Titel: | Ueber Betrieb von Gasmaschinen mit Acetylen. |
Autor: | Adolph Frank |
Fundstelle: | Band 299, Jahrgang 1896, S. 70 |
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Ueber Betrieb von Gasmaschinen mit
Acetylen.Nach einem uns vom
Verfasser freundlichst übersandten Sonderabzug.
Von Dr. Adolph Frank,
Charlottenburg.
Ueber Betrieb von Gasmaschinen mit Acetylen.
In Nr. 35 und 36 des Journals für Gasbeleuchtung und
Wasserversorgung, 1895, gibt Regierungsbaumeister
und Docent an der technischen Hochschule A. v. Ihering in
Aachen
„über die Verwendung des Acetylens als Betriebsgas“ sehr interessante
Ausführungen, für welche er neben eigener Berechnung auch die von Geheimerath Prof.
Slaby gewonnenen Resultate heranzieht. Nach der
Ansicht des Referenten sind die so gewonnenen Schlüsse durchaus folgerichtig und
zutreffend, wogegen betreffs des chemisch-technischen Theiles der Frage einzelne
Momente noch zu erörtern wären. Der Referent weist darauf hin, dass in der letzten
Zeit in der Herstellung des Calciumcarbids bedeutende Fortschritte gemacht sind,
dass nicht nur die Elektrotechnischen Werke in Bitterfeld ein Product liefern,
welches 90 Proc. der theoretischen Ausbeute an Acetylen ergibt, sondern dass auch
die Fabrik in Neuhausen nach von ihr gegebenen Erklärungen dazu gelangt ist, ein
wesentlich besseres und gleichmässigeres Calciumcarbid herzustellen als früher, so
dass man auch dabei nicht mehr mit nur 50 Proc. Ausbeute zu rechnen braucht.
Referent hält es aber auch für zweifellos, dass bei Anwendung geeigneter billiger
Wasserkräfte und freier Concurrenz die Herstellung des Carbids bezieh. des Acetylens
auf den von v. Ihering bei seiner späteren Berechnung
zu Grunde gelegten Preis von etwa 90 M. für 1000 k Carbid gelingen wird. Gerade das
Calciumcarbid kann, soweit es die Umsetzung und Concentration von mechanischer
Energie in chemische gilt, als einer der vorzüglichsten und namentlich
transportfähigsten Kraftaccumulatoren bezeichnet werden und es wird deshalb auch
möglich sein, in dieser Form auch das Arbeitsproduct sehr entfernt liegender
Wasserkräfte der Industrie zugänglich zu machen.
Bezüglich der Ihering'schen Rechnungsgrundlage ist
Referent der Ansicht, dass diese eine wesentliche Abänderung erfordere, indem v. Ihering bei all seinen Calculationen von dem unter
einem Drucke von etwa 50 at zu einer Flüssigkeit von 0,451 spec. Gew. condensirten
Acetylen ausgeht. Abgesehen davon, dass zum Transport wie zur Aufbewahrung einer
unter so hohem Druck stehenden Flüssigkeit sehr starke und schwere Gefässe, welche
den Kohlensäurebomben im Gewicht wenig nachstehen dürften, nöthig sind, ist es auch
bei der Compression mit den Ausgaben für die berechnete Arbeit nicht allein gethan,
da die Rückführung, Reparatur und Controle der Transportgefässe sehr bedeutende
Summen verschlingen; schon aus diesen Gründen erscheine es vom chemisch-technischen
Standpunkte aus richtiger, speciell für Maschinenbetrieb nicht Acetylen in seiner
comprimirten flüssigen Form, sondern direct Calciumcarbid anzuwenden, welches
letztere man mit dem nöthigen theoretischen Vorbehalt als ein condensirtes festes
Acetylen bezeichnen dürfe.
Eine kurze Rechnung liefert die hierfür nöthige Begründung:
64 Th. CaC2 = 1 Aeq. Calciumcarbid liefern beim
Uebergiessen mit Wasser (2H2O): 26 Gew.-Th. Acetylen
(C2H2) und 74
Gew.-Th. Kalkhydrat (Ca[OH]2), welche für unsere
Zwecke nicht weiter in Betracht kommen.
100 k Calciumcarbid liefern hiernach 40,62 k Acetylen = 34,86 cbm bei atmosphärischem
Druck, da das Cubikmeter in diesem Falle 1,165 k wiegt. – Da nun 1 l flüssiges
Acetylengas nach Ansdell's Angaben bei 0° 0,451 g
wiegt, so würden die aus 100 k Carbid theoretisch gewinnbaren 40,62 k Acetylen einen
Raum einnehmen entsprechend \frac{40,62}{0,451}=90,06\mbox{ l},
während das zur Erzeugung dieser Menge dienende Calciumcarbid bei seinem
specifischen Gewicht von 2,22 nur einen Raum von 45,04 l einnimmt, also die Hälfte
desjenigen, welchen das daraus gewonnene comprimirte Acetylengas exclusive Umhüllung
bedarf. Diese scheinbar überraschende Thatsache erklärt sich einfach daraus, dass
die zur Acetylenbildung nöthigen 2 Volumen Wasserstoff dem Carbid erst durch
Hinzufügung von Wasser im Augenblicke der Zersetzung zugeführt werden.
Uebertragen wir nun diese auf Grund theoretischer Berechnung bei reinem Carbid
gewonnenen Zahlen auf ein technisch im Grossen erhältliches Product mit 90 Proc.
Ausbeute, so sind von letzterem für Gewinnung von 40,62 k Acetylen erforderlich 111
k Calciumcarbid, welche ein Volumen von 50 l einnehmen. Da Calciumcarbid bei seiner
Darstellung im feuerflüssigen Zustand aus dem Ofen kommt und in beliebige Formen
gegossen werden kann, so kann man für letzteres Formen wählen, welche eine
vollkommene Ausnutzung des Lagerraumes gestatten, und lassen sich die so
gewonnenen massiven Blöcke dann, wenn nöthig, durch leichte Blechemballagen vor dem
Zutritte von Luft und Feuchtigkeit schützen, während bei dem flüssigen comprimirten
Acetylen neben dem grösseren Volumen das Gewicht der Vorrathsgefässe weit mehr
betragen wird als das Mehrgewicht des Carbides.
Für die Entwickelung des Acetylengases aus Calciumcarbid sind complicirte Apparate
nicht erforderlich, da eine rasche complete Zersetzung des gröblich zerkleinerten
Carbides mit Wasser ebenso wenig Schwierigkeiten bietet, als die Entleerung der
hierbei in den Zersetzungsgefässen zurückbleibenden Kalkmilch. Die Bedenken, welche
früher bezüglich der angeblichen Giftigkeit des Acetylens gehegt wurden, haben sich
nach den vom Referenten und Dr. Weil angestellten
Versuchen als grundlos erwiesen, da kleinere Säugethiere in einer 4 Proc. Acetylen
enthaltenden Luft bis zu einer halben Stunde ohne nachtheilige Wirkung verweilen
konnten. Es würden daher kleine Mengen des Gases, welche aus den
Entwickelungsgefässen entweichen, die Bedienungsmannschaft nicht gefährden.
Macht man nun an Hand der Ihering-Slaby'schen Zahlen
über den Nutzeffect die Rechnung, wie sich für die Leistung einer 1000pferdigen
Schiffsmaschine für einen Zeitraum von 600 Stunden = 25 Tagen der Bedarf an Kohle,
flüssigem Acetylen und Calciumcarbid nach Gewicht und Volumen stellt, so gelangt man
zu folgenden Zahlen:
a) Kohle. Für 600000 -Stunden sind à 0,7 k
Steinkohle = 420000 k = 420 t Steinkohle erforderlich, welche gut geschichtet einen
Raum von 420 bis 430 cbm einnehmen.
b) Flüssiges Acetylen. Nach Ihering's und Slaby's übereinstimmenden
Angaben sind für grosse Maschinen 0,18 k für 1 -Stunde erforderlich, mithin
für 600000 -Stunden 108000 k = 108 t, für welche man bei dem bei 0°: 0,451
und bei 35,8°: 0,364 betragenden specifischen Gewicht mit Rücksicht auf die höhere
Temperatur des Schiffsraumes doch Gefässe von mindestens 270 bis 300 cbm Inhalt
haben müsste, die bei einem Druck von 50 und mehr Atmosphären absolute Sicherheit
bieten. Wenn nun v. Ihering die bisher in den Schiffen
als Dampfkessel benutzten Gefässe für die Aufbewahrung des flüssigen Acetylens
geeignet annimmt, so zeigt vorstehende Rechnung, dass dieselben sich hierzu weder
ihrem Rauminhalt noch ihrer Stärke nach eignen würden, und dass man für flüssiges
Acetylen eine grosse Anzahl stärkerer und schwerer construirter Gefässe haben
müsste.
c) Calciumcarbid. Um die für 1 -Stunde
erforderlichen 0,18 k Acetylen aus 90procentigem Calciumcarbid zu gewinnen, sind
erforderlich 492 g Carbid oder rund 0,5 k, mithin für 600000 -Stunden 300000
k = 300 t, welche bei einem specifischen Gewicht von 2,22 einen Raum von etwa 131
cbm erfordern, der sich selbst mit Hinzurechnung der zur Aufbewahrung und zum
Schütze der geschmolzenen Carbidblöcke dienenden Blechemballagen nur etwa auf 150
cbm erhöht.
Es stellt sich mithin das für Kraftversorgung einer 1000pferdigen Maschine während 25
Tagen nöthige Material
bei Primasteinkohle auf 420 t netto mit 420 cbm Raumbedarf,
bei comprimirtem Acetylen auf 108 t netto mit 280 cbm Raumbedarf
exclusive Gefässe,
bei Calciumcarbid auf 300 t netto und 135 cbm Raumbedarf.
Bei diesem Vergleich ist dann aber noch zu berücksichtigen, dass der bisherige
Dampfmaschinenbetrieb neben dem Kohlenvorrath eine bedeutende im Bau und Betrieb
kostspielige Kesselanlage erfordert und dass auch für das flüssige Acetylen grosse
Vorrathsgefässe nöthig sind, während bei Verwendung von Calciumcarbid nur wenige
einfache und leichte Apparate gebraucht würden.
Obgleich Laie im Schiffbau, möchte Referent doch glauben, dass die jetzt mit solchem
Eifer verfolgten Bestrebungen, namentlich Kriegsschiffe durch Anwendung sehr
wirksamer, concentrirter Brennstoffe, wie z.B. der neuerdings eingeführten
Erdölfeuerungen, für längere Fahrten zu befähigen, auch das Calciumcarbid dem
Interesse der Maschineningenieure bald näher rücken wird, um so mehr, als dessen
Benutzung ja für stationäre und locomobile Maschinen auf dem Lande gleichfalls
möglich ist und diese vom ausländischen Erdöl unabhängig macht.
Mögen solche Pläne, ebenso wie andere an die neue Gewinnungsmethode des Acetylens
geknüpfte, auch manchem als phantastische Zukunftsmusik erscheinen, so können sie
doch rasch Bedeutung gewinnen, sobald nur die nächstliegende Aufgabe einer billigen
Massenherstellung des Calciumcarbids einmal gelöst ist.