Titel: Neuerungen in der Technik der Glasindustrie.
Autor: Weeren
Fundstelle: Band 298, Jahrgang 1895, S. 108
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Neuerungen in der Technik der Glasindustrie. Von Dr. Weeren in Charlottenburg. (Fortsetzung des Berichtes Bd. 297 S. * 254.) Mit Abbildungen. Neuerungen in der Technik der Glasindustrie. P. V. Peltier in Ottowa (Staat Illinois, Nordamerika) vermeidet bei seiner Glaswalzmaschine (D. R. P. Nr. 76027 vom 14. November 1893) jede längere Berührung zwischen Glas und Metall, die er für die Qualität des Glases als nachtheilig ansieht. Es kommt deshalb das Glas nur während des kurzen Durchganges durch die Walzen mit Metall in Berührung und wird dann sofort auf einen mit einem schlechten Wärmeleiter bedeckten Tisch F gelegt. Ferner ist dem Uebelstande, der vielen bisherigen Glaswalzmaschinen anhaftete, – dem Vorkommen von Stauungen, Zusammenballungen, Zerrungen u. dgl. der noch nicht völlig verhärteten Glastafel – ein Ende gemacht. Auf dem Gestelle A (Fig. 1) befinden sich zwei wagerechte Walzen B und C, deren obere nach der Stärke der herzustellenden Glastafeln einstellbar ist. Die Walzen besitzen auf der einen Seite gleich grosse Zahnräder, die ihnen gleiche Umdrehungsgeschwindigkeit ertheilen. Es erhält alsdann die hindurchgeführte Glasmasse, die auf dem Aufnahmetisch D vor die Walzen aufgegossen wird, eine glatte Aussenfläche. Wird hingegen durch geeignete Wahl der Zahnräder die Geschwindigkeit geändert, so dass sich die obere Walze etwa dreimal dreht, während die untere zwei Umdrehungen ausführt, so bekommt das Glas eine geriffelte Oberfläche. Die aus den Walzen austretende noch plastische Glastafel gelangt über die schräge Fläche E auf den Glasaufnahmetisch F, der mit Asbest oder Gyps bedeckt ist. Dem fahrbaren Glasaufnahmetisch wird durch Zahnräderübertragung genau die Umfangsgeschwindigkeit der unteren Walze ertheilt. Mithin wird die Glastafel in dem Maasse, wie sie zwischen den Walzen heraustritt, von dem Tische F fortgeführt, wodurch die erwähnten Stauungen vermieden werden. Die Peltier'schen Glastafeln zeichnen sich durch glatte Oberfläche und hohen Glanz aus. Eine Doppelwalzmaschine für Glas hat N. M. Miller in Philadelphia sich durch D. R. P. Nr. 80285 vom 5. December 1893 schützen lassen. Bei derselben werden die Platten von beiden Seiten gewalzt und selbsthätig gewendet. Wegen der Einzelheiten müssen wir auf die sehr ausführliche Patentschrift verweisen. Textabbildung Bd. 298, S. 108 Fig. 1.Peltier's Glaswalzmaschine. Die Drahtglasfabrikation hat in den letzten Jahren, vor allem in Nordamerika, grosse Fortschritte gemacht. In welchem Umfange dort Glas mit Drahteinlagen benutzt wird, zeigte die Columbia-Ausstellung, bei der 1045000 engl. Quadratfuss verwandt wurden. Die ersten Patente stammen schon aus den 50er Jahren. 1855 liess sich in England Newton unter Nr. 1528 ein Verfahren schützen, nach welchem Glas in eine Glasform gebracht, darüber Drahtgaze ausgebreitet, auf diese wieder Glas ausgegossen und dann das Ganze gepresst wurde, nöthigenfalls in mehreren Lagen über einander. Das Patent von Hyatt, Nr. 1482, vom Jahre 1871 umgiesst das Drahtgewebe gleichzeitig von beiden Seiten mit Glas und schlägt überdies vor, das Drahtgewebe in Wellenform zu biegen, um hierdurch Spannungen zwischen Glas und Metall und dem Zerspringen entgegen zu arbeiten. Es folgte 1876 das Verfahren von Becoulet und Bonnet in Paris, nach welchem eine Schicht von flüssigem Glas von der halben Dicke der gewünschten Glasplatte ausgebreitet wird; auf dieselbe wird ein Gewebe aus Eisendraht gelegt und darüber eine zweite Schicht Glas ausgegossen, die durch eine Walze ausgewalzt und mit der untersten Glasschicht und dem Drahtgewebe verschmolzen wird. Armstrong liess sich 1887 unter Nr. 5701 eine Vorrichtung zur Herstellung von Drahtglas patentiren. Das älteste deutsche Patent, Nr. 46287, stammt aus dem Jahre 1888. Die letzten Jahre brachten zahlreiche Patente auf Drahtglas, vor allem in Nordamerika. Als wesentlich für die Herstellung eines guten und dauerhaften Drahtglases kann man folgende Bedingungen bezeichnen: 1) Die beiden Glasschichten, zwischen denen das Drahtgewebe eingebettet wird, müssen durch dieses hindurch vollkommen zu einer einheitlichen Masse verschmelzen; 2) die fertige Glastafel darf keine oder doch nur geringe Spannungen in Folge der ungleichen Ausdehnung des Glases und des Drahtgewebes erhalten; 3) das Drahtgewebe muss von der Glasmasse vollkommen umhüllt sein. Die erste Forderung wird am zweckmässigsten in der Weise erfüllt, dass entweder nur mit einer dicken Glasschicht gearbeitet und in diese durch besondere Vorkehrungen das Drahtgewebe eingedrückt wird, oder aber dass beim Arbeiten mit zwei Glasschichten diese so schnell hinter einander hergestellt werden, dass eine vollkommene Verschweissung derselben durch das Drahtgewebe hindurch sicher von statten geht. Der zweiten Bedingung wird erfahrungsgemäss dadurch am besten Genüge geleistet, dass einerseits ein Drahtgewebe gewählt wird, dessen Drähte möglichst fein sind und so weit von einander entfernt stehen, dass sie dem Glase gerade noch die erforderliche Festigkeit verleihen. Ein derartiges Drahtgewebe wird weniger zu Spannungen Veranlassung geben, sondern auch in Folge seiner grossen Durchbrechungen und seiner geringen Masse der Verschmelzung beider Glasschichten wenig oder gar kein Hinderniss bieten. Es hat sich hierbei als wesentlich für die Haltbarkeit des Drahtglases herausgestellt, das Drahtgewebe möglichst in die Mitte des Glases zu bringen und die Scheibe selbst nicht zu dünn herzustellen, da das Glas leicht an den Stellen ausbricht, wo es das Drahtgewebe nur in dünner Schicht bedeckt. Diesen Bedingungen sind sämmtliche Verfahren, die der Herstellung von Drahtglas dienen, unterworfen; wir haben sie deshalb der Beschreibung derselben vorangesetzt. Alle neueren auf die Herstellung von Drahtglas gerichteten Verfahren sind Walzverfahren, da nur diese sich leistungsfähig erwiesen haben. Verfahren zur Herstellung von Drahtglastafeln von Frank Shuman in Philadelphia. Dieses Verfahren, welches unter anderen von der American Wire Glass Manufacturing Company zu Tacony bei Philadelphia einem Berichte des Journal of the Franklin Institute, 1894 S. 161 bis 176, zufolge ausgeübt wird, besteht im Wesentlichen darin, dass die Glastafel vor dem Einbetten des Drahtgeflechtes auf einem von unten beheizbaren Giesstische auf die erforderliche Stärke ausgewalzt wird, dass dann in unmittelbarem Anschluss hieran das gleichfalls vorgewärmte Drahtnetz auf die ausgewalzte Glastafel geleitet und mittels einer zweiten, mit Vorsprüngen versehenen Walze in die noch plastische Glasmasse eingedrückt wird und schliesslich durch eine oder besser zwei Glättwalzen die von den Drähten gebildeten Unebenheiten beseitigt werden. Sämmtliche Operationen werden in unmittelbarer Aufeinanderfolge vorgenommen während des plastischen Zustandes der Platte. Textabbildung Bd. 298, S. 109 Fig. 2.Shuman's Glaswalze. Zur Ausführung dieses Verfahrens bedient sich Shuman des in Fig. 2 und 3 abgebildeten Apparates. B ist der auf Flurhöhe liegende gusseiserne Giess- und Walztisch, der durch die Feuerung A erhitzt werden kann. Derselbe besitzt obere Leisten b (Fig. 3), welche beim Walzen die Glasmasse seitlich begrenzen, und äussere Schienen c, auf welchen die Walzen laufen. Der Raum zwischen b und c nimmt das überflüssige Glas auf, das durch die Walzen verdrängt wird. Auf den eigentlichen Giesstisch B wird eine dünne Stahlplatte x gelegt, mittels der die fertige Tafel vom Tisch abgehoben und in den Kühlofen geschoben werden kann. Die Walzen F, I und G sind in einem Gestell vereinigt und laufen, bevor sie auf den Walztisch B gelangen, auf Schienen 1). Die Bewegung des Walzenwagens erfolgt mittels eines über Rollen geführten Drahtseiles e. Die Vorderwalze F ist glatt und dient zum Ausbreiten der auf den Tisch B ausgegossenen Glasmasse. Die Drahtgaze wird durch die geneigt liegende und unten dicht vor der mittleren Walze I endigende Zuleitung H stetig zugeführt und durch die gerippte Walze I (Fig. 3) in die Glasmasse eingedrückt. Die Drahtzuführung wird an ihrem unteren Ende mit Gas geheizt, wodurch die Drahtgaze bis zur Rothglut vorgewärmt wird. Die hintere Walze G ähnelt der vorderen F und hat den Zweck, die durch das Eindrücken des Drahtes entstandenen Unebenheiten zu beseitigen. Um auch durch die Walzen der Glasmasse keine Wärme zu entziehen, sind sämmtliche Walzen hohl ausgeführt und mit abnehmbaren Deckeln versehen. Fig. 3. Es wird dann ein massiver, vorher erhitzter Kern eingelegt. Statt dessen können die Walzen auch mit einer geeigneten Gasheizung versehen werden. Textabbildung Bd. 298, S. 109 Fig. 3.Shuman's Glaswalze. Diese Vorrichtung arbeitet zuverlässig und liefert im Mittel in 25 Secunden eine Drahtglastafel von 3 m Länge, 1,2 m Breite und 13 mm Dicke. Auf dem vorerwähnten amerikanischen Werke sind zur Zeit fünf Shuman'sche Drahtglaswalzmaschinen im Betrieb, von denen zwei Drahtglasplatten von 24 auf 84 Zoll, zwei solche von 30 auf 84 Zoll und eine solche von 54 auf 144 Zoll erzeugt. Die Walzen üben auf den Quadratzoll einen Druck von 5 Pfund aus. Die Entfernung je zweier Rippenmittelpunkte der Walze I beträgt 1 Zoll. Die Temperatur des Glases beim Ausgiessen auf den Walztisch beträgt durchschnittlich 1600° und das Auswalzen findet bei etwa 1200° statt. Der Glasofen ist ein Siemens'scher Gasregenerativofen, in dem pro Tag 10 t Glas verschmolzen werden können. Drei Wellman-Generatoren liefern demselben das nöthige Gas. Zwölf belgische Kühlöfen, welche mit Roherdöl geheizt werden, nehmen die gewalzten Drahtglasplatten auf. Die Schnelligkeit der Herstellung der Platten hängt von ihrer Dicke ab. Täglich können auf allen fünf Walzmaschinen ungefähr 5000 Quadratfuss Drahtglas erzeugt werden. (D. R. P. Nr. 83081 vom 20. September 1892, Amerikanische Patente Nr. 483020 und Nr. 483021.) In neuester Zeit hat Shuman den vorbeschriebenen Walzenwagen wesentlich vereinfacht und die Zahl der Walzen auf eine einzige vermindert. Im Wesentlichen besteht diese Neuerung, welche in Amerika durch das Patent Nr. 546196 geschützt ist, darin, dass die Walze mit einem kastenartigen Behälter verbunden ist, dessen eine Wand die Walze selbst bildet. Dieser Behälter dient zur Aufnahme einer zur Herstellung einer Glastafel genügenden Menge Glasmasse, ausserdem enthält er die Zuführungsorgane für das Drahtgeflecht. Dieses führt sich auf der schräg ansteigenden, der Walze gegenüberliegenden Vorderwand des Behälters, die nach unten sich bis kurz vor die Walze erstreckt. Beim Betriebe wird das Drahtgeflecht in die Führung eingeschoben, der Behälter mit Glasmasse gefüllt und nun die Vorrichtung vorwärts geschoben, wobei dafür Sorge getragen werden muss, dass der Vorbewegung entsprechend das Drahtgewebe eingeführt wird. Dasselbe wird durch die Führung in die Glasmasse geleitet, wobei durch besondere Einrichtungen die genaue Lage desselben in der Glasmasse geregelt wird. Beide, Glas und Drahtgeflecht, werden dann sofort durch die Walze zu einer einheitlichen Platte ausgewalzt, die nach dem Walzen für den Kühlofen fertig ist. Textabbildung Bd. 298, S. 110 Fig. 4.Drahtglastafel walze von Appert. Dieser Shuman'schen Walzvorrichtung ist die ältere von James N. Gregg und Charles C. Stouffer in New Kensington, Pennsylvanien (Amerikanisches Patent Nr. 534391), sehr ähnlich, weshalb von einer Beschreibung dieser letzteren abgesehen werden kann. Verfahren zur Herstellung von Drahtglastafeln von Léon Appert in Clichy (Seine). Dasselbe kennzeichnet sich dadurch, dass durch eine Walzvorrichtung gleichzeitig zwei Glaslagen erzeugt werden, zwischen die das Drahtgeflecht eingeführt wird. Durch die Gleichzeitigkeit dieser drei Operationen ist ein gut verschmolzenes Product gewährleistet. In Fig. 4 ist T der fahrbare Giesstisch, K das (stationäre) Walzengestell. Es kann jedoch auch der Giesstisch stationär und das Walzengestell fahrbar angeordnet sein. Zum Auswalzen des Glases dienen die glatten Walzen B und C, deren erstere in einem etwa der halben Dicke der fertigen Glastafel entsprechenden Abstande von der Oberfläche des Giesstisches entfernt ist, während dieser Abstand bei der zweiten Walze die volle Plattenstärke beträgt. Auf die Walze A ist das Drahtgeflecht aufgewickelt, D dient als Führungswalze. Die Walze A ist mit einer regulirbaren Bremsvorrichtung ausgestattet, um dem abrollenden Drahtgeflecht die nöthige Spannung zu geben. Die Walze D ist dazu bestimmt, das Drahtgeflecht von der Walze A abzurollen und dasselbe gleichzeitig in der Querrichtung auszubreiten. Ihre Oberfläche ist deshalb wie bei einer Kardenwalze beschaffen oder mit Vorsprüngen versehen, welche die Drahtmaschen augenblicklich fassen. Ausserdem ist die Walze in Gestalt eines Fasses abgedreht, wodurch eine selbsthätige Auseinanderspreizung des Drahtgeflechtes erzielt wird. Der Betrieb gestaltet sich in folgender Weise: Zunächst wird auf die Walze A ein Drahtgeflecht von etwas geringerer Länge als die der herzustellenden Tafel aufgewickelt. Die Befestigung auf derselben geschieht mittels langer Schnüre aus verbrennbarem Stoff. Hierdurch wird erreicht, dass das Drahtgewebe bis zu seiner beendeten Einbettung in dem Glase stets gespannt gehalten wird. Das vordere Ende des Drahtgeflechtes, welch letzteres vortheilhafter Weise sehr dünn und weitmaschig zu wählen ist, wird an dem einen Ende des Tisches bei a befestigt, nachdem es über die Walze D und unter die Walzen B und C gezogen worden ist. Jetzt kann mit dem Ausgiessen des Glases begonnen werden, was, wie Fig. 4 zeigt, vor jede der beiden Walzen zu geschehen hat. Beim Vorwärtsbewegen des Giesstisches rollen die beiden Glättwalzen dieses Glas aus, und zwar erzeugt die erste B die untere Schicht, auf welche sich das Drahtgeflecht legt, während die inzwischen vor der zweiten Walze C aufgegebene flüssige Glasmasse durch diese zu einer zweiten Schicht über dem Drahte ausgebreitet und mit der unteren zu einer einheitlichen Platte durch die Maschen des Drahtgeflechtes zusammengepresst wird. Sobald letzteres vollständig im Glase eingebettet ist, brennen die bei weiterem Vorschieben des Tisches mit der heissen Glasmasse in Berührung kommenden Schnüre ab und machen hierdurch an diesem Ende der Platte jegliches Abschneiden des Drahtgeflechtes überflüssig. Es bedarf dann nur noch eines Abschneidens der wenigen Befestigungsdrähte bei a, um die nunmehr fertig gewalzte Drahtglastafel in den Kühlofen befördern zu können. (D. R. P. Kl. 32 Nr. 81426 vom 31. October 1893.) (Fortsetzung folgt.)