und der untere Arm benachrichtigt ihn, ob die nächste Blockstrecke schon frei oder noch besetzt sei und er sich derselben also mit voller Fahrgeschwindigkeit oder nur mit Vorsicht nähern dürfe. Die Verbindung zwischen dem Distanzsignal und dem zugehörigen Ortssignal wird dadurch bewirkt, dass der Ventilelektromagnet des ersteren einfach mittels einer entsprechend verlängerten Leitung in den Stromkreis des Ventilelektromagnetes des letzteren eingeschaltet ist. Die Signalarme werden nicht unmittelbar vom Kolben des Luftcylinders bewegt, sondern durch Vermittelung eines Doppelhebels, der das Gegengewicht des Signalarmes so lange hoch hält, als der Luftdruck andauert, aber sofort niedergehen lässt – wodurch der Arm in die wagerechte Lage gelangt –, wenn der Druck der Luft auf den Cylinderkolben aufhört. Die in dem Cylinder vorhandene gepresste Luft kann durch ein kleines Ventil ausgelassen werden, welches mit dem Ankerhebel des bereits mehrfach erwähnten Elektromagnetes verbunden ist; der abgerissene Anker öffnet, der angezogene schliesst dieses Entleerungsventil, welches dabei gleichzeitig den Zutritt der Luft in den Cylinder verwehrt bezieh. gestattet. Da nun der erstgenannten Ankerlage die Stellung des Signalarmes auf Gefahr (Halt) und der letztgenannten die Lage des Signalarmes auf Frei entspricht, so ist ersichtlichermaassen auch hinsichtlich der Luftleitung die Bedingung erfüllt, dass, sobald an derselben oder an der Luft-Compressionsmaschine etwas schadhaft würde, das Signal die Gefahr-Stellung selbsthätig einnimmt. Die Signalgebung bei der Fahrt eines Zuges wickelt sich also nachstehend ab: Sobald der Zug einer Blockstrecke in die nächste übertritt, stellt sich vorerst das Ortssignal der letzteren von Frei auf Gefahr und gleichzeitig das Distanzsignal am Anfangspunkte der verlassenen Anker ebenso abreisst, wie bei einer Unterbrechung. In Strecke auf Vorsicht, während das an letztgenannter Stelle befindliche Ortssignal, sowie das damit verbundene Distanzsignal der vorletzten Blockstrecke sich auf Frei zurückstellen.Die amerikanischen selbsthätigen Blocksignale unterscheiden sich insofern von den englischen Blocksignalen, als die letzteren strenge auf den von W. F. Cooke in seiner Schrift „The Telegraphic Railway etc.“ 1842 aufgestellten Grundsätzen aufgebaut sind, demgemäss die Deckungssignale (das Blocksignal) normal auf Halt stehen und nur dann auf Frei gebracht werden, wenn ein Zug in die Blockstrecke einfahren soll und diese nicht besetzt ist. Dementgegen stehen in Amerika die Zugdeckungssignale normal auf Frei und werden erst dann und nur so lange auf Halt gestellt, als die Strecke besetzt oder sonstwie unfahrbar ist. Eine besondere Anordnung wird nothwendig, wenn das Signal auch noch zu Weichen in Abhängigkeit gebracht werden soll. Dieselbe lässt sich aber ganz leicht erreichen, indem jede der zu einer Fahrstrasse bezieh. einem Einfahrt- oder Ausfahrtsignale gehörigen oder zu dieser Fahrstrasse feindlichen Weichen an ihrer Stellvorrichtung oder an den Spitzschienen eine in einer Büchse verschlossene Stromschlussvorrichtung erhält, durch welche die elektrische Leitung des Signals hindurchgeführt wird und die so eingerichtet ist, dass sie nur dann dem Strome einen offenen Weg darbietet, wenn die Weiche richtig steht, wogegen bei der falschen Weichenlage die Leitung in der Stromschlussvorrichtung unbedingt unterbrochen ist und sonach das Signal lediglich im ersteren Falle Frei zeigen, im letzteren aber immer nur die Gefahrstellung einnehmen kann. In gleicher Weise können Signale auch mit Drehbrücken, Schiebebühnen oder ähnlichen besonders gefährdeten Gleisstellen in Verbindung gebracht werden. Es schliesst also auch die Gesammtanordnung alle menschlichen Versehen oder Irrthümer aus, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Locomotivführer die ihm ertheilten Signalzeichen strengstens beachtet und insbesondere auf jedes Gefahrsignal unbedingt anhält. Für einen prompten Betrieb wird es sich empfehlen, die Entfernungen der in einem Stromkreise liegenden Signale, also die Länge einer Blockstrecke nicht über eine Meile (1,609 km) auszudehnen; desgleichen sollen die Luft-Compressionsmaschinen in nicht mehr als etwa 20 Meilen (32,18 km) Entfernung auf einander folgen und in solchen Eisenbahnstationen aufgestellt werden, wo schon für andere Zwecke Maschinenanlagen vorhanden sind, so dass kein besonderer Zuwachs an Arbeitskräften erforderlich wird. Die in Chicago ausgestellte Musteranlage erstreckt sich auf einen grossartigen Bahnhof mit 12 Gleisen, die durch 11 verschiedene Fahrstrassen überquert werden, zu deren Sicherung 29 einarmige Mastsignale vorhanden sind. Als eine Art Bürgschaft für die Zweckdienlichkeit der geschilderten Einrichtung darf wohl der Umstand angesehen werden, dass dieselbe jüngst auch von der New York- und der New Jersey-Centralbahn, ferner von der Chicago-Burlington- und Quincy-Bahn, der Chicago- und Northern-Pacific- und der Southern-Pacific-Eisenbahngesellschaft angenommen wurde und eingeführt wird.