Titel: | Braun's aichbarer Umdrehungsgeschwindigkeitsmesser. |
Fundstelle: | Band 293, Jahrgang 1894, S. 201 |
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Braun's aichbarer
Umdrehungsgeschwindigkeitsmesser.
Von C. Fehlert.Vorgetragen auf der Hauptversammlung des
Vereins deutscher Ingenieure zu Remscheid.
Mit Abbildungen.
Braun's aichbarer Umdrehungsgeschwindigkeitsmesser.
Dreht sich ein mit Flüssigkeit gefüllter Hohlkörper um seine senkrechte Achse, so
bildet die Oberfläche der Flüssigkeit bekanntlich ein Umdrehungsparaboloïd, dessen
Scheitel um so tiefer sinkt, je grösser die Geschwindigkeit wird. Aendern sich die
Menge der Flüssigkeit und die Form des Gefässes nicht, so wird der Scheitel des
Paraboloïds bei einer und derselben Geschwindigkeit stets die gleiche Lage
einnehmen, und der mit einem geeigneten Antrieb versehene Hohlkörper vermag also die
Geschwindigkeit anzuzeigen, wenn auf empirischem Wege die Umdrehungszahlen, welche
den einzelnen Scheitellagen entsprechen, kenntlich gemacht sind.
Damit ein Umdrehungsgeschwindigkeitsmesser aichfähig ist, muss der die
Geschwindigkeit angebende Theil völlig unveränderlich sein. Apparate, welche auf der
Anwendung von Federn beruhen, sind daher ebenso wenig aichfähig, wie solche, deren
Flüssigkeitsmenge geändert werden könnte.
Textabbildung Bd. 293, S. 201Fig. 1.Textabbildung Bd. 293, S. 201Fig. 2. Der vorliegende Apparat (D. R. P. Nr. 42603) ist nun dadurch zu einem
höchst einfachen und gleichzeitig aichfähigen Instrument gestaltet, dass als
Hohlraum ein an beiden Enden zugeschmolzener, zum Theil mit durchsichtiger
Flüssigkeit gefüllter Glascylinder verwandt wird, dem je nach dem Zweck des
Apparates verschiedene Form und Anordnung gegeben werden kann. Es ist durch viele
Versuche festgestellt, dass innerhalb der thatsächlich vorkommenden
Temperaturgrenzen die Scheitel der in einem solchen rotirenden Glascylinder sich
bildenden Paraboloïde für gleiche Geschwindigkeiten immer gleiche Lagen einnehmen,
die durch eingeätzte Striche auf dem Glascylinder oder in anderer Weise leicht
ablesbar oder erkennbar gemacht werden können.
So lange die Flüssigkeit in dem senkrechten Glascylinder frei an der Wandung
hochsteigen kann, lässt sich die geometrische Lage des Paraboloïdscheitels leicht
übersehen. Ist r (Fig.
1) der Halbmesser des Hohlcylinders, h die Höhe
des vom Flüssigkeitsspiegel eingeschlossenen Paraboloïds, so ist dessen Inhalt
\frac{\pi\,r^2\,h}{2} d.h. gleich dem Inhalt eines Cylinders
von der Höhe \frac{h}{2}. Die Flüssigkeit ist also an den Wänden
des Cylinders vom ruhenden Spiegel a – a aus
ebenso hoch gestiegen, wie der Scheitel sich unterhalb dieses Spiegels a – a gesenkt hat. Ist der Glascylinder oben
geschlossen (Fig. 2), so wird der Scheitel nicht so
tief sinken, da kein Raum für das Hochsteigen der punktirt angedeuteten
Flüssigkeitstheile vorhanden ist. Für hohe Umdrehungszahlen wird man daher
zweckmässig dem Glascylinder einen kleineren Durchmesser geben und die Luftblase
möglichst klein halten.
Fig. 3 zeigt einen solchen
Umdrehungsgeschwindigkeitsmesser mit Schnurantrieb. Der Glascylinder ist bei L in das obere schalenförmige Ende einer Hülse
gekittet, welche unten eine Schnurscheibe r trägt und
mit einem Ansatz a in das Oelbad O taucht. Die Hülse ist auf die feste Spindel W mit Oelrinne F gesteckt
und ruht auf einer gehärteten Stahlkugel. Die Figur lässt die Bildung des
Flüssigkeitsparaboloïds deutlich erkennen und zeigt, wie am Scheitel in der hellen
Flüssigkeit durch die Strahlenbrechung eine dunkle Stelle entsteht, welche das
Ablesen erleichtert.
Textabbildung Bd. 293, S. 201Fig. 3.Braun's Geschwindigkeitsmesser. Wie der Versuch lehrt, folgt der Scheitel jeder Geschwindigkeitsänderung
mehr oder minder schnell, je nach der Beschaffenheit der Flüssigkeit. Da der
Flüssigkeitskörper durch Vermittelung des Glasrohres in Umdrehung versetzt wird, so
wird die Flüssigkeit der Drehung um so mehr folgen, je grösser die Adhäsion und je
zäher die Flüssigkeit ist. Das Instrument besitzt daher einen von der Beschaffenheit
der Flüssigkeit abhängigen Trägheitsgrad. Ein mit reinem Glycerin gefülltes
Instrument ist weit empfindlicher für Ungleichförmigkeiten der Geschwindigkeiten als
ein mit reinem Wasser oder gar Alkohol gefülltes. Um diese Erscheinung nachzuweisen,
sind auf einem Gestell, von einem einzigen Schwungrade aus drehbar, zwei äusserlich
gleiche Apparate nach Fig. 3 mit gleichen
Antriebrollen, aber von verschiedenem Trägheitsgrade angeordnet. Bei
ungleichförmiger Drehung des Schwungrades schwankt der Scheitel des mit Glycerin
gefüllten Glases auf und ab, während der Scheitel des anderen mit Wasser gefüllten
Glases unbeweglich bleibt. Durch Veränderung des Mischungsverhältnisses von Glycerin
und Wasser ist es möglich, Apparate herzustellen, welche einen bestimmten
Ungleichförmigkeitsgrad anzeigen, deren Scheitel also erst schwankt, wenn eine
bestimmte Ungleichförmigkeit im Gange der Maschine eingetreten ist, während kleinere
Geschwindigkeitsschwankungen ohne Einfluss auf die Lage des Scheitels sind.
(Die Empfindlichkeit von Umdrehungsgeschwindigkeitsmessern mit Flüssigkeiten
verschiedener Zusammensetzung wurde mittels sechs von einer Schnur gleichzeitig
angetriebener Instrumente vorgeführt, die auf einem Holzbrettchen
nach Fig. 4 aufgestellt waren. Sie wurden durch
ein Drehbankvorgelege angetrieben und die durch jeden Tritt erzeugte
Ungleichförmigkeit verschwand bei den einzelnen Instrumenten bei Veränderung des
Uebersetzungsverhältnisses.)
Textabbildung Bd. 293, S. 202Fig. 4.Versuch mit Braun's Geschwindigkeitsmesser. Die Braun'schen Geschwindigkeitsmesser haben
bereits ein grosses Anwendungsgebiet für Milchcentrifugen gefunden, bei denen es
darauf ankommt, in jedem Augenblick die Umdrehungsgeschwindigkeit der Trommel zu
übersehen und dadurch eine Gewähr dafür zu haben, dass die Abrahmung, wie gewünscht,
erfolgt. Gegenüber den vielfach sonst üblichen Umlaufzählern besitzen die Apparate
den erheblichen Vortheil, dass sie nie falsch zeigen und stets die gerade bei der
Beobachtung herrschende Geschwindigkeit angeben. Ein Umlaufzähler zeigt nur an, wie
viel Umdrehungen eine Welle in der verflossenen Minute gemacht hat, gibt aber gar
keine Gewähr dafür, wie viel Umdrehungen die Welle in der nächsten Minute machen
wird, wie sich dies aus folgender Betrachtung noch deutlicher ergibt.
Textabbildung Bd. 293, S. 202Fig. 5.Braun's Leitrollen. Eine Centrifuge soll 3000 minutliche Umdrehungen machen. Wird der
Umlaufzähler in Gang gesetzt, während bei allmählich zunehmender Geschwindigkeit die
richtige Drehungszahl noch nicht erreicht ist, so gibt er unter Umständen die
mittlere Zahl von 3000 in der Minute an, obwohl am Ende der Minute die
Geschwindigkeit falsch, nämlich zu gross ist. Nach einigen Minuten findet man daher
bei wiederholtem Versuch eine zu grosse Geschwindigkeit, z.B. 3750 Umlaufe. Wird nun
durch Drosseln der Gang der Dampfmaschine verlangsamt, so findet man bei allmählich
abnehmender Geschwindigkeit wieder das gewünschte Ergebniss: 3000, jedoch ist es
abermals falsch, weil es bei abnehmender Geschwindigkeit genommen ist.
Bei dem ersten Versuch machte die Trommel z.B. bei Beginn der Minute 45, bei Schluss
der Minute 55 Umdrehungen in der Secunde. Man fand also das Mittel 50. In
Wirklichkeit hatte die Trommel aber in der ersten halben Minute etwa 45 . 30 = 1350
und in der zweiten halben Minute etwa 55 . 30 = 1650, also in der ganzen Minute 3000
Umdrehungen gemacht, und die Trommel würde, wenn sie mit derselben Geschwindigkeit,
welche sie am Ende der Minute hatte, weiter liefe, in der nächsten Minute 55 . 60 =
3300 Umdrehungen machen. In der Regel ist dies aber nicht der Fall, sie geht
vielmehr immer noch schneller, bis endlich ein Gleichgewichtszustand eintritt,
welchen man im Voraus gar nicht bestimmen kann.
Das Umgekehrte tritt bei der Verlangsamung der Geschwindigkeit ein. Lief die
Trommel in der ersten Hälfte der Beobachtungsminute durchschnittlich mit 55, am Ende
der zweiten mit 45 Umdrehungen in der Secunde, so zeigt der Umlaufszähler zwar 3000,
aber in der folgenden Minute wird die Trommel höchstens mit 2700 und später gar noch
langsamer laufen. Man wird also bei einem Umlaufzähler stets eine falsche Zahl
finden, wenn man bei steigender oder fallender Geschwindigkeit die Beobachtung
anstellt. Dies kann bei dem vorliegenden Apparat nie eintreten, da er immer die
gerade vorhandene Geschwindigkeit angibt, und man bei fortdauernder Beobachtung die
Aenderung der Geschwindigkeiten verfolgen kann.
Textabbildung Bd. 293, S. 202Fig. 6. Wegen seiner Einfachheit und der Kleinheit des beanspruchten Raumes dürfte
der Apparat sich für viele Arbeits- und Werkzeugmaschinen eignen, deren
Geschwindigkeit nur innerhalb bestimmter vorgeschriebener Grenzen schwanken darf.
Der Antrieb durch Schnur hat sich in der Praxis hierbei als sehr zweckentsprechend
erwiesen. Dr. Braun verwendet kleine Leitrollen mit
selbsthätiger Schmierung der durch Fig. 5
veranschaulichten Bauart. Der Zapfen a ist mit einer
achsialen Bohrung versehen und an dem einen Ende als Behälter für festes
Schmiermittel b ausgebildet. Mittels einer Schraube c kann dieses durch die Bohrung des Zapfens nach dem
anderen Ende hin in eine Kammer gedrückt werden, welche die Mutter d der Rolle f bildet. Von
hier aus tritt das Schmiermittel zum Zapfen und zwängt sich zwischen diesem und der
Rollennabe hindurch.
Textabbildung Bd. 293, S. 202Fig. 7. Der Geschwindigkeitsmesser mit senkrechter Achse ist bei klein gehaltenen
Abmessungen nur für hohe Drehungszahlen geeignet und bedarf daher stets einer
Uebersetzung, wenn man die Geschwindigkeit langsam gehender Wellen anzeigen will.
Dr. Braun hat indessen ein einfaches Mittel gefunden,
auch kleinere Apparate für langsam gehende Wellen herzustellen. Zu diesem Behufe
wird der Apparat in geneigter Lage verwendet. Der Ausschlag des Paraboloïdscheitels
wird dann weit grösser, wie sich dies aus folgender Betrachtung ergibt.
Wird ein wagerechter, zum Theil mit Flüssigkeit gefüllter Cylinder um seine
geometrische Achse gedreht, so stellt sich der Flüssigkeitsspiegel bekanntlich nach
einem Cylinder ein, dessen Achse um eine gewisse Strecke x (Fig. 6) oberhalb der Drehachse liegt.
Man kann die Form dieses Flüssigkeitsspiegels als den Grenzfall von Paraboloïden
ansehen, die sich bei der Drehung des Flüssigkeitskörpers bilden, wenn die Drehachse
des Cylinders allmählich aus der senkrechten in die wagerechte Lage gebracht wird.
Es ist bei diesem Grenzfall der Scheitel des Paraboloïds in die Unendlichkeit
gerückt, das Paraboloïd ist in einen Cylinder übergegangen. Unmittelbar vor der
gedachten Grenzlage wird das Paraboloïd ein langgestrecktes sein (Fig. 7) und zwar schon bei geringen Geschwindigkeiten;
diese Lagen
lassen sich daher für die Construction eines Instrumentes für kleine
Umdrehungszahlen vortheilhaft verwenden. In der Praxis hat sich ein Steigungswinkel
von 5 Proc. als geeignet herausgestellt.
Das in Fig. 8
dargestellte Instrument enthält das Glasrohr mittels einer Fassung in einer
durchbrochenen festen Metallhülse gelagert, welche von der Grundplatte durch einen
Arm getragen wird.
Textabbildung Bd. 293, S. 203Braun's Geschwindigkeitsmesser. Das Instrument kann unmittelbar von der liegenden Welle, z.B. einer
Dampfmaschine, angetrieben werden und ermöglicht, die Aenderung der Geschwindigkeit
einer einzelnen Umdrehung abzulesen. Die Antriebrolle kann beliebig gross gemacht
werden, und es eignet sich das Instrument deshalb besonders für
Betriebsdampfmaschinen, Gasmotoren, Elektromotoren, Turbinen u. dgl., wo grosse
Empfindlichkeit verlangt wird. Bei der Aufstellung ist darauf zu achten, dass im
Zustand der Ruhe die Luftblase im Glasrohr genau auf den Nullpunkt der Scala
einspielt. Um sich auch während des Ganges von der Richtigkeit der Aufstellung
überzeugen zu können, ist auf der Grundplatte eine Wasserwage angebracht.
In der geneigten Aufstellung ist das Instrument auch vorzüglich für den Handgebrauch
geeignet.
Fig. 9 zeigt die hierfür
bestimmte Bauart, Fig.
10 die Handhabung des Instrumentes. Die von der bisher üblichen
Dreikantspitze unzertrennlichen Uebelstände sind durch Anbringen eines Futters
vermieden, das aus einer durch eine Feder herausgedrückten Nadel und einem
elastischen Gummiring (D. G. M. Nr. 4132) besteht. Beim Gebrauch setzt man die
federnde Nadel in die Vertiefung der zu untersuchenden Welle und drückt in der
Richtung der Achse sanft auf. Die Nadel weicht dann zurück, der Gummiring wird durch
Reibung mitgenommen und nimmt seinerseits das Glasrohr durch Vermittelung eines
Kegelräderpaares mit. Im Augenblicke der Beobachtung muss natürlich die seitlich am
Gehäuse angeordnete Libelle einspielen. Das gleiche Instrument kann auch für
senkrechte Aufstellung benutzt werden und erhält dann noch eine zweite besondere
Scala.
Die Aichung der Scala erfolgt nach den bei Thermometern und ähnlichen Instrumenten
üblichen Grundsätzen, indem das zu prüfende Glas mit einem Normalglas verglichen
wird. Beide Gläser werden über einander in ein rohrförmiges, durchbrochenes Gehäuse
a (Fig. 11) fest
eingespannt, das in einem Gestell b zwischen zwei
Spitzschrauben cd drehbar ist und mittels der
Schnurscheibe f in Drehung versetzt werden kann. Das
Normalglas besitzt eine sehr feine Theilung, und man beobachtet durch ein Fernrohr
gleichzeitig das Einspielen der Paraboloïdscheitel auf die Theilstriche beider
Gläser.
Um den Trägheitsgrad des Glases zu bestimmen, wird es auf künstliche Weise
ungleichförmig gedreht. Auf einer Vorgelegewelle, die mittels fester Schnurscheibe
von einem Elektromotor mit gleichförmiger Geschwindigkeit gedreht wird, ist die
Antriebscheibe für das zu untersuchende Instrument excentrisch verschiebbar, und
zwar wird die Verschiebung durch eine Mikrometerschraube genau geregelt. Von der
Antriebscheibe aus wird das Gehäuse des Glases durch Schnurtrieb bewegt.
Bei der Bestimmung des Trägheitsgrades eines Instrumentes wird nun die
Mikrometerschraube so lange gestellt, bis der Paraboloïdscheitel des zu
untersuchenden Glases Schwankungen zeigt. Man liest alsdann an der Stellscheibe der
Schraube die Verschiebung der Antriebscheibe ab, und erhält so unmittelbar den
Ungleichförmigkeitsgrad, bei welchem das Instrument zuerst Schwankungen zeigt.
Der Erfinder bemerkt zu dem Vorstehenden, dass die physikalisch-technische
Reichsanstalt unausgesetzt mit dem Braun'schen
Gyrometer beschäftigt gewesen ist und gefunden hat, dass die Empfindlichkeit des
Instrumentes zum Anzeigen des Ungleichförmigkeitsgrades einer rotirenden Welle viel
grösser ist, als man anzunehmen geneigt ist.
Die Gyrometer haben sich bei den von der Anstalt unternommenen Versuchen als wohl
geeignet erwiesen, den Ungleichförmigkeitsgrad des Ganges rotirender Maschinen zu
ermitteln. Dieselben lassen selbst bei Maschinen von 400 Umdrehungen in einer Minute
noch Ungleichförmigkeiten von 1/300 erkennen.
Es konnten auch nach eingehenden Vorversuchen der Reichsanstalt schon 38 Gyrometer
nach Dr. Braun's Construction geprüft werden, so dass
der Erfinder in der Lage ist, von der physikalisch-technischen Reichsanstalt
geprüfte Gyrometer zur Bestimmung des Ungleichförmigkeitsgrades sowohl, als auch der
mittleren Geschwindigkeit zu liefern.