Titel: Kleine Erdölmotoren auf der jährlichen landwirthschaftlichen Ausstellung in Paris 1895.
Autor: P. Cl. v. Engelmeyer
Fundstelle: Band 295, Jahrgang 1895, S. 296
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Kleine Erdölmotoren auf der jährlichen landwirthschaftlichen Ausstellung in Paris 1895. Kleine Erdölmotoren auf der jährlichen landwirthschaftlichen Ausstellung in Paris 1895. Jedes Jahr findet in Paris ein „Concours annuel agricole“ statt. In diesem Jahre waren besonders die Erdölmotoren interessant. Eine Menge solcher war im Betrieb. Jedoch berichte ich nur über diejenigen, über deren Betrieb ich authentische Zahlen sammeln konnte. Solche Daten zu sammeln war nicht sehr leicht. Die hiesigen Händler veröffentlichen nicht gern technische Daten. Nur selten wird die Erdölsorte näher bestimmt, sonst aber will man mit dem Worte „pétrole“ allgemein auskommen. Verschwiegen wird auch der Oelverbrauch. Der Pariser Vertreter des Motors von Priestman ging noch weiter und hat mir, weil dieser Motor ein sehr theurer ist, dessen Preise gar nicht sagen wollen, da ich mich nicht von vornherein als Käufer vorstellte. Für motorische Zwecke werden in Frankreich fünf Erdölsorten verwendet. Diese sind: 1) Gasolin vom spec. Gew. 0,650, 2) „Essence de pétrole“, spec. Gew. 0,700 bis 0,750, 3) gewöhnliches Erdöl, spec. Gew. 0,800 bis 0,825, Entflammungspunkt 65 bis 70°, 4) schweres Erdöl, spec. Gew. 0,850 bis 0,860, Entflammungspunkt 110 bis 120°, und 5) sogen. „Schiste“, spec. Gew. höher als 0,850. Gasolin und Essenz kosten en gros 29 bis 32 Francs das Hektoliter, Erdöl 22 bis 26, Schiste 18 bis 22. Zuerst sind die Motoren der Ausstellung in zwei Klassen einzutheilen, je nachdem sie mit Carburation oder Injection arbeiten. Letzteres Wort schlage ich vor anstatt der hier gebräuchlichen: Vaporisation, Pulverisation und anderer, weil es direct bezeichnet, dass das Oel in allen seinen Bestandtheilen in den Cylinder tritt. Die Injection verarbeitet auch die schwersten Oele, nur wird im Cylinder eine dickflüssige bis graphitartige Masse abgelagert, die eine oftmalige Reinigung erheischt. Die Carburation verarbeitet sehr gut das Gasolin und die Essenz, wird hier aber auch auf Erdöl vom spec. Gew. 0,820 angewandt, wobei allerdings ein je nach der Oelsorte verschieden grosser Theil nachbleibt, welcher höchstens als Brennmaterial benutzt werden könnte, wofür aber dem Kleinindustriellen fast immer die Vorrichtungen fehlen, und sieht er darum diesen Rückstand als einen Verlust an. Zu dem gesellt sich noch die Feuersgefahr der leichten Erdölsorten Gasolin und Essenz. Eine weitere Differenz zwischen den Motoren besteht in der Zündung. Diese ist dreifach: Elektricität, Brenner und Compression. Elektrische Zünder waren auf der Ausstellung die häufigsten. Nur auf einem Motor sah ich zum Zweck der Zündung eine kleine elektromagnetische Maschine, in allen anderen Fällen sind es zwei grosse Chrom-Zinkelemente mit einer Inductionsspirale. Als Mangel der elektrischen Zündung letzterer Art wird allgemein betrachtet die Nothwendigkeit, immer einen Vorrath an Zink und Säure zu haben, was sich besonders in der Landwirthschaft lästig erzeigt, zumal eine Ladung nur 150 Stunden dauert. Dafür liegen aber der elektrischen Zündung grosse Vortheile zur Seite, welche ihr, in Frankreich wenigstens, den Vorzug gewähren: es ist die Abwesenheit einer äusseren Flamme, also Feuersicherheit, und auch die exacte zuverlässige Functionirung. Doch die Zukunft gehört offenbar jenen Erdölmotoren, die insofern ohne specielle Zündvorrichtung arbeiten, als das Gemenge sich bei der Compression selbst entflammt. Zu dem Zwecke existirt allerdings ein specielles Röhrchen, welches durch die auf einander folgenden Explosionen selbst immer heiss genug erhalten wird. Die Geschwindigkeit betreffend, lassen sich sämmtliche Motoren hier auf drei Typen zurückführen, je nachdem sie 3, 4 oder 5 Touren in der Secunde machen. In umgekehrtem Verhältnisse zu der Tourenzahl steht der Preis des Motors: Mit 3 Touren in 1 Secunde kostet der Motor im Mittel 3845 Francs 4 1 3625 5 1 3145 Die näheren Daten über die einzelnen Motoren habe ich in nachfolgender Tabelle zusammengestellt. Als Norm des Vergleiches habe ich den 4pferdigen Motor genommen, erstens weil sich dieser am meisten in der französischen Landwirthschaft verbreitet, zweitens weil solcher auch sehr oft als die obere Grenze des Motors für das Kleingewerbe angesehen wird. Die englischen Fabrikanten haben anstatt der 4pferdigen eine 3½pferdige Norm. Diese wurde auch in die Tabelle aufgenommen. Textabbildung Bd. 295, S. 296 Art der Verwendung des Oeles; Specifisches; Gewicht des Oeles; Zündung mittels; Pferdekraft; Tourenzahl; Preis; 1) Société Franco-Américaine (System Bilbault); Carburation; Elemente; 2) Rouart (System Lenoir); 3) Durand; El.-magn. Maschine; 4) Brouhot; 5) Lepape (auf Rädern); 6) Tenting; Elektricität od. Brenner; 7) Crossley; Injection; Brenner; 8) Clayton und Shuttleworth; Compression; 9) Priestman; 10) Hornsby-Akroyd; 11) Niel; 12) Albaret; 13) Boulet (System Körting); 14) Compagnie des Moteurs Universels (System genannt Grob, ist aber eine Capitaine'sche); Erwähnenswerth ist noch ein Motor, der mit eigenem Gase arbeitet, der in einem dem Motore beigebrachten Gasogen durch unvollständige Verbrennung von Anthracit oder Koks erzeugt wird und dessen Arbeit angeblich 3 Cts. für 1 und Stunde kosten soll; 15) Taylor (System Bénier) Anthracit. Was den Oel verbrauch betrifft, so geben ihn die Händler bald in Gramm, bald in Litern an und halten sich ziemlich nah an 0,5 l. Jedoch erweisen sich für die wirkliche Praxis folgende Zahlen: bei Carburation leichter Oele 0,7 bis 0,75 l, bei Injection 0,6 bis 0,7 l für 1 und Stunde. Die angeführten Verkaufspreise der Oele in Betracht ziehend, sehen wir, dass in Frankreich die Pferdekraft-Stunde der kleinen Erdölmotoren 15 bis 20 Cts. kostet. Dieser Preis erhält sich ziemlich constant von 3 bis 15. Die Kleinindustrie und besonders die Landwirthschaft interessirt sich in Frankreich stark für Erdölmotoren. In den letzten zwei Jahren ist aber noch die Frage entstanden, Wagen mit diesen Motoren zu treiben. Im vorigen Sommer war eine Concoursfahrt mechanisch betriebener Wagen zustande gebracht auf einer Entfernung von etwa 50 km von Paris aus. Die Initiative dieser Probefahrt gehört dem Petit Journal. Der erste Preis wurde zweien Wagen zuertheilt: von Panhard und Levassor und von Peugeot, beide vom Erdölmotor System Daimler betrieben. Der Motor selbst wird hier gebaut und hat eine ganz specielle Einrichtung erfahren. Jetzt scheint sich der „mechanische Wagen“ in Paris zum förmlichen Sport ausbilden zu wollen. Die vorjährige Fahrt hat dafür allgemeines Interesse erweckt, und jetzt haben sich die Fabrikanten der mechanischen Wagen vereinigt und unter der Präsidenz von Marcel Deprez ein Comité begründet, um im Juni d. J. eine Wettfahrt auf 1200 km zustande zu bringen. Dieser Concours ist international. Die französischen Fabrikanten bereiten sich schon eifrig vor, weil bereits eine Summe von 56000 Francs für die Preise zusammengebracht worden ist und der erste Preis deren Hälfte ausmachen soll. Ueber diese interessante Wettfahrt hoffe ich seiner Zeit Näheres mitzutheilen. P. Cl. v. Engelmeyer.