Titel: Zerlegbarer Phototheodolith für Präcisionsmessungen.
Fundstelle: Band 293, Jahrgang 1894, S. 266
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Zerlegbarer Phototheodolith für Präcisionsmessungen. Von O. Ney, Mechaniker in Berlin. (D. R. G. M. Nr. 28214.) Mit Abbildungen. Zerlegbarer Phototheodolith für Präcisionsmessungen. Die Bildmesskunst (Photogrammetrie), deren erste Anfänge schon weit zurückreichen, ohne dass in den ersten Stadien der Ausübung für die Praxis besonders fruchtbare Resultate gezeitigt wurden, ist im letzten Jahrzehnt von Ingenieuren und Gelehrten aller Länder in mühevoller Arbeit zu einem sehr werthvollen Hilfsverfahren für Aufnahmen topographischer und architektonischer Art ausgebildet und ihre Anwendung gewinnt fortdauernd neue Anhänger, da sie – mit vollkommenen und zweckentsprechenden Instrumenten ausgeübt – Arbeiten ermöglicht, welche sonst gar nicht oder nur mit dem Aufwände grösster Mittel und unter Ueberwindung bedeutender Schwierigkeiten vorgenommen werden könnten. Das Grundprincip des ganzen Bildmessverfahrens besteht darin, dass man irgend einen Punkt constructiv durch den Schnitt zweier oder mehrerer Visirlinien von bekannten Punkten aus festlegt, was jedoch nicht durch directe Messung, sondern durch photographische Aufnahme des fraglichen Objectes oder Terrains von verschiedenen Standorten aus geschieht, wobei bestimmte Bedingungen für die Aufnahme einzuhalten und ein perspectivisch richtig zeichnendes Objectiv anzuwenden ist. Sobald man die Lage des Hauptpunktes der Perspective in der Bildebene kennt, so sind damit auch eine Menge von Strahlen ihrer Lage nach gegeben, die vom Hauptpunkt zu den einzelnen Bildpunkten gehen. Bringt man nun in einer Projection diese Visirlinien mit den correspondirenden Visirlinien eines von einem zweiten Standpunkt aufgenommenen Bildes zur Kreuzung, so ergeben die Schnittpunkte den Ort der gesuchten Punkte im Raume. Noth wendig für diese Construction ist vorangehend die genaue Ausmessung der Lage der gesuchten Punkte auf den gewonnenen Platten, welche mittels eines besonderen Instrumentes (dessen Beschreibung vorbehalten bleibt) geschieht. Von besonderem Werth ist das Bildmessverfahren in Terrains, in denen die Lage unzugänglicher Punkte auf Grund von zwei oder drei bekannten Basislinien bestimmt werden kann. Für das Bildmessverfahren sind, wie dies bei einer neuen Methode selbstverständlich ist, sehr verschiedene Instrumente im Gebrauch, welche theils einfacheren, theils höheren Zwecken Rechnung tragen, theils auch dem Stadium des Anfangs und der weiteren Vervollkommnung der Methode an sich entsprechen. Zur Erreichung einfachster Zwecke mit massiger Genauigkeit bedient man sich lediglich einer besseren photographischen Camera, welche zur Correctur mit Libellen versehen ist und eine Einrichtung besitzt, um die Bildebene senkrecht einzustellen, sowie durch Marken die Lage der Hauptachsen auf der Platte zu bestimmen. Für vollkommenere Messungen wendet man eine genau in jeder Richtung orientirbare Metallcamera an, die auf einem Theilkreis nach Art eines Theodolithen montirt und mit Boussole versehen ist. Diese beiden photogrammetrischen Instrumente gestatten aber stets nur eine einseitige Benutzung, während in der Praxis das alte Messverfahren mit dem Theodolith, die Distanzmessung und das Bildmessverfahren thatsächlich Hand in Hand gehen müssen, um schnell und mit Vortheil den gerade gegebenen Verhältnissen gemäss arbeiten zu können. In der Erkenntniss dieser Notwendigkeit erbaute man deshalb den Phototheodolith, d.h. ein Instrument, welches einen Feldmesstheodolith mit Distanzmesser, Boussole und Bildmesscamera vereinigt enthält und den Ingenieur für alle Vorkommnisse ausrüsten soll. Von vornherein zeigt eine nähere Betrachtung, dass die Lösung der hier gestellten Aufgabe: die Vereinigung zweier ganz verschiedenen Instrumente, nicht ganz leicht sein kann, wenn dieselbe rationell geschehen soll, und man findet deshalb auch in der einschlägigen Literatur eine ganze Anzahl verschiedener Constructionen für Phototheodolithe angegeben, welche die entstehenden Schwierigkeiten in einer oder der anderen Weise zu umgehen suchen. Ein Constructeur erbaut den Theodolith gross und lagert um dessen Horizontalachse symmetrisch eine (natürlich nur kleine) Bildmesscamera; ein zweiter erbaut die Camera gross und verlegt Verticalkreis und Fernrohr des Theodolithen an langem Arm seitwärts hinaus; ein dritter benutzt das photographische Objectiv seiner ebenfalls grossen Camera auch als Fernrohrobjectiv, indem er in die passend durchbohrte Visirscheibe der Camera das Ocularrohr einsetzt u.s.f. Allen diesen Constructionen haften aber wesentliche Uebelstände an, welche die Genauigkeit der Resultate beeinflussen müssen. Entweder ist die Camera selbst zu klein und die bei der Bildausmessung erhaltenen Fehler zu erheblich, wie bei der ersten beschriebenen Art der Anordnung, oder das Instrument wird durch das einseitig sitzende Fernrohr, das deshalb nothwendige Gegengewicht und die ganze unsymmetrische Form ein schwerfälliges Ding, dessen Justirung wohl nicht lange erhalten bleibt (besonders wo es sich, wie im Felde, um Transporte handelt) und dessen Angaben deshalb zweifelhaften Werth haben, wie bei der zweiten beschriebenen Construction. Die einwandfreieste Construction scheint bei sorgfältiger Arbeit die dritte, doch haftet ihr der Mangel an, dass die erreichte Genauigkeit wegen der Veränderlichkeit der Visirlinie wohl nur eine massige sein kann, und dass man Verticalwinkel nicht messen kann. Referent hatte in Folge verschiedener Aufträge Gelegenheit, sich mit der Neuconstruction eines Phototheodolithen zu befassen und das Studium alles Vorhandenen auf diesem Gebiete, sowie die Erwägung der aus den ausgeführten Formen entspringenden Fehler waren bestimmend für die gewählte, nachstehend beschriebene Ausführungsart. Als Grundbedingungen erschienen für die Construction, dass das Instrument eine ausreichend grosse Camera erhielte, dass die Anordnung aller Theile eine möglichst symmetrische sei, und dass, bei ausreichender Stabilität für alle Arbeiten im Terrain, das Instrument möglichst leicht erbaut sein müsse, um ein bequemes Handhaben zu gestatten. Diese Bedingungen führten dazu, das Instrument in zwei Haupttheile zu zerlegen, welche auf dem gemeinsamen Unterbau beliebig einzeln benutzt werden können und deren Auswechselung sicher und schnell mit grosser Genauigkeit geschehen kann. Die durch dieses Princip erlangten Vortheile bestehen in: symmetrischer und centrischer Anordnung der grossen Bildmesscamera und des Theodolithen, wodurch die Gewähr für Stabilität aller Correcturen und Resultate erhöht gegeben ist; Erleichterung jeder einzelnen Gebrauchscombination des Instrumentes um ein ganz bedeutendes Gewicht; Vermeidung aller Erschütterungen des horizontirten Untertheiles, weil die Bildmesscamera vollkommen für die Aufnahme vorbereitet und zwar mit eingesetzter und geöffneter Kassette versehen sein kann, ehe sie auf den Theilkreis aufgesetzt wird. Ermöglicht wurde die Erreichung dieser Resultate nur durch die, schon früher im Princip von Reichel angegebene, Anwendung genauer Kugeln in freier Lagerung als Fusspunkte für jeden Instrumententheil, womit allein die nöthige Genauigkeit bei dem Auswechseln gesichert werden kann. Die Fig. 1 und 2 zeigen den Phototheodolith in seinen beiden Gebrauchsformen als Bildmesscamera und Feldmessinstrument. Der Unterbau, aus einem besonders starken und doch leichten Dreifuss (der mit der Buchse für die Verticalachse ein Stück bildet), dem Theilkreise und dem Alhidadenkreise bestehend, ist beiden Combinationen gemeinsam und in der gewöhnlichen Weise auf einem besonders dafür construirten Feldmesstativ, mit metallenem Stativkopf und Stativfeststeller versehen, horizontirbar befestigt. Alhidaden- und Lupenklemmung geschieht ohne Berührung des Theilkreises. Auf der Alhidade befindet sich zur Vororientirung eine feine Dosenlibelle. In die obere Fläche des Alhidadenkreises sind drei harte Stahlplatten eingelassen und unverrückbar befestigt, von denen die erste eine ebene Fläche, die zweite eine trichterförmige Vertiefung, die dritte einen prismatisch eingearbeiteten, oben offenen Schlitz besitzt, und welche die Lager für die Kugelfusspunkte des Theodolithen und der Bildmesscamera bilden. Das Lager des Theodolithfernrohres ist als ein Stück ausgearbeitet, welches in einen ringförmigen Fuss endigt, der in drei vorspringenden Lappen drei Stellschrauben aus hartem Stahl trägt, welche in gleich gross geschliffene Kugeln auslaufen. Ein genau ebenso geformter Fuss ist auch mit der Bildmesscamera verbunden. Mit Hilfe der auf den Stahlplatten ruhenden Kugelschrauben kann die Justirung des Theodolithen und der Camera leicht ausgeführt und ebenso auch die Horizontalvisur beider Instrumententheile zur Deckung gebracht werden. Das Fernrohr des Theodolithen ist mit Porro'schem Distanzmesser mit der Constante 100 ausgerüstet, um auch ohne weiteres Entfernungsmessungen zu gestatten, und trägt eine Libelle von 20 Zoll Angabe, nach der die letzte Berichtigung der Horizontirung des Unterbaus vorzunehmen ist. Der Verticalkreis gibt 1 Minute, die aufsetzbare Boussole ½° an. Der Horizontalkreis des Instrumentes ist, je nach dessen Grösse, für Angaben von 10 oder 20 Zoll getheilt. Textabbildung Bd. 293, S. 266Ney's Phototheodolith. Es ist auch dafür Sorge getragen, dass Theodolith und Camera nicht nur auf den Alhidadenkreis aufgesetzt, sondern auch damit fest verbunden werden können und zwar in sicherer und einfacher Weise, so dass die Verbindung mit drei Handgriffen hergestellt und gelöst werden kann. Zu dem Ende ist über jeder der in die Alhidade eingelassenen Stahlplatten ein kräftiger Bügel angebracht, der sich in Gelenken umlegen lässt und in seinem Mitteltheil eine dreigängige Spannschraube trägt, die durch die halbe Drehung eines kleinen Hebels heruntergeschraubt werden kann. Um also Theodolith oder Camera zu vertauschen, klappt man die Bügel nach vorn, setzt den gewünschten Theil auf, klappt die Bügel wieder hoch und zieht durch Umdrehen der kleinen Hebel die Spannschrauben gegen die Kugelfusschrauben von oben her an. Die Spannung in dieser Weise ist völlig sicher, ruft keine Veränderung in der Lage aller Theile hervor und schliesst auch die weitere Justirung während der Spannung nicht aus. Die Camera, für Plattengrössen 13 × 18 oder 18 × 24 cm eingerichtet, ist, um keinerlei Aenderungen durch Luftfeuchtigkeit u.s.w. unterworfen zu sein, in Aluminium ausgeführt und nur die Kassetten, sowie ein beweglicher Einsatz bestehen aus Mahagoniholz. Die unveränderliche Stellung der Camera ist durch zwei zu einander rechtwinklige Libellen von 20 Zoll Angabe controlirt und die Justirung derartig bewirkt, dass die Bildebene im Raume genau senkrecht steht und dass der Schnittpunkt der senkrechten und wagerechten durch die Bildebene gelegten Mittellinien mit der Visirlinie des Theodolithfernrohres zusammenfällt. In dieser Stellung gibt die an der Camera befindliche Theilung O an, doch kann das Objectiv, wenn erwünscht, um je 35 mm nach oben oder unten verschoben und diese Bewegung bis auf 1/10 mm genau gemessen werden. Zur Ausgleichung der Verschiedenheiten der Kassetten ist die Einrichtung getroffen, dass ein beweglicher Einsatz, der die Kassetten trägt, durch Drehung eines an der Camera befindlichen Hebels dem Objectiv genähert oder davon entfernt werden kann. Hierbei legen sich die in den Kassetten befindlichen Platten gegen einen genau in der Bildebene stehenden, mit der Metallcamera fest verbundenen Rahmen, womit die Einhaltung der gleichen Bilddistanz für alle Platten erreicht ist. Ausserdem wird noch eine Controle der Veränderungen der Bildschicht (oder Papierbilder) dadurch ausgeübt, dass feine Centimetermarken auf allen Platten mitphotographirt werden, die ein Nachmessen stets gestatten. Der pneumatisch functionirende Verschluss der Camera, der im Inneren untergebracht ist, erlaubt durch Umstellung eines Hebels die Aufnahme von Zeit- und Momentbildern. Eine besondere Einrichtung ist dafür getroffen, dass das Exponiren nicht stattfinden kann, bevor die Platte in der Bildebene steht, sowie dafür, dass die Kassette nicht geschlossen und herausgezogen werden kann, so lange die Platte sich noch in der Bildebene befindet. Als Objective verwendete der Erfinder für seine Instrumente ausschliesslich Goerz' Doppel-Anastigmate aus Jenenser Glas, welche alle ähnlichen Objective an Correctheit der Zeichnung bei weitem übertreffen, wie dies durch Vergleichs aufnahmen unter wissenschaftlicher Controle festgestellt wurde. Mit dem vorbeschriebenen Phototheodolith glaubt der Erfinder ein Instrument geschaffen zu haben, welches, gleich gut geeignet für alle in schwierigem Terrain vorkommenden Arbeiten, mit grosser Genauigkeit einen erleichterten Transport und eine bequeme Handhabung verbindet.