Titel: Gleichstrommaschine für Dreileitersystem.
Fundstelle: Band 293, Jahrgang 1894, S. 227
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Gleichstrommaschine für Dreileitersystem. Mit Abbildungen. Gleichstrommaschine für Dreileitersystem. Bei der zweiten Jahresversammlung des Verbandes der Elektrotechniker Deutschlands in Leipzig vom 7. bis 9. Juni 1894 hielt M. v. Dolivo-Dobrowolsky einen Vortrag über eine neue Anwendung einer Gleichstrommaschine, dem wir Folgendes entnehmen: Das Dreileitersystem bei Gleichstromanlagen hat sich vermöge der durch die höhere Spannung bedingten Ersparniss an Leitungsmaterial in kurzer Zeit so ungemein verbreitet, dass heutzutage beinahe jede grössere Anlage nach diesem System gebaut sein dürfte. Den Hauptnachtheil des Dreileitersystems, so wie es von Hopkinson erdacht und patentirt ist, bildet die Complication der Maschinenanlage, da immer mindestens zwei Dynamos im Betriebe sein müssen. Wenngleich bei grösseren Centralen dieser Umstand deshalb weniger ins Gewicht fällt, weil man ungern zu grosse Maschineneinheiten nimmt und es daher meist an der Zahl der Dynamos nicht fehlt, so ist doch auch hier eine gewisse Complication der Bedingung nicht zu leugnen. Bei der Projectirung von kleineren Anlagen mit grossen Leitungsplänen, wo man das Dreileitersystem öfters gebrauchen möchte, wirkt hingegen die Complication des doppelten Dynamocomplexes meist sogar direct hindernd. Es fehlte daher nicht an Versuchen, Dreileiternetze auf andere Weise als die Hopkinson'sche zu betreiben, nämlich mit nur einer Maschine, welcher man beim Steigen der Belastung andere Einzelmaschinen nach einander zuschalten konnte. Die meisten der versuchten Lösungen brachten jedoch andere, noch grössere Nachtheile mit sich. Die wohl zuerst von Siemens vorgeschlagene Anordnung einer dritten Bürste in der Spannungsmitte des Commutators ist, wie es wohl heute kaum mehr zu erklären nöthig sein dürfte, nur auf Papier möglich; in der That, da diese Bürste diejenigen Ankerspulen kurz schliesst, welche sich gerade mitten unter dem Pol befinden, tritt an derselben eine sehr heftige, zerstörende Funkenbildung ein. Die Spaltung des dieser Bürste zugehörigen Magnetpols in zwei gleichnamige, wie das von mehreren Seiten vorgeschlagen wurde, brachte keine grosse Verbesserung hierin, machte aber die ganze Maschine unförmig und unrationell. Eine andere Lösung der Aufgabe gehört gleichfalls zum Theil der Firma Siemens und Halske. Sie besteht darin, dass die neutrale Leitung statt an die Verbindungsstelle der zwei Primärdynamos an die von zwei hinter einander geschalteten und mechanisch mit einander verbundenen Elektromotoren führt, und dabei dieses Motorenpaar von den Aussenleitern des Dreileiternetzes gespeist wird. Diese Methode der sogen. „Ausgleichsmaschinen“ dürfte allgemein bekannt sein. Sie hat zwar den Vorzug, dass nur eine Primärmaschine von doppelter Spannung nöthig ist bezieh. dass in der Station alle Dynamos einfach parallel geschaltet werden, hat aber den Nachtheil, relativ theuer zu sein, ziemlich viel Platz und erhöhtes Bedienungsquantum zu beanspruchen. In der That müssen im Dreileiternetz Ungleichmässigkeiten der Belastung beider Netzhälften in der Grössenordnung von 10 Proc. der Maximalen noch gut ausregulirt werden können, weil sie nicht selten vorkommen. Es muss also die Capacität der Ausgleichsmaschinen mindestens 10 Proc. der gesammten Capacität der Centrale betragen, was z.B. bei nur 1000 schon die respectable Grösse von 100 an Elektromotoren ausmacht. Abgesehen von dem hierzu erforderlichen nicht unbedeutenden Raum und sonstigen Zuthaten verbraucht diese Anordnung noch einen Theil des Nutzeffectes der Anlage, indem ausser den mit dem Quadrate der Belastung steigenden Ankerverlusten eine nicht zu vernachlässigende Strommenge während 24 Stunden täglich für den Leerlauf und für die Erregung des Magnetfeldes der Ausgleichsmaschinen absorbirt wird. Textabbildung Bd. 293, S. 228Fig. 1.Dreileitermaschine. Die Spannungstheilung durch Accumulatoren kann sich nur da rentiren, wo so wie so eine Accumulatorenbatterie aus anderen Gründen aufgestellt werden soll. Die Fig. 1 zeigt ganz schematisch das Princip der neuen Dreileitermaschine. Es ist der Einfachheit halber eine zweipolige Gramme-Ringdynamo angenommen, auch ist der Commutator weggelassen gedacht und es schleifen daher die Bürsten B1 und B2 direct auf der Wickelung. An zwei diametral gegenüberliegenden Punkten a und b dieser Wickelung sind Stromabzweigungen gemacht und der da entnommene Wechselstrom wird in eine Spule S mit viel Selbstinduction bei wenig Widerstand geleitet. Diese Spule ist zunächst einfach mit dem Anker drehbar gedacht. Vermöge der grossen Selbstinduction fliesst durch die Spule S nur ein ganz schwacher Wechselstrom hindurch. Der Mittelpunkt O dieser Spule hat nicht nur die mittlere Spannung in Bezug auf die Anschlusspunkte a und b, wie dies ohne weiteres klar ist, sondern auch in Bezug auf die beiden Gleichstrom führenden Bürsten B1 und B2, so dass die Spannung B1O immer gleich der Spannung B2O ist. In der That mag die E. M. K. zwischen B1 und a oder kurz B1a bezieh. B2a beliebig anschwellen oder verschwinden, je nach der jeweiligen Lage des Ankers, desgleichen die E. M. K. der Selbstinduction aO und bO positiv oder negativ werden, immer bleibt B1O gleich der algebraischen Summe B1a + aO und B2O gleich B2b + bO; da aber die E. M. K. B1a aus Constructionsgründen immer gleich B2b und aO immer gleich bO ist, so müssen auch die elektromotorischen Kräfte B1O und B2O einander gleich sein. Der Punkt O kann daher zum Anschlusspunkte der neutralen Leitung N des in der Fig. 1 gezeichneten Dreileitersystems genommen werden. Da die Spule S, wie erwähnt, nur ganz kleinen ohmischen Widerstand hat, so fliesst der eventuelle überschüssige Gleichstrom aus der neutralen Leitung mit Leichtigkeit durch die beiden Hälften der Wickelung in den Anker zurück. Werden die beiden Windungshälften der Spule S gemischt oder über einander gewickelt, so verursacht dieses Fliessen des Gleichstromes keinerlei Aenderung des magnetischen Zustandes des Eisenkerns, da ja die Wirkungen der beiden Gleichstromzweige sich gegenseitig aufheben. Textabbildung Bd. 293, S. 228Dreileitermaschine. Praktisch wird man meistens den Inductor S oder, wie die Allgemeine Elektricitätsgesellschaft ihn nennt, den „Spannungstheiler“ wohl nicht mit dem Anker rotiren lassen, sondern denselben ausserhalb der Dynamo hinstellen und die Verbindung desselben mit den elektrisch diametralen Punkten der Ankerwickelung durch kleine Schleifringe und Bürsten vermitteln. Desgleichen wird zweckmässiger Weise dem Eisenkern des „Spannungstheilers“ eine geschlossene Form, z.B. die eines Ringes, gegeben, um mit möglichst wenig Drahtwindungen und somit geringer Kupfermasse so viel Selbstinduction zu erreichen, dass der Wechselstrom nahezu ganz abgedrosselt wird. Die Fig. 2 zeigt ebenfalls schematisch die letzt beschriebene Anordnung. Es ist noch zu erwähnen, obwohl es ziemlich selbstverständlich ist, dass mit einem solchen „Spannungstheiler“ versehene Dynamos auch ohne weiteres als Motoren laufen können. Sie können dann die Rolle von Ausgleichsmaschinen spielen. Dies letztere wird von Bedeutung, wenn die Centralstation so weit vom Vertheilungscentrum liegt, dass man gern in der Fernleitung die neutrale Leitung sparen möchte. Die Fig. 3 zeigt in C eine etwa 200voltige Centrale, bei welcher die Spannungstheilung nachträglich durch einen Elektromotor besorgt wird. Im Falle unsymmetrischer Belastung des Netzes würde eine Ankerhälfte dieser letzten Maschine als Motor und die andere als Dynamo arbeiten. Der „Spannungstheiler“ theilt die Spannung einer Dynamo in zwei genau gleiche Theile nur dann, wenn die Unsymmetrie der Belastung nicht sehr gross im Verhältniss zur Dynamogrösse ist, d.h. so lange der ungleiche Spannungsverlust in den beiden Ankertheilen noch nicht störend wirken kann. Angenommen, dass bei Vollbelastung der Maschine der Voltverlust im Anker etwa 4 Proc. beträgt, so werden die Spannungen der beiden Netzhälften bei einer Unsymmetrie von 10 Proc. des Maximums um 0,4 Proc. gegen die mittlere Spannung abweichen müssen, wenn nicht durch den Widerstand des Spannungstheilers selbst noch etwa 0,5 Proc. Fehler dazu kämen. Aus diesen Zahlen sieht man, wie klein die auftretenden Spannungsunterschiede sind und wie genügend genau die Spannung halbirt wird. Allerdings ist bei Dreileitersystemen auch der Spannungsverlust in der „Neutralen“ als solcher manchmal so gross, dass trotz genauer Spannungstheilung in der Station die beiden Lampengruppen ungleich hell brennen können. Dem kann bei der Hopkinson'schen Anordnung zum Theil dadurch geholfen werden, dass die Spannungen beider Dynamos entsprechend ungleich gemacht werden. Bei der „Spannungstheiler“-Methode ist dies nicht direct zu erreichen. Man kann sich aber, wenn nöthig, eine Regulirung auf mehrere Weisen herstellen. Man legt z.B. in die Aussenleiter ganz kleine Hauptstromregulirungswiderstände, welche etwa bis zu 4 bis 5 Volt absorbiren können. Textabbildung Bd. 293, S. 229Fig. 4.Dreileitermaschine. Eine wesentlich bessere Methode besteht in der Einschaltung einer variablen E. M. K. in die „Neutrale“. In Fig. 4 ist dies so gedacht, dass eine kleine Dynamomaschine in diese Nulleitung geschaltet ist. Diese Dynamo kann entweder mittels eines kleinen Elektromotors oder von einer auf der Hauptdynamo befestigten kleinen Riemenscheibe angetrieben werden. Diese „Nullmaschine“ beeinflusst gleichzeitig beide Netzhälften, und zwar in entgegengesetzter Richtung, um den Betrag ihrer Klemmenspannung. Dieselbe braucht daher nur für die Hälfte des zu corrigirenden Spannungsunterschiedes gebaut zu werden. Wenn ohne die Nullmaschine 10 Volt Fehler eintreten sollten, so genügt eine nur 5-Volt-Dynamo. Würden wir eine Spannungsgleichförmigkeit von 2 Proc. gestatten, so genügt sogar eine 4-Volt-Maschine. Die Drähte derselben brauchen nur für die „neutrale“ Stromstärke, also meistens für etwa 10 Proc. des Aussenleiterstromes dimensionirt zu sein. Eine 100pferdige Hauptdynamo braucht in diesem Falle eine „Nullmaschine“ von höchstens ¼ bis ½ . Diese Nullmaschinen werden am zweckmässigsten als Hauptstromdynamos ausgebildet, weil dann die Regulirung ihrer Spannung sowohl in Grösse wie Richtung selbsthätig erfolgt. Die Fehler der Remanenz der Feldmagnete sind hierbei natürlich gänzlich unbedeutend, denn 10 Proc. Fehler in der kleinen Zusatzspannung ändern die Hauptspannung kaum merklich. Wenngleich das beschriebene System mit oder ohne die automatisch wirkende Nullmaschine für grosse Centralen wie für kleine Anlagen benutzt werden kann, so glaube ich, dass seine Bedeutung gerade für die letzteren am grössten ist. Wie eingangs erklärt, vertragen gerade die kleineren Anlagen die Complication vieler, bald in Serie, bald parallel geschalteter Dynamos nicht, und man wählte daher bei diesen eher das an Leitungen theurere Zweileitersystem als die Hopkinson'sche Maschinenschaltung.