Titel: Neuerungen in Schiffschrauben mit stellbaren Flügeln.
Autor: Wilh. Gentsch
Fundstelle: Band 296, Jahrgang 1895, S. 179
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Neuerungen in Schiffschrauben mit stellbaren Flügeln. Mit Abbildungen. Neuerungen in Schiffschrauben mit stellbaren Flügeln. Die engen Beziehungen zwischen der Steigung einer Schraube einerseits und dem für eine gewisse Geschwindigkeit nothwendigen Arbeitsaufwande andererseits lassen es erklärlich erscheinen, dass man bald nach der ersten Verwendung der Schraube zum Schiffstrieb an Mittel gedacht hat, welche es ermöglichen, die die Arbeit in Bewegung umsetzenden Organe, nämlich die Schraubenflügel, in ihrer Wirkung willkürlich zu ändern, ebenso wie man es ja bei den Arbeit entwickelnden Triebwerken längst in der Hand gehabt hat. Jahrzehnte zurück lassen sich die ersten diesbezüglichen Constructionen verfolgen und wenngleich sie ihr auf die Fahrzeuge kleinerer Abmessungen beschränktes Gebiet kaum überschreiten dürften, so haben sie zweifellos neuerdings auch in diesen Grenzen an Bedeutung gewonnen. Denn die Gasmaschine, der Erdöl- und Benzinmotor, welche ja für die Zwecke der Bootsfahrten geeignet gemacht worden sind, erreichen bekanntlich ihre Maximalleistung bei einer gewissen Tourenzahl, welche auch bei wechselnder Belastung eingehalten werden muss, und dies kann eben nur durch entsprechende Aenderung der Schraubensteigung geschehen. Die erwähnten Motoren arbeiten des weiteren nur nach einer Richtung; will man deshalb eine Rückbewegung ausführen, so kann dies lediglich durch Umkehrung der Flügelstellung erfolgen. Aus der grossen Reihe zum Theil wenig beachtenswerther neuer Ausführungen ist zunächst die auf den ersten Blick als praktisch erscheinende Construction von Max Weihe in Hamburg (Fig. 1 und 2) hervorzuheben, welche einen nach aussen abgeschlossenen Körper darbietet, in dem die bei der Verdrehung activen Organe untergebracht sind. In die Nabe A sind die Flügel C (hier deren zwei) mittels doppelkonischer Zapfen m eingelassen, wobei zweitheilige Schraubenringe r sie auf ihren Sitzen sichern. Die hohle Triebwelle B ist mit der Nabe verbunden; sie wird von Welle D durchsetzt, die mittels gegabelter Zahnstange Z so auf die an den Zapfen m festen Triebe Z1 einwirkt, dass die Flügel aus der Lage xx in die Lage yy, d.h. aus der Stellung für Vorwärtsfahrt über die todte Stellung bis zu derjenigen für volle Rückfahrt gedreht werden können. Es ist einleuchtend, dass bei dieser Combination auch die Anordnung von mehr als zwei Flügeln ermöglicht ist, da ja nur die Form der gezahnten Gabel einer Abänderung zu unterwerfen ist. Die Verschiebung der Stange D lässt sich mit Hilfe eines Reversirhebels vollziehen, welcher einen die Welle B umgebenden Ring axial bewegt; in letzterem rotiren die durch seitliche Durchbrechungen der Welle B durchtretenden Enden eines an der Stange D vorgesehenen Querhauptes. Textabbildung Bd. 296, S. 180 Schiffschraube von Weihe. Textabbildung Bd. 296, S. 180 Fig. 3.Schiffschraube von Weihe. In einer späteren Construction (Fig. 3) vervollkommnet Weihe seine zweiflügelige Schraube, indem er den Flügelzapfen eine sichere Lagerung verleiht, ohne dass die Herausnahme erschwert würde, und zwar erreicht er dies auf folgende Weise: Die beiden Flügel sind wieder mit kurzen, starken Halslagern im festen Büchsenkörper D drehbar, während die abgesetzten Flügelzapfen a mit den Zahnradsegmenten G durch Splinte H verbunden sind. Nun hat aber der eine Flügel einen gegen a nur wenig schwächeren, hohlen Zapfen C, in den der stark abgesetzte Vollzapfen B des anderen Flügels eingreift, so dass die Flügel gegen einander centrirt werden. Der Zapfen B hat eine Nase B1 der Zapfen C eine hierzu passende Ringnuth C2 und Längsnuth C1. Die beiden Flügel sind also mittels Bajonnetverschlusses mit einander gekuppelt. Die Kuppelung geschieht, indem die beiden Zapfen bei einer der Aussergebrauchsstellung der Flügel entsprechenden Lage, in der Nase B1 vor Nuth C1 steht, in einander geschoben und dann gegen einander verdreht werden. Die Zahntriebe sind so gestaltet, dass die verstellende gabelförmige Zahnstange nicht gekröpft zu werden braucht. Offenbar kann ein ähnlicher Bajonnetverschluss anstatt zwischen den beiden Flügelzapfen auch zwischen Zapfen und Nabe D hergestellt werden. R. Holtz in Harburg a. E. kehrt die Anordnung in einer weniger ansprechenden Weise um; er lässt die Flügelzapfen B (Fig. 4 und 5) gleichfalls in hohlen Naben A sich drehen, diese Drehung erfolgt aber in Folge Verschiebung der Nabe, also Verrückung der Zapfenmittel. In der Ausführung nach Fig. 4 ist die Nabe A auf der axial verschiebbaren Propellerwelle C fest; sie wird am anderen Ende von einer bewegungslosen Achse D durchsetzt, welche in dem als vorhanden angenommenen Ruderpfosten E eingespannt ist und an ihrem inneren Theil die als Verzahnung ausgebildeten, das Segment F der Flügelzapfen B beeinflussenden Ringwulste trägt. Die Skizze zeigt die Nabe A in ihrer weitesten Stellung nach dem Ruderpfosten; wenn sie nach dem Steven gezogen wird, wälzt sich F auf den Ringwulsten ab. Eines Pfostens E bedarf die zweite Ausführung (Fig. 5) allerdings nicht, da für diese der Steven genügt. Auf dem Zapfen B sitzt hier die Kurbel H, an welche die am Steven unverschiebbar, aber mit der Welle C und Nabe A verdrehbar befestigte Stange 1 angelenkt ist. Wird in diesem Falle die Nabe A verschoben, so bewirken die Stange I und die Kurbel H die Verdrehung der Flügel. In beiden Fällen ist übrigens die Nabe A in einer Büchse K geführt, so dass Unreinigkeiten sich nicht zwischen Nabe und Steven festsetzen können. Nach hinten wird der Hohlraum durch die abnehmbare Kappe L abgeschlossen. Wie in allen besseren neueren Constructionen sind, und das soll nicht unerwähnt bleiben, die verstellenden Organe in einem nach aussen glatten Gehäuse untergebracht. Textabbildung Bd. 296, S. 180 Schiffschraube von Holtz. Dieser letzteren Bedingung kann anscheinend die Einrichtung (Fig. 6) von Bernhard Schultz in Berlin nicht in vollem Maasse gerecht werden; es addirt sich hier dieser Umstand als Fehler zu dem der Verschiebbarkeit der Flügelzapfen. Indessen ist der Apparat einfach. Die Welle c selbst ist unverschiebbar, wohl aber eine Nabe d mit Hilfe der Hülse k. In der Nabe sind die mit Zahnkränzen g versehenen Zapfen f der Flügel e drehbar, wobei an d feste Planschen h die Zapfen gegen das Herausfallen sichern. An der Welle c sind Arme a angeordnet, deren Zahnstangen i mit den Flügeltrieben g in der Weise kämmen, dass, wenn die Nabe d verschoben wird, sich g auf i abwälzen, wodurch die Flügelstellung eine entsprechende Aenderung erfährt. Textabbildung Bd. 296, S. 181 Fig. 6.Schiffschraube von Schultz. In neuester Zeit hat der Amerikaner C. Sintz in Grand Rapids, Michigan (Amerikanisches Patent Nr. 512627), eine für den Dauerbetrieb noch weniger geeignete, vermeintliche Vereinfachung (Fig. 7) ausgeklügelt. Danach trägt die Propellerwelle A eine Nabe C mit Zapfenarmen B, über welche die langen Augen D der Flügel gesteckt sind. Andererseits sind die Arme E durch Bolzen F mit der Hülse G verbunden, die auf Welle A verschiebbar ist. Wird die Hülse G verstellt, so werden offenbar auch die Flügel um die Zapfen B verdreht. Textabbildung Bd. 296, S. 181 Fig. 7.Schiffsschraube von Sintz. Constructiv durchgebildet, wie praktisch stellt sich hingegen die Ausführung von C. Daevel in Kiel (Fig. 8 bis 11) dar, deren Wesen darin zu suchen ist, dass die Propellerwelle selbst verschiebbar ist und die unverschiebbare Nabe B die zu stellenden Flügel aufnimmt. Die Welle S gleitet mit dem Kreuzkopf c (Fig. 8 und 9) in Nuthen d der Nabe B und überträgt so gleichzeitig ihre Drehbewegung auf die letztere, in welcher die Flügel A mit Zapfen a sitzen. Der Triebdruck der Flügel wird von der Nabe allein aufgenommen und durch das Rohr k sowie den hohlen Kammzapfen l auf das Drucklager m übertragen. So ist der Stellhebel f entlastet und hat nur geringe Widerstände zu überwinden. Eine Muffe i bewirkt die Kuppelung zwischen Triebwelle S und Maschinenwelle h, welche beide in Vierkante auslaufen. Was nun die Uebertragungsmittel von Welle S auf die Flügel anbelangt, so ist in den Fig. 8 und 9 angenommen, dass die Flügelzapfen a in Kurbeln b mit Kurbelzapfen auslaufen, welch letztere in zur Rotationsachse senkrecht laufenden Langlöchern c1 eingreifen. Dass Variationen hierin möglich sind, zeigen die Fig. 10 und 11. Im ersteren Fall werden die Kurbeln durch auf den Zapfen a feste Zahnradsegmente b2 ersetzt, wogegen der Kreuzkopf entsprechende Zahnstangentheile c2 erhält. Bei der zweiten Abänderung (Fig. 11) ist die Nabe c ganz in Wegfall gekommen; es sind vielmehr Welle S und Nabe B durch einen einfachen Keil Q mit einander auf Drehung verbunden, während eine lange Nuth S2 in der Welle die Verschiebung der letzteren gestattet. Mittels Zapfen v sind an Welle S Kurbelarme u angelenkt, welche die auf den Flügelzapfen a festgekeilten Kurbeln b beeinflussen. Es ist des weiteren einleuchtend, dass der Schraubendruck, anstatt dass er erst an das Lager m übertragen wird, bereits vom Steven aufgenommen werden kann. Dies lässt sich beispielsweise dadurch bewirken, dass eine am Steven feste Schelle in einen innen mit Pockholz gefütterten Halszapfen der Nabe B eingreift oder, wenn die Schraube zwischen Steven und Ruderpfosten gelagert ist, dadurch, dass die Nabe B zwischen zwei Pockholzdrucklager gegen Verschiebung festgelegt wird. In beiden Fällen würde man das Druckrohr k ersparen. Textabbildung Bd. 296, S. 181 Schiffschraube von Daevel. Auch Carl Meissner in Hamburg (Fig. 12 und 13) setzt eine glatte unverschiebliche Nabe a voraus, in welcher die Flügel b sich mit Zapfen b1 drehen. Zu diesem Zwecke trägt die Stellstange f an ihrem Ende ein Querhaupt d, an welches die mit den Kurbeln b2 verbundenen Lenker c angesetzt sind. Indessen richtet Meissner sein Hauptaugenmerk auf die Stellvorrichtung selbst bezieh. auf die Kuppelung mit der Maschinenwelle u. Die hohle Triebwelle e nämlich geht vorn in einen Hohlkörper h von etwa sternförmigem Querschnitt über, welch ersterer den Druck der Schraube mittels Kammzapfens i auf das Drucklager v überträgt und durch die Welle u seinen Antrieb erhält. Nun ist die Stellstange f mit einem Gleitstück g verbunden, welches sich im Hohlkörper h führt und von diesem bei der Drehung mitgenommen wird, andererseits aber durch die Stangen l mit dem Querhaupt m in Verbindung steht. In eine ringförmige Nuth des letzteren greift ein Ring w, der an einer zur Welle parallelen Zahnstange o befestigt ist. Die Zähne dieser Stange sind derart schräg gestellt, dass sie in richtigem Eingriff mit den Spiralgängen p1 einer Scheibe p kämmen, deren Achse q mit dem Handrad q1 in einem gleichzeitig als Führung der Zahnstange dienenden Gestell r schräg zur Schraubenwelle gelagert ist. Es ist angenommen, dass zwei Spiralgänge p1 in die Zahnstange o einfassen; auf diese Weise soll das bei der Drehung der Schraubenwelle vom Widerstände des Wassers hervorgerufene Bestreben, eine Verdrehung der Flügel herbeizuführen, unschädlich gemacht werden. Wie ersichtlich, bewirkt die Drehung des Handrades q1 eine Verschiebung der Stange f und damit die Verstellung der Flügel b. Anschläge t für das Gleitstück g sichern dabei die auf empirischem Wege gefundene beste Steigung der Schraube für rasche Fahrt. Der Körper h wird nach Abnahme des Verschlusses s mit einer Schmierflüssigkeit gefüllt, welche durch eine Längsnuth in der Welle e einerseits zur Schmierung der beweglichen Organe in die Nabe a, andererseits aber auch zu gleichem Zwecke durch radiale Löcher e1 auf die Lauffläche der Welle e in dem Stevenlager gelangt. Textabbildung Bd. 296, S. 182 Schiffschraube von Meissner. Textabbildung Bd. 296, S. 182 Schiffschraube von Otte. Eine Vereinigung des Stellorgans mit der Propellerwelle zeigt die Construction von Fritz Otte in Altona a. E. (Fig. 14 und 15). Die Schraubennabe b ist hier etwa zwischen Steven und Ruderpfosten gegen Verschiebung fest gelagert. Die Flügel a ragen in das Innere mit Zapfen, welche in die Flanschen e auslaufen und mit Augen f versehen sind. Die Propellerwelle A jedoch, welche übrigens noch mit einem schwächeren Theil g sich im Ruderpfosten führt, hat innerhalb der Nabe b einen Vierkant d mit quer zur Achse eingelassenen Nuthen c, in die die Augen f eingreifen, so dass durch Verschieben von d auch ein Verdrehen der Flügel a erfolgt. Die Anordnung lässt sich in der Weise umkehren, dass die Nuthen c in den Flanschen e, die Augen f hingegen am Vierkant d angeordnet sind. Textabbildung Bd. 296, S. 182 Fig. 16.Schiffschraube von Littlejohn. Für Schiffsmotoren, welche an eine bestimmte Tourenzahl gebunden sind, ist es wichtig, dass der Widerstand gleich bleibt. Wo derselbe schwankt, muss bei einer angenommenen Steigung der Schraubenflügel auch die Umdrehungszahl variiren. Jedoch umgekehrt könnte man selbst bei unvorhergesehen wechselndem Schiffs widerstände eine sich gleich bleibende Tourenzahl erzielen, wenn man den Schraubenwiderstand kleiner bezieh. grösser werden liesse, so dass die Verschiedenheit an dem vom Boot zurückgelegten Weg sich bemerkbar machen würde. Littlejohn in Bridgeport (Amerikanisches Patent Nr. 457513) hat es versucht, die Schraubenflügelstellung in gewissen Grenzen von dem Widerstände in selbsthätiger Weise abhängig zu machen (Fig. 16). Jeder der um die Zapfen a drehbaren Flügel b ist mit einem kurbelförmigen Ansätze c versehen, welcher an der Scheibe d anliegt und so mittels der Federn f und Stäbe e in äusserster Stellung gehalten wird. Gestaltet sich der Wasserdruck auf die Flügelfläche zu gross, so überwiegt dessen Moment das der Federn f, worauf der Flügel flacher gestellt wird. Diese Einrichtung ist an der Nabe g getroffen, die auf der hohlen Triebwelle h sitzt. Durch die letztere tritt die Stange i, welche, wie ohne weiteres aus der Skizze ersichtlich ist, eine Verstellung der Flügel von Hand gestattet. Sie ist überdies durchbohrt, so dass sich Schmiermaterial vom Schiff aus auf die Reibflächen zwischen Naben a und die Naben der Flügel b leiten lässt. Einen allzu grossen Vorzug kann jedoch die Littlejohn'sche Bauweise nicht für sich in Anspruch nehmen. Abgesehen von dem, dem Freilegen der Verstelltheile und der Ausbildung der Flügeloberflächen zuzuschreibenden Fehler, ist ja der rasche Widerstandswechsel in Binnengewässern, für welche die Schraube mit einstellbaren Flügeln allein von Bedeutung ist, nicht belangreich genug, um complicirte Mittel zu rechtfertigen. Wilh. Gentsch.