Titel: | Ueber Neuerungen im Mühlenwesen. |
Autor: | Friedr. Kick |
Fundstelle: | Band 296, Jahrgang 1895, S. 169 |
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Ueber Neuerungen im Mühlenwesen.
Von Prof. Friedr.
Kick.
(Schluss des Berichtes S. 159 d. Bd.)
Mit Abbildungen.
Ueber Neuerungen im Mühlenwesen.
3) Sieb- oder Sichtemaschinen.
a) Geneigte Flachsiebe oder
Sauberer.
Die Patente, welche zunächst besprochen werden sollen, bezwecken eine möglichst
gleichmässige Vertheilung des Sichtgutes auf dem Siebe.
E. R. G. Giessmann in Zabern i. E. (D. R. P. Nr.
62885) ertheilt mehreren im gemeinsamen Lattengerüste („Rahmen“)
angeordneten geneigten Siebrahmen sowohl wagerechte Querbewegung als auch
senkrechte Bewegung. Erstere Bewegung wird dem ganzen Lattengerüste, welches
mittels Winkeln auf Kugeln ruht, durch die Krummzapfen („Kurbeln“) einer
über dem Rahmen gelagerten Längswelle gegeben; während die lothrechte Bewegung
den Sieben durch Vermittelung von Excentern gegeben wird, welche an derselben
Längswelle sitzen. Um die senkrechte Bewegung zu erleichtern, ruht der ganze
Satz von Sieben auf Flachfedern auf.
Nahe verwandt ist die Anordnung von Charles Hessey
Stubley (D. R. P. Nr. 52492), doch ist hierbei der Sichtkasten
aufgehängt.
Textabbildung Bd. 296, S. 169
Fig. 18.Simon's Rüttelvorrichtung.
Henry Simon in Manchester (D. R. P. Nr. 67700) hat
das geneigte Sieb an Pendelstangen aufgehängt, ertheilt demselben eine
Längsbewegung von einem Excenter, wie dies auch sonst allgemein üblich ist,
verbindet aber damit eine verstellbare Querbewegung. Diese Querbewegung wird dem
Siebe dadurch gegeben, dass in der Nähe der Auslaufseite ein am Siebe S (Fig. 18) fester
Zapfen z durch eine Lenkerstange s mit dem am Gestelle festen Drehpunkt o verbunden ist. Hierdurch ist s gezwungen, um o zu
schwingen und dadurch dem Siebe eine geringe Querbewegung zu ertheilen. Der
Drehpunkt o lässt sich in dem Segmente versetzen
und dadurch die Wirkung abändern.
Textabbildung Bd. 296, S. 169
Fig. 19.Sieb von Notowitsch.
S. Notowitsch in Odessa (D. R. P. Nr. 65624)
verändert die Höhe der Sichtgutschicht bezieh. die Dauer der Sichtarbeit
dadurch, dass er quer über dem Siebe verstellbare Ueberlaufklappen anbringt. Der
Abstand der Klappenkante i (Fig. 19) vom Siebe S
bedingt die Höhe der Schicht des Sichtgutes. Durch die Stange a, welche von
einer Schraube verschoben werden kann, werden sämmtliche Klappen gleichzeitig
verstellt.
Friedrich Haake in Berlin (D. R. P. Nr. 60497)
verbindet mit dem Siebrahmen querliegende Rechen, deren „Rührstifte“
von oben gegen das Sieb gerichtet sind, dasselbe jedoch nicht berühren. Diese
Stifte haben die Aufgabe, auf dem Siebe befindliches, zusammengeballtes Sichtgut
(Mehlkügelchen u. dgl.) aufzulockern.
Reinigung von Flachsieben. Es ist bekannt, dass sich
Flachsiebe, wie Siebe überhaupt, gern verlegen, insbesondere auf der unteren
Seite pelzig belegen. Um das Sieb maschenrein zu halten, wendet Heinrich Seck in Dresden eine wandernde Bürste an
(D. R. P. Nr. 70235).
Bürsten oberhalb des Siebes, also im Siebgute wirken zu lassen, wie dies von J. E. Zinnall in Stolp i. P. (D. R. P. Nr. 52969)
und von J. H. Pistorius in Königslutter (D. R. P.
Nr. 53530) geschieht, kann nur zur Auflockerung unrein und knollig gewordenen
Mehles angezeigt erscheinen. Pistorius hebt diesen
Zweck auch ausdrücklich hervor und wendet nebst den Bürsten zur besseren
Lockerung auch eine Zackenwalze an.
b) Siebcylinder.
Die hierhergehörigen Neuerungen sind für Müllerei von zweifelhaftem Werthe.
Hermann Strassburger in Bad Tönnesstein (D. R. P.
Nr. 72418) patentirte eine Schüttelvorrichtung, bei welcher an der Cylinderachse
angebrachte Daumen diese Achse, deren Lager auf Rollen gesetzt ist, von einer
festen Strebe abdrängt, dadurch die Rollen zwingt, an einer schiefen Ebene
aufzusteigen. Verlässt der Daumen die Strebe, so rollt das Lager mit dem
Cylinder über die schiefe Ebene herab und ersteres stosst an einen Anschlag,
wodurch der Cylinder erschüttert wird.
Textabbildung Bd. 296, S. 169
Fig. 20.Siebcylinder von Braun.
Christian Braun in Darmstadt (D. R. P. Nr. 52889)
theilt den Siebcylinder durch radiale Wände in mehrere (z.B. vier) Theile und
gibt ihm keine rotirende, sondern nur schwingende
Bewegung. Hierdurch ist nur der untere Theil des mit mehreren Siebsätzen
versehenen Cylinders in Thätigkeit. Man muss die Schubstange s (Fig. 20) in einen
anderen der vier Schlitze 1 bis 4 einsetzen, wenn man einen anderen Theil. (Fach)
des Cylinders, z.B. II oder III oder IV in Thätigkeit setzen will.
Indem jeder Cylindertheil mit drei und überdies mit anderen Bespannungen
versehen ist, so lässt sich in einfachster Weise von einem Siebsatze zu einem
anderen übergehen. Jedenfalls kann diese Anordnung nur für sehr kleine Mühlen von Werth sein; originell ist
sie jedenfalls.
Originell, aber wohl nicht empfehlenswerth, ist die Sichtmaschine mit
kreisenden, spiralförmig verlaufenden Sichtekammern von Ferdinand Jahn in Wien (D. R. P. Nr. 67694). Das Sichtgut gleitet auf
der spiralig angeordneten Siebfläche von der Achse, an welcher die Zuführung
erfolgt, gegen die äussere Seite und gleitet von dort in einem Kanal wieder
gegen einwärts. Referent vermag keinen Vortheil dieser complicirten Anordnung zu
entdecken und hält nähere Beschreibung nicht für erforderlich.
c) Rundsichter.
Unter dieser Benennung haben sich cylindrische, langsam rotirende Siebe
eingeführt, deren Siebfläche einen Kreiscylinder mit wagerechter Achse bildet,
welcher durch keine nach einwärts reichenden Längsleisten unterbrochen ist. Das
Gerippe des Cylinders liegt entweder ausserhalb des Siebes oder ist
schraubenförmig angeordnet, so dass ein senkrecht zur Achse geführter Schnitt
das Sieb in einem vollen Kreise schneidet. Man sollte vermuthen, dass die
Bewegung, des Sichtgutes auf dem Siebe eine stetige sei, dies ist aber nicht der
Fall; das Sichtgut wird bei der langsamen Drehung des Cylinders zunächst
mitgenommen, bis ein Abrutschen des Sichtgutes eintritt, welches so lange
andauert, bis der Reibungscoëfficient für Bewegung kleiner wird als die Tangente
des Schichtenwinkels. Das Abgleiten hört nun auf, das Sichtgut wird wieder vom
Cylinder mitgenommen, bis die Tangente des Schichtenwinkels grösser wird als der
Reibungscoëfficient aus der Ruhe. Nun findet wieder ein Abrutschen statt u.s.w.
Es findet also ein ruckweises Gleiten statt, bedingt durch den Unterschied in
der Grösse des Reibungscoëfficienten aus der Ruhe und in Bewegung.
Die einfachste, dem Referenten bekannte Rundsichterausführung ist die von Selmar Hecht in Wien. Um das Sieb maschenrein zu
halten, ist ausserhalb des Cylinders eine weiche Bürste angebracht; die
Weiterbewegung des Sichtgutes erfolgt durch im Innern des Cylinders angebrachte,
schräggestellte Bleche. Der Rundsichter Hecht's
arbeitet bei 3 m Länge mindestens so gut, als ein gewöhnlicher Siebcylinder von
5 m Länge.
Der Rundsichter von Anthon und Söhne in Flensburg
besitzt schraubenförmig gestellte Segmente, deren Steigung eine Veränderung
zulässt, wodurch die Weiterführung des Sichtgutes nach Bedarf schneller oder
langsamer erfolgen kann. Auch hier ist eine Bürste von aussen wirksam. (Prakt. Masch.-Constr., 1894 Nr. 8 S. 59.)
Bei dem Rundsichter von Hoerde und Co. in Wien sind
im Innern des Cylinders Holzringe, welche denselben in mehrere Abtheilungen
theilen; die Weiterbeförderung des Sichtgutes erfolgt durch ein stellbares
Schöpfwerk. (Kick, Mehlfabrikation, III. Aufl. S.
316.)
d) Bewegte Luft für
Sichtzwecke.
Die Idee, bewegte Luft für Sichtzwecke zu benutzen, ist nicht neu, aber mit
Rücksicht auf die Form- und Grössenverhältnisse der Mahlproducte wohl nur zur
Sonderung des Grieses von den Kleien bezieh. Ueberschlägen von Werth.
Mehltheilchen mit Hilfe eines Luftstromes von gröberen Mahlproducten sondern zu
wollen, ist deshalb principiell verfehlt, weil die specifisch leichten, wenn
selbst grösseren Kleietheilchen durch den Luftstrom mit den Mehltheilchen
mitgerissen werden und die Qualität des so gewonnenen Mehles unbedingt
wesentlich verschlechtern.
Trotzdem liegen zwei Patente vor, und zwar von Ed.
de Faucompré in Paris (D. R. P. Nr. 56224) und vom Grusonwerk in Magdeburg (D. R. P. Nr. 71862),
welche bewegte Luft zu Sonderungszwecken benutzen. In den Patentbeschreibungen
ist von Mehl und Griesen gesprochen, daher hat es den Anschein, als ob die
patentirten Vorrichtungen der Getreidemüllerei dienen sollen.
Faucompré lässt das zu sondernde Mahlgut in einen
Kasten fallen, in welchem sich ein Siebcylinder befindet, aus welchem Luft
abgesogen wird. Die feinen Theile sollen mittels des Luftstromes durch die
Maschen des Siebes hindurch abgeführt werden.
Das Grusonwerk führt das Mahlgut in einen
festgelegten Cylinder, in welchem ein Rührwerk das Mahlgut entsprechend lockert.
In diesen Cylinder tritt ein Luftstrom ein, nimmt die leichten Theile gegen
aufwärts mit zu einem Ventilator, welcher sie in eine Kammer bläst, in welcher
sie sich ablagern, während die Luft aus der Kammer wieder in den Cylinder tritt.
In der ganzen Anordnung findet ein Kreislauf der bewegten Luft statt und die
Ablagerung der feinen Theile erfolgt dadurch, dass die Geschwindigkeit des
Luftstromes in der Staubkammer, in Folge des grossen Querschnittes derselben,
eine geringe ist.
e) Plansichter oder ebene,
wagerechte Siebe mit kreisender Bewegung.
Der durchschlagende Erfolg der Plansichter von Carl
Haggenmacher (vgl. 1888 270 * 503 und 1891
279 * 195, ferner die 3. Auflage von Kick, Mehlfabrikation, S. 332 bis 344) gab die
Anregung zu einer weiteren Reihe von Erfindungen, welche theilweise dem Zwecke
dienen, denselben Sichterfolg in anderer Form zu erreichen, theilweise
Einzelheiten zu verbessern trachten. Von solchen Patenten, aus deren Studium
sich erkennen liess, dass sie für die Müllerei ganz untergeordneten Werthes
sind, darf abgesehen werden.
Textabbildung Bd. 296, S. 170
Fig. 21.Bittinger's Sichtkasten.
Es ist bekannt, dass die Plansichter theils in hängender, theils in stehender
Anordnung gebaut werden. In ersterem Falle werden Hängestangen, in Kugelgelenken
beweglich, in letzterem Falle Parallelkurbeln verwendet. Statt der vier
Hängestangen benutzen Huckauf und Bulle in Ottensen
(D. R. P. Nr. 72983) eine federnde Aufhängung und soll die Durchbiegung der vier
Hängefedern in der Längenrichtung des Sichtkastens etwas schwerer erfolgen als
in der Querrichtung desselben. In der Patentschrift heisst es: „Bei der
Querbewegung des Sichters ist der Luftwiderstand ein grösserer und der
Federdruck ein schwächerer. Durch den so erzielten Ausgleich der Kräfte soll
ein ruhigerer Gang des Flachsichters erreicht werden.“
Indem der Radius der Antriebskurbel nur etwa 50 mm beträgt, die Tourenzahl 200 in
der Minute, so ist die maximale secundliche
Geschwindigkeit der Sichtkastenwand nur 1,05 m, hierbei, ist aber der
Luftwiderstand für die ganze Längswand kleiner als ein Kilogramm und kann auf den Gang
der Sichtmaschine keinen Einfluss nehmen, weil die nicht mathematisch genau
ausgeglichenen Massenwirkungen weit einflussreicher auftreten. Die
Federaufhängung als solche ist empfehlenswerth.
Statt der für die stehende Anordnung verwendeten Parallelkurbeln wendet Harn Bittinger in Braunschweig (D. R. P. Nr. 55790)
als Träger des Sichtkastens eine grössere Zahl von Tragfedern an, wie dies Fig. 21 andeutet und Hignette bei seiner Steinauslesemaschine schon vor langer Zeit
benutzte.
Textabbildung Bd. 296, S. 171
Fig. 22.Kapler's Parallelkurbeln.
Die Maschinenfabrik für Mühlenbau vorm. C. G. W.
Kapler in Berlin behielt für die stehende Anordnung die Parallelkurbeln
bei, doch ist die Lagerung der Kurbelzapfen eine allseitig elastische, wie dies
nach der Patentzeichnung Fig. 22 (D. R. P. Nr.
70297), welche eine Ausführungsform darstellt, versinnlicht. K ist die Kurbelscheibe, o deren Mittelpunkt, L das Lager des
Zapfens, welcher an der unteren Platte des Sichtekastens befestigt ist.
N. Nielsen und Co. in Kopenhagen (D. R. P. Nr.
71213) sucht die Aequilibrirung und Aufhängung des Plansichters zu verbessern;
erstere dadurch, dass er die Haupttriebachse in einer Kugellagerung aufhängt und
dem Halslager derselben eine gewisse Beweglichkeit verleiht, entsprechend den
nicht völlig ausgeglichenen Massewirkungen, welche Beweglichkeit zur
selbsthätigen Verstellung von Ausgleichgewichten verwendet wird; letztere, die
Aufhängung, dadurch, dass die Hängestangen zwischen konischen Spitzen gefasst
und dadurch leichter beweglich werden.
Aus Fig. 23 ist bei
L1 das
Kugellager, in welchem die Kurbelachse A hängt,
ersichtlich. L2 ist
das Halslager, welches sich an den elastischen Ring r stützt und der Achse A eine geringe
Abweichung von der Verticalen gestattet; an dieser Achse sitzt das Schwungrad
S und die Kurbel K, deren Kurbelzapfen z den
Plansichterkasten in kreisende Bewegung bringt. Mit dem Schwungrade ist das
Hauptausgleichsgewicht q1q2q3 (vgl. den
Grundriss Fig. 24)
verbunden und jene Vorrichtung, welche geeignete Ortsveränderung zusätzlicher
Ausgleichsgewichte oder Gegengewichte u1u2 (Fig. 23 und 24) bewirkt und
hierdurch die vollständige Ausgleichung der Massenfliehkräfte zulassen soll.
Durch die veränderlichen Mengen des Mahlgutes sind auch die Massenfliehkräfte
veränderlich und diese können nicht durch die constante Wirkung der
unveränderlichen Gegengewichte q1q2q3 sondern nur durch Veränderung in der Stellung
der Gewichte u1u2 bewirkt werden.
Diese Gewichte sind an Armen befestigt, welche sich um A drehen lassen, und können, wie in Fig. 24 durch
Punktirung angedeutet ist, sehr verschiedene Stellungen einnehmen. In der
punktirten Stellung u1'u2' heben sich ihre Wirkungen vollständig auf; je
näher sie der voll gezeichneten Stellung kommen, um so grösser ist dieselbe.
Die Fliehkräfte des Mahlgutes, welche sich als Druck auf den Kurbelzapfen z äussern, und die Fliehkräfte der
Ausgleichsgewichte suchen die Achse A aus der
Verticalen abzulenken. Ueberwiegen letztere, so wird die Achse gegen die
Ausgleichsgewichte zu bewegen gesucht, überwiegen erstere, so ist das Bestreben
vorhanden, die Achse nach der entgegengesetzten Seite abzulenken.
Textabbildung Bd. 296, S. 171
Plansichter von Nielsen und Co.
In dem einen Falle wird die Frictionsrolle f das
feststehende Reibungsrad F an der äusseren Wandung
der Nuth N berühren, im anderen Falle an der
inneren Wandung, und weil f mit A sich im Kreise dreht, so wird, wenn eine der
erwähnten Berührungen erfolgt, eine Drehung von f
um seine Achse und auch dieser und dadurch der Schnecke x erfolgen. Diese Schnecke bethätigt ein kleines Schneckenrad, an
dessen Achse wieder eine Schnecke sitzt, welche in das Rad o eingreift; an der Achse von o sitzen noch zwei etwas kleinere Stirnräder,
welche in die Zahnsegmente s1s2 eingreifen, dieselben verstellen und hierdurch
auch die Verstellung von u1u2 bewirken und zwar dieselben einander nähern,
solange die Rolle f an der inneren Seite der Nuth
N anliegt. Die auf den Kasten gesetzten vier
Gewichte Q sind senkrecht verstellbar und haben den
Zweck, den Schwerpunkt des ganzen Sichtekastens und jenen der Ausgleichgewichte
q1 bis q4 und u1u2 möglichst in
dieselbe Horizontalebene zu bringen.
Die von Nielsen verbesserte Aufhängung ist in Fig. 25ersichtlich; sie zeichnet sich einerseits durch
geringe Reibungswiderstände, andererseits durch leichte Nachstellung zum Zwecke
guten Anliegens der reibenden Theile aus. Die in diesem Patente (Nr. 71213)
enthaltenen Verbesserungen des Haggenmacher'schen
Plansichters sind sehr beachtenswerth.
Textabbildung Bd. 296, S. 172
Fig. 25.Nielsen's Aufhängung.
Der Haggenmacher'sche Plansichter bedarf, sowie alle
im Wesentlichen ihm verwandten Sichtmaschinen, zum Zwecke des Maschenreinhaltens der Siebe eines Putzgutes, als welches ganze Weizenkörner, Kukuruz,
Erbsen oder kleine Holzkugeln angewendet werden können. Das Putzgut macht die
kreisende Bewegung mit, stösst an die Wandungen und Förderleisten, erhält
dadurch auch eine hüpfende Bewegung, erschüttert die Siebe und klopft den
pelzigen Belag von der Unterseite der Siebe ab.
Das Putzgut braucht nur in geringer Menge zugesetzt zu sein und erfüllt seinen
Zweck auch bei feuchtem Mahlgute oder bei sehr weicher Frucht vorzüglich.
Um dasselbe Putzgut innerhalb des Plansichters in stetiger Circulation zu
erhalten, hat G. Luther in Braunschweig die sogen.
Steigschnecken angewendet. Es sind dies in
Weissblechröhren eingelöthete Blechschrauben, über welche in Folge der
kreisenden Bewegung das Putzgut aus irgend welcher Abtheilung des
Plansichterkastens in eine beliebige höhere Abtheilung geführt werden kann. Das
Blechrohr, welches festgestellt ist, hat unten einen Ausschnitt, durch welchen
das Putzgut eintreten kann, oben eine entsprechende Austrittsöffnung.
Weit weniger einfach, aber im Wesentlichen von gleicher Wirkung, ist die
Anwendung eines Putzgutelevators.
Textabbildung Bd. 296, S. 172
Fig. 26.Haggenmacher's Abklopfleisten.
Um das Putzgut zu ersparen, bewirkte Carl
Haggenmacher in Budapest (D. R. P. Nr. 57098) das Abklopfen der Siebe
durch schwingende Leisten, deren Spiel durch die kreisende Bewegung unmittelbar
hervorgerufen wird. Die Leisten sind an Armen a
(Fig. 26) angebracht, welche um c schwingen können. Indem nun bei der kreisenden
Bewegung des Plansichterkastens während einer halben Tour eine veränderliche
Geschwindigkeitscomponente im Sinne des Pfeiles 1
vorhanden ist, bei der darauf folgenden halben Kreisbewegung eine solche im
Sinne des Pfeiles 2, so wird das Massensystem ac bald im Sinne des Pfeiles 1, bald im Sinne des Pfeiles 2 um die Achse c
ausschwingen, und dadurch kommen die Leisten zur Stosswirkung gegen das Sieb S, welches an den Stosstellen mit einer
Schutzleiste o. dgl. bewaffnet sein kann. Das genannte Patent enthält
verschiedene Ausführungsformen der durch das Vorstehende gekennzeichneten
Idee.
Einen Plansichter kreisförmiger Kastenform mit über dem Siebe angeordneten
Ableitungsrinnen hat Philipp Tafel in Augsburg (D.
R. P. Nr. 55395) patentirt. Der Plansichterkasten ist von Parallelkurbeln
getragen; das Sichtgut tritt am Umfange ein und bewegt sich in Spiralgängen
gegen die Mitte. Oberhalb des Siebes S befinden
sich, wie Fig. 27 zeigt, auf den Wandungen w der Spiralgänge die sogen. Ableitungsrinnen R, über deren oberen Rand die gröberen Theile des
hochgelagerten Sichtgutes übertreten sollen, während die feineren, etwa
mitgerissenen Theilchen durch die Löcher der Rinnen wieder ausfallen sollen. Die
Anordnung ist unzweifelhaft Complicirt und die Sieberneuerung sehr unbequem.
Dass die Querschnittsform der Rinnen verschieden sein kann, wird in der
Patentschrift hervorgehoben.
Textabbildung Bd. 296, S. 172
Fig. 27.Plansichter von Tafel.
f) Um eine Verticalachse
schwingende Siebe wagerechter oder geneigter Lage.
Gutjahr und Müller und Jacob
Soder in Budapest (D. R. P. Nr. 73299) ordnen Siebe um eine lothrechte
Achse derart an, dass sie mit dieser Achse im Bogen schwingen. Liegt das hin und
her schwingende Sieb wagerecht, so werden die
darauf lagernden Mahlguttheilchen bei langsamer
Bewegung lediglich mit dem Siebe bewegt, bei rascher
Schwingung jedoch werden sie in Zickzacklinien allmählich über das Sieb
und zwar von der Schwingungsachse gegen auswärts sich bewegen, weil die
Fliehkraft in tangentieller Richtung im Sinne der jeweiligen Schwingung
einwirkt.
Ist das Sieb geneigt, und zwar gegen die Achse zu
abfallend, so tritt die Componente der Schwerkraft hinzu und es hängt von dem
Grade dieser Neigung ab, ob und wie rasch sich das Sichtgut, gleichfalls im
Zickzack, gegen die Schwingungsachse zu bewegt.
Ordnet man nun abwechselnd bald wagerechte, bald entsprechend geneigte Siebe im
Umkreise der Schwingungsachse an, so bewegt sich das Sichtgut bald von der Achse
gegen auswärts, bald von auswärts gegen die Achse.
Werden die schwingenden Siebe durch radiale Zwischenwände in Gruppen getheilt, so
kann jede Siebgruppe einem besonderen Zwecke dienen.
Nach diesen Bemerkungen wird die Sichtmaschine von Gutjahr und Müller und Jac. Soder, welche
Fig. 28 durch
einen Verticalschnitt dargestellt ist, leicht verständlich sein. Die
Verticalachse A erhält von der Triebwelle w durch zwei um 180° versetzte Kurbeln k (doppelt gekröpfte Wellen), welche zum Zwecke
ruhigerer Bewegung vorhanden sind, die schwingende Bewegung. Die Siebe sind um
die Verticalachse herum angeordnet, wie dies Fig. 29 zeigt, und
jeder Siebsatz, durch radiale Verticalwände von den benachbarten Siebsätzen
geschieden, kann für sich durch Einlaufe E mit
Sichtgut versorgt werden, oder es kann nur eine Mahlgutsorte allen Abtheilungen
zugeführt werden, in welch letzterem Falle der punktirt angedeutete Haupteinlauf
H angewendet wird, von welchem das Sichtgut auf
den schwingenden Streuteller T und von diesem zu
den Einlaufen E gelangt.
Die Wahl der Siebe lässt sich mannigfach abändern; insbesondere sind zwei
Hauptfälle möglich, und zwar kann die Wahl eine solche sein, dass zunächst das
feinste Gut abgesiebt wird, und so stufenweise weiter vom feineren zum gröberen,
dieser Fall ist in Fig.
28 auf der linken Seite der Zeichnung angewendet; oder es werden auf
dem ersten
Siebe die gröbsten Theile zurückgehalten, alle anderen geben durch und werden
auf den folgenden Sieben vom groben allmählich bis zum feinsten getrennt, dies
zeigt Fig. 28 auf
der rechten Seite. Sowie an den Einlauf Schläuche angeschlossen sind, so ist das
auch bei den Ausläufen der Fall. Wo sich Sichtgutströme kreuzen, sind sogen.
Kreuzdurchlässe, ähnlich jenen, welche Daverio bei
seinen Dreiwalzenstühlen einführte, angewendet.
Textabbildung Bd. 296, S. 173
Sichtmaschine von Gutjahr, Müller und Soder.
Diese Anordnung wird, insolange die Kurbelstangen ohne Spiel in ihren Augen
wirken, ruhig arbeiten; sie hat jedoch in Bezug auf die Auswechselung und
Revision der Siebe nicht jene Bequemlichkeit, welche der Plansichter
besitzt.
Um die Siebe maschenrein zu halten, scheint Gutjahr und
Müller hin und her rollende kreisrunde Stäbe zu verwenden, welche unter
den Sieben angeordnet sind. Der Text der Patentbeschreibung enthält hierüber
keine näheren Angaben.
4) Gries- und Dunstputzmaschinen.
Unter den Neuerungen dieser Maschinengruppe verdienen insbesondere die nachfolgenden
besprochen zu werden.
Die Griesputzmaschine Carl Haggenmacher's (D. R. P. Nr.
64207), bei welcher die durch den Luftstrom abgeschiedenen, bezieh. mehr minder weit
abgelenkten Theilchen durch einen in der Richtung des Luftstromes ansteigenden Rost
R (Fig. 30) fallend,
in dicht an den Rost anschliessende Abtheilungen
gelangen, deren Grösse sich durch Verschiebung der Winkel 1, 2, 3, 4 verändern lässt. Durch diese Verschiebung
lässt sich die Sortirung der Ueberschläge nach Bedarf abändern. Die Flugkleie wird
durch das zum Ventilator führende Rohr V abgezogen und
gelangt von diesem in einen Cyclon.
Textabbildung Bd. 296, S. 173
Fig. 30.Griesputzmaschine von Haggenmacher.
Die Ueberschläge gleiten an den schiefen Abtheilungsböden nach abwärts und gelangen
zu den mit kleinen Klappen verschlossenen Auslaufröhren a, welche gegen oben durch entsprechende, in Blech ausgeführte
Erweiterungen in die zur Bildfläche von Fig. 30
senkrecht stehenden Abtheilungsschlitze übergehen. Die Luft kann nur bei x in die Maschine treten, der Gries durch E.
Bei der Griesputzmaschine der Gesellschaft Eisenwerk vorm.
Nagel und Kaemp, A.-G. in Hamburg (D. R. P. Nr. 67136), wird zur Sonderung
ein rückkehrender Luftstrom verwendet.
Die Skizze Fig. 31 zeigt, dass der vom Ventilator V kommende Luftstrom auf die bei E einfallenden Griese trifft. Die schwersten Theile
gelangen nach 1, etwas minder schwere nach 2; bei 1 und 2 sind Schnecken, welche die Producte nach auswärts
fördern. Leichtere Theile gelangen nach 3, noch
leichtere nach 4. Die Luft kehrt bei 5 zum Ventilator zurück.
Textabbildung Bd. 296, S. 173
Fig. 31.Griesputzmaschine von Nagel und Kaemp.
Durch Verstellung der Klappen k kann die Sonderung
beeinflusst werden. Ist die im Rohre R befindliche
Klappe k1 geöffnet, so
kann ein Theil der mit Staub geschwängerten Luft durch R abgeführt werden, und wird dieselbe bei E
oder einer anderen geeigneten Stelle durch frische Luft ersetzt.
Textabbildung Bd. 296, S. 173
Fig. 32.Putzmaschine von Seck.
Heinrich Seck in Dresden patentirte eine „Vorrichtung
zum Ausscheiden von Staub und anderen leichten Stoffen aus einem bewegten
Luftstrohme“ (D. R. P. Nr. 66849). Diese Vorrichtung wird über dem
Rüttelsiebe einer nach Cabanes' Princip arbeitenden
Dunstputzmaschine zur Anwendung gebracht. Hierbei wird durch das Sieb S (Fig. 32), auf welchem
sich zu putzender Dunst in massiger Schicht befindet, Luft gesaugt, welche die
leichten Theile aufwärts zieht. Ueber dem Siebe findet sich in verschiedener
Anordnung ein Rost R, zwischen dessen Stäben
(Fangschalen) die Luftgeschwindigkeit am grössten ist, so dass ein Aufwärtsreissen
der feinen Theilchen durch den Rost erfolgt. In Folge der Querschnittszunahme und
der wiederholten Richtungswechsel fallen die mitgerissenen Theilchen auf die
Gleitflächen ff und schliesslich in die Fangschalen
oder den Rost, aus welchen sie meist durch Rüttelbewegung desselben abgeführt
werden. Die patentirte Vorrichtung bezweckt die bessere Ablagerung der vom
Luftstrome mitgeführten Theilchen, damit keine solchen oder deren weniger in den
Ventilator V gelangen.
Den gleichen Zweck in anderer Art erreicht James
Higginbottom in Liverpool durch Prallwände (D. R. P. Nr. 72849). Er
bezeichnet sie: „Prallwände als Staubfänger bei Mehlsichtemaschinen“, doch
ist die Anwendung zum Mehlsichten ein verfehlter Gedanke, während die Anwendung zum
Dunstputzen sich gut bewährt. Der Gedanke, das Cabane'sche Princip zum Mehlsichten anwenden zu wollen, ist deshalb verfehlt,
weil das Mehl ein Gemenge von kleinen und grossen Stärkekörnern, Kleberkörnchen, von
Stücken des Endosperms (bestehend aus vielen Stärkekörnern und äusserst feinen
Zellwänden) und Kleietheilchen ist. Durch den Luftstrom müssen die kleinen Stärke-
und Kleberkörnchen mit den Kleietheilchen mitgerissen werden, weil sie vermöge ihrer
Kleinheit von der bewegten Luft ebenso leicht mitgenommen werden als die grösseren,
aber blätterigen Kleietheilchen, man führt so sehr werthvolle Theile zu den
Kleietheilchen. Dies ist bei dem Putzen von Dunst, welcher von Mehl befreit und
sortirt sein muss, nicht der Fall.
Textabbildung Bd. 296, S. 174
Higginbottom's Putzmaschine.
Fig. 33 und 34 zeigt im Aufriss
(Verticalschnitt) und Grundriss den über dem Siebe S
angebrachten Staubfangkasten K, dessen Nasen N den Luftstrom ablenken, gegen die Prall wand w führen und die mitgerissenen Theilchen grossentheils
an denselben absetzen.
In dieselbe Gruppe der Gries- bezieh. Dunstputzmaschinen gehören auch noch die
Putzmaschinen von Georg Nikel in Geislingen und Geo Maurer in Düsseldorf.
Bei den Maschinen von Nikel (D. R. P. Nr. 59357 und Nr.
72988) lassen sich die Luftdurchzugsöffnungen (Spalten) des über dem Siebe liegenden
Rechens oder Rostes verengen oder erweitern dadurch, dass die Stäbe (Schienen),
welche den Rost bilden, doppelt über einander angeordnet sind und relativ gegen
einander verschoben werden können. Hierdurch können die Spalten oder
Luftdurchzugsöffnungen in ihrer Breite sehr wesentlich verändert werden. Bei dem
ersten Patente befindet sich nahe über dem Siebe der gesattelte Rost, bei dem
zweiten Patente hingegen nahe dem Siebe ein wagerechter Doppelrost, höher oben ein
zweiter, aus zwei gegen die Mitte der Maschine geneigten Theilen bestehend. Hierbei
werden die auf den oberen Rost abgelagerten Flugkleien durch rüttelnde Bewegung des
Doppelrostes einer Förderschraube zugeführt, welche in die Mitte des
Maschinenobertheiles gelegt ist, während die auf den unteren Rost durch die
Luftbewegung geworfenen leichten Dunste durch eine Bürste zur Seite befördert
werden, um schliesslich einer zweiten unter dem Siebe liegenden Förderschraube
zugeführt zu werden.
Geo Maurer in Düsseldorf (D. R. P. Nr. 70663) bringt
statt des Rostes oberhalb des Siebes ein wagerecht geführtes „Becherwerk“ an.
Es ist durch über Rollen geführte Gurte eine endlose Becherkette gebildet. Die in
entsprechenden Zwischenräumen von einander angebrachten Becher, deren Länge der
Siebbreite entspricht, liegen auf den oberen Gurtentrumen
\underline{\smile\ \smile\ \smile\ \smile} neben einander,
gleichsam einen Rost bildend, während sie bei dem rückkehrenden Trum in hängender
Stellung sich befinden \overline{)\ \ )\ \ )\ \ )}, wie dies
schematisch angedeutet ist. Die Abfuhr der in den Bechern sich sammelnden leichten
Dunstkleie erfolgt am Maschinenende durch das Umkippen der Becher, beim Uebergang
aus der wagerechten Lage \smile in die lothrechte ) Lage.
5) Mischmaschinen.
Von den Mischmaschinen dürfte die Anordnung von Robert
Hartmann in Dingelstädt (D. R. R. Nr. 70418) Erwähnung verdienen. Die zu
mischenden Mehle u. dgl. werden in ein cylindrisches Gefäss gefüllt, in welchem sich
axial gelagert ein Blechrohr befindet, welches lothrecht geschlitzt ist. Der eine
Rand jedes Schlitzes ist gegen aussen gebogen, um bei der Drehung des Rohres Mehl zu
fassen und in das Innere des Blechrohres zu führen. Indem die Schlitze nach der
ganzen Höhe des Blechrohres angebracht sind, so wird das zu mischende Material aus
verschiedenen Höhen der Füllung genommen und fliesst unten, wohl gemengt, aus dem
Rohre ab. Um ein regelmässiges Nachgleiten der Materialmasse gegen den Umfang des
Rohres zu bewirken, ist nicht nur der Gefässboden in Form eines steilen, umgekehrten
Kegelstutzes gegen das Rohr fallend, sondern es sind in geeigneten Abständen mehrere
schmale Rutsch fluchen, von derselben Neigung wie der Gefässboden, über einander
angebracht, so dass das Mehl theils von diesen Rutschflächen gestützt wird, theils
von den Cylinderwänden und dem trichterförmigen Boden getragen wird.
Durch diesen Wechsel verschiedener Stützungsart bleibt die Füllung lockerer und
beweglicher und wird dadurch von den wirksamen Schlitzrändern fortlaufend der ganzen
Füllungshöhe nach erfasst, gemengt und abgeführt.
Schlussbemerkung.
Die sich mehr und mehr verbreitenden „automatischen
Mühlen“ benutzen eigentlich keine besonderen Müllereimaschinen,
sondern verwandeln nur alle Transportarbeiten in maschinell besorgte, was unter
Zuhilfenahme von Sammelkästen (Reserven) für die wesentlichsten Griessorten nicht
schwer zu erzielen ist, und um so leichter möglich wird, je weniger Mehlsorten
gewonnen werden wollen. Ueber solche Anlagen wäre abgesondert zu berichten.