Titel: | Neuerungen an Dampfmaschinen. |
Fundstelle: | Band 298, Jahrgang 1895, S. 175 |
Download: | XML |
Neuerungen an Dampfmaschinen.
(Fortsetzung des Berichtes S. 151 d.
Bd.)
Mit Abbildungen.
Neuerungen an Dampfmaschinen.
Behufs Verringerung der Compression in den Cylindern schnell laufender
Dampfmaschinen, namentlich in denjenigen der Locomotiven, ohne Beeinträchtigung der
Einströmung und Expansion des Dampfes, wurde Henry R.
Fay in Amerika eine von E. Frank Woodbury in
Boston, Mass., ausgeführte, nachstehend beschriebene Einrichtung patentirt, mittels
welcher man erreicht, dass die Compression auf einen bestimmten Theil des
Kolbenhubes beschränkt bleibt.
Zu dem Zwecke sind, wie in Fig. 24 und 25 ersichtlich (Fig. 24 stellt eine Ansicht des Schieberspiegels, Fig. 25 die Stellung des
Kolbens und Schiebers bei Beginn der Expansion des Arbeitsdampfes dar), ausser den
bisherigen Dampfkanälen noch besondere Hilfskanäle angeordnet, welche vom
Schieberspiegel nach dem Inneren des Cylinders führen, derart, dass die
Dichtungsringe des Arbeitskolbens die ersten Kanäle erreichen, wenn nach erfolgter
Absperrung des Dampfes die eine oder die andere der beiden in der Gleitfläche des
Muschelschiebers angebrachten Vertiefungen (Fig. 26) über die
betreffende Einströmöffnung zu stehen kommt.
Textabbildung Bd. 298, S. 175
Steuerung von Woodbury.
Die Weite der Hilfskanäle hat man bei den bisherigen Ausführungen zu 10 mm im
Durchmesser gewählt und dieselben entweder gerade oder winklig gebohrt. Die
Entfernung der Hilfskanäle von den Kanten der Ausströmöffnung im Schieberspiegel ist
um etwa ½ mm grösser, als die Breite der Vertiefungen im Schieber, welche letztere
bei 13 mm Tiefe 10 mm beträgt. Die äussere Kante jeder Vertiefung steht von der
zugehörigen äusseren Kante des Schiebers um die Breite der Dampfeinströmöffnung + ½
mm ab. Jede Vertiefung ist an den Enden so weit zurückgebogen, dass sie mit den
betreffenden Hilfskanälen in Verbindung tritt, wenn auf dem entgegengesetzten Ende
des Cylinders Ausströmung stattfindet; hierdurch wird eine Verbindung der
Cylinderräume auf beiden Seiten des Kolbens geschaffen und der Vorderdampf wird
zunächst nicht comprimirt, sondern strömt durch den Hauptkanal im Cylinder und den
Hilfskanal um den Kolben herum nach dem anderen Cylinderende, um dort auszutreten.
Die vorstehenden Ansätze an den Ecken des Schiebers dienen dazu, ein Oeffnen der
Hilfskanäle zu verhüten, wenn der Schieber sich in seinen äussersten Stellungen
befindet.
Ueber vergleichende Versuche, welche vom 12. bis 26. December 1894 in Boston an einer
von der Watertown Steam Engine Co. in Watertown, N. Y.,
erbauten stationären Maschine mit Coulissensteuerung von 152 mm Cylinderdurchmesser
und 229 mm Kolbenhub mit gewöhnlichem Muschelschieber und dem verbesserten Schieber
nach den Patenten von Henry R. Fay von Thomas Pray angestellt wurden, berichtet letzterer in
einer Broschüre vom 7. Januar 1895.
Die Hilfskanäle im Cylinder waren, damit die zum Betreiben eines Gebläses, System Sturtevant, dienende Maschine mit gewöhnlichem D-Schieber arbeiten konnte, mittels eingesetzter
Stöpsel geschlossen, welche geöffnet wurden, sobald der verbesserte Fay-Schieber zur
Verwendung kam. Es stellte sich nach abgenommenen Diagrammen, welche eine
verhältnissmässig bedeutende bezieh. nur geringe Compression des Dampfes erkennen
liessen, heraus, dass bei einer festgesetzten Füllung und derselben Spannung des
Einströmdampfes der Gesammtverbrauch an Dampf mit Benutzung des Fay-Schiebers 81,9 k
in der Stunde für eine Leistung der Maschine von 5,063 ind. , demnach
ungefähr 16,2 k für 1 ind. und Stunde, bei der Benutzung des gewöhnlichen
D-Schiebers dagegen entsprechend 79,43 k für 3,7126
ind. demnach 21,13 k Dampf für 1 ind. und Stunde betrug. Hiernach
brauchte der gewöhnliche Schieber für jedes indicirte Pferd und Stunde 4,9 k Dampf
mehr als der Fay-Schieber, oder letzterer ungefähr 30 Proc. weniger Dampf für 1 ind.
und Stunde als ersterer, bezieh. wurde mit dem Fay-Schieber eine um 36,3
Proc. grössere Arbeit mit einem Mehrverbrauch an Dampf von nur 3,01 Proc. geliefert.
Da die minutlichen Umdrehungszahlen während des Versuches 252 mit dem Fay-Schieber
und 216 mit gewöhnlichem Schieber betrugen, läuft das Gebläse im ersteren Falle um
16,665 Proc. schneller und gebrauchte hierzu die Mehrarbeit von 36,3 Proc.
(Jedenfalls sind die vorstehenden Angaben mit einiger Vorsicht aufzunehmen!)
Im J. 1893 sind nach Mittheilungen des Erfinders 14 Locomotiven der Boston und Albany Railroad (sieben schwere Schnellzug-
und sieben Güterzugmaschinen) mit den Schiebern ausgerüstet und sollen sich letztere
nach den bisherigen Erfahrungen vorzüglich bewährt haben.
Eine Dampfmaschine von A. R. Reinhardt in Eisleben, bei
welcher die Regelung der Dampfvertheilung durch einen im Arbeitskolben
verschiebbaren, über Oeffnungen der hohlen Kolbenstange gleitenden Schieber erfolgt
(D. R. P. Nr. 81364), zeigt Fig. 27.
Textabbildung Bd. 298, S. 176
Fig. 27.Dampfmaschine von Reinhardt.
Die hohle Kolbenstange c der in der Abbildung links von
der Seite, rechts von oben gesehenen Maschine hat eine wagerechte Scheidewand, so
dass zwei Dampfräume entstehen, von denen der eine e
mit Oeffnungen lm für den vom Kessel kommenden Dampf,
der andere f mit Oeffnungen no für den Abdampf versehen ist. Der die genannten Oeffnungen bedienende
Schieber qr ist mit seiner Stange p im Arbeitskolben d
verschiebbar und wird durch Anstoss an die Cylinderdeckel umgesteuert. Zur Erzielung
eines bestimmten, durch Auswechselung des Schiebers kk1 veränderlichen Füllungsgrades ist,
getrennt vom Arbeitscylinder a, ein zweiter Cylinder
b auf c angeordnet,
aus welchem der bei s einströmende Kesseldampf durch
gem hinter d tritt und
der Abdampf durch nfh nach i entweicht, bis k1 links anstösst und die Dampfzuströmung so lange abschneidet, als g über k gleitet. Am
Hubende wird g links von k
wieder frei, frischer Dampf strömt durch gel vor d und der Abdampf durch rfh nach i. Je länger demnach k ist, um so kleiner wird die Füllung.
Eine Schiebersteuerung mit Hebelantrieb von der Kolbenstange und selbsthätiger
Schieberbewegung von Clarke, Chapman und Co., Limited,
in Gateshead on Tyne (D. R. P. Nr. 77779) veranschaulichen die Engineering vom 1. März 1895 entnommenen Abbildungen (Fig. 28 bis 31).
Textabbildung Bd. 298, S. 176
Schieber von Clarke, Chapman und Co.
Der in Form eines D-Schiebers ausgeführte Hauptschieber
besitzt zwei wagerechte cylindrische Kammern, in welche Fig. 28 ersichtliche
Kolben dampfdicht eingesetzt sind, die mit ihren äusseren Enden an einem direct mit
der Hauptschieberstange verbundenen Rahmen, jedoch ganz unabhängig vom
Hauptschieber, befestigt sind. Die Kammern haben Oeffnungen, welche durch nach
aufwärts führende, sich kreuzende Kanäle mit Oeffnungen in einem zweiten
Schieberspiegel in Verbindung stehen; von diesem führt ein centrischer Kanal nach
abwärts in die Auslassöffnung des Hauptschiebers. Auf dem letztgenannten
Schieberspiegel gleitet ein Hilfsschieber, welcher sich entgegengesetzt der Richtung
des Hauptschiebers bewegt. Die Spindel dieses Schiebers wird mit Hilfe einer
Hebelanordnung bethätigt, indem mit ihr verbundene Hebel durch die Hin- und
Herbewegung der Kolbenstange derart verstellt werden, dass sie den Haupt- und den
Hilfsschieber abwechselnd und nach entgegengesetzten Richtungen hin und her
schieben. Der Hilfsschieber hat eine ebene obere Gleitfläche, auf der ein in den
Schieberkastendeckel eingelassener und durch eine Feder und Stellschraube
angedrückter Block anliegt, wodurch gleichzeitig auch der Hauptschieber dicht auf
seine Cylindergleitfläche gedrückt wird. In letztere münden, wie Fig. 30 erkennen lässt,
ausser den Dampfkanälen noch zwei Hilfskanäle, durch welche eine geregelte
Dampfmenge in die Einströmkanäle eingelassen werden kann, sobald der Dampfzutritt in
diese durch den Hauptschieber abgesperrt ist. Zu dem Zwecke ist der Hauptschieber an
jener Seite, wo sich die Hilfskanäle befinden, so lang gemacht (Fig. 31), dass der eine
oder andere dieser Kanäle für den Dampfeintritt geöffnet wird, wenn der
entsprechende Hauptkanal durch den Hauptschieber geschlossen ist. Jeder Hilfskanal
steht mit einer Kammer in Verbindung, die ihrerseits wieder mit dem entsprechenden
Hauptkanal durch eine Bohrung verbunden ist, welche durch ein von aussen bethätigtes
Ventil (Fig. 29)
geöffnet und geschlossen werden kann.
Die Wirkungsweise ist folgende:
Angenommen, der Hauptschieber ist an dem rechtsseitigen Ende seines Weges und der
Kolben in der linksseitigen Endstellung angelangt, so wird der rechtsseitige
Hauptdampfkanal durch die Vertiefung in der Unterseite des Hauptschiebers mit dem
Hauptauslasskanal des Cylinders in Verbindung stehen, während der linksseitige
Dampfkanal Volldampf eintreten lässt. Während dieser Zeit sind die beiden Oeffnungen
auf der Oberseite des Hauptschiebers geschlossen. Bewegt sich nun der Arbeitskolben
von links nach rechts, so wird in einer gewissen Stellung die Stange des
Hauptschiebers durch die Wirkung eines Querstückes an dem mit der Kolbenstange durch
einen Träger verbundenen Hebel auf einen Anschlag der Stange den Hauptschieber nach
links zu bewegen beginnen, während sie sich selbst entgegengesetzt zum Kolben
bewegt, bis der Hauptschieber den Dampf vom linksseitigen Dampfkanal absperrt. Da
jedoch der in Verbindung mit dem Dampfkanal stehende Hilfskanal noch nicht
geschlossen ist, erhält der Kolben durch diesen eine regulirte Dampfmenge, deren
Grösse von der Stellung des entsprechenden Regulirventils abhängt. Während so der
Hauptschieber von rechts nach links in die erwähnte Stellung gebracht wird, bewegt
sich die Stange des Hilfsschiebers unter Wirkung eines Querstückes am anderen Hebel
auf einen Anschlag der Stange in entgegengesetzter Richtung zur Stange des
Hauptschiebers, bis sie den Hilfsschieber in eine solche Lage gebracht hat, dass er
die Bohrung der rechtsseitigen Kolbenkammer im Hauptschieber dem Dampf durch eine
Bohrung im Hilfsschieber öffnet, wodurch in diese Kammer frischer Dampf eingelassen
wird, während die linke Kolbenkammer dem centralen Auslasskanal mittels einer
Vertiefung in der Unterseite des Hilfsschiebers geöffnet wird. Der in dieser Kammer
befindliche Dampf kann dann durch den centralen Kanal nach abwärts in den
Hauptauslass treten, worauf der Hauptschieber durch die Wirkung des in die rechte
Kolbenkammer eingelassenen Dampfes von rechts nach links geschoben wird, bis der
centrale Kanal gegen die linke Kammer und der Frischdampf gegen die rechte Kammer
abgesperrt ist. Auf diese Weise wird der Hauptschieber schnell bis an das Ende
seines Weges und dadurch der linksseitige Hauptkanal in Verbindung mit dem Auslass
gebracht, der rechtsseitige Hauptkanal dagegen ganz gegen den Schieberkasten
geöffnet. Der Haupt- und Hilfsschieber befinden sich nunmehr in den bezüglich der
Abbildung (Fig. 28)
entgegengesetzten Stellungen, in welchen der Kolben seinen Rückgang von rechts nach
links vollführen kann. Der beschriebene Vorgang wiederholt sich bei jedem folgenden
Hub.
Textabbildung Bd. 298, S. 177
Fig. 32.Schiebersteuerung von Morley, Bradford und Holehouse.
Eine andere Schiebersteuerung für Zwillings-Dampfpumpen mit Hebelantrieb von der
Kolbenstange, die H. W. Morley, Bradford und T.
Holehouse in Chorlton-cum-Hardy unter Nr. 516 896 vom 22. Juni 1893 in
Nordamerika patentirt wurde, zeigt die Engineer
entnommene Abbildung (Fig. 32).
Die Schubstange F für den Schieberantrieb eines
Zylinders erhält eine aus den Bewegungen der beiden Kreuzköpfe C und C1 abgeleitete zusammengesetzte Bewegung, indem durch
drehbare Hülsen die Hebel D mit festem Drehpunkt und
E mit seinem Drehpunkt K auf D in Schwingungen versetzt werden, so
dass beide Bewegungen sich bei gleich gerichtetem Kolbenhube addiren, bei
entgegengesetzt gerichtetem subtrahiren, der Grundschieber also die Dampfwege
schnell öffnet und schliesst, dann aber nahezu stillsteht. Aehnlich wird F1 des zweiten
Cylinders durch den Arbeitskolben desselben und die Theile D1, E1 und K1 bewegt, nur mit dem Unterschiede, dass die beiden
Arme des Hebels D1
gleich gerichtet sind, also gleich gerichtete Kolbenbewegungen sich für F1 subtrahiren,
entgegengesetzt gerichtete sich addiren, wodurch der in Fig. 32 sichtbare Arbeitskolben als der voreilende bestimmt ist, so dass
die Pumpe aus jeder Kolbenstellung richtig angeht.
(Fortsetzung folgt.)