Titel: | Die Werthbestimmung des Wollfettes. |
Autor: | E. v. Cochenhausen |
Fundstelle: | Band 292, Jahrgang 1894, S. 112 |
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Die Werthbestimmung des Wollfettes.
Von E. v. Cochenhausen
in Chemnitz.
(Schluss der Abhandlung S. 91 d. Bd.)
Die Werthbestimmung des Wollfettes.
Berechnung der Analysenresultate.
Der Berechnung sind die Resultate der dreimal wiederholten Untersuchung desselben
Wollfettes (Nr. I) zu Grunde gelegt worden.
Wollfett Nr. I
I
Durch-schnitt von1, 2 und
3
II
Durch-schnitt von4, 5 und
6
III
Durch-schnitt von7, 8 und
9
Durch-schnitt vonI, II und
III
1
2
3
4
5
6
7
8
9
(2) Säurezahl des Woll- fettes
49,46
–
–
49,46
49,48
–
–
49,48
49,47
–
–
49,47
49,47
(4) Säurezahl der freien Fettsäuren
192,8
191,8
192,3
192,1
192,8
192,9
–
192,8
191,2
190,5
–
190,8
192
(4a) Molekulargewicht der freien Fettsäuren
291,2
291,9
291,2
291,4
290,5
290,4
–
290,5
292,9
294,0
–
293,4
292
(5) Verseifungszahl des Woll- fettes
125,4
124,3
122,2
124,0
124,8
125,2
123,5
124,5
123,1
122,4
124,7
123,4
124,0
(6) Die flüchtigen Fettsäuren in 1000 Theilen
Wollfett brauchen KOH
7,85 g
–
–
7,85 g
8,10 g
–
–
8,10 g
7,98 g
–
–
7,98 g
7,97 g
(6a) Gesammtfettsäuren (ex- clus. flüchtige), Alkohole und
schwer verseifbare Stoffe
98,37 %
–
–
98,37 %
98,13 %
–
–
98,13 %
98,24 %
–
–
98,24 %
98,25 %
(7) Säurezahl des aufge- schlossenen Wollfettes
115,0
114,1
114,5
114,5
115,7
114,8
–
115,3
113,8
114,0
114,8
114,2
114,6
(9) Säurezahl der Gesammt- fettsäuren (excl. flüchtig.)
170,1
174,2
–
172,1
175,5
174,7
–
175,1
171,9
172,6
–
172,3
173,1
(9a) Molekulargewicht der Gesammtfettsäuren
(excl. flüchtigen)
329,2
321,5
–
325,3
319,1
320,5
–
319,8
325,7
324,5
–
325,1
323
In dem Wollfette sind enthalten:
1) Freie Fettsäuren; dieselben stammen nicht nur aus der zum
Waschen verwendeten Seife, sondern auch aus dem Wollschweiss;
2) leicht verseifbares Neutralfett, welches unter den bei der
Untersuchung eingehaltenen Bedingungen verseift wird und unter Aufnahme von
Wasser in flüchtige und nichtflüchtige Fettsäuren und in Alkohole
zerfällt;
3) schwer verseifbares Neutralfett, welches bei der
Untersuchung unverändert bleibt;
4) freie Alkohole;
5) Wasser, welches durch Cholesterin und Cholesterinester in
Emulsion gehalten wird, und fremde Stoffe.
Aus den bei der Untersuchung erhaltenen Werthen kann berechnet werden:
1) Freie Fettsäuren;
2) gebundene Fettsäuren,a) flüchtige,b) nichtflüchtige;
3) Alkohole und schwer verseifbare Stoffe;
4) Wasser.
Ueber die einzelnen Bestandtheile dieser Körperklassen ist bis jetzt mit einiger
Sicherheit nichts anderes bekannt geworden, als dass die Neutralfette Cholesterin-
und Isocholesterinester und die freien Alkohole Cholesterin und Isocholesterin
enthalten, und dass Glyceride nicht vorhanden sind. Lewkowitsch (l. c.) nimmt noch die Anwesenheit von Cerylestern an, jedoch
ohne genügenden Beweis. Auch über den Charakter der Säuren wissen wir noch nichts;
denn es ist mit Sicherheit noch keine der bis jetzt bekannten Säuren nachgewiesen
worden. Die geringe Löslichkeit ihrer Alkalisalze und der Umstand, dass man aus
ihnen allein keine Körper herstellen kann, welche ihren äusseren Eigenschaften nach
Aehnlichkeit mit den Seifen des Handels haben, lässt vermuthen, dass die in den
meisten Fetten enthaltenen Säuren, nämlich Palmitin-, Stearin- und Oelsäure nur in
geringen Mengen vorhanden sind. In dieser letzteren Eigenschaft ist wohl der
Hauptgrund dafür zu suchen, dass die aus dem Wollfette isolirten Fettsäuren die am
nächsten liegende Verwendungsart, nämlich die Herstellung von Seifen, nur in
beschränktem Maasse gefunden haben; obgleich ihre Alkalisalze die Eigenschaft, mit
Fetten und ähnlichen Körpern Emulsionen zu bilden, in hohem Grade besitzen, so
gelingt die Herstellung von Seifen mit den von den Consumenten verlangten äusseren
Eigenschaften doch nur bei gleichzeitiger Anwendung grösserer Mengen anderer Fette.
Man kann daher den Charakter der Fettsäuren nur durch Angabe der Säurezahl bezieh.
des daraus berechneten Molekulargewichtes bezeichnen.
Wenn man den Bestandtheilen des Wollfettes allgemeine Formeln gibt und die freien
Alkohole und schwer verseifbaren Stoffe, welche bei der Verseifung nicht verändert
werden, nicht berücksichtigt, so verläuft der Verseifungsprocess in folgender
Weise:
xCnH2n +
1COOH +
yCnH2n +
1COOCnH2n + 1 + (x + y) KOH
freie Fettsäuren
Neutralfette
= xCnH2n +
1COOK
+ yCnH2n +
lCOOK + yCnH2n + 1OH
+ xH2O.
xCnH2n +
1COOK
+ yCnH2n +
lCOOK
+ yCnH2n +
1OH
+ (x + y) HCl =
xCnH2n +
1COOH +
yCnH2n +
1COOH
freie Fettsäuren
gebundene Fettsäuren
+ yCnH2n+1OH + (x + y)KCl.
gebundene
Alkohole
Die unlöslichen direct gewogenen Stoffe, das aufgeschlossene Wollfett (6a), enthalten
demnach gegenüber dem angewendeten Wollfett yH + yHO = yH2O mehr. Zum Neutralisiren der freien Fettsäuren ist xKOH (2), zum
Verseifen des Wollfettes sind (x + y) KOH (5) nöthig, demnach ist die Differenz
dieser beiden Kalimengen äquivalent der bei der Verseifung der leicht verseifbaren
Neutralfette hinzukommenden Menge Wasser. Da 100 g Wollfett heiss verseift 12,400 g
(x + y) KOH (5) und kalt neutralisirt 4,947 g xKOH (2) verlangen, so sind zur
Verseifung der leicht verseifbaren Neutralfette 7,453 g yKOH nöthig, welche 2,396 g
H2O äquivalent sind. Nach den angegebenen
allgemeinen Zersetzungsgleichungen ist die Hälfte dieser Wasser menge in den
gebundenen Fettsäuren, die andere Hälfte in den gebundenen Alkoholen enthalten. Da
jedoch ein Theil der aus der Wolle stammenden freien Fettsäuren durch Wärme, welche
auch bei der Gewinnung des Wollfettes in Anwendung kommt, eine Veränderung erleidet,
welche vielleicht auf Anhydridbildung beruht und sich dadurch äussert, dass das
Neutralisiren nicht bei gewöhnlicher Temperatur vor sich geht (1), so ist ein Theil
des Wassers bei der Umwandlung dieser Anhydride in Hydrate verbraucht worden. Da
nach einer späteren Rechnung die Menge dieser Anhydride nicht gross ist (etwa 2 bis
3 Proc), so ist, bei Annahme des später sich ergebenden Molekulargewichtes der
nichtflüchtigen Wollschweissfettsäuren von 348, hierzu nur etwa 0,14 Proc. Wasser
erforderlich. Es kommen daher auf die Anhydride der freien Fettsäuren 0,14 Proc. und
auf die gebundenen Fettsäuren und gebundenen Alkohole je 1,128 Proc. Wasser, so dass
die Einzelbestandtheile, welche bei der Analyse von 100 g Wollfett gefunden
werden,
100 + 0,14 + 1,128 + 1,128 = 102,396 (102,4) g
betragen müssen.
In Folge der beim Erwärmen der Fettsäuren wahrscheinlich eintretenden
Anhydridbildung, musste auch das Gewicht des aufgeschlossenen Wollfettes (6a) zu
niedrig gefunden werden. Diese Differenz 102,4 – 98,25 = 4,15 Proc. ist jedoch nicht
bloss durch Wasserverlust entstanden. Sie rührt zunächst von den flüchtigen
Fettsäuren her, deren Menge weiter unten zu 2,20 Proc. berechnet wird, so dass noch
1,95 Proc. fehlen. Aber auch diese 1,95 Proc. dürfen nicht allein der
Anhydridbildung zugeschrieben werden. Wenn die aus dem Wollfette Nr. II isolirten
freien Fettsäuren (4) mit dem Molekulargewicht 294 und der Säurezahl 190,3 bei
Wasserbadwärme aus den Kalisalzen abgeschieden und über Schwefelsäure getrocknet
wurden,
so hatten sie die Säurezahl
187,5,
dieselben
Säuren
bei
100° C.
1
Stunde
erhitzt
167,4,
„
„
„
100° C.
5
Stunden
„
164,2,
„
„
„
100° C.
10
„
„
160,8.
Es scheint demnach die Anhydridbildung nach 1stündigem Erhitzen auf 100° C. ziemlich
vollständig beendigt zu sein, so dass durch die Abnahme der Säurezahl die Menge
der Anhydride ungefähr zum Ausdruck kommt. Das vollständige Verschwinden der
Säurezahl 190,3 würde angeben, dass alle vorhandenen Fettsäuren in Verbindungen
übergegangen sind, welche bei gewöhnlicher Temperatur kein Kali zu binden vermögen;
die Abnahme der Säurezahl betrug jedoch nach 1stündigem Trocknen nur 20,1; es war
demnach etwa der neunte Theil der vorhandenen freien Fettsäuren in Anhydride
übergegangen. Für die aus dem Wollfett (Nr. I) gewonnenen Gesammtfettsäuren wurde
das Molekulargewicht 323 und die Säurezahl 173,1 gefunden, während für dieselben
Säuren nach 1stündigem Trocknen durch Titriren bei gewöhnlicher Temperatur die
Säurezahl 140 gefunden wurde; die Abnahme der Säurezahl betrug also 33, so dass etwa
der fünfte Theil der Gesammtfettsäuren in Anhydride übergegangen ist. Da nun in dem
Wollfette 65,51 Proc. Gesammtfettsäuren (excl. flüchtige) mit dem Molekulargewicht
323 vorhanden sind, so sind etwa 13 Proc. der Säuren in Anhydride übergegangen, was
einem Wasserverlust von 0,72 Proc. (323 : 18 = 13 : x) entspricht.
Hiernach muss als wirkliches Gewicht des aufgeschlossenen Wollfettes 98,25 + 0,72 =
98,97 Proc. (99 Proc.) angenommen werden, so dass mit Hinzurechnung von 2,20 Proc.
flüchtigen Fettsäuren noch 1,2 Proc. fehlen. Als bei Versuchen, welche für einen
anderen Zweck vorgenommen wurden, dasselbe Wollfett, welches geschmolzen eine klare
Flüssigkeit gab, auf 110 bis 120° C. erhitzt wurde, entwickelten sich kurze Zeit
unter lebhaftem Geräusch kleine Blasen von Wasserdampf. Es besteht demnach das
Fehlende im Betrage von 1,2 Proc. aus Wasser, welches das Wollfett, trotzdem es bei
Wasserbadwärme durch Papier filtrirt worden war, festgehalten hat. Ausserdem ist es
wohl mehr als wahrscheinlich, dass ein Massenproduct der vorliegenden Art ausser den
nachgewiesenen Stoffen noch kleine Mengen anderer Stoffe enthält, deren Charakter
bis jetzt nicht bestimmt werden konnte.
Berechnung der freien Fettsäuren.
Säurezahl des Wollfettes (2) 49,47.
Säurezahl der freien Fettsäuren (4) 192.
Da 192 KOH : 1000 Fettsäuren neutralisiren, so werden durch 4,947 KOH : x = 25,77
Proc. angezeigt.
Berechnung der flüchtigen Fettsäuren.
Die Bestimmung der flüchtigen Fettsäuren durch Destillation mit Schwefelsäure gibt zu
kleine Resultate, da man sehr lange Zeit, länger als 3 Stunden, destilliren muss,
ohne dass das Destillat neutral reagirt. Beim Neutralisiren des Destillates, welches
100 g Wollfett entspricht, wurde 0,797 g KOH verbraucht. Bei Annahme des
Molekulargewichtes 116 (Capronsäure C5H11COOH) würden 1,65 Proc. flüchtige Fettsäuren
zugegen sein. Dass jedoch die Menge derselben grösser ist, geht hervor aus der
Verseifungszahl des Wollfettes (5) = 124,0, der Säurezahl des aufgeschlossenen
Wollfettes (7) = 114,6 und dem corrigirten Gewicht desselben (6a) = 98,25 + 0,72 =
98,98. Da 100 Th. aufgeschlossenes Wollfett 11,46 KOH brauchen, so sind für 99 Th.
11,34 KOH nöthig. Diese Zahl müsste mit der Menge Kali, welche für 100 Wollfett
nöthig ist, nämlich 12,40 übereinstimmen, wenn keine flüchtigen Fettsäuren zugegen
wären. Die Differenz 1,06 drückt also die Menge KOH aus, welche den
flüchtigen Fettsäuren entspricht. Es sind demnach, bei Annahme des
Molekulargewichtes der Capronsäure (116) 2,20 Proc. flüchtige Fettsäuren
vorhanden.
Berechnung der Gesammtfettsäuren (excl. flüchtigen) und der
gebundenen, nichtflüchtigen Fettsäuren.
Säurezahl des aufgeschlossenen Wollfettes (7) = 114,6.
99. Th. aufgeschlossenes Wollfett brauchen 11,34 Th. KOH.
Säurezahl der Gesammtfettsäuren (9) = 173,1.
Wenn 173,1 KOH : 1000 Fettsäuren neutralisiren, so entsprechen 11,34 : x = 65,51
Proc. Gesammtfettsäuren, so dass 65,51 – 25,77 = 39,74 Proc. gebundene,
nichtflüchtige Fettsäuren vorhanden sind.
Berechnung des Molekulargewichtes der gebundenen,
nichtflüchtigen Fettsäuren.
Da 65,51 Th. Gesammtfettsäuren aus 25,77 Th. freien und 39,74 Th. gebundenen
Fettsäuren bestehen, so enthalten 1000 Gesammtfettsäuren 393,4 Th. freie und 606,6
Th. gebundene Fettsäuren. Da 1000 Th. Gesammtfettsäuren 173,1 Th. KOH und 393,4 Th.
freie Fettsäuren (Säurezahl 192) 75,53 Th. KOH brauchen, so entfallen auf die 606,6
Th. gebundene Fettsäuren 97,57 Th. KOH, oder auf 1000 Th. 160,8 Th. KOH. Das
Molekulargewicht der nichtflüchtigen, gebundenen Fettsäuren ist demnach 348.
Zusammensetzung des Wollfettes.
Wollfett Nr. I
1
2
3
D
Proc.
Proc.
Proc.
Proc.
Freie Fettsäuren (Hydrate), Mol.-Gew. 292Geb.
Fettsäuren (Hydrate) a) flüchtige Fettsäuren b)
nichtflüchtige Fettsäu- ren, Mol.-Gew. 348Freie und
gebundene Al- kohole, schwer verseif- bare StoffeWasser
und fremde Stoffe
25,75 2,20 40,14 33,176 1,13
25,67 2,20 40,38 32,781 1,38
25,92 2,16 39,66 33,256 1,38
25,77 2,20 39,74 33,486 1,20
102,396
102,411
102,376
102,396
Differenzen im Endresultat, welche aus den Differenzen der
einzelnen Analysenresultate entstehen können.
Bei Angabe der Controlzahlen sind sämmtliche Zahlen aufgeführt worden, welche
erhalten worden sind, und nicht etwa die schlecht stimmenden weggelassen und nur die
am besten übereinstimmenden ausgewählt worden. Die Zahlen gestatten demnach ein
Urtheil über die Uebereinstimmung, welche bei sorgfältigem Arbeiten möglich ist,
also über die Grösse der nicht zu vermeidenden Arbeitsfehler. Mit Fortlassung der
weitläufigen Berechnung sind in der folgenden Zusammenstellung aufgeführt: a die grössten Werthe und b die kleinsten Werthe, welche sich bei willkürlicher Auswahl der Zahlen
überhaupt ergeben können. Da man jedoch nicht immer die ungünstigsten Zahlen wählen
darf, sondern meistens an Werthe, welche bereits aus anderen Rechnungen entstanden
sind und grosse Differenzen wieder ausgleichen können, gebunden ist, so sind noch
die Resultate aufgeführt, welche entstehen, wenn c
stets die höchsten, d die niedrigsten
Bestimmungszahlen, welche gewählt werden dürfen, D die
Durchschnitte der bei jeder einzelnen Analyse erhaltenen Zahlen und D1 die Durchschnitte
der sämmtlichen Bestimmungszahlen verwendet werden.
a
b
c
d
D
D
1
I
II
III
Wasser, welches bei der
Verseifung hinzutritt
2,44
2,34
2,44
2,34
2,40
2,41
2,38
2,40
Freie Fettsäuren
25,97
25,64
25,65
25,96
25,75
25,67
25,92
25,77
Flücht. Fettsäuren
2,68
1,58
2,22
2,02
2,20
2,20
2,16
2,20
Gebundene, nicht- flücht. Fettsäuren
41,74
38,12
39,66
40,15
40,14
40,38
39,66
39,74
Alkohole u. schwer verseifbare Stoffe
36,54
29,93
33,78
32,74
33,20
33,80
33,38
33,49
Wasser und fremde Stoffe
2,02
0,57
1,13
1,47
1,11
1,36
1,26
1,19
Der beschriebene Gang der Untersuchung erscheint wegen der zahlreichen Operationen
für die Praxis wenig geeignet, dagegen wird er stets die Möglichkeit bieten, etwaige
Streitfälle zu entscheiden. Sehr einfach würde sich die Untersuchung gestalten, wenn
die von der Wolle herrührenden Bestandtheile eine constante Zusammensetzung hätten.
Obgleich dieses nun, wie durch die Versuche von Herbig
abermals bewiesen wurde, nicht der Fall ist, so kann dieser Weg doch in Anbetracht
der Wichtigkeit der Frage und des Umstandes, dass eine leicht ausführbare und dabei
sichere Methode nicht bekannt ist, nicht ohne weiteres verlassen werden, ganz
besonders, wenn man berücksichtigt, dass die Menge der Alkohole und derjenigen
Stoffe, welche durch ½-normale alkoholische Kalilauge nicht verseift werden, in dem
Wollschweiss immer fast gleich gross zu sein scheint. Es wurde für einen anderen
Zweck das von Herbig aus Schweisswollen verschiedener
Herkunft durch Extraction gewonnene Fett unter der angegebenen Bedingung verseift,
das Product in Alkohol von bestimmter Concentration gelöst, mit neutraler
Chlorcalciumlösung versetzt und der entstandene Niederschlag bei gewöhnlicher
Temperatur über Schwefelsäure getrocknet. Die trockene Masse wurde mit Schwefeläther
extrahirt, die in dem Extracte durch Erhitzen ermittelte Menge CaO auf das Kalksalz
einer Fettsäure mit dem Molekulargewichte 348 berechnet und von dem Extracte in
Abzug gebracht. Hierbei wurden für die Extracte aus drei verschiedenen
Schweisswollen folgende Mengen von Alkoholen und schwer verseifbaren Stoffen
gefunden:
Schweiss derWolle aus
AngewendeterWollschweiss
GewogenerExtract
Asche (CaO)des Extractes
Kalksalz einerSäure mitMol.-Gew.
348
Corrigirtes Ge-wicht desExtractes
100 Woll-schweiss ent-halten
Alkoholeund schwer ver-seilbare Stoffe
g
g
g
g
g
Proc.
Süd-Amerika
1,87642,39482,0970
0,98141,15321,0298
0,00990,00690,0075
0,12970,09040,0983
0,85171,06280,9315
45,3944,3844,42
Australien
1,80632,1484
0,86501,0229
0,00460,0042
0,06030,0550
0,80470,9679
44,5545,05
Neu-Seeland
2,23112,44832,30322,1762
1,02881,13661,08121,0127
0,00350,00440,00520,0037
0,04590,05760,06810,0485
0,98291,07901,01310,9642
44,0544,0744,0044,30
Die anderen von Herbig für die Extracte der vier
Schweisswollen gefundenen Werthe sind folgende:
Schweiss der Wolle aus:
Süd-Amerika
Russland
Australien
Neu-Seeland
Säurezahl
13,3
13,9
15,5
14,3
Verseifungszahl bei theilw. Zersetzung
91
80
103
108
Verseifungszahl bei vollst. Zersetzung
99
96
112
111
Die leicht verseif- baren Neutralfette verlangen
KOH
77,7
66,1
87,5
93,7
Die schwer verseif- baren Neutralfette verlangen
KOH
8,0
16,0
9,0
3,0
Wasser, welches bei der Verseifung des leicht
verseifbaren Neutralfettes und der Anhydride
hin- zukommt
2,296 %
2,143 %
2,812 %
3,011 %
Alkohole und schwer verseifbare Stoffe
44,7 %
–
44,8 %
44,1 %
Aus dem Umstände, dass die Säurezahlen bei den Extracten der vier Schweisswollen fast
gleich gross sind, ist höchstens der Schluss zu ziehen, dass die vier Arten von
Wollschweiss noch eine fast gleiche Menge von freien Fettsäuren enthielten, welche
der Anhydridbildung nicht unterworfen gewesen sind. Wie viel freie Fettsäuren jedoch
überhaupt vorhanden waren, ist daraus nicht zu ersehen. Die Säurezahlen wären
vielleicht sehr verschieden hoch ausgefallen, wenn die Fette bei der Entfernung des
Schwefeläthers gleich lang erhitzt worden wären.
Geht man nun von der Voraussetzung aus, dass die in dem Wollschweiss enthaltenen
freien Fettsäuren und freien Alkohole durch freiwillige Zersetzung eines Theiles des
leicht verseifbaren Neutralfettes entstanden sind, so dass die gebundenen und die
freien Alkohole von einander nicht verschieden sind und die freien Säuren denselben
chemischen Charakter wie die gebundenen Säuren zeigen, also dieselbe Säurezahl wie
diese besitzen, so kann man aus der Säurezahl der freien Fettsäuren die Mengen
berechnen, welche aus dem Wollschweiss und aus der zum Waschen verwendeten Seife
stammen, wenn die Säurezahl der Seifenfettsäuren bekannt ist. Da in den freien
Fettsäuren des Wollfettes keine flüchtigen Fettsäuren enthalten sind, so kann im
vorliegenden Falle nur die Säurezahl 160,8 der nichtflüchtigen gebundenen Fettsäuren
in Rechnung gestellt werden. Die Säurezahl der Fettsäuren der zum Waschen
verwendeten Seife, welche stets untersucht worden war, betrug während der Zeit der
Herstellung des untersuchten Wollfettes 200 (Molekulargewicht 280). Obgleich die
Säurezahl bezieh. das Molekulargewicht der aus der Seife stammenden Fettsäuren nur
in seltenen Fällen bekannt ist, so wird man hierfür in zweifelhaften Fällen mit weit
mehr Recht das Molekulargewicht der Oelsäure (282) annehmen dürfen, als man, wie
dieses oft geschieht, die freien Fettsäuren des Wollfettes als aus Oelsäure
bestehend annimmt. Ob es erlaubt ist, für die gebundenen Fettsäuren stets das
Molekulargewicht 348 bezieh. die Säurezahl 160,8 anzunehmen, bedarf noch des
Beweises.
Die Mengen der Bestandtheile eines Fettsäuregemisches können, wenn die Säurezahlen
der Bestandtheile (im vorliegenden Falle 160,8 und 200) und des Gemisches (192)
bekannt sind, nach der Formel 160,8 + x . 200 = (1 + x) 192 berechnet werden.
Hiernach enthält das untersuchte Wollfett auf 1 Th. freie Wollschweissäuren 3,9 Th.
Seifenfettsäuren und es bestand aus 20,5 Proc. Seifenfettsäuren und 79,5 Proc.
Wollschweiss.
Die Menge des Wassers, welches bei der Verseifung hinzutritt, ist für jedes Wollfett
verschieden gross, kann jedoch aus den schnell bestimmbaren Säure- und
Verseifungszahlen berechnet werden. Für das untersuchte Wollfett betrug sie 2,40
Proc., so dass die Summe aller in 100 Wollfett ermittelten Bestandtheile 102,4
beträgt. Da man annehmen kann, dass bei allen im Grossen ausgeführten
Verseifungsprocessen keine vollständigere Zersetzung erreicht werden kann, als durch
Behandlung mit ½-normaler alkoholischer Kalilauge möglich ist, und da die Menge der
nach der Verseifung vorhandenen Alkohole und schwer verseifbaren Stoffe für die drei
untersuchten Wollschweissarten fast gleich gross gefunden worden ist (44 bis 45,39
Proc.; D = 44,5 Proc), so würde sich die
Zusammensetzung des untersuchten Wollfettes durch Rechnung folgendermaassen
ergeben:
Nach
demab-gekürztenVerfahrenberechnet
WirklicheZusammen-setzung
Proc.
Proc.
Freie Fettsäuren aus der Seife stammendFreie Fettsäuren
aus dem Wollschweiss stammendGebundene Fettsäuren und
Fettsäure- anhydride a) flüchtige b)
nichtflüchtigeFreie und gebundene Alkohole, schwer verseifbare
StoffeWasser und fremde Stoffe
20,51 5,26 41,27 35,36
20,51 5,26
2,20 39,74 33,49 1,20
102,40
102,40
Eine Mischung von 20,51 Th. Fettsäure mit der Säurezahl 200 und von 5,26 + 39,74 = 45
Th. Fettsäuren mit der Säurezahl 160,8 hat die Säurezahl 173,04. Diese Zahl stimmt
mit der für die Gesammtfettsäuren gefundenen Säurezahl 173,1 vollkommen überein.
Ausserdem sei noch angeführt, dass das untersuchte Wollfett beim Waschen von
australischen Wollen erhalten war, für welche Herbig
die Verseifungszahl (bei Zersetzung der leicht verseifbaren Stoffe) 103 gefunden
hat. Eine Mischung von 20,5 Th. Seifenfettsäuren mit der Säurezahl 200 und 79,5 Th.
Wollschweiss mit der Verseifungszahl 103 hat die Verseifungszahl 122,9; für das
untersuchte Wollfett war diese zu 122,2 bis 125,4, D =
124,0, gefunden worden.
Das einzige bis jetzt bekannt gewordene Resultat einer in der beschriebenen Weise von
Lewkowitsch (l. c.) ausgeführten Wollfettanalyse
eignet sich nicht zur Prüfung dieses abgekürzten Verfahrens, da die für die Säure-
und Verseifungszahlen gefundenen Werthe ungenau zu sein scheinen, wie aus folgendem
Widerspruch ersichtlich ist. Lewkowitsch findet die
Säurezahlen der freien Fettsäuren (excl. flüchtigen) zu 162,3, der gebundenen
Fettsäuren zu 171,0, der Gesammtfettsäuren (excl. flüchtigen) zu 168,7; die Zahlen
ergeben sich aus den von Lewkowitsch angegebenen
Molekulargewichten 345, 327,5 und 332. Lewkowitsch
nimmt bei der Berechnung an, dass die flüchtigen Fettsäuren in freiem Zustande
vorhanden sind, trotzdem dieselben alsdann nach dem Heisspressen der Fette doch nur
noch in sehr geringer Menge vorhanden sein könnten. Diese Säurezahlen sind nur
möglich, wenn bei der Untersuchung ein durch Extraction gewonnenes Wollfett, zu dessen
Gewinnung gar keine Seife angewendet worden ist, vorgelegen hätte; Lewkowitsch gibt jedoch selbst an, dass die freien
Fettsäuren zum Theil aus der angewendeten Seife herstammten. Die Annahme, dass diese
Seifen aus Fettsäuren mit einem den Wollfettsäuren entsprechenden Molekulargewicht
hergestellt waren, ist wohl ausgeschlossen.
Obgleich die vorgeschlagene abgekürzte Untersuchung und Berechnung auf mehreren
Annahmen beruht, welche zum Theil noch nicht als richtig bewiesen worden sind, zum
Theil sich wohl auch als unrichtig oder doch wenigstens ungenau erweisen werden, so
bieten die Resultate doch jedenfalls bis zu einem gewissen Grade eine Garantie für
die wahre oder wenigstens wahrscheinliche Zusammensetzung. Der vorgeschlagene Weg
erklärt wenigstens eine Differenz, welche nicht zu vermeiden ist, wenn ein und
dasselbe Wollfett von mehreren Chemikern untersucht wird. Da durch Erhitzen auf 100°
ein Theil der freien Säuren derart verändert wird, dass letztere bei gewöhnlicher
Temperatur durch alkoholische Kalilauge nicht neutralisirt wird, so hängt die Menge
der freien Säuren, welche gefunden wird, immer davon ab, ob das Wollfett längere
Zeit, z.B. beim Filtriren, erwärmt worden ist. Die hierbei entstandenen Anhydride
müssen jedoch zusammen mit den gebundenen Fettsäuren gefunden werden, da sie wie das
Neutralfett in Petroleumäther löslich sind. In Folge dieser Anhydridbildung kann für
dasselbe Wollfett die Säurezahl des Wollfettes und der freien Fettsäuren wohl
verschieden hoch gefunden werden, so dass das Verhältniss der Seifenfettsäuren und
der aus dem Wollschweiss stammenden Fettsäurehydrate ein anderes wird; da jedoch
alsdann auch die Säurezahl der freien Fettsäuren eine andere ist, so wird dadurch
das Verhältniss zwischen Seifenfettsäuren und Wollschweiss nicht geändert. Die
Säurezahl der als Anhydride vorhandenen und der gebundenen Fettsäuren wird nicht nur
für dasselbe Fett, sondern vielleicht für jedes Fett in gleicher Höhe gefunden
werden; die Verseifungszahl darf nur bei verschiedenen Wollfetten differiren.
Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, mussten die verschiedenen Resultate, welche
bei einer Streitsache von demselben Analytiker für Muster und Lieferung eines
Wollfettes ohne jegliche Angaben über die angewendete Untersuchungsmethode abgegeben
waren und begutachtet werden sollten, in folgender Weise erklärt werden:
Muster
Lieferung
Proc.
Proc.
FettsäurenNeutralfettUnverseifbares (Cholesterin,
Wasser u.s.w.)AscheSchwefelsäure
22,4052,3324,17 0,04–
18,18 49,43 32,23 0,03 0,13
98,94
100,00
Die Differenz in den Mengen der freien Fettsäuren ist kein Beweis dafür, dass
verschiedene Wollfette vorgelegen haben; sie kann dadurch entstanden sein, dass die
von der Lieferung stammende Probe länger erhitzt worden ist, als die dem Muster
entnommene. Da die durch das Erhitzen entstandenen Anhydride sich jedoch
Lösungsmitteln gegenüber und auch beim Verseifen wie die Neutralfette, unter welchen
die verseifbaren, also kalibindenden Antheile verstanden werden müssen,
verhalten, so musste bei der Untersuchung der Lieferung die Menge des Neutralfettes
höher als bei dem Muster gefunden werden; sie ist jedoch im Gegentheil niedriger
gefunden worden. Nimmt man nun, weil beide Untersuchungen von demselben Chemiker
ausgeführt worden sind, an, dass die Verseifung unter gleichen Bedingungen
stattgefunden hat, so stammen beide Proben nicht von demselben Wollfett. Nimmt man
jedoch den nicht unmöglichen Fall an, dass bei beiden Untersuchungen in
verschiedener Weise verseift worden ist, so können, trotz der total verschiedenen
Resultate, doch beide Proben von demselben Fett stammen. Eine Entscheidung ist
unmöglich, da alle Angaben über die Art des Untersuchungsganges fehlen.
Wenn die Säurezahl und die unter gleichen Bedingungen gefundene Verseifungszahl
festgestellt worden wäre, so würde die Entscheidung in dem vorliegenden Falle leicht
gewesen sein.
Laboratorium der Technischen Staatslehranstalten in
Chemnitz.