Titel: | Ueber die Weiterentwickelung der Dampfmaschine. |
Fundstelle: | Band 299, Jahrgang 1896, S. 265 |
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Ueber die Weiterentwickelung der
Dampfmaschine.
(Schluss der Abhandlung S. 241 d. Bd.)
Ueber die Weiterentwickelung der Dampfmaschine.
Man spricht häufig von einer Heizung des expandirenden Dampfes durch den Dampfmantel,
und doch ist leicht nachweisbar, dass hier von einer nennenswerthen Wärmezufuhr zum
Betriebsdampfe nicht die Rede sein kann. Andererseits ist es auffällig, dass die
Expansionscurve des Dampfes sowohl bei ungeheizten als bei geheizten Cylindern sich
über die Mariotte'sche Linie erhebt, und man schreibt
die Hauptursache dieser Erscheinung der Einwirkung der Cylinderwand zu. Wiederum ist
es leicht nachweisbar, dass die Cylinderwand in der kurzen Dauer einer Hubperiode
gar nicht so viel Wärme aufzuspeichern vermag, als nöthig wäre, um die
Expansionscurve so stark zu heben, und wir stehen hier anscheinend vor einem
Räthsel.
Zur Klarstellung der Sache muss ich zunächst auf die drei hauptsächlichsten Curven
hinweisen, nach denen die Expansion des Dampfes im Cylinder möglicher Weise
stattfinden kann.
Da ist zunächst die adiabatische Curve, welche entsteht, wenn der Dampf ohne
Zuleitung von Wärme sich arbeitverrichtend ausdehnt. Die Gesammtwärme des Dampfes
von niedrigerem Druck ist bekanntlich geringer als diejenige des Dampfes von höherer
Spannung. Während also der Dampfdruck bei der Expansion sinkt, wird ein Theil dieser
Wärme frei. Andererseits leistet der Dampf aber Arbeit. Das Wärmeäquivalent dieser
mechanischen Arbeit ist beim Wasserdampf nun grösser als die frei werdende Wärme,
und das Deficit kann nur dadurch gedeckt werden, dass ein Theil des Dampfes sich
condensirt, also die grosse Dampfwärme frei macht. Daher wird der Wasserdampf bei
der Expansion nach der adiabatischen Curve immer nässer, je weiter die Expansion
fortschreitet. Beim Aether ist das erwähnte Verhältniss zwischen der frei werdenden
Wärme und der Arbeitsleistung ein umgekehrtes. Wenn Aetherdampf adiabatisch
expandirt, so überhitzt er sich.
Denkt man sich dem Wasserdampfe während der Expansion so viel Wärme zugeführt, dass
keine Condensation entsteht, sondern der Dampf beständig trocken und gesättigt
bleibt, so entsteht die Grenzcurve oder eine Curve constanter Dampfmenge, und, wenn
wir die Wärmezufuhr weiter vergrössern, so kann eine gleichseitige Hyperbel
entstehen. Das ist die Mariotte'sche Linie.
Bei der Expansion des ursprünglich trockenen gesättigten Dampfes unterhalb der
Grenzcurve findet also Condensation statt, bei der Expansion oberhalb der Grenzcurve
dagegen Ueberhitzung. Also auch während der Expansion nach der Mariotte'schen Curve müsste anfangs trockener
gesättigter Dampf sich überhitzen.
Wir haben aber im Cylinder der Dampfmaschine, ohne dass Ueberhitzung einträte,
eine Expansionscurve, welche die Mariotte'sche Linie
noch übersteigt.
Bei Maschinen ohne Dampfmantel verläuft die Curve zunächst unterhalb der Mariotte'schen Linie, erhebt sich aber im Verlaufe der
Expansion über dieselbe. Bei Maschinen mit Mantel verbleibt die Curve von Anfang an
oberhalb der Mariotte'schen Linie.
Ermitteln wir einmal, welche Wärmemenge nöthig ist, um die Expansion von der
adiabatischen Curve nur bis zur Grenzcurve zu verlegen.
Es mögen die gleichen Verhältnisse wie in dem letzterwähnten Beispiele angenommen
werden, also ein Druck von 7,7824 k vor und von 1 at nach der Expansion.
Die Expansionsarbeit für die Grenzcurve ist (s. Zeuner, T.
Th., Bd. 2 S. 97):
Le=
15,48 (p1v1 – pv) . . . . . . (7)
Le= 15,48 (19263 – 17057)
= 34149 mk
die Expansionsarbeit der Adiabate da- gegen (s. oben)
= 30464 „
––––––––––
die Mehrleistung also
3685 mk
––––––––––
auf eine Gesammtleistung (s. oben) von
34501 mk
Die während der Expansion auf der Grenzcurve zuzuführende Wärmemenge ist (s. Zeuner, T. Th., Bd. 2 S. 101):
Q = (q + ϱ) – (q1+ ϱ1) + AL
Q=(170,322+442,225)-(100,5+496,3)+\frac{34149}{424}=96,32\mbox{
Cal.}
Es muss also der Wärmeaufwand um 14,6 Proc. vergrössert werden, während die
mechanische Arbeit nur um 10,7 Proc. wächst. Die Mantelheizung hat also direct
schädlich gewirkt. Ferner geht aber auch aus der Rechnung hervor, dass der
Wärmeaufwand für die Mantelheizung ein ganz ungeheurer sein müsste, wenn die
Expansionscurve auch nur die Grenzcurve erreichen soll; denn wie nachgewiesen,
müsste durch den Mantel der siebente Theil derjenigen Wärme in den Cylinder
eintreten, welche die gesammte Kesselfeuerung erzeugt. Das ist undenkbar. Wollte man
andererseits die Wirkung derjenigen Wärme, die thatsächlich durch den Mantel geht,
als Veränderung der adiabatischen Curve veranschaulichen, so würde diese Abweichung
in einer Diagrammzeichnung von üblicher Grösse noch kaum erkennbar sein.
Woher stammt denn nun die grosse Abweichung von der adiabatischen Curve, und woher
kommt es, dass die Mantelheizung bei den ausgeführten Anlagen thatsächliche und zum
Theil recht erhebliche Vortheile ergibt?
ZeunerTechn. Thermodynamik, Bd. 2 S. 94
ff. sucht für die Abweichung der Curve eine Erklärung darin
zu finden, dass der Dampf im Cylinder eine nicht umkehrbare Zustandsänderung
durchmacht.
Dafür gibt es aber nicht den geringsten Anhalt. Die Kolbengeschwindigkeit ist
keineswegs so gross, dass der Druck am Kolben geringer sein könnte, als am
Cylinderdeckel. Auch an einer verkehrten Anzeige des Indicators, etwa einem
Nacheilen des Indicatorkolbens, kann es nicht liegen, sonst müsste zwischen der
indicirten und der effectiven Arbeit ein Missverhältniss sein; auch ist ein solches
Nacheilen des Indicatorkolbens bei grossen langsam laufenden Maschinen, die doch
auch die Abweichung der Curve zeigen, nicht anzunehmen.
Es ist nur noch eine Ursache denkbar, in Folge deren die Expansionscurve flacher
verlaufen könnte als die Adiabate, nämlich der Wassergehalt des Dampfes. Nun kann
der in den Cylinder eintretende Dampf ja einen gewissen Procentsatz Wasser
mitführen; aber die Expansionscurve würde, etwa durch 5 Proc. oder 10 Proc.
Wassergehalt, noch nicht wesentlich beeinflusst werden. Erst wenn der Wassergehalt
etwa 50 Proc. beträgt, wird die Dampfmenge nach der Expansion ungefähr ebenso gross
sein wie zu Anfang derselben, und erst bei noch grösserem Wassergehalt wird die Mariotte'sche Linie überschritten. Wenn nun auch ein so
grosser Wassergehalt im Dampfe nicht vorkommt, so genügt doch das Vorhandensein
einer dem Volumen nach ganz geringen Wassermenge im
Cylinder vor Eintritt des Dampfes, um den Verlauf der Expansionscurve, wie wir ihn
in den ausgeführten Maschinen beobachten, zu erklären.
Es ist bekannt, dass man die Cylinder, auch die geheizten, durch Sicherheitsventile
gegen Wasserschlag schützt. Das Vorhandensein einer gewissen Wassermenge im Cylinder
kann überhaupt als unzweifelhaft vorausgesetzt werden.
Man denke sich einen Cylinder von 900 l Inhalt mit einer Füllung von 240 l. Dann wird
bei Schluss des Einlassventils bei 8 at Spannung gerade 1 k Dampf hinter dem Kolben
enthalten sein. Ist nun im schädlichen Raume, also in einem Raume von etwa 50 l, nur
ein Liter Wasser vorhanden, so ist dessen Gewicht
schon dem Gewichte der ganzen Dampffüllung gleich, und diese mehr oder weniger
zusammenhängende Wassermenge wird sich fast genau so verhalten, als ob das gleiche
Wassergewicht in dem Dampfe in Nebelform vertheilt sein würde.
Es ist also das entscheidende Gewicht auf das im Cylinder bei Eintritt des Dampfes
bereits vorhandene Wasser zu legen.
Sind z.B. in dem erwähnten Cylinder 2 l Wasser von 100° C. vorhanden, und würde man
nun 1 k Dampf von 8 at in den Cylinder eintreten lassen, so müssten von der
Gesammtwärme dieses Dampfes von 658 Cal. 143 Cal. aufgewendet werden, um die 2 l
Wasser bis auf 170° C. zu erwärmen. Von dem eintretenden Dampfe gehen also 22 Proc.
verloren, welche die gleiche Füllung mehr erfordert, und die Expansionscurve wird so
verlaufen, als ob der Dampf 74 Proc. Wasser enthielte.
Die Erhitzung des eingeschlossenen Wassers wird mit grosser Schnelligkeit geschehen,
weil an die Stelle des condensirten Dampfes beständig frischer Dampf tritt. Bei der
schnell erfolgenden Expansion des Dampfes versiedet ein Theil des Wassers
explosionsartig, daher der nicht ganz regelmässige Verlauf der Expansionscurve.
Durch dieses Versieden des Wassers erscheint die anfänglich bei hohem Druck
verschwundene Dampfmenge bei niedrigerem Druck wieder, und es wird so nur ein
kleinerer Theil der verlorenen Kraft wiedergewonnen.
Jede Wasseransammlung im Cylinder wirkt also
kraftvernichtend. Die Wasseransammlung entsteht bei ungeheizten Cylindern
leicht in Folge der Condensation an den kühleren Wänden. Aber auch bei geheizten
Cylindern muss man annehmen, dass sich beständig geringe Wassermengen in Folge
Ausschleuderns aus dem mehr oder weniger nassen Dampfe beim Eintritt ausscheiden.
Von jeder so ausgeschiedenen kleinen Wassermenge verdampft während der Admission
nichts und während der Expansion nur ein Theil, so dass nach Verlauf einiger Zeit
sich eine ständige Wasseransammlung auch in einem mit Betriebsdampf geheizten
Cylinder bilden wird.
Der ganze Unterschied in dem Verhalten des Dampfes in Cylindern mit und ohne
Dampfmantel liegt anscheinend darin, dass in den ungeheizten Cylindern die Erhitzung
der übrigens grösseren Wassermenge nach Schluss des Dampfeintrittes noch fortdauert,
das Versieden also erst während der Expansion beginnt, während die Erhitzung dieses
Wassers bei den mit Betriebsdampf geheizten Cylindern schon vor Ventilschluss
beendet ist.
Hinsichtlich des Einflusses der Cylinderwand ist die geringe specifische Wärme des
Eisens = 0,114 zu berücksichtigen; hauptsächlich aber der Umstand, dass die mittlere
Temperaturschwankung in der Cylinderwand eine sehr geringe ist im Vergleich zur
Temperaturschwankung des im Cylinder enthaltenen Wassers. Als Beweis kann auch
gelten, dass der Einfluss der Cylinderwand bei überhitztem Dampf und bei
atmosphärischer Luft ein sehr geringer ist, obgleich bei beiden die
Temperaturdifferenzen bei der adiabatischen Zustandsänderung viel grosser sind als
beim gesättigten Wasserdampfe. Es erscheint somit der Einfluss des Wassers im
Cylinder der Dampfmaschine grosser als der Einfluss der Cylinderwand und ersterer
als eigentliche Ursache des erheblichen Abweichens der Expansionslinie von der
Adiabate.
Ganz besonders verursacht das Wasser auch einen Kraftverlust bei der Compression;
denn die Compressionscurve verläuft in Folge der vermehrten Condensation sehr flach
und, damit die nöthige Druckhöhe erreicht werde, muss die Compression früher
beginnen, als es ohne Wasseransammlung erforderlich sein würde. Die Fläche, welche
die Compressionscurve umschliesst, vergrössert sich also, je mehr Wasser im Cylinder
vorhanden ist, ohne dass doch mit dem vermehrten Kraftaufwande auch eine
entsprechend vermehrte Kraftaufspeicherung verbunden wäre.
In Folge der Mantelheizung mit Betriebsdampf sind gegenüber den Maschinen ohne
Dampfmantel recht erhebliche Ersparnisse an Dampf erreicht worden, bei
eincylindrigen Auspuffmaschinen bis zu 35 Proc. Da aber auch die Expansionscurve der
Maschinen mit Mantelheizung immer noch das Vorhandensein von Wasser im Cylinder und
somit dessen schädlichen Einfluss beweist, so sollte demnach, um weitere Ersparnisse
zu erreichen, dahin gestrebt werden, Wasseransammlungen im Cylinder gänzlich zu
beseitigen, und das kann am richtigsten geschehen, wenn man den Mantel, der
natürlich auch die Cylinderdeckel umfassen muss, aus einem besonderen kleinen
Hilfskessel mit Dampf von etwas höherer Spannung heizt, als sie der Betriebsdampf
besitzt. Das im Cylinder tropfbar flüssig vorhandene Wasser wird dann fortdauernd
versieden und dadurch entfernt werden. Damit nun nicht neues Wasser mit dem
eintretenden Dampfe ausgeschieden werde, müsste dieser durch einen gleichfalls aus dem
Hilfskessel geheizten Ueberhitzer um wenige Grad überhitzt werden, nicht zu dem
Zwecke, das Volumen zu vergrössern, was bei grossen Maschinen, wie nachgewiesen,
nutzlos sein würde, sondern lediglich zu dem Zwecke, den Dampf zu trocknen. Die
Benutzung eines Hilfskessels zum Ueberhitzen empfiehlt sich besonders deshalb, weil
der Wärmedurchgang von den Verbrennungsgasen direct zum Dampfe unvortheilhaft ist
oder doch eine sehr grosse Heizfläche erfordern würde.
Eine Heizung der Receiver erscheint schädlich, wie jede Wärmezufuhr zum expandirenden
Dampfe. Die Wasserabscheidung in den Receivern ist wegen der geringen
Druckschwankungen im Receiver dagegen unschädlich und sogar nothwendig, damit der
Dampf nicht mit zu grossem Wassergehalt in die Niederdruckcylinder eintritt.
Es würde noch die Frage zu erörtern sein, ob man letztere mit Dampf von höherer
Spannung, mit Betriebsdampf oder mit Dampf aus dem Receiver heizen soll. Der den
Niederdruckcylindern zuströmende Dampf ist auf alle Fälle nass. Die Heizung muss nun
dauernde compacte Wasseransammlungen verhindern, ohne dem Dampfe eine erhebliche
Wärmemenge zuzuführen.
Vielleicht würde es sich empfehlen, die Mitte des Cylinders, also den Mantel im
mathematischen Sinne mit Dampf aus dem Receiver, die Deckel dagegen mit
Betriebsdampf zu heizen. Vielleicht empfiehlt es sich mehr, den ganzen Mantel des
Niederdruckcylinders mit gedrosseltem Dampf zu heizen von einer Spannung, welche
zwischen dem Druck im Receiver und der Kesselspannung liegt.
Rechnerisch lässt sich der Sache nur schwer beikommen, aber der praktische Versuch
kann hier noch viel Nutzen schaffen, sobald man das zu erstrebende Ziel: Entfernung
des Wassers ohne Heizung des Dampfes, nicht aus den Augen verliert.
Was nun den der Wasserdampfmaschine eigenthümlichen Verlust in Folge ungenügender
Expansion anbelangt, so ist dessen Beseitigung nur bei Verwendung anderer
Flüssigkeiten möglich. Nehme ich als Maass für die Expansion das Volumen des
gesättigten Dampfes bei den verschiedenen Drucken an, so liegt bei der heutigen
Condensationsdampfmaschine zwischen den Drucken 10,26 k = 180° C. und 0,6 k
eine 14,4fache Expansion vor. Bei 0,6 k ist die Temperatur des Dampfes aber noch
85,5° C. Wollte man nun die Expansion zu einer vollkommenen machen bis 30° C. oder
einer Dampfspannung von 0,043 k herunter, so müsste man eine 174fache Expansion
anwenden, was unmöglich ist, da man schon heute an den Grenzen des Möglichen bezieh.
praktisch Erlaubten angelangt ist. Setzt man für den Hubraum einer heutigen
Condensationsdampfmaschine die Zahl 100, so würde man für den Hubraum einer
Wasserdampfmaschine mit vollkommener Expansion die Zahl 1011 erhalten.
In nachstehender Tabelle sind vier Flüssigkeiten aufgeführt, welche als Ersatz für
das Wasser benutzt werden können. Bei diesen Flüssigkeiten verbietet sich eine
Heizung mit directem Feuer. Die Kessel müssten vielmehr mit Wasserdampf aus einer
Kesselanlage geheizt werden, die in einem Nebengebäude, oder doch völlig getrennt
von dem die brennbare Flüssigkeit enthaltenden Kessel, aufgestellt ist. Es wird
hierdurch ein gewisser, wenn auch nicht erheblicher Wärmeverlust entstehen. Als
höchste Temperatur für den Kessel mit secundärer Heizung möge 180° C. angenommen
werden.
Textabbildung Bd. 299, S. 267
Gewicht der Flüssigkeit; Expansion;
Hubraum den Hubraum einer Condens-Wasser-Dampfmaschine mit Expansion; Wasser;
Aether; Aceton; Chlorkohlenstoff; Schwefelkohlenstoff; Wasser und Aether; Wasser
und schwefl. Säure; Wasser und Ammoniak
Beim Aether ist der Druck sehr hoch, etwa 37 k, doch hindert dieses die Ausführung
der Maschine nicht wesentlich, weil man einen secundär geheizten Kessel doch
vorzugsweise als Röhrenkessel construiren wird. Die Expansion ist 40fach, also auch
bedeutend grösser als bei einer heutigen Dampfmaschine; aber auch dieser Uebelstand
fällt nicht weiter ins Gewicht; denn die Aetherdampfmaschine beansprucht trotzdem
nur einen Hubraum von 54, wenn der Hubraum einer heutigen Condensationsdampfmaschine
von gleicher Cylinderzahl zu 100 angenommen wird.
Dieses Verhältniss der Hubräume kann wie folgt gefunden werden. Die Erzeugung des
Wasserdampfes von 180° C. erfordert 661,4 Cal. oder, da man die Temperatur des
Speisewassers mit 30° C. annehmen kann, 631,4 Cal. Aether dagegen von 180° C. hat
eine Gesammtwärme von 157 Cal. und Aether von 30° C. eine Flüssigkeitswärme von
16,14 Cal., so dass die Erzeugung von 1 k Aetherdampf 140,86 Cal. kostet. Nun nimmt
Aetherdampf von 30° C. einen Raum ein von 0,3986 cbm, Wasserdampf von 0,6 k, also
85,5° C, aber einen Raum von 2,755 cbm, und endlich ist hinsichtlich der Kraftleistung die
Aetherdampfmaschine, welche keinen Expansionsverlust hat, der Wasserdampfmaschine um
19,4 Proc. überlegen. Es ergibt sich hieraus die Formel
\frac{(661,4-30)\,.\,0,3986\,.\,100}{(157-16,4)\,.\,2,755\,.\,119,4}\,.\,100=54,3
Nach gleicher Weise sind auch die Verhältnisse für die mit den anderen Flüssigkeiten
betriebenen Maschinen ausgerechnet.
Von besonderer Wichtigkeit ist es, dass der Druck im Condensator dieser Maschinen den
atmosphärischen Druck übersteigt; denn andernfalls würde allmählich Luft in den
Condensator eindringen, und diese Luft könnte ohne Dampfverlust nicht unmittelbar
wieder entfernt werden.
Nun ergibt sich aber, dass alle vier aufgeführten Flüssigkeiten bei 30° C. ein
gewisses Vacuum verlangen würden, und zur Vermeidung desselben müsste man die
niedrigste Temperatur höher nehmen, mit dem Temperaturgefälle dann aber auch die
Wärmeausnutzung um ein Gewisses verringern.
Aether siedet unter atm. Druck bei 34,96° C., was
gegen 30° C. einem Effectverlust gleichkäme von
3,3
Proc.
Aceton siedet unter atm. Druck bei 56,32° C., was
gegen 30° C. einem Effectverlust gleichkäme von
17,3
„
Chlorkohlenstoff siedet unter atm. Druck bei 76,52°
C., was gegen 30° C. einem Effectverlust gleichkäme von
31,0
„
Schwefelkohlenstoff siedet unter atm. Druck bei 46,25°
C., was gegen 30° C. einem Effectverlust gleichkäme von
11,2
„
Nun beträgt der bei der Wasserdampfmaschine zu beseitigende Effectverlust überhaupt
nur 19,4 Proc. Man dürfte also nur noch an die Verwendung des Aethers denken; denn
auch beim Schwefelkohlenstoff würde der Verlust noch zu erheblich sein.
Die einheitliche Aetherdampfmaschine würde also der Theorie nach wohl ausführbar sein
und Vortheile gegenüber der Wasserdampfmaschine versprechen. Namentlich würden keine
Flüssigkeitsansammlungen in den Cylindern zu befürchten sein; denn Aetherdampf ist
der einzige unter allen untersuchten Dämpfen, welcher sich bei der Expansion
überhitzt. Der Cylinder einer Aetherdampfmaschine braucht also keinen Dampfmantel,
sondern nur eine schützende Umhüllung. Nur der Condensator müsste jedenfalls
verhältnissmässig gross gemacht werden, weil der überhitzte Dampf sich im
Condensator erst sättigen muss und hierzu einer grösseren Kühlfläche bedarf, als
gesättigter Dampf zur Condensation brauchen würde.
Vortheilhaft erscheint es, eine Wasserdampfmaschine und eine Aetherdampfmaschine mit
einander zu combiniren, so dass der Condensator der Wasserdampfmaschine den
Aetherkessel heizt. Die passendste Temperatur für den Condensator der
Wasserdampfmaschine würde 100° C. sein oder etwas darüber, weil alsdann die
Luftpumpe für den Condensator fortfallen und ein schwach belastetes Ventil an deren
Stelle treten kann, welches Luftansammlungen mit noch grösserer Sicherheit aus dem
Condensator entfernen wird als eine Luftpumpe. Desgleichen müsste die Temperatur im
Condensator der Aetherdampfmaschine etwas über 35° C. gehalten werden, damit auch
hier ein Ueberdruck gegen die äussere Luft vorhanden ist.
Es würde dann vom Kessel der Aetherdampfmaschine folgende Wärmemenge aus dem
Condensator der Wasserdampfmaschine aufgenommen werden.
Von der ursprünglichen Gesammtwärme des Wasserdampfes von 180° C. = 661,4 Cal.
werden in dem Kreisprocess der Wasserdampfmaschine annähernd verbraucht
1-\frac{100+273}{180+273}=17,7\mbox{ Proc.}=117\mbox{ Cal.},
es bleiben also 544 Cal. ÷ 100 Cal. für die Flüssigkeitswärme des condensirten
Wassers = 444 Cal. Die Erzeugung des Aetherdampfes erfordert 141 Cal., also müsste
die Heizfläche des Aetherkessels so bemessen werden, dass auf jedes verdampfte Kilo
Wasser \frac{444}{141}=3,15\mbox{ k} Aetherdampf erzeugt werden,
welche bei 30° C. einen Raum einnehmen von 3,15 . 0,3998 = 1,259 cbm. Die Summe der
Hubräume der beiden Cylinder wird daher
=\frac{(1,6508+1,259)\,.\,100}{2,755\,.\,119,4}\,.\,100=88
den Hubraum einer heutigen Condensationsdampfmaschine gleich
100 gesetzt.
Mit der Wasserdampfmaschine würde sich ebenfalls eine Ammoniakmaschine, sowie ein mit
schwefliger Säure betriebener Motor verbinden lassen. Die Drucke und Dimensionen
dieser Maschinen sind in der Tabelle angegeben.
Legt man das Temperaturgefälle zu Grunde, so würde von der Gesammtarbeit der
Wasserdampfcylinder 0,58, der andere Cylinder 0,42 leisten.
Wenn nun auch die Anwendung von Ammoniak und schwefliger Säure es erlauben würde, mit
dem Temperaturgefälle bis auf den niedrigsten durch Kühlwasser erzeugbaren Grad
herabzugehen, so erscheint doch die Verwendung dieser Dämpfe bis zu 100° C. hinauf
nicht gut thunlich. Um demnach alle durch die Combination verschiedener Dämpfe
erreichbaren Vortheile zu erlangen, nämlich grosses Temperaturgefälle bei mässigen
Drucken und mässigen Dimensionen, erscheint es als das beste, drei Flüssigkeiten zu
vereinigen, so dass der Condensator der ersten Maschine den Kessel der zweiten und
der Condensator der zweiten Maschine wieder den Kessel der dritten Maschine
heizt.
Nimmt man z.B. Wasser, Aether und Ammoniak, so würde das Verhältniss der Leistungen
der drei Cylinder sein:
Wasser
180° C. – 100° C. = 0,54
Aether
100° C. – 40° C. = 0,33
Ammoniak
40° C. – 15° C. = 0,13
und als Summe der Hubräume würde sich finden etwa die Zahl
87.
Auf rein theoretischem Wege ist es recht wohl möglich, eine Auswahl von Flüssigkeiten
zu geben, welche in Combination mit dem Wasserdampfe sich zur Krafterzeugung eignen;
aber es ist nicht möglich, auf diesem Wege auch die Abnutzung bezieh. die Mittel
gegen eine zu grosse Abnutzung der Maschinen zu bestimmen und die Frage nach
geeigneten Schmiermitteln zu erledigen. Das muss dem praktischen Versuch vorbehalten
bleiben.
Resumire ich nun das Gesagte, so komme ich zu dem Schlusse:
1) Dass eine grössere Dampfmaschine nicht vervollkommnet
werden kann durch Anwendung einer erheblicheren Ueberhitzung zum Zweck der
Volumvergrösserung des Dampfes, dass aber eine ganz geringe Ueberhitzung zum Zweck
der Dampftrocknung von grossem Vortheil ist.
2) Dass die Heizung des Dampfes während der Expansion unnütz ist, also auch die
Heizung der Receiver.
3) Dass dagegen die Entfernung auch von geringen compacten Wassermengen aus den
Cylindern geboten ist, und zwar durch Heizung der Cylinder mit Dampf von höherer
Spannung als der Admissionsdampf, also beim Hochdruckcylinder durch Heizung mit
Dampf von höherer Spannung als derjenigen des Betriebsdampfes.
4) Dass der einzige Verlust, welcher speciell der Wasserdampfmaschine eigenthümlich
ist, und welcher allein als eine Unvollkommenheit der Wasserdampfmaschine gelten
darf, nämlich der Verlust in Folge unvollständiger Expansion, sich nur durch
Combination einer Wasserdampfmaschine mit einer anderen Dampfmaschine beseitigen
lässt, besonders aber durch Combination von drei Dämpfen, z.B. Wasser, Aether,
Ammoniak, oder Wasser, Aether und schweflige Säure.
Hamburg, den 12. Januar 1896.
Johs. A. F. Engel.Nach einem Vortrag, gehalten im Hamburger
Bezirksverein des Vereins deutscher Ingenieure.