Titel: Rollen- und Kugellager.
Fundstelle: Band 299, Jahrgang 1896, S. 160
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Rollen- und Kugellager. (Vorhergehender Bericht 1893 288 * 249.) Mit Abbildungen. Rollen- und Kugellager. Das Bestreben, die gleitende Reibung zu verringern, hat schon vor längerer Zeit zur Verwendung von Rollen und Kugeln geführt; sind doch auch unsere gewöhnlichen Wagenräder weiter nichts, als Hilfsmittel, die gleitende Reibung in rollende zu verwandeln. Als ein von Alters her bekanntes Rollenlager führen wir die Rollen bei dem Verstellen der Hauben der Windmühlen an. Reichlichere Verwendung fanden die Frictionsrollen bei den Krahnen für schwere Hebezeuge, insbesondere für die drehbaren Hafenkrahne, deren Ständer von einer Kugellagerbüchse seine Führung erhielt. Noch häufiger machte sich die Verwendung von Rollen- und Kugellagern nothwendig bei der Einführung des Bessemer-Processes, bei dem mitunter ganz bedeutende Lasten zu heben und in gehobenem Zustande zu schwenken waren. Vor allem aber hatte die grosse Verbreitung der Fahrräder, der Velocipede, Einfluss auf die Ausbildung der Frictionsrollen und -kugeln. Der häufige Gebrauch der Frictionskugeln hatte zur Folge, dass sich Specialfabriken zur alleinigen Herstellung solcher Frictionskugeln bildeten, die mit Hilfe von Specialconstructionen einer ganzen Reihe von Arbeitsmaschinen im Stande waren, Frictionskugeln von äusserster Vollendung, sowohl bezüglich des Materials als auch der Form und gleichmässiger Grösse herzustellen. Wir werden auf diese Fabrikation noch zurückkommen. Was die Form der Frictionskörper anbetrifft, so können wir drei Systeme unterscheiden: 1) die cylindrische Form, 2) die konische Form, 3) die Kugel. – Combinationen dieser drei Formen finden sich vielfach mit gutem Erfolge verwendet. Einige hervorragende Formen von Rollenlagern mit cylindrischen Rollen haben wir 1893 288 * 249 mitgetheilt, wir erwähnen hier noch folgende: Textabbildung Bd. 299, S. 160 Fig. 1.Rollenlager von Purdon, Walters und Woodcock. Das Rollenlager von Purdon, Walters in Westminster und Woodcock in West-Noorwood, England (D. R. P. Nr. 68223 vom 15. Juni 1892), Fig. 1. Die gleitende Reibung der einander berührenden Rollkörper wird dadurch verhindert, dass zwischen die cylindrischen oder doppelkonischen Zapfen h der Walzen f, auf welchen die Zapfen a unvermittelt oder mittels des aufgezogenen Ringes b laufen, Zwischenrollen g eingeschaltet sind. Diese wälzen sich auf besonderen, durch die Cylinder i gebildeten Bahnen ab. Rollenführer in Rollenlagern von John W. Hyatt in Newark (Amerikanisches Patent Nr. 506692 vom 2. November 1892), Fig. 2. Zwischen den lose in einer Lagermetallbüchse c angeordneten Rollen b sind einander gegenüber zwei Führungsplatten d1 angebracht, welche unter einander fest mit einem Joche e1 verbunden sind. Textabbildung Bd. 299, S. 160 Fig. 2.Rollenlager von Hyatt. O. Donner bildet nach dem D. R. P. Nr. 75240 die Rollenlager mit elastischen hohlen Rollen aus und erreicht damit eine federnde Stützung des Zapfens. Textabbildung Bd. 299, S. 160 Fig. 3.Berkley's Rollenlager. J. Berkley in Newcastle-on-Tyne gibt den Rollen die in Fig. 3 dargestellte Form und erreicht dadurch, dass die Unterstützungsstellen etwas aus einander rücken und sich der Druck mehr auf die Endpunkte der Zapfen vertheilt. Der Erfinder verwendet diese Rollenlager vorzugsweise für Radbüchsen. Die Kegelrollenlager finden zur Zeit hauptsächlich Verwendung für die Betriebswellen der Schraubenschiffe; sie haben sich zur Aufnahme des Längenschubes vorzüglich bewährt. Ein solches Lager ist von F. Flannery und S. Terry in London angegeben (Fig. 4). Die Welle a hat angedrehte Bunde a1 mit schrägen Laufflächen. Gegen diese legen sich die konischen Rollen b, welche in den Rahmen cc1 drehbar gelagert sind. Jeder Rahmen cc1 ist zweitheilig und wird durch die Schrauben c2 zusammengehalten. Es sind doppelt so viel Rahmen da, als Bunde a1. Die Schmierung der Rollen bb1 und der Laufflächen a1 ist durch grosse Schmiergefässe d mit Schmierlöchern d1 gesichert. Die Welle a selbst läuft lose im Gehäuse des Lagers. Textabbildung Bd. 299, S. 160 Fig. 4.Kegelrollenlager von Flannery und Terry. Kegelrollen von einfacher Form hat G. L. Brownell in Worcester bei einer Bohrmaschinenspindel benutzt, deren unteres Ende in Fig. 5 und 6 dargestellt ist. Es bedeutet in denselben a das zu einem Flansche erweiterte untere Ende der Bohrspindel, b die zum Andrücken dienende Büchse, c eine Kapsel zur Einhüllung des Rollenrahmens f für die Kegelrollen e, und d ein Paar Ringe, welche einerseits mit der Kapsel c an der Spindel a und andererseits an der Büchse b befestigt sind. Zwischen den Kegelrollen e und der Spindel a ist ein kleiner Spielraum gelassen, so dass die Rollen sich frei mit dem Rahmen verschieben können. In Folge ihrer Kegelgestalt stellen sie sich stets an der richtigen Stelle ein. Die Kapsel c dient gleichzeitig zum Auffangen der Schmiere, die daher auch die Kegelrollen e gehörig einfettet. Textabbildung Bd. 299, S. 160 Kegelrollen von Brownell. Eine dieser ähnliche Kegelrolleneinrichtung hat einen doppelten Kranz von konischen Rollen, so dass sie den Achsendruck nach beiden Längsrichtungen übertragen kann. Die Kegelrollen dieser Art haben bereits vielfache Anwendung bei Wasserradzapfen, Mühlenspindeln, Hebewerken und Schneckenwellen gefunden und bewähren sich gut. Bei weitem häufiger als cylindrische und konische Rollen haben die Kugeln zur Vermeidung der gleitenden Reibung Verwendung gefunden. Während nun die Rollen die Unterstützung in zwei berührenden Linien gestatten, bieten die Kugeln dem zu übertragenden Drucke nur je zwei Punkte. Da aber die Kugel mit einem sie schneidenden, in derselben Mittellinie liegenden Kegel oder Cylinder zwei Durchschnittsebenen haben kann, so steht nichts im Wege, je zwei solcher Schnitte zu benutzen und somit der Kugel vier Berührungspunkte zu ertheilen, wie dies in der Fig. 7 angedeutet ist. Es ist bei derselben C der Drehpunkt des Systems, K die in dem Frictionslager eingeschlossene Tragrolle, CA1B1AB der in die Frictionskugel gelegte Kegel. Wählt man die Grössenverhältnisse so, dass CA : CB = AA1 : BB1 ist, so liegen die Punkte AA1 und BB1 in einem Kegelmantel, oder (bei C = ∞) in einem Cylindermantel; die Abwickelung erfolgt dann bekanntlich ohne gleitende Reibung. Aus praktischen Gründen wird die Entfernung von C thunlichst gross genommen werden, um die Seitendrücke mässig zu halten. Auch wird man die Ecke bei W zweckmässig wie angedeutet gestalten, um scharf eingeschnittene Stellen zu vermeiden. Textabbildung Bd. 299, S. 161 Fig. 7.Form der Rollenrinne. Es ist unzweifelhaft, dass bei sorgfältiger Beachtung derjenigen kleinen Umstände, welche die Vermeidung jeder unnöthigen Reibung anstreben, der Gebrauch der Frictionskugeln, insbesondere bei dem Bau grösserer Maschinen, sich erheblich vermehren wird. Textabbildung Bd. 299, S. 161 Fig. 8.Rollkugelspurlager der Holler'schen Carlshütte. Bedenklich muss aber das Spurlager mit zwei beständig sich berührenden Rollkugeln und nach aussen convergirenden Laufflächen (Patent der Actiengesellschaft der Holler'schen Carlshütte in Rendsburg) erscheinen. Bei demselben sind zwei sich berührende Rollkugeln AA (Fig. 8) zwischen der Endfläche des umlaufenden Körpers B und der Spurpfannefläche C gelagert; die vorgenannten Flächen convergiren in der Weise gegen einander, dass die Kugeln jede der Flächen nur in einem Punkte berühren und gegen Hinausschleudern aus dem Lager gesichert sind. – Es entsteht bei demselben in der Richtung der Pfeile ein erheblicher Druck an der Berührungsstelle, wodurch entweder hier oder an einer anderen Stelle unbedingt Reibungsverluste entstehen. Textabbildung Bd. 299, S. 161 Fig. 9.Kugellager von Badger. W. Badger in London gibt nach D. R. P. Nr. 79180 seinem mehrreihigen Kugellager auswechselbare Laufflächen. Die Ringe d (Fig. 9), welche die Kugelbahnen bilden, sind mit äusserem Gewinde versehen, so dass sie durch Einschrauben in den Lagerkörper eingebracht und nach Bedarf daselbst verstellt oder ausgewechselt werden können. Nach D. R. P. Nr. 69613 macht P. Davies in London die Kugeln in der Richtung der Achse verstellbar. Zu dem Zwecke ist die Achse mit Laufringen a (Fig. 10) für die Kugeln h versehen und sind die in der Nabe liegenden Lagertheile durch die verstellbaren Endplatten b in der Längsrichtung verschiebbar, so dass neue, noch keinen Verschleiss zeigende Stellen der Laufringe in Gebrauch genommen werden können. Textabbildung Bd. 299, S. 161 Fig. 10.Davies' Kugellager. A. Behr in Cöthen ordnet Kugelstützlager mit sich drehenden Zwischenscheiben an (D. R. P. Nr. 70071), wie Fig. 11 zeigt. Die Drehscheiben sind mehrfach vorhanden, um die Drehgeschwindigkeit der einzelnen Scheiben allmählich zu verringern und sowohl eine geringere gegenseitige Geschwindigkeit als auch eine geringere Abnutzung zu erzielen. Textabbildung Bd. 299, S. 161 Fig. 11.Behr's Kugelstützlager. G. F. Simonds in Fitschbury wendet nach dem D. R. P. Nr. 68201 frei bewegliche Gestelle an, zwischen welchen er die Kugeln lagert; für Tragzapfen besteht das Gestell aus einem mit Schlitzen versehenen korbförmigen Ring, für Stützzapfen dagegen aus mit Löchern versehenen Platten; für Tragzapfen oder ebene oder gewölbte Gleitflächen werden Drähte so angeordnet, dass die Kugeln zwischen die Drähte durch Ausfedern derselben eingebracht werden können. Aehnlich lagert Simonds nach D. R. P. Nr. 70564 die Kugeln in einer konischen Blechdose, wie Fig. 12 zeigt. Textabbildung Bd. 299, S. 161 Fig. 12.Simonds' Gestelle für Rollenlager. Eine Verwendung des Kugelrollenlagers sei hier erwähnt, die von Hetherington in Manchester angegeben ist und die bezweckt, den Längsschub in Wellenleitungen unschädlich zu machen. Sie besteht darin, zwischen Lagerschale und Stellring einen Ring von Kugeln einzuschalten. Die äusserst einfache Einrichtung wird durch Fig. 13 vollständig dargestellt. Einige Anwendungen auf Einzelfälle mögen noch nachstehende Trolley-Rollen erläutern. Textabbildung Bd. 299, S. 161 Fig. 13.Kugelrollenlager von Hetherington. Das Kugellager für Seilbahnrollen von James W. Howard in Denver (Amerikanisches Patent Nr. 526013), Fig. 14 bis 16, ruht in der an der Tragstange befindlichen Gabel a und besteht aus einem zweitheiligen kugeligen Körper ee1, welcher durch einen Bolzen gehalten wird. Der Umfang dieses Körpers bildet die innere Rollfläche für Kugeln d des Lagers. Die äusseren und seitlichen Rollflächen für die Kugeln befinden sich in der axial getheilten Rolle cc1. Die Plattenfedern b erhalten die Rolle cc1 in ihrer richtigen Lage. In der Rolle cc1 ist eine besondere Oelkammer von rechteckigem Querschnitt zur Sicherung der Schmierung vorgesehen. Die beschriebene Anordnung lässt sich auch auf Stehlager nach Fig. 16 anwenden. Nur versieht man dann die Kugel mit einem Bunde, um zu verhindern, dass die beiden Reihen von Kugeln einander berühren. Textabbildung Bd. 299, S. 162 Kugellager für Seilbahnrollen von Howard. Bei der Kugel-Trolley-Rolle von Charles E. Bostwick in Du Bois (Amerikanisches Patent Nr. 522550) ist die Rolle d (Fig. 17) ausgebüchst. Die Büchse c ist durch Schrauben d1 an der Rolle d festgemacht und hierzu an einem Ende mit einer Flansche versehen, das offene Ende der hohlen Büchse wird durch den Deckel c1 verschlossen. Die Büchse wird von der Achse a durchquert; diese hat zwei angedrehte oder besonders aufgesetzte Laufränder a1. Zwischen den Laufrändern a1 und der Innenwandung der Büchse c rollen die Kugeln b. Eine getheilte Gabel, deren loser Theil e1 durch die Schrauben f festgehalten wird, hält die Rollenachse a fest. Ueber Versuche mit Rollenlagern theilt Simonds in Bd. 136 des Journ. Frankl. Inst. Nachfolgendes mit: Die Versuche ergaben, dass die Reibung nicht 1/13 der Reibung bei Lagern der gewöhnlichen Art, selbst bei bester Ausführung derselben, beträgt. Die Welle einer zu den Versuchen besonders eingerichteten Maschine hatte 2⅛ Zoll (54 mm) Durchmesser, die Kugeln ⅜ Zoll (9,525 mm). Die erste Versuchsreihe ergab als grösste erreichbare Geschwindigkeit bei gewöhnlichen Lagern unter 200 Pfund (90,7 k) Druck 1000 Umdrehungen, wobei sich das Lager mehr als zulässig erhitzte. Ein Kugellager für dieselbe Welle und bei 2800 Pfund Druck zeigte keine Erhitzung. Bei der zweiten Versuchsreihe wurden Kugellager derselben Grösse verwendet. Die Umdrehungszahl wurde auf 2600 in der Minute erhöht. Es ergab sich, dass hiermit der Reibungswiderstand nicht wahrnehmbar zunahm. Ein Versuch, um die Widerstandsfähigkeit der Stahlkugeln festzustellen, ergab, dass drei Rollen von ⅜ Zoll Durchmesser einem Druck von 175000 Pfund, also 58000 Pfund für jeden Ball, ohne Unzuträglichkeit widerstanden. Bei dem Drucke zwischen zwei Fig. 17. parallelen gehärteten und ebenen Platten von Stahl widerstand jede Kugel einem Drucke von 2500 Pfund. Textabbildung Bd. 299, S. 162 Fig. 17.Kugel-Trolley-Rolle von Bostwick. Nach Stapfer's Angaben haben die gehärteten Stahlkugeln nachstehende Widerstandskraft gegen Druck gezeigt: Durchmesser Druck   3 mm     500 k 10 mm   6000 k 20 mm 24000 k 30 mm 50000 k Von den angegebenen Zahlen benutzt man gewöhnlich nur ⅛ für die praktische Verwendung der Kugeln. Als Grösse der Kugeln für starken Druck gibt Simonds an, sie zu ⅔ des Wellendurchmessers zu bemessen. Nach Tyler ist der Widerstand der Kugelrollenlager proportional der Belastung und umgekehrt proportional dem Durchmesser der Rollen. Er schätzt den Widerstand auf 1/30 der gleitenden Reibung und führt Wellen an, die bei 30000 Umdrehungen im Rollenlager keine Erhitzung zeigten, und empfiehlt, nicht unter 10 und nicht über 20 Rollen in jedem Rollenkranz zu verwenden. Zuverlässige Mittheilungen über die Herstellung der Kugeln für die Rollenlager fehlen zur Zeit noch. Als Material wird meistens Gusstahl oder Werkzeugstahl oder Bessemer-Stahl mit 0,1 Proc. Kohlenstoff genommen, seltener sind Bronzekugeln in Verwendung. Die Kugeln werden auf Specialdrehbänken verschiedenster Einrichtung aus Rundstahl vorgedreht, gehärtet, mit Englischroth polirt und bis auf 1/1000 Zoll (0,025 mm) genau sortirt. Textabbildung Bd. 299, S. 162 Fig. 18.Kugeln für Schrauben. Die Verwendung der Kugeln zur Beseitigung der gleitenden Reibung bei Schrauben ist 1891 281 168 angedeutet. Eine Ausführung von Ch. A. Lieb stellt Fig. 18 dar. Dieser Mechanismus wird neuerdings gern bei elektrischen Aufzügen verwendet. Die Reibung soll so gering sein, dass bei senkrechter Stellung der Schraubenspindel der Mechanismus sich durch sein eigenes Gewicht abwärts bewegt.