Titel: | Die Ablösung der Handarbeit des Schriftsetzers durch Maschinen. |
Autor: | E. Wentscher |
Fundstelle: | Band 296, Jahrgang 1895, S. 183 |
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Die Ablösung der Handarbeit des
Schriftsetzers durch Maschinen.Ueber Setzmaschinen vgl.
1880 261 * 19. 1889 274 *
459. 1891 281 * 78.
Von E. Wentscher,
Ingenieur in Berlin.
Mit Abbildungen.
Die Ablösung der Handarbeit des Schriftsetzers durch
Maschinen.
Das letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts wird einen der denkwürdigsten Wendepunkte
und den Beginn einer neuen Aera in der Geschichte der Buchdruckerkunst bilden. In
ihrer Tragweite mit den durch die Einführung beweglicher Lettern, die Erfindung der
Schnellpresse und der Rotationsmaschine hervorgerufenen Umwälzungen durchaus
vergleichbar, bezeichnet die sich gegenwärtig vollziehende Ablösung der Handarbeit
des Schriftsetzers durch Maschinen seit der Erfindung der Buchdruckerkunst selbst
gleichzeitig den ersten grossen Fortschritt auf demjenigen Theilgebiet der
Druckindustrie, welches sich auf die Herstellung der Druckform bezieht.
Kaum eine andere Industrie weist eine so ungleichartige Entwickelung in ihren
Theilgebieten auf wie die Druckindustrie auf dem Gebiete der Herstellung der
Druckform (des Satzes) und in dem eigentlichen drucktechnischen Theil. Während die
Drucktechnik in steter Fortentwickelung begriffen, seit dem Ende des vorigen
Jahrhunderts mehr und mehr die Maschine in ihren Dienst gestellt und im Laufe dieses
Jahrhunderts durch die Erfindung der Rotationsmaschine und der Stereotypie
hinsichtlich der Mechanisirung und der quantitativen Leistungsfähigkeit einen
vorläufigen Abschluss gefunden hat, ist die Herstellung des Satzes bis auf die
neueste Zeit im Wesentlichen auf dem von den Erfindern der Buchdruckerkunst
geschaffenen Standpunkte verblieben. Von diesen wurde bereits der Uebergang von der
ursprünglich starren, aus einer Holzplatte mit erhaben geschnittener Schrift
bestehenden Druckform, also einem Buchstabenholzschnitt, zur Herstellung des Satzes
aus einem gegebenen Vorrath einzelner beweglicher Lettern vollzogen, und dabei ist
es bis auf die jüngste Vergangenheit verblieben.
Die Qualität der Druckerzeugnisse ist allerdings im Laufe der Zeit einer stetigen
Vervollkommnung entgegengegangen und hat gegenwärtig einen Grad der Vollendung
angenommen, der kaum noch etwas zu wünschen übrig lässt. Die Satztechnik als solche
hat aber keinen Antheil an diesem Fortschritt, der ausschliesslich den verbesserten
Methoden, Apparaten und Maschinen des Stempelschneiders, des Schriftgiessers und des
Druckers zu verdanken ist.
Wenn nun auch die Mechanisirung der Herstellung des Satzes bis in die neueste Zeit
ein ungelöstes Problem geblieben ist, so würde man doch irren, wollte man aus dieser
Lage der Dinge den Schluss ziehen, dass es an einschlägigen Versuchen bisher gefehlt
habe. Im Gegentheil, das Setzmaschinenproblem hat seit ¾ Jahrhunderten einen
unwiderstehlichen Reiz gerade auf die scharfsinnigsten Köpfe ausgeübt, die sich ihm
mit voller Kraft hingaben, nachdem der Engländer Church
aus Birmingham, einer der erfinderischsten Köpfe des 19. Jahrhunderts, im J. 1822
zum ersten Mal die Welt mit einer vermeintlichen Lösung der schwierigen Aufgabe
überrascht hatte. Seitdem sind Hunderte von Versuchen gemacht worden; aber erst der
letzten Generation, und zwar den rastlosen Amerikanern, jenen unermüdlichen und
unwiderstehlichen Pionieren der Maschinencultur, ist es beschieden gewesen, die
scheinbar uneinnehmbare Position endgültig zu erstürmen.
Der bisherige Misserfolg der Setzmaschine lässt sich aus den technischen
Schwierigkeiten, die einer vollkommenen Lösung der Aufgabe entgegenstehen, und aus
den Mängeln der meisten bisher gebauten Maschinen allein nicht erklären. Die
Erklärung des erst verhältnissmässig spät eintretenden Erfolges liegt bei der
Setzmaschine, wie in manchen anderen Fällen der Maschinengeschichte, vielmehr darin,
dass thatsächlich erst heute ein durch die Verhältnisse gegebenes Bedürfniss nach
einer solchen Maschine sich einzustellen beginnt. Beweis dafür ist beispielsweise,
dass eine bereits vor 20 Jahren construirte Maschine, ohne dass sie in dieser Zeit
verbessert worden wäre, doch erst seit vor 2 Jahren in Anwendung kommen konnte.
Die Hauptgründe für den bisherigen Misserfolg dürften, abgesehen davon, dass die
moderne Setzmaschine allerdings einen gewaltigen technischen Fortschritt verkörpert,
hauptsächlich die folgenden sein:
Zunächst kann eine Setzmaschine niemals durchaus selbsthätig arbeiten, weil die
Reihenfolge der jeweilig zu setzenden Buchstaben von Manuscript zu Manuscript
wechselt. Der menschliche Verstand ist also wenigstens insofern unersetzlich, als er
die Maschine veranlasst, die Buchstaben in der erforderlichen Reihenfolge zu
liefern. Dies lässt sich am einfachsten und vollkommensten durch eine Klaviatur
erreichen, auf welcher der Maschinensetzer spielt.
Für eine solche Thätigkeit gibt es aber eine bestimmte obere Grenze, welche bei
dauerndem Betriebe nicht über 8000 Tastenanschläge in der Stunde hinausgeht.
Die Leistungsfähigkeit einer Setzmaschine kann daher der Natur der Sache nach nie so
hoch sein wie z.B. die der Druckerpresse. Wenn sie auch im günstigsten Falle vier
bis fünf Menschen ersetzt, so war dieser Nutzen bei den noch verhältnissmässig
niedrigen Arbeitslöhnen und bei dem starken Angebot von Arbeitskräften bisher doch
nicht so bedeutend, dass er zur Anwendung einer solchen Maschine zwingen musste.
Dieses Verhältniss muss sich aber wesentlich anders gestalten, wenn die Löhne zu
einer beträchtlich grösseren Höhe anwachsen. Dass diese Ansicht zutreffend ist, wird
dadurch bewiesen, dass in Ländern, wo höhere Arbeitslöhne gezahlt werden, wie
beispielsweise in England und in den Vereinigten Staaten, bereits seit Jahrzehnten
Setzmaschinen, wenn auch in beschränkter Zahl, in Anwendung sind.
Eine wesentliche Vorbedingung für die erfolgreiche Anwendung einer Setzmaschine ist
ferner ein deutlich geschriebenes Manuscript. Denn was nützt die durch die Maschine
gegebene Möglichkeit, schnell zu arbeiten, wenn man ein Hieroglyphenmanuscript zu
entziffern hat? In dieser Beziehung hat die immer weiter fortschreitende Einführung
der Schreibmaschine den Boden für die Setzmaschine ganz erheblich vorbereitet.
Des weiteren beschränkt sich die Anwendbarkeit einer Setzmaschine zweckmässig auf die
Herstellung des sogen. glatten Satzes, d.h. eines gleichmässigen Satzes aus einer
Schriftart, die höchstens ausnahmsweise durch Wörter aus einer anderen Schriftart
unterbrochen wird, wie es in Zeitungen, Zeitschriften, Romanen und Büchern überhaupt
der Fall ist. Indem nun die Production derartiger Drucksachen in den letzten 20 Jahren
ganz erheblich zugenommen hat und in stetiger Vermehrung begriffen ist, hat sich die
Sachlage in einer für die Chancen der Setzmaschine günstigen Weise geändert.
Alle diese die Einführung der Setzmaschine begünstigenden Umstände sind nirgendswo in
dem Maasse gegeben, wie in Amerika mit seinem ausgedehnten Zeitungswesen, seinen
hohen Arbeitslöhnen und dem Lande der Schreibmaschinen. Es kann daher nicht Wunder
nehmen, wenn der neueste Fortschritt in der Druckindustrie wiederum aus jenem Lande
kommt, dem sie die werthvolle Tiegeldruckpresse und die grossartige
Rotationsmaschine verdankt.
Die Aufgabe der Satztechnik ist die Herstellung einer Druckform, die gewissen
gegebenen Bedingungen zu genügen hat. Damit sie sich nach dem zweifellos als
rationell erprobten gebräuchlichen Druckverfahren, auf welchem alle Druckpressen
beruhen, abdrucken lasse, müssen zunächst die druckenden Schriftzeichen aus einem
gegen dieselben zurücktretenden Untergrund hervorragen, um beim Einfärben der Form
ausschliesslich von der Druckerschwärze berührt zu werden; ferner müssen die
Oberflächen dieser Zeichen genau in einer Ebene bezieh. für den Druck auf
Rotationsmaschinen in einer Cylinderfläche liegen, damit sie von cylindrischen
Walzen sowohl beim Einfärben als auch beim Drucken alle gleichmässig berührt
werden.
Vom typographisch-ästhetischen Standpunkte aus müssen ferner die Schriftzeichen
schnurgerade Zeilen von gleicher Länge bilden mit möglichst gleichem Abstande der
einzelnen Wörter einer jeden Zeile. Die Zeilen selbst dürfen nur mit einem vollen
Worte oder einer vollen Silbe abschliessen. Eine Ausnahme bilden nur die letzten
Zeilen (Ausgangszeilen) eines Absatzes, welche rechts an beliebiger Stelle aufhören
können, und die ersten Zeilen von Absätzen, welche links ein wenig eingerückt
werden. Von diesen typographischen Regeln darf unter keinen Umständen abgewichen
werden, da sie ästhetisch begründet sind.
Des weiteren sollen sich gewisse Wörter schon äusserlich aus dem Gros des Druckes
abheben, sei es durch lateinische Buchstaben (Antiqua) in sonst aus deutschen
Schriftzeichen bestehendem Text, sei es durch schräge Schrift (Cursiv) in
lateinischem Buchstabentext, sei es durch grösseren Abstand der Schriftzeichen
dieser Wörter (Spationirung oder Sperrung) oder endlich durch grössere Stärke der
betreffenden Buchstabenbilder (fette Schrift). Auch von dieser durch den Gebrauch
gebotenen Forderung, zwei bis drei Schriftarten in einem Text zu verwenden
(gemischter Satz), kann nicht abgegangen werden.
Endlich muss die Druckform leicht und derartig corrigirbar sein, dass die Correcturen
im Abdruck nicht wahrnehmbar sind.
Sehen wir nun zunächst zu, in welcher Weise eine den oben aufgestellten Bedingungen
entsprechende Druckform im Handverfahren hergestellt wird. Die zusammenzusetzenden
Elemente sind hier die Typen oder Lettern, d.h. aus sogen. Letternmetall durch Guss
hergestellte Stäbchen von gleicher Höhe (etwa 23,5 mm) mit dem umgekehrten erhabenen
Buchstabenbild auf dem Kopfende und von gleicher Breite (Kegelstärke) für einen und
denselben Schriftgrad. Die Schriftgrade wechseln in der Breite von etwa 2 bis 4 mm,
während die Höhen für alle Schriftgrade die gleichen sind. Die Dicke der
Stäbchen endlich ist verschieden und entspricht der Weite des auf seinem Kopfende
angebrachten Buchstabenbildes, so dass eine i-Letter wesentlich dünner ist als eine
m-Letter. Die Lettern werden unabhängig vom jeweiligen Bedarf des Schriftsetzers im
Vorrath vom Schriftgiesser auf sehr vollkommenen Maschinen unter peinlichster
Innehaltung der oben angegebenen Dimensionen erzeugt, so dass sie beim
Zusammensetzen ohne weiteres schnurgerade Zeilen und eine absolut ebene Druckfläche
ergeben.
Der Handsetzer besitzt nun für jede Schriftart einen aus etwa 100 Fächern, je eines
für je einen Buchstabencharakter, bestehenden sogen. Schriftkasten, in dem er die
vom Schriftgiesser gelieferte Schrift unterbringt. Aus diesem Schriftvorrath setzt
er die einzelnen Lettern nach Maassgabe des Manuscripts mit der Hand zu Zeilen und
diese zur Druckform (Columne) zusammen, indem er bei Herstellung gemischten Satzes
abwechselnd verschiedene Schriftkästen benutzt.
Zur Herstellung des im Druck weiss erscheinenden Zwischenraumes zwischen je zwei
Wörtern, desgleichen des weiss erscheinenden Eingangs und Ausgangs eines Absatzes
dienen die sogen. Ausschlusstücke und Quadrate, Metallstäbchen bezieh. Metallstücke
von gleicher Breite (Kegelstärke) wie die Lettern, aber von geringerer Höhe und ohne
Buchstabenbild, so dass sie gegen die Buchstabenbilder der Lettern zurückstehen und
beim Einfärben von den Farbwalzen nicht berührt werden. Die Ausschlusstücke sind in
den verschiedensten Dicken, von 1/4 mm anfangend, vorhanden.
Textabbildung Bd. 296, S. 184
Fig. 1.Winkelhaken.
Nach Maassgabe des Manuscripts ergreift nun der vor dem Kasten stehende Setzer mit
der rechten Hand nach einander die einzelnen Lettern und fügt sie zur Zeile, eine an
die andere in den mit der linken Hand gehaltenen sogen. Winkelhaken, einen oberhalb
und an einer Längsseite offenen Behälter (Fig. 1).
Die eine bewegliche Seitenwand a desselben ist
verstellbar und wird der beabsichtigten Zeilenlänge entsprechend festgestellt.
Textabbildung Bd. 296, S. 184
Fig. 2.
Darstellung einer ursprünglich zu kurzen und einer zu langen
Zeile, die durch Ausschliessen auf normale Länge gebracht sind.
Zwischen je zwei Wörter einer Zeile setzt der Setzer ein Ausschlusstück von mittlerer
Dicke. Nähert sich nun solchergestalt beim fortlaufenden Setzen die Zeile dem Ende,
so beginnt die Operation des Ausschliessens, d.h. der Setzer hört bei einem vollen
Worte oder einer vollen Silbe mit dem Setzen auf und erweitert oder verengert je
nach Bedarf die Zwischenräume zwischen den einzelnen Wörtern, indem er die vorhin
eingefügten Ausschlusstücke von mittlerer Dicke nach und nach durch dickere oder dünnere oder durch
Combinationen solcher ersetzt, und zwar so lange, bis die Zeile genau die
vorgeschriebene Länge erhält (Fig. 2). Gleichzeitig
achtet er darauf, dass die Zwischenräume zwischen den einzelnen Wörtern möglichst
gleichmässig ausfallen. In gleicher Weise wird die zweite, dritte und jede weitere
Zeile gesetzt und ausgeschlossen.
Ist der Winkelhaken auf diese Weise voll geworden, so wird sein Inhalt auf einen
grösseren, ähnlichen Behälter, das Schiff (Fig. 3),
übergeführt, worauf der ganze Vorgang sich wiederholt u.s.w. Der auf dem Schiff
zusammengestellte Satz bildet demnach eine ebene Fläche, in der die Buchstabenbilder
liegen, unterbrochen durch vertiefte, in der Fig. 3
schwarz angedeutete Stellen, dort, wo zwischen den einzelnen Wörtern die
Ausschlusstücke stehen bezieh. am Anfang oder Ende eines Absatzes die Zeilen
eingerückt oder abgebrochen sind, welche Stellen beim nun erfolgenden Einschwärzen
der Bildfläche von der Druckerschwärze nicht getroffen werden und beim schliesslich
erfolgenden Abdruck weiss bleiben.
Textabbildung Bd. 296, S. 185
Fig. 3.Setzschiff.
Eine ausgeschlossene Zeile genügt also folgenden Bedingungen:
1) sie endigt mit einem vollen Worte oder einer vollen Silbe,
2) sie hat genau die vorgeschriebene Länge,
3) die Zwischenräume zwischen den einzelnen Wörtern sind möglichst gleichmässig.
Correcturen werden in der Weise ausgeführt, dass man die falschen Lettern durch die
richtigen ersetzt und nun von Neuem die corrigirten Zeilen durch Ausschliessen auf
die normale Länge bringt.
Mit der Herstellung des druckfertigen Satzes ist die productive Thätigkeit des
Setzers beendet. Da aber beim Setzen der Schriftvorrath seines Kastens allmählich
aufgebraucht wird, so muss Ersatz geschaffen werden. Dies geschieht durch das (dem
Setzen vorangehende) Ablegen. Sind nämlich von einem Satz die nöthigen Abdrücke
gemacht worden, so ist er als solcher werthlos und wird daher wieder in seine
einzelnen Bestandtheile zerlegt, abgelegt, wie der technische Ausdruck dafür lautet.
Der Setzer ergreift jedesmal etwa ein bis zwei Wörter mit der Hand, liest sie und
fährt schnell über die entsprechenden Fächer des Setzkastens hin, jedesmal den
richtigen Buchstaben an der richtigen Stelle fallen lassend. Diese Verrichtung geht
so schnell von statten, dass der Setzer in derselben Zeit etwa 4mal so viel ablegt,
wie er setzt. Demnach regelt sich das Tagewerk eines Schriftsetzers in der Weise,
dass er bei 10stündiger Arbeitszeit die ersten 2 Stunden ablegt und darauf 8 Stunden
lang setzt; und zwar legt er im Durchschnitt stündlich 6000 Lettern ab und setzt in
der Stunde 1500, so dass seine Tagesleistung 12000 Lettern abgelegten und dasselbe
Quantum gesetzten Satzes beträgt.
Die Thätigkeit des Handsetzers ist also dreifach zusammengesetzt: aus Setzen,
Ausschliessen und Ablegen.
Sehen wir nun zu, in welcher Weise die Setzmaschine jene Aufgabe des Setzers,
eine den obigen Bedingungen genügende Druckform herzustellen, zu lösen sucht. Vier
verschiedene Wege sind im Laufe der Zeit eingeschlagen worden, von denen keiner bis
zur Gegenwart aufgegeben worden ist, obwohl nur die beiden zuletzt seit 20 bezieh.
10 Jahren betretenen endgültig zum Ziele führen dürften.
Die Setzmaschine älteren Systems, das etwa 50 Jahre lang ausschliesslich verfolgt
wurde, und auf welchem etwa 90 Proc. sämmtlicher je gebauten Setzmaschinen beruhen,
sucht ihre Aufgabe ganz im Rahmen des Hand Verfahrens zu lösen, indem sie mittels
einer Klaviatur aus einem gegebenen nach den einzelnen Charakteren in getrennten
Behältern untergebrachten Letternvorrath einzelne Lettern nach Maassgabe des
Manuscripts auswählt und mechanisch zur Zeile zusammenstellt. Wenn auch diese
Maschine eine allen Anforderungen genügende Druckform erzeugt und in neuester Zeit
durch Erfindung selbsthätiger Ausschliessapparate so weit vervollkommnet worden ist,
dass sie druckfertigen Satz liefert, so lassen doch fast alle Maschinen älteren
Systems bezüglich einer absolut zuverlässigen Letternführung aus den in einer Reihe,
im Kreise oder Halbkreise angeordneten Vorrathsbehältern nach der gemeinsamen
Sammelstelle zu wünschen übrig. Der winzige, leichte und zerbrechliche
Letternkörper, dessen Buchstabenbild zudem beim Lauf durch die Maschine vor jeder
Berührung sorgfältig geschützt werden muss, setzt einer Letternführung, bei der die
Buchstaben in schneller Aufeinanderfolge, in richtiger Reihenfolge und richtiger
Lage an der Sammelstelle eintreffen sollen, die denkbar grössten technischen
Schwierigkeiten entgegen. Dazu kommt noch, dass zu einer solchen Setzmaschine als
nothwendige Ergänzung eine Ablegemaschine gehört, welche den sich allmählich
erschöpfenden Letternbestand der ersteren fortlaufend ergänzt. Das Ablegen mit der
Hand geschieht zwar so schnell, dass man diese Verrichtung auch bei Benutzung einer
Maschine zum Setzen der Handarbeit überlassen könnte. Mit dem blossen Ablegen ist es
indessen nicht gethan. Der denkende Setzer kann allerdings auch aus ungeordneten
Haufen, wie sie die Lettern in den einzelnen Fächern des Setzkastens bilden,
ergriffene Buchstaben durch Drehen und Wenden in richtiger Lage zusammensetzen. Für
eine Setzmaschine aber müssen die Lettern so abgelegt werden, dass sie gleichzeitig
in Reih und Glied stehen, eine Arbeit, die weder mit Hand, noch mit Hilfsapparaten
in vortheilhafter Weise ausgeführt werden kann. Dazu bedarf es vielmehr einer
durchaus selbsthätig wirkenden Maschine.
Textabbildung Bd. 296, S. 185
Fig. 4.Natürliche Grösse der Lettern.
Zu diesem Behufe gibt es kein anderes rationelles Mittel, als nach dem Vorgang des
französischen Mathematikprofessors Gaubert (1840) die
Lettern mit gewissen Merkmalen, Signaturen, zu versehen, damit die Maschine sie in
ihrer Art lesen, d.h. unterscheiden kann. Dies wird dadurch erreicht, dass man jedem
Buchstabencharakter eine ihm eigenthümliche Combination von Einschnitten oder Kerben
gibt (Fig. 4), welche mit entsprechenden Vorsprüngen
von Durchlässen der Ablegemaschine correspondiren. Kommt nun eine Letter bei ihrer
Wanderung durch die Ablegemaschine an eine solche Stelle, an der jene Vorsprünge in
ihre Kerben passen, so tritt sie durch den entsprechenden Durchlass hindurch und wird an dieser
Stelle mechanisch abgefangen. Somit sammeln sich die Lettern mit gleicher
Kerbencombination reihenweise an je einer und derselben Stelle, d.h. sie sind
abgelegt und geordnet.
Schon die Nothwendigkeit einer Ablegemaschine, d.h. eines für die Herstellung des
Satzes nicht unmittelbar erforderlichen Apparates, ganz abgesehen von den dabei zu
überwindenden technischen Schwierigkeiten, dürfte beweisen, dass die auf diesem Wege
gesuchte Lösung der Aufgabe nicht die einfachste ist und daher wohl auch nicht die
endgültige sein wird.
Obwohl die technischen Schwierigkeiten, die sich der Lösung der Aufgabe im Rahmen des
Handverfahrens entgegenstellen, stets erkannt und nie völlig überwunden wurden, hat
es doch annähernd eines halben Jahrhunderts bedurft, bis die natürliche Reaction
eintrat, die nun, wie immer, alles Vorhandene negirt und die Herstellung einer
Druckform auf einem ganz anderen Wege, nämlich unter Anlehnung an das mittlerweile
zu grosser Vollkommenheit entwickelte Stereotypirverfahren, suchte. Man stellte sich
nämlich die Aufgabe, die zum Abguss einer Stereotypplatte dienende Matrize (Form),
welche beim Stereotypirverfahren durch Abformen einer aus gewöhnlichen Lettern
bestehenden Druckform in einer nachgiebigen Masse (durch Kleister mit einander
verbundene Papierlagen) erzeugt wird, ohne Vermittelung dieser Druckform direct zu
erzeugen. Man construirte daher schreibmaschinenartige Prägeapparate, die mittels
einer Klaviatur in einer nachgiebigen Platte (meistens Pappe) nach einander die
einzelnen Schriftzeichen einprägten, indem die Platte nach jeder Prägung um die
entsprechende Buchstabenweite fortrückte.
Dieser an sich sehr gesunde Gedanke kann aber zu einem praktischen Resultate nicht
führen. Abgesehen von den technischen Schwierigkeiten, die einzelnen Prägungen genau
in eine Linie zu bringen, den genauen Abstand der einzelnen Zeichen zu wahren und
allen Einzelprägungen genau die gleiche Tiefe zu geben, Bedingungen, die minutiös
erfüllt sein müssen, wenn die von einer solchen Form gegossene Stereotypplatte den
typographisch-ästhetischen Anforderungen entsprechen soll, die sich aber mit
Rücksicht auf die in jedem Mechanismus auftretenden Durchbiegungen, die sehr bald
eintretende Abnutzung in den Zapfen und Führungen und die von vornherein bestehende
Luft zwischen den auf einander wirkenden Theilen nicht erfüllen lassen –, abgesehen
von diesen technischen Schwierigkeiten, lässt sich bei diesem System weder das
Ausschliessen, noch das Corrigiren in rationeller Weise ausführen.
Schon beim Prägen des zweiten Wortes müsste man seinen Abstand vom ersten kennen,
während man diesen Abstand doch erst bestimmen kann, wenn man alle Wörter, welche
eine Zeile bilden sollen, beisammen hat. Es bleibt daher nichts übrig, als eine
Auszählung und Berechnung des Manuscripts vorzunehmen, dieses in Zeilen abzutheilen
und hinter jedem Worte den ausgerechneten Abstand vom nächsten in Einheiten
anzugeben. Führt man diese Vorbereitung des Manuscripts ohne Hilfsapparate aus, so
wird dadurch eine unverhältnissmässige Mehrarbeit verursacht, welche das Verfahren
für die Praxis unannehmbar macht, indem zwei Arbeiter erforderlich werden, einer zur
Vorbereitung des Manuscripts und ein zweiter zur Bedienung der Prägmaschine. Um
nun den einen Arbeiter zu ersparen, hat man sich die Aufgabe gestellt, ein
Manuscript herzustellen, nach welchem die Prägmaschine selbsthätig arbeitet. Das
fragliche Manuscript ist ein gelochter Papierstreifen, der auf einem gleichzeitig
die Dicken der einzelnen Buchstaben und dadurch auch den Ausschluss registrirenden
schreibmaschinenartigen Lochapparat hergestellt wird, derart, dass die Abstände der
Löcher vom Rande für die verschiedenen Buchstaben und Ausschlüsse verschieden sind,
wie später ausführlich beschrieben werden soll. Ein solches Manuscript kann nun zur
selbsthätigen Auslösung der Mechanismen des Prägapparates in richtiger Reihenfolge
dienen und macht den Arbeiter am Prägapparat überflüssig. Dann bleiben aber immer
noch die vorher gekennzeichneten Mängel der Einzelprägmaschine bestehen.
Dazu kommt noch die Schwierigkeit der Ausführung von Correcturen. Für letztere bietet
sich kein anderer Weg, als die von der Correctur betroffene Zeile oder die
betroffenen Zeilen auszuschneiden und neue Stücke einzusetzen, die von Neuem im
Manuscript ausgeschlossen und geprägt werden müssen. Dass dieses Verfahren
umständlich und zeitraubend ist, bedarf keiner weiteren Ausführung. Es kann somit
keinem Zweifel unterliegen, dass dieser, im Allgemeinen übrigens auch aufgegebene
Weg, niemals zum Ziele führen wird.
Die Aussichtslosigkeit dieser Bestrebungen wurde bald erkannt und man schlug einen
dritten Weg ein, indem man wieder zur Zusammensetzung der Druckform aus einzelnen
Lettern zurückkehrte, aber mit dem wesentlichen Unterschiede, dass man diese Lettern
nicht aus einem gegebenen Vorrath auswählte, sondern sie erst während des Setzens in
der durch das Manuscript vorgeschriebenen Reihenfolge einzeln erzeugte und dann
zusammensetzte. Durch dieses System wird die lästige Ablegemaschine beseitigt, indem
der gebrauchte Satz einfach in den Schmelztiegel der combinirten Giessetzmaschine
wandert, die Thätigkeit des Schriftgiessers und Setzers vereinigt und die
Möglichkeit gegeben, stets von neuen, scharfen und nicht abgenutzten Typen zu
drucken. Die solchergestalt erzeugte Druckform unterscheidet sich nicht im
Geringsten von der im Handverfahren hergestellten und entspricht daher allen
Anforderungen, und da auch bei der praktischen Durchführung dieses Systems
ernstliche technische Schwierigkeiten nicht in Frage kommen, so kann ihm ein
dauernder Erfolg nicht abgesprochen werden, obwohl in Folge bisheriger einseitiger
Behandlung der Aufgabe eine rationelle constructive Durchführung desselben noch
aussteht. Indessen markirt es durch die Vereinigung der Arbeit des Schriftgiessers
und Schriftsetzers einen epochemachenden Fortschritt auf dem Gebiete der Satztechnik
und bildet zweifellos den Rahmen, in welchem die endgültige Lösung des
Setzmaschinenproblems liegt.
Ganz und gar in diesem Rahmen, obwohl sie ihn mit einem durchaus neuen Inhalt
erfüllt, verbleibt auch die neueste zur Herstellung einer Druckform eingeschlagene
Richtung, die trotz einer Versuchszeit von kaum mehr als 10 Jahren so grossartige
praktische Erfolge aufzuweisen hat, wie kein anderes System. Insofern als sie sich
die Aufgabe stellt, einzelne Elemente aus einem gegebenen Vorrath auszuwählen,
zusammen zu stellen und nach dem Gebrauch wieder in die entsprechenden
Vorrathsbehälter zurück zu führen (abzulegen), greift sie auf das System der älteren
Setzmaschine zurück. Wesentlich verschieden von ihm ist aber das neueste System
dadurch, dass diese Elemente nicht Lettern sind, sondern Buchstabenformen, und zwar
Stempel oder Giessformen (Matern). Nach Maassgabe des Manuscripts werden diese
Stempel oder Matern mittels einer Klaviatur zur Zeile zusammengesetzt, diese Zeile
auf mechanischem Wege auf die richtige Länge gebracht (ausgeschlossen) und sodann im
Ganzen die Stempelzeile in ein nachgiebiges Material geprägt bezieh. die Maternzeile
in einem Gusse abgegossen.
In letzterem Falle ist das Erzeugniss ein starrer, aus Schriftmetall bestehender
Block von den Dimensionen einer aus gewöhnlichen Lettern gebildeten Zeile mit den
erhabenen Buchstabenbildern auf einer Längskante, wie man ihn durch Zusammenlöthen
der einzelnen Lettern einer gewöhnlichen Letternzeile erhalten würde. Aus solchen
Gusszeilen setzt sich die Druckform zusammen, die sich demnach von einer
gewöhnlichen Druckform dadurch unterscheidet, dass die Einheit der letzteren die
Einzelletter, hier dagegen eine Zeile ist.
Durch die Prägung von Stempelzeilen erhält man zunächst ein Negativ, nämlich eine
Zeilengiessform. Von dieser kann man entweder eine starre Zeile der oben
gekennzeichneten Art abgiessen, oder man kann die einzelnen Zeilengiessformen zu
einer Columne zusammensetzen und danach in gewöhnlicher Weise eine Stereotypplatte
herstellen. Correcturen werden dadurch ausgeführt, dass man die davon betroffenen
Zeilen ausmerzt und durch neue ersetzt.
Da es sich bei dem neuesten System im Wesentlichen um eine Setz- und Ablegemaschine
handelt, könnte man geneigt sein, auch hier dieselben technischen Schwierigkeiten
vorauszusetzen, von denen bei Besprechung des älteren Systems die Rede war.
Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, dass jene Schwierigkeiten dort durch den
winzigen Letternkörper bedingt waren, hier dagegen für die Elemente nur die eine
Dimension, nämlich die Dicke, durch das Buchstabenbild vorgeschrieben ist, während
die übrigen Dimensionen und Formen ganz beliebig sein und daher in einer sowohl für
den Transport nach der Sammelstelle als auch für die bequeme Anbringung von
Ablegesignaturen zweckmässigen Weise bemessen und gestaltet werden können. Sind also
bei dem älteren System die Dimensionen und die Gestalt des zu setzenden und
abzulegenden Elements von vornherein gegeben und handelt es sich dabei für den
Constructeur darum, nachträglich die geeigneten Mechanismen zu finden, die demnach
an gewisse Bedingungen gebunden sind, so ist bei dem neueren System die Sachlage
eine völlig umgekehrte und technisch wesentlich günstigere, indem man von vornherein
eine einfache und sicher wirkende Transport- und Ablegevorrichtung willkürlich
wählen kann und nachträglich den zu transportirenden bezieh. abzulegenden Elementen
die erforderlichen Dimensionen und die zweckmässigste Gestalt gibt. Dadurch sind die
technischen Schwierigkeiten bei diesem System vermieden.
Nachdem im Vorhergehenden die bisher eingeschlagenen Wege zur mechanischen
Herstellung einer Druckform und ihre constructiven Mängel bezieh. Vorzüge
gekennzeichnet worden sind, handelt es sich darum, die Leistungsfähigkeit der
verschiedenen Systeme in qualitativer und quantitativer Hinsicht zu untersuchen.
Dass eine aus kunstgerecht gegossenen Einzellettern, mögen dieselben aus einem
fertigen Vorrath entnommen oder erst während des Setzens erzeugt werden,
zusammengesetzte Druckform einen tadellosen Druck ergibt, ist selbstverständlich,
selbst wenn der Satz mit einer noch so unvollkommenen Maschine hergestellt sein
sollte. Das exacte Letternmaterial allein verbürgt unabhängig von der Art des
Zusammensetzens die Tadellosigkeit des Enderzeugnisses.
Anders ist die Sachlage bei den Einzelprägmaschinen. Die kleinste Ungenauigkeit im
Functioniren des Mechanismus spiegelt sich im fertigen Enderzeugniss wieder. Daher
zeigt es sich bei den von Stanzmatrizen dieser Art genommenen Abdrucken, dass die
Buchstaben nicht Linie halten, ungleiche Abstände haben, zum Theil schief stehen,
ungleich stark und in der Farbe bald heller, bald dunkler erscheinen. Diese Mängel
sind principieller Natur und lassen sich, wie bereits früher angedeutet, durch eine
noch so sorgfältig gebaute Maschine nicht vermeiden.
Eine gewisse Mittelstellung nehmen die Zeilenpräg- bezieh. -giessmaschinen ein. Die
Herstellung absolut exacter Stempel oder Giessformen (Matern) ist durch geeignete
Specialmaschinen immer möglich. Es wird sich daher aus solchen Elementen eine ebenso
correcte Zeile herstellen lassen wie aus mathematisch genauen Lettern. Ein kleiner,
im Laufe der Zeit aber bereits wesentlich geminderter und sehr wahrscheinlich
demnächst gänzlich überwundener Uebelstand besteht darin, dass die Buchstabenbilder
einer nach diesem System gegossenen Typenzeile noch nicht mathematisch genau in
einer Ebene liegen, wie bei einer aus gewöhnlichen Lettern zusammengesetzten Zeile,
und dass sich demnach solche Zeilen für die feinsten Druck arbeiten zur Zeit noch
nicht eignen. Dagegen genügen sie in vollstem Maasse den Anforderungen, welche an
Druckarbeiten im Allgemeinen gestellt werden und für deren Herstellung Maschinen
allein in Betracht kommen können.
Die quantitative Leistung einer Setzmaschine hat, wie bereits erwähnt, eine
Maximalgrenze, da die ständige Mitwirkung eines Arbeiters nicht entbehrt werden
kann. Wird dieselbe auch in vortheilhaftester Weise lediglich auf die Bethätigung
einer Klaviatur beschränkt, deren Tasten er nach Maassgabe des Manuscripts
anschlägt, während alle anderen Operationen, nämlich das Ausschliessen und das
Ablegen, wo solches in Frage kommt, sich selbsthätig vollziehen, so beziffert sich
dieses Maximum bei dauerndem Betriebe auf 8000 Tastenanschläge oder ebenso viel
gesetzte bezieh. geprägte Elemente für den Mann und für die Stunde.
Diese Leistung sinkt in dem Maasse, wie das Ausschliessen und Ablegen ganz oder
theilweise selbsthätig zu erfolgen aufhört, und übersteigt kaum noch die Leistung
des Handsetzers, wenn Ausschliessen und Ablegen gänzlich der Handarbeit überlassen
bleiben.
Die vorstehenden allgemeinen Erörterungen waren erforderlich, um den Leser in ein
bisher unbekanntes Gebiet der Industrie einzuführen und ihn in die Lage zu setzen,
die Fortschritte auf diesem Gebiete, die demnächst auch für die deutsche Industrie
von praktischem Interesse sein werden, kritisch verfolgen zu können. Ich gehe
nunmehr zur detaillirten Beschreibung der gegenwärtig in der Einführung begriffenen
amerikanischen Setzmaschinen über und beginne mit den Maschinen älteren Systems.
(Fortsetzung folgt.)