Titel: Ueber amerikanische Schornsteine.
Fundstelle: Band 293, Jahrgang 1894, S. 209
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Ueber amerikanische Schornsteine. Mit Abbildungen. Ueber amerikanische Schornsteine. Bei der Berechnung von Schornsteinen für Dampfkesselanlagen legt die Babcock und Wilcox Co. in New York folgende Betrachtungen zu Grunde. Das Gewicht der in gewisser Zeit durch einen Schornstein abziehenden Rauchgase ist abhängig von der Grösse des Schornsteins, ihrer Durchgangsgeschwindigkeit und Dichtigkeit. Da die Dichtigkeit bei einer gegebenen Schornsteinhöhe mit der absoluten Temperatur abnimmt, die Geschwindigkeit fast wie die Quadratwurzel aus der Temperatur zunimmt, so erreicht das Gewicht der Rauchgase bei einer bestimmten Temperatur ein Maximum. Dieses Maximum findet etwa bei einer Rauchgastemperatur (abzüglich der Temperatur der umgebenden Luft) von 288° C. statt. Indess ist der Einfluss der Temperatur ein nur geringer, da die Rauchgasmengen bei 288° nur 4 Proc. grösser sind, als bei 150°, so dass beim Bau eines Schornsteins nur dessen Höhe und Querschnitt in Betracht kommen. Der Schornsteinzug ist unabhängig von der Form des Schornsteins und ist lediglich durch den Gewichtsunterschied der äusseren und inneren Luftsäule bedingt. Ist beim Bau eines Schornsteins die für eine genügende Zugstärke erforderliche Höhe erreicht, so liegt, vorausgesetzt, dass die Weite des Schornsteins gross genug ist, kein besonderer Grund vor, den Schornstein noch weiter zu erhöhen. Wo der Kostenpunkt keine Rolle spielt, kann der Bau des Schornsteins ja weiter fortgesetzt werden, für den erforderlichen Zweck aber wird man in solchem Falle mit einem kürzeren Schornsteine und geringeren Kosten ebenso gute Resultate erzielen. In grossen Städten sind hohe Schornsteine den niedrigen stets vorzuziehen, weil man mit ihnen eine wesentliche Abhilfe gegen Rauchbelästigung zu schaffen im Stande ist, indem der Rauch in höhere Luftschichten gebracht wird, wo er sich schneller vertheilt. Textabbildung Bd. 293, S. 209Amerikanische Schornsteine. Die Grösse der Zugstärke richtet sich nach der Art des Brennmaterials; Holz gebraucht die geringste und Staubkohle die grösste Zugstärke. Für Anthracitkoble ist ein Zug von etwa 30 mm Wassersäule erforderlich, welcher bei einem gut proportionirten Schornsteine von etwa 45 m Höhe erzielt werden kann. Für geringwertige Kohle ist eine Schornsteinhöhe unter 30 m nicht zu empfehlen, weil sonst dieses Brennmaterial nicht mehr verbrannt werden kann. Ein runder Schornstein ist besser als ein viereckiger, und ein oben und unten gleich weiter Schornsteinkanal besser als ein kegelförmiger. Der für den Durchgang der Rauchgase wirksame Querschnitt eines Schornsteins ist bei gegebener Leistung umgekehrt proportional der Quadratwurzel aus der Höhe; rechnet man auf eine PferdestärkeIn Amerika ist es Sitte, die Dampfkessel lediglich nach Pferdestärken zu verkaufen. Unter einer „Kessel-Pferdestärke“ versteht man diejenige Wärmemenge, welche erforderlich ist, um in der Stunde 13,6 k Wasser von 37,8° C. in Dampf von 4,9 at Ueberdruck zu verwandeln, wozu 8391 W.-E. erforderlich sind. Bei Wasserrohren rechnet man auf eine Pferdestärke 1,02 bis 0,93 qm wasserberührte Heizfläche. einen mittleren Kohlenverbrauch von 2,25 k, so ist der wirksame Querschnitt des Schornsteins gegeben durch E=\frac{0,0154\,.\,HP}{\sqrt{h}} . . . . . . (1) wobei die Anzahl der Pferdestärken, h die Höhe des Schornsteins in Meter bezeichnet. Da die Rauchgase bei ihrem Durchgang durch den Schornstein an den Innenwänden eine starke Reibung erfahren, so muss in Wirklichkeit der Querschnitt grösser gewählt werden. Von der Voraussetzung ausgehend, dass die Reibung einer 50 mm breiten, auf der inneren Oberfläche gleichmässig vertheilten Luftschicht identisch ist (vgl. Fig. 1 und 2), ergibt sich für den vorhandenen Querschnitt A der wirksame Querschnitt als E = A – 0,6 √A . . . . . . . . . . (2) Für einen quadratischen Schornstein ist hiernach die Quadratseite des auszuführenden Querschnitts in Metern S = √E + 0,1 . . . . . . . . . . (3) und entsprechend der Durchmesser des runden Schornsteins D=\sqrt{\frac{4}{\pi}}\,E+0,1=1,13\,\sqrt{E}+0,1 . . . (4) Bedeutet d die Zugstärke in Millimeter Wassersäule, so berechnet sich die Höhe eines Schornsteins in Metern zu h=\frac{d}{83,2\,\left(\frac{4,2}{t+273}-\frac{4,4}{t'+273}\right)} . . . . . . . . . . (5) worin mit t die Temperatur der Luft und mit t' die der Rauchgase in Celsius bezeichnet ist. Wird beispielsweise t =   20° C. t' = 300° C. und d = 17 mm gesetzt, so berechnet sich nach (5) h = 30,5 m Soll ferner die Kesselanlage 182 leisten, so muss nach (1) E = 0,508 qm und nach (4) der Durchmesser D = 0,905 m gewählt werden. Durch einfache Umrechnung ergibt sich aus (1) die Leistung eines vorhandenen Schornsteins zu HP=\frac{E\,\sqrt{h}}{0,0154} . . . . . . . . . . (6) und nach (5) die Zugstärke zu d=83,2\,.\,h\,.\,\left(\frac{4,2}{t+273}-\frac{4,4}{t'+273}\right) . . . . . . (7) In Fig. 3 sind für einen Schornstein von 30,5 m Höhe den verschiedenen Rauchgastemperaturen entsprechend die Zugstärken in Millimeter Wassersäule und, unter Annahme einer willkürlichen Leistung der Kesselanlage, die von dem Schornstein fortgeführten Rauchgase in Kilogramm graphisch aufgetragen. Der Verlauf der beiden Curven lässt ohne weiteres erkennen, dass für die Maximalleistung eines Schornsteins die Steigerung der Rauchgastemperaturen über 200° C. keine wesentlichen Vortheile mit sich bringt. Die wirksame Maximalzugstärke findet etwa bei einer Lufttemperatur von etwa 17° C. und einer Rauchgastemperatur von 315,5° C. statt, d.h. es wird hierfür d = 0,58 h. Die Reibung, welche die Rauchgase in der Feuerung und den Feuerzügen erfahren, kann natürlich die Rauchgasmengen bedeutend beeinträchtigen; immerhin aber wird das Maximum der durch den Schornstein fortgeführten Verbrennungsgase mehr oder weniger in den oben angeführten Grenzen zu suchen sein. In der umstehenden Tabelle sind die aus den Formeln (1) bis (5) ermittelten Werthe für verschiedene Höhen und Leistungen der Schornsteine zusammengestellt. InnererDurchmesserdesSchornsteinsm Höhe des Schornsteins in Metern WirksamerQuerschnittdesSchornsteinsqm ThatsächlicherQuerschnittdesSchornsteinsqm Quadrat-seite desSchorn-steinsm 15 18 21 24,5 27,5 30,5 33,5 38 46 53 61 Anzahl der Pferdestärken 0,46 23   25   27 0,090 0,166 0,41 0,53 35   38   41 0,137 0,220 0,48 0,61 49   54   58   62 0,194 0,292 0,56 0,69 65   72   78   83 0,259 0,374 0,61 0,76 84   92 100 107 113 0,334 0,453 0,69 0,84 115 125 133 141 0,416 0,554 0,76 0,91 141 152 163 173   182 0,509 0,650 0,81 0,99 183 196 208   219 0,611 0,770 0,89 1,06 216 231 245   258   271 0,721 0,882 0,97 1,22 311 330   348   365   369 0,971 1,170 1,11 1,37 363 427   449   472   503   551 1,256 1,474 1,21 1,52 505 539   565   593   632   692   748 1,579 1,815 1,37 1,68 658   694   728   776   849   918   981 1,937 2,217 1,50 1,83 792   835   876   934 1023 1105 1181 2,332 2,630 1,63 1,98   995 1038 1107 1212 1311 1400 2,765 3,079 1,78 2,13 1163 1214 1294 1418 1531 1637 3,232 3,563 1,91 2,29 1344 1415 1496 1639 1770 1893 3,738 4,119 2,03 2,44 1537 1660 1720 1876 2027 2167 4,279 4,676 2,18 In Amerika findet man, besonders in Eisenwerken, eine grosse Vorliebe für eiserne Schornsteine; letztere werden den gemauerten Schornsteinen vorgezogen; weil sie bei gleichen Abmessungen in Folge der nicht vorhandenen Durchlässigkeit von Luft eine grössere Leistung besitzen (oder vielleicht, weil ihre Errichtung billiger ist? Red.). Die eisernen Schornsteine sind in ihrer ganzen Höhe mit Steinen ausgefüttert und unten am Fusse in der Regel derart verankert, dass sie zu ihrer Festigkeit keine weiteren Stützen bedürfen. In Fig. 4 und 5 ist eine bewährte Verankerungsmethode dargestellt, wie sie beispielsweise von den Pencoyd Iron Works, Pa., ausgeführt ist. Eiserne Schornsteine müssen zum Schütze gegen das Rosten mit einem guten Anstrich versehen, und falls sie nicht, wie oben angegeben, verankert sind, nach verschiedenen Seiten hin verstrebt werden. Die Stärke der Zugstangen richtet sich nach dem auf die Fläche des Schornsteins wirkenden Winddruck. (Zeitschrift des internationalen Verbandes der Dampfkessel-Ueberwachungsvereine, 1. Juni 1894.)