Titel: | De Laval's neue Dampfturbine. |
Fundstelle: | Band 293, Jahrgang 1894, S. 204 |
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De Laval's neue Dampfturbine.Ueber
Dampfturbinen siehe: 1884 251 435 de Laval, 1885 285 *
243, Winkler's Dampfturbine, 1886 260 * 294 und 1893 289 *
29, Parson's Dampfturbine 1887 265 * 54, desgl. von Thévenet, 1890 278 * 295, desgl. von Daw, 1893 289 * 32
desgl. von Morton.
Mit Abbildungen.
De Laval's neue Dampfturbine.
Die Bestrebungen den Dampf in der Weise zu benutzen, dass anstatt des Dampfdruckes
seine Geschwindigkeit zur Wirkung kommt und zwar in ähnlicher Weise, wie es bei den
gebräuchlichen hydraulischen Turbinen bezüglich des Wassers der Fall ist, sind
keineswegs neu, wie die untenstehenden Anführungen beweisen. Die hierher gehörigen
Motoren sind wegen ihrer grossen Umdrehungszahl vorwiegend zum Betriebe von
Centrifugen, Ventilatoren, Dynamomaschinen verwendet. Neuerdings erregte die neue
Dampfturbine de Laval's, die auf der Weltausstellung in
Chicago in Betrieb gewesen ist,
grosses Aufsehen und hat daselbst die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt.
Sie weicht von der 1884 251 * 435 beschriebenen
Dampfturbine G. de Laval's wesentlich ab.
Letztere sollte mit Dampf oder Wasser betrieben werden; sie bestand aus zwei zwischen
Scheiben eingeschlossenen, S-förmig vereinigten gebogenen
Röhren, in die der Dampf von der Mitte aus eintritt und wie bei den Schottischen
Turbinen wirkt. Die neue Turbine de Laval's empfängt
dagegen den Dampf mittels seitlich stehender Düsen, die den Dampf quer durch das Rad
leiten, der alsdann auf dem Wege durch die Schaufeln seine lebendige Kraft
abgibt.
Textabbildung Bd. 293, S. 204Fig. 1.Laval's Dampfturbine.Textabbildung Bd. 293, S. 204Laval's Dampfturbine.Fig. 1 gibt nach Engineer vom 20. October 1893 die äussere Ansicht einer Laval-Turbine, Fig. 2 bis 4 erläutern die innere
Einrichtung derselben. Fig.
2 zeigt die zum Turbinenrad unter einem Winkel geneigte Einströmungsdüse,
die den hoch gespannten Dampf einströmen lässt. Auf dem Durchgange des Dampfes durch
das Ende der Zuleitung bezieh. in der Düse und deren Ventil expandirt er bis zum
Druck der äusseren Atmosphäre und erlangt dabei das Maximum seiner lebendigen Kraft,
die an die Schaufeln des Rades mit nur geringem Verluste abgegeben wird. An der
andern Seitenfläche des Rades entweicht der Dampf, und man hat die Profilirung der
Schaufeln so zu wählen, dass die Geschwindigkeit des Austrittes möglichst gering
wird. Wie aus Fig. 3,
4 und 5 zu ersehen, ist die Achse des Turbinenrades dünn und
auf eine längere Strecke frei liegend, um etwaige Unvollkommenheiten in der
Auswuchtung des
Turbinenrades unschädlich zu machen. Die Bewegung wird (Fig. 3) durch Vorgelege
ins Langsame übertragen.
Die grosse Geschwindigkeit des Laval'schen Rades ist
erklärlich, wenn man bedenkt, dass die Geschwindigkeit
des Dampfes
bei
2
at
Kesseldruck
480
m/sec.
„
6
„
„
775
„
„
12
„
„
913
„
beträgt.
Textabbildung Bd. 293, S. 205Fig. 5.Welle. Diese Geschwindigkeit wird noch gesteigert, wenn man den Ausströmungsraum
mit einem Condensator in Verbindung setzt; so erreicht man z.B. bei 6 at Kesseldruck
und 0,1 at Gegendruck im Condensator die erhebliche Geschwindigkeit von 1120 m.
Demnach kann die Umfangsgeschwindigkeit der Turbine 175 bis 400 m/sec. betragen,
woraus sich je nach der Grösse des Rades bis 30000 Umdrehungen in der Minute
ergeben. Es können also mit schwachem Tangentialdrucke bedeutende Leistungen erzielt
werden. Als Beispiel gibt die Elektrotechnische Zeitung
an, dass der Tangentialdruck auf einen Umfang von 7 cm Radius kaum 4 k beträgt, wenn
die Maschine bei 24000 Umdrehungen in der Minute 10 BP entwickelt, wobei das
Turbinenrad nur 12 cm Durchmesser hat. Soll das Rad bei 15000 Umdrehungen 100 BP
leisten, so genügt ein Raddurchmesser von 30 cm. Die Welle eines 10 -Rades
hat an der schwächsten Stelle nur 4,5 mm Durchmesser; in Fig. 5 bezeichnet a die Turbine, b die Achse, die mittels des Winkelzahnrades c ihre Bewegung auf ein entsprechendes Zahnrad ins
Zehnfache überträgt (siehe Fig. 3); beide Räder sind von einem Kasten umschlossen, der die Lager für
beide Wellen enthält. Die Vorgelegswelle trägt links die Riemscheibe zur Portleitung
der Bewegung, rechts einen Regulator. Die Uebertragungsriemen (meist Baumwolle oder
gekittetes Leder) sind aus einem Stück hergestellt, ohne Naht bezieh. Schloss und
mit Spannvorrichtung versehen.
Textabbildung Bd. 293, S. 205Fig. 6.Laval's Dampfturbine mit Dynamo. In Fig. 6 ist eine Laval-Turbine von 30 mit direct an die Vorgelegswelle gekuppelter
Dynamomaschine dargestellt.
Die Elektrotechnische Zeitschrift schliesst ihren
Bericht über die Laval'sche Dampfturbine mit
nachfolgenden Worten:
Interessant sind die Bemerkungen Foucault's über
eine derartige Turbine. Eine Turbine von 50 cm Durchmesser, welche mit Dampf von 5
at gespeist wurde, würde nach Foucault's Berechnung bei
100 Umdrehungen in der Secunde 200 zu leisten vermögen. Der Erfinder, Laval, hat diese theoretische Annahme durch die
Thatsache bestätigt, dass eine Turbine von 50 cm Durchmesser bei 8 k Kesseldruck und
260 Umdrehungen in der Secunde 300 entwickelte.
Bei so enormen Geschwindigkeiten hat man wohl die Berechtigung, ernste Uebelstände in
Folge der Wirkung der Centrifugalkraft zu befürchten.
Es ist leicht zu beweisen, dass 1 g Masse, welche an dem Umfange einer Scheibe von 16
cm Durchmesser befestigt ist, bei 24000 minutlichen Umdrehungen der Scheibe eine
Centrifugalkraft gleich 50 k entwickelt. Andererseits ist die vollkommene Centrirung
des Rades fast unmöglich, indem das Material niemals vollständig homogen ist. Bei
steifen Wellen würde aber als Folge der Einwirkung der starken Centrifugalkraft eine
übermässige Erhitzung der Lager und sogar eintretender Wellenbruch zu befürchten
sein. Laval hat diesen Uebelstand durch einen
sinnreichen Kunstgriff in wirksamster Weise zu umgehen gewusst, indem er die
gyrostatischen Eigenschaften der Körper benutzte und mit Rücksicht darauf sein Rad
auf eine sehr dünne biegsame Welle setzte.
Lässt man nämlich einen mit einer Symmetrieebene begabten Körper um eine an beiden
Enden eingelagerte und durch seinen Schwerpunkt gehende wagerechte Welle rotiren, so
sucht dieser Körper sich nach Maassgabe der zunehmenden Umdrehungsgeschwindigkeit um
seine Hauptträgheitsachse zu drehen, welche Achse der Linie entspricht, die
senkrecht zur Symmetrieebene steht und durch den Schwerpunkt geht. Ist nun die
physikalische Achse biegsam, so biegt sich dieselbe um so viel aus, als zur
angegebenen richtigen Einstellung des rotirenden Körpers nothwendig ist. Es ist
dabei gleichgültig, ob die rotirende Scheibe in der Mitte der Achse oder auf einer
anderen Stelle derselben sitzt. Die Welle schwingt dabei zwar in verschiedener
Weise, aber der Sitz der Scheibe fällt dabei immer in den Knotenpunkt der
schwingenden Welle mit der geraden Verbindungslinie der beiden Lagermitten. Die
Erfahrung hat dieses Verhalten des Mechanismus bestätigt. Lässt man dagegen die
Scheibe um eine normal zur Symmetrieebene gerichtete, aber nicht durch den
Schwerpunkt gehende senkrechte Welle rotiren, so treten zwei verschiedene Fälle ein.
Wenn die Scheibe in der Mitte der Welle sitzt, so biegt dieselbe sich mit
wechselnder Umdrehungsgeschwindigkeit immer mehr in bogenförmiger Krümmung aus.
Sitzt aber die Scheibe nicht in der Mitte der Welle, so erleidet bei der
Inbetriebsetzung die Welle zwar anfangs eine Ausbiegung; da aber dabei die
Symmetrieebene der Scheibe sich schief zur geometrischen Achse einstellt, so sucht
die Scheibe sich bei zunehmender Umdrehungsgeschwindigkeit wieder perpendikular zu
dieser Achse einzustellen und daher lässt die Ausbiegung der Welle bei noch mehr
sich vergrössernder Geschwindigkeit wieder nach, bis dieselbe sich bei Eintritt
einer gewissen Geschwindigkeit in die achsiale Lage einstellt und gleich einer
absolut starren Welle verhält. Die anfängliche in Folge der Krümmung der Welle
eintretende Reibung in den Lagern verschwindet alsdann und die Vibrationen in der rotirenden Masse
sind ganz unbedeutend.
Die Theorie der Turbine hat Laval nach der Theorie der
Euler'schen Turbine aufgestellt. Um den maximalen
Wirkungsgrad einer Achsialturbine mit freier Ausweichung zu erhalten, müssen
bekanntlich die folgenden Bedingungen erfüllt werden:
Textabbildung Bd. 293, S. 206Fig. 7.Schaufel der Laval-Turbine. Der Neigungswinkel der Leitschaufeln muss so klein als möglich sein. Die
Radschaufel muss die Richtung der relativen Geschwindigkeit an der Eintrittsstelle
besitzen, um Stösse zu vermeiden. Die lineare Geschwindigkeit der Turbine muss
gleich der relativen Ausflussgeschwindigkeit des motorischen Fluidums, das heisst
gleich der Eintrittsgeschwindigkeit des Fluidums sein. Nach dieser Bedingung
bestimmt sich die Neigung der Radschaufeln, welche doppelt so gross als die Neigung
der Leitschaufeln sein muss. Der Neigungswinkel der Schaufeln an der Austrittsstelle
muss ebenso gross sein als an der Eintrittsstelle.
Diese Verhältnisse werden nach dem Diagramm Fig. 7 in
der folgenden Weise ausgedrückt:
s = 2α,
c1 = c2 = v1 = v2
und v, als Umfangsgeschwindigkeit
der Turbine
=\frac{\omega}{2\,cos\,\alpha}
wenn ω die absolute
Geschwindigkeit an der Eintrittsstelle ist; ferner ω'
als absolute Geschwindigkeit an der Austrittsstelle
= 2v sinα.
Der theoretische Wirkungsgrad des Vertheilers ist
\eta=\frac{\omega_2-\omega'_2}{\omega_2}=1-tang_2\,\alpha
Ist z.B. α = 20°, so ist
η = 0,87.
Da es zweckmässig ist, α zu verkleinern, so ergibt sich,
dass in angenäherter Weise die Umfangsgeschwindigkeit gleich der halben
Eintrittsgeschwindigkeit des Fluidums sein muss, weil für α = 0 sich ergibt
v=\frac{\omega}{2\,cos\,\alpha}=\frac{\omega}{2}.
Wird z.B. Dampf von 6 at verwendet, so ist die Umfangsgeschwindigkeit ungefähr gleich
385 m in der Secunde; bei Dampf von 8 at gleich 415 m und bei Dampf von 12 at gleich
456 m ohne Condensation. Die Arbeit, welche 1 k Dampf zu verrichten vermag, ist
gegeben durch den Ausdruck für die lebendige Kraft
\frac{\omega_2}{2\,g}.
Wenn Dampf von 6 at (= 6 k) in die Luft ausströmt, so ergibt sich hiernach für jedes
Kilogramm Dampf eine theoretische Arbeitsleistung von
\frac{(770)_2}{19,6}=30000\,k.
Bei Dampf von 8 at
\frac{(830)_2}{19,6}=35100\,k.
Bei Dampf von 12 at
\frac{(912)_2}{19,6}=42440\,k.
Da bezüglich des ersten Falles die Turbine stündlich 230 k Dampf verbrauchte, so
entspricht dieser Verbrauch einer theoretischen Leistung
\frac{230\,\times\,30000}{3600\,\times\,75}=25,5.
Im zweiten Falle betrug der stündliche Dampfverbrauch 800 k, entsprechend einer
theoretischen Leistung von
\frac{800\,\times\,35100}{3600\,\times\,75}=105.
Im dritten Falle wurden 1260 k Dampf stündlich verbraucht, entsprechend einer
Leistung von
\frac{1260\,\times\,42440}{3600\,\times\,75}=197.
Bei einem theoretischen Wirkungsgrade von 0,87 ergeben sich daher bezieh.
22,5, 91 und 172 .
Im praktischen Betriebe entsprechen diese Dampfmengen etwa
10, 50 und 100 ,
so dass die generellen Wirkungsgrade zu 45, 55 und 58 Proc.
anzunehmen sind.
Im Vergleich zu anderen rotirenden Dampfmaschinen, deren Dichtheit im dauernden
Betrieb stets sehr mangelhaft sich erweist, ist der Wirkungsgrad der Laval'schen Dampfturbine ein ausserordentlich
günstiger, insofern bei derselben Verluste durch Undichtheiten principiell
ausgeschlossen sind. Der Spielraum des Radumfanges im Gehäuse beträgt etwa 2 mm und
daher ist eben nur die Reibung in den Wellenlagern vorhanden. Der Vorzug, welchen
die Dampfturbine hinsichtlich der Einfachheit ihrer Construction und der
verhältnissmässig geringen Dimensionen besitzt, ist augenfällig.