Titel: Zerstörende Wirkungen elektrischer Ströme auf unterirdische Metallröhren.
Fundstelle: Band 293, Jahrgang 1894, S. 185
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Zerstörende Wirkungen elektrischer Ströme auf unterirdische Metallröhren.Elektr. Zeitschr., 1894. Mit Abbildungen. Zerstörende Wirkungen elektrischer Ströme auf unterirdische Metallröhren. Diese Wirkungen haben neuerdings die Aufmerksamkeit der Fachkreise auf sich gezogen und zwar sind bezügliche Vorkommnisse besonders in Amerika wahrgenommen worden. Bereits im Sommer 1891 brachte man in Erfahrung, dass einige mit Blei umhüllte, aus hölzernen Kanälen in Boston herausgenommene Telephonkabel an einzelnen Stellen sehr starke Zerfressungen zeigten. Man schrieb diese Einwirkungen allgemein der in den hölzernen Kanälen sich bildenden Essigsäure zu, welche kurze Zeit vorher an einigen Kabeln in anderen Stadttheilen ähnliche Beschädigungen hervorgerufen hatte. In dem erwähnten Falle war jedoch die Zerfressung so stark und nur auf einzelne Stellen beschränkt, dass man zu der Annahme gedrängt wurde, die Ursache in einer elektrolytischen Wirkung elektrischer Ströme zu suchen, welche von der Erdverbindung der in der Nähe vorübergehenden elektrischen Bahn herbeigeführt werden konnten. Andere ähnliche Vorkommnisse wiesen auf dieselbe Ursache hin. Angestellte Versuche, bei denen man ein Bleikabel derartigen Einflüssen aussetzte, bewiesen in der That, dass durch elektrolytische Wirkungen das Blei in ähnlicher Weise, wie in den bemerkten Fällen, angegriffen wurde, so dass man daraus schliessen konnte, dass auch das Metall von Gas- und Wasserleitungsröhren solchen Einflüssen unterliegen müsse. Man füllte zum Zweck des Versuches ein Fass mit Strassenerde, nachdem man eine Metallplatte auf den Boden des Fasses gelegt hatte. Auf die Erde legte man alsdann zwei kurze Stücke Bleikabel neben einander. Die untere Platte wurde dann mit dem negativen Pole einer Accumulatorenbatterie verbunden, welche 4 Volt Spannung ergab; eines der oberhalb liegenden Kabelstücke wurde mit dem positiven Pole der Batterie verbunden, während das zweite oberhalb liegende Kabelstück ausser elektrischer Verbindung blieb. Hierauf sättigte man die Erde mit Wasser und der Stromkreis wurde geschlossen. In dieser Weise Hess man den Strom sieben Tage lang wirken. Nach Verlauf dieser Zeit zeigte sich, dass das mit der Batterie verbundene Kabelstück in seiner Bleiumhüllung in ganz ähnlicher Weise stark zerfressen worden war, wie die vorerwähnten Kabel, wogegen das andere, nicht in elektrischer Verbindung gewesene Kabelstück sich ganz unversehrt erwies. Es wurden nunmehr Spannungs- und Strommessungen in allen Kabelgruben der betreffenden Stadt (Boston) vorgenommen, wobei sich herausstellte, dass in einem Radius von etwa 600 m von der einen elektrischen Bahnstation alle Kabel sich zur Erde negativ verhielten und zwar zwischen den Grenzen von 2 Volt bis Null; ausserhalb der neutralen Linie verhielten sich alsdann die Kabel von Null bis 12 Volt positiv zur Erde. Weiter hinaus bis in die Nähe einer zweiten elektrischen Bahnstation fand sich in gleicher Beziehung eine neutrale Linie, worauf bis an die Station die Kabel sich wieder negativ verhielten. Dieselben Verhältnisse wurden auch betreffs anderer elektrischer Bahnstationen gefunden. Um genügende thatsächliche Unterlagen zu erhalten, wurden Karten gezeichnet, auf denen für alle Stadttheile das Spannungsverhältniss der Kabel zur Erde, sowie zum Theil die Stromrichtungen und die Stromspannungen in den Kabelleitungen angegeben sind. Diese Potentialmessungen, welche allerdings zu anderen Zwecken vorgenommen wurden, lieferten nebenbei den Beweis, dass die elektrischen Bahnen durch ihre Erdströme als die Quelle jener störenden Vorkommnisse anzusehen sind. Textabbildung Bd. 293, S. 185Fig. 1.Textabbildung Bd. 293, S. 185Fig. 2.Fig. 1 dient zur Erklärung dieser Wirkungsweise; dieselbe zeigt den Uebergang des Stromes von der Dynamo nach den Schienen und den theil weisen Uebergang des Stromes von der Schiene nach dem darunter liegenden Bleikabel innerhalb der neutralen oder Nullinie und von den Kabeln zu den Schienen ausserhalb dieser Nullinie. Die Gefahr elektrolytischer Wirkung findet nur da statt, wo der Strom vom Kabel oder vom Rohr durch feuchte Erde hindurch geht. Gegen diese erwähnten Uebelstände sind nun einige Hilfsmittel in Vorschlag gebracht worden und auch theilweise zur Anwendung gelangt. Es wurden zu dem Zweck mehrere Conferenzen abgehalten, an denen sich die Eisenbahn- und Telephongesellschaften betheiligten, wobei die Gesellschaft der elektrischen Bahn zu Boston sich geneigt zeigte, das Uebel an der Wurzel zu fassen, indem sie bei ihren Linien die Benutzung von Schienen und Erde als Theil des Stromkreises beseitigen will. Es wurden ausserdem die folgenden Vorschläge gemacht: 1) Es sollen alle Kabel aus dem feuchten Boden und den feuchten Seiten der sogen. Mannlöcher herausgenommen werden. Hierbei entstand aber die grosse Schwierigkeit; die Kabel überhaupt vor Erdfeuchtigkeit zu schützen. 2) Man solle die Kabel in den Mannlöchern mit Erdplatten verbinden, um dadurch die elektrolytische Wirkung auf diese Platten zu übertragen und somit die Kabel zu schützen. Dieses Mittel wurde in ausgedehnter Weise versucht, aber obgleich viele Grundplatten von bedeutender Oberfläche durch einen grossen Theil der Stadt mit den Kabeln verbunden wurden, so ergaben doch die Spannungsmessungen zwischen den Kabeln und einer Erdstelle in geringer Entfernung von der Erdplatte in vielen Mannlöchern nahezu dieselbe Potentialdifferenz wie vor der Anbringung der Grundplatten. In manchen Fällen war allerdings die Potentialdifferenz um etwa 25 Proc. vermindert worden; in vielen anderen Fällen zeigte sich aber keine bemerkenswerthe Verminderung des Spannungsverlustes. 3) Wurde von Prof. Elihu Thomson unter anderen möglichen Hilfsmitteln vorgeschlagen, an verschiedenen Stellen längs der Eisenbahnstrecken Motorgeneratoren aufzustellen, welche durch den Kraftstrom der Eisenbahn in Betrieb zu setzen wären; der von diesen Motoren gelieferte Secundärstrom sollte dann mit Bezug auf die umgebende Erde oder die in der Nähe befindlichen Eisenbahnschienen zur Herabminderung des Potentials in den Kabeln oder Röhren benutzt werden. Zugleich sollten dabei Einrichtungen zum selbsthätigen Anlassen und Anhalten der Generatoren, je nachdem sich die Kabel positiv oder negativ zu den Eisenbahnschienen verhielten, in Anwendung kommen. Diese Motorgeneratoren sollten sozusagen den Strom aus den Kabeln pumpen und in die Schienen pressen, sobald das Potential in den Kabeln in dem einen oder anderen Sinne über den Nullpunkt hinaus stiege. Dieser Vorschlag hat noch keine Ausführung gefunden, weil die Sache jedenfalls zu kostspielig ist. 4) Es wurde vorgeschlagen, die Kabel und Röhren von der Erde zu isoliren. Da aber bei einigen Vorkommnissen starker Zerfressung die betroffenen Kabel mit Asphalt angestrichen, mit Gewebstoff umwickelt und wieder asphaltirt und schliesslich stark umsponnen und mit Asphalt getränkt worden waren, so ist dadurch der Beweis geliefert, dass eine für den Zweck genügende Isolation praktisch kaum erreichbar und zu kostspielig ist, um ausgedehnte Anwendung finden zu können. Der Schutz von Wasser- und Gasröhren durch genügende Isolation kann aber vom praktischen Standpunkte aus überhaupt nicht in Frage kommen. 5) Es wurde der Vorschlag gemacht, die metallische Continuität der Kabelumhüllungen und der Röhren zu unterbrechen. Aus der Thatsache, dass starke Corrosionen oft an verhältnissmässig gut isolirten Stellen, wo Kabel und Röhren sich überkreuzten oder in der Nähe von Eisenbahnschienen befanden, aufgetreten sind, ist zu ersehen, dass dieses an sich praktisch kaum ausführbare Mittel keineswegs seinen Zweck erfüllen würde. 6) Es wurde angerathen, die Richtung des Betriebsstromes der Eisenbahnen öfters zu wechseln, um dadurch die elektrolytische Wirkung periodisch umzukehren und somit ernstliche Wirkungen auf die Kabel und Röhren zu verhüten. Vom praktischen Standpunkte aus erscheint aber auch dieses Mittel in seiner Anwendungsweise als wenig zuverlässig, da man eine regelmässige Ausführung der Stromumkehrung kaum erwarten kann. Nur wenn Wechselströme für den Eisenbahnbetrieb benutzt werden könnten, dürfte die fragliche elektrolytische Wirkung auf Kabel und Röhren in bedeutendem Maasse herabgemindert werden. 7) Während der Zeit, wo man sich mit dem Studium der vorliegenden Frage beschäftigte, wurden von Fred. S. Pearson, Ingenieur der Westend-Street-Railway zu Boston, zwei Vorschläge gemacht, die, obschon unter sich unabhängig, doch in Verbindung ausgeführt wurden und sich in der Beseitigung des vorliegenden Uebelstandes als zweckmässig erwiesen, wenigstens betreffs der in Gefahr schwebenden Telephonkabel. Zuerst wurde von Pearson darauf hingewiesen, dass, wenn man den positiven Pol des Generators mit dem Gleitcontacte der Motorwagen verbinden könnte, die Gefahr der zerstörenden elektrolytischen Wirkung für den grösseren und verkehrsreicheren Theil der Stadt zu beseitigen und mehr in der Nähe der Kraftstationen zu bringen sein würde, wo man sie durch andere Mittel alsdann leichter als sonst zu beseitigen vermöge. Dieser Vorschlag wurde befolgt. Man kehrte den Betriebsstrom der Eisenbahnen um und die erwartete Potentialveränderung zwischen Kabeln und Erde stellte sich ein. Man fand nun, dass die Kabel in der Nähe der Kraftstation, welche vorher 1 bis 2 Volt negatives Potential zur Erde gezeigt hatten, nunmehr um 1 bis 9 Volt positiv gegen die Erde waren. Die Ströme zeigten nunmehr (mit Bezug auf Fig. 1) die umgekehrte Richtung. Der andere Vorschlag Pearson's ging dahin, von der negativen Klemme der Dynamo starke Kupferleitungen abzuzweigen und dieselben durch die gefährdeten Districte zu führen, um sie daselbst in verhältnissmässig kurzen Zwischenräumen mit den Kabeln zu verbinden, wie in Fig. 2 schematisch dargestellt ist. Nach dem durch Prof. Thomson's Motorgenerator repräsentirten Princip hat dieser den Strom mit niedriger Spannung führende Leiter den Zweck, den Strom aus den Kabeln abzuleiten und somit dessen Uebergang in die feuchte Erde zu verhüten. Man setzte seitens anderer Fachleute anfangs Zweifel in die erwünschte Wirksamkeit dieser Anordnung, indem man es für möglich hielt, dass trotz des guten Rückleiters noch ein Theil des Stromes in die Erde übergehen werde. Die nachher ausgeführten Spannungsmessungen zeigten indessen, dass die Kabel, welche 9 Volt positiv nach der Erde zeigten, eine Ablesung von 22 Volt positiv nach dem Rückleiter ergaben, d.h. der Rückleiter verhielt sich in Bezug auf die Kabel in allen Punkten gewissermaassen negativer als die Erde. Diese Leiter wurden aus vielen etwa 2 mm dicken Kupferdrähten zu 25 mm Durchmesser hergestellt und durch den gefährdeten District bis zu 1400 m Entfernung von der Kraftstation geführt und in den Mannlöchern durch mehrere verlöthete Kupfer drahte von 3 bis 4 mm Dicke mit den Kabeln verbunden. Wie Fig. 2 darstellt, überträgt sich diese Wirkung auch auf die ebenfalls durch die elektrolytischen Wirkungen der Erdströme bedrohten Wasser- und Gasröhren, so dass dieselben in gleicher Weise geschützt werden können.