Titel: Sicherung gegen Wassersgefahr auf See.
Fundstelle: Band 300, Jahrgang 1896, S. 7
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Sicherung gegen Wassersgefahr auf See. Mit Abbildungen. Sicherung gegen Wassersgefahr auf See. Selbsttragende Fahrzeuge, welche entweder in Folge des specifisch leichten Constructionsmaterials oder wegen der Ladung auch bei Havarien schwimmen, sind Ausnahmen; sie kommen unter den heutigen Verhältnissen für Personenbeförderung nicht in Betracht. Die Seefahrer der Jetztzeit sind nur im Stande, ihren Zweck zu erfüllen, wenn ihr Rumpf geeignet ist, eine genügende Wassermasse zu verdrängen und an deren Stelle eine entsprechende Luftmenge zu halten. Das Eindringen von Wasser in den Schiffsraum beschränkt bezieh. behebt die Schwimmfähigkeit der Schiffe; es ist deshalb während einer Reise unablässig zu beobachten, ob nicht Wasser einsickert, und zu verhindern, dass bei Unglücksfällen so viel Raum, oder gar mehr, überflutet werden könne, als der verbleibende trockene Bootskörper noch zu tragen vermag. 1) Peilen. Durch das Peilen vergewissert man sich, ob und in welchem Maasse das am Boden des Schiffes sich ansammelnde Wasser, das Bilgewasser, angewachsen ist. Peilungen sind in bestimmten Zeiträumen selbst bei anscheinend tadellos laufenden Fahrzeugen vorzunehmen, da man dadurch auf Zufälligkeiten, wie Undichtwerden der Bodenventile, der Beplankung o. dgl., aufmerksam wird, die man sonst in gefahrvoller Grösse wahrzunehmen vermöchte. Aber auch dann, wenn eine Mannschaft bereits mit Wassersnoth zu kämpfen hat, eine Anzahl Pumpen zur Herausschaffung der eindringenden See bereits in Thätigkeit ist, gibt die Peilung einen Anhalt dafür, ob die in Anspruch genommenen Pumpenkräfte zur Bewältigung der Wassermassen genügen und der Rest ruhen könne, oder ob noch mehr Reserven allein für Pumpen erforderlich seien. Zum Messen des Bilgewasserstandes bediente man sich früher der Pumpenrohre, die ja bis zum Boden hinabführen; man entfernte zuvor die Bodenventile der Pumpen und senkte das Messinstrument hinab. Dass solche Einrichtungen nicht unserer Zeit entsprechen, ist ersichtlich; eine Pumpe darf nicht ausser Betrieb gesetzt werden müssen, wenn die Peilung vorgenommen wird. Die Schnelldampfer Hannover und Frankfurt haben deshalb gleich beim Neubau besondere senkrechte Peilrohre erhalten, welche vom Hauptdeck bis auf den Schiffsboden führen und oben in Deckverschraubungen endigen. Jetzt sind alle Dampfer mit solchen Rohren ausgerüstet. Zum Messen benutzt man den Peilstock: einen eisernen Maasstab an einer Schnur, der durch das Rohr hinabgesenkt wird und an dessen benetztem Theil man die Höhe des Wasserstandes abliest. Textabbildung Bd. 300, S. 6 Fig. 1.Selbsthätige Peilvorrichtung. An Versuchen, dieses einfache Messverfahren durch selbsthätige Anzeigevorrichtungen zu ersetzen; hat es natürlich nicht gefehlt. So wird bei einer alten amerikanischen Construction (Fig. 1) im Bilgeraum ein nur nach unten offener Luftkasten A aufgestellt, von dem ein engeres Rohr B zu dem an geeigneter Stelle des Schiffes angebrachten Quecksilbermanometer C führt. Je nach Stand des Bilgewassers sollte der Druck in A wechseln und dieser auf das Manometer übertragen werden, wo er abzulesen wäre. Stiege das Wasser zu hoch, so würde Quecksilber durch den Trichter D und das Abfallrohr E in eine Alarmvorrichtung geworfen, welche in Folge dessen in Thätigkeit tritt. Textabbildung Bd. 300, S. 6 Fig. 2.Selbsthätige Peilvorrichtung. Die Einrichtung ist ebenso wenig in die Praxis eingeführt worden, wie die jüngere des Amerikaners Fennert (Fig. 2). In dem mit dem Bilgeraum communicirenden Cylinder A spielt ein mit Wasserstoff o. dgl. gefüllter Schwimmer S, der an einer im senkrechten Rohr B geführten Stange C einen den Wasserstand am Maasstab anzeigenden Zeiger trägt. Ein Anschlag D soll den Klöppel der Glocke G anziehen, wenn der Wasserstand eine gewisse Grenze überschritten hat. Die Skizze deutet einen zweiten Schwimmer R an; dieser spielt in einem Behälter E, welcher mit einem abschliessbaren Stutzen bis unter Kiel geführt ist, so dass Aussenwasser eintreten kann. Nach Oeffnen des Verschlussorgans gibt der Stand des Schwimmers R den Tiefgang des Schiffes an; die tiefste Ladelinie wird gleichfalls durch Anschlag an eine Glocke angegeben. 2) Wasserdichte Schotte. Das wichtigste Sicherheitsmittel der Seefahrer bilden die wasserdichten Schotte, deren Zweck in der Hauptsache der ist, den Schiffsraum bis zu einer gewissen Höhe über der Wasserlinie in wasserdicht von einander geschiedene Abtheilungen zu zerlegen, so dass ein Leck nur das Volllaufen der betroffenen Abtheilung, nicht aber auch der angrenzenden zur Folge hat. Textabbildung Bd. 300, S. 7 Fig. 3. Es sei das Gewicht eines Schiffes = G, das Deplacement desselben = D, so wird das etwa mit zwei Schotten versehene Schiff bis zur Linie W eintauchen (Fig. 3). Erhält die Wandung des Raumes B, welcher einen Theil D1 des Gesammtdeplacements darstellt, ein Leck, so scheidet, wenn durch dasselbe ein Vollaufen des Raumes B stattfindet, letzterer als tragendes Mittel aus. Es müssen die Räume AC nunmehr das ganze Schiffsgewicht aufnehmen; das Schiff taucht deshalb tiefer ein, bis zur Wasserlinie W1 wo die Summe der durch Schraffur angedeuteten Räume b gleich ist dem ursprünglichen Deplacement D1 des Raumes B. Ersichtlich ist, dass das Eintauchen des Schiffskörpers bis zur Linie W1 nur dann von Erfolg begleitet ist, wenn genügend freie Bordhöhe über der Wasserlinie W vorhanden war. Würden die Abtheile AC vollaufen, so könnte nur B tragen, jedoch auch nur dann, wenn die Bordhöhe über die Eintauchlinie W2 reichen würde; im vorliegenden Fall findet dies nicht statt, weshalb das Schiff untersinken müsste. Wie überall mit wachsender Gefahr erst die Gegenmaassregeln sich entwickeln, so ist auch die Erkenntniss von der Nothwendigkeit, Schotte einzubauen, erst mit der Gefahr gekommen, welche mit den Fortschritten der Schiffbautechnik einerseits und den gesteigerten Anforderungen an Schnelligkeit des Verkehrs andererseits gleichen Schritt gehalten hat. Während früher der Orkan gefürchtet war, bildet jetzt der Nebel den Schrecken. Im Jahre 1830 konnten sich die Segelschiffe Etna und Terror retten, weil sie Schotte besassen. Der Admiral berichtete, dass die Terror in Eis gerieth, dort Ruder, Ruderpfosten und Hintersteven verlor und nur in Folge des hinteren Compartiments schwimmend bleiben konnte. Mit der Einreihung des Dampfes in die Triebmittel für Schiffe war auch die Steigerung der Fahrgeschwindigkeit, des Verkehrs und die daraus entspringende Möglichkeit der Zusammenstösse u. dgl. gegeben. Die Board of Trade erliess deshalb 1854 die Merchant Shipping Ad, nach welcher bei allen Dampfern über 100 t der Maschinenraum durch Schotte von Vor- und Hinterschiff geschieden sein mussten. Diese Ad behielt bis zum Jahre 1862 Gültigkeit, zu welcher Zeit Lloyd's Register of Shipping die Festsetzungen übernahm. Heute sind der Englische Lloyd, das Bureau Veritas und der Germanische Lloyd die Hauptklassificationsgesellschaften, welche nach besonderen Erfahrungsregeln Anlage und Anzahl der Schotte auf den Kauffahrteischiffen festsetzen. Die Anzahl ist nicht willkürlich; denn es stehen dabei offenbar die Sicherheit, die Geschwindigkeit und Rentabilität in Wechselbeziehung. Käme die Sicherheit allein in Frage, so könnte man eine erhebliche Anzahl wasserdichter Abtheilungen schaffen, welche nicht allein durch die Querschotte, sondern auch durch die parallel der Schifflängsachse verlegten Längsschotte gebildet würden. Wie weit man hierin gehen kann, zeigen ein paar Beispiele an Kriegsschiffen, bei denen ja das Sicherheitsmoment überwiegend ist. So hat der Inflexible 135, die Italia 150 und der französische Panzer Amiral Duperré etwa 200 wasserdicht von einander getrennte Räume. Die meisten englischen Kriegsschiffe sind so eingerichtet, dass vier bis sechs grösste Abtheilungen vollaufen können, ohne dass das Schiff sinkt. Die Geschwindigkeit und insbesondere die Rentabilität dagegen spielen bei den Handelsschiffen naturgemäss die Hauptrolle, sie weisen auf eine weitgehende und dem jeweiligen Zweck eines Fahrzeugs entsprechende Ausnutzung des Raumes hin. Die Anlage von Längsschotten dürfte sich in diesem Falle zumeist verbieten und nur bei Zweischraubendampfern zur Trennung der zu beiden Seiten der Schiffsachse gelegenen Maschinenräume Vorschrift sein. Die klassificirten neuen Schiffe stellen etwa die Grenze dar, bis zu welcher die Steigerung der Sicherheit (und Grösse) der Schiffe getrieben werden kann, ohne die letzteren unrentabel zu machen. Bei Festsetzung der Anzahl der Schotte durch die klassificirenden Gesellschaften dient die Länge der Schiffe als Maasstab, nach welchem letztere in Klassen eingetheilt werden. So setzt Lloyd's Register (englisch) fest: I. Schiffe von 425 Fuss Länge und darüber, sowie alle den Kanal kreuzenden Dampfer müssen mit irgend zwei Abtheil voll Wasser schwimmen, also mindestens acht Schotte besitzen. II. Schiffe von 350 bis 425 Fuss Länge müssen schwimmen, wenn zwei vordere oder ein hinterer Abtheil voll Wasser. Im Allgemeinen also sechs Schotte. III. Schiffe von 300 bis 350 Fuss Länge müssen schwimmen; wenn zwei der drei vordersten oder irgend ein anderer Abtheil voll Wasser. Im Allgemeinen also sechs Schotte. IV. Schiffe von unter 300 Fuss Länge oder Passagiersegelschiffe, abgesehen von der Länge, müssen schwimmen, wenn die zwei vordersten oder irgend ein anderer Abtheil voll Wasser. Im Allgemeinen also fünf Schotte. V. Frachtdampfschiffe von über 300 Fuss Länge müssen schwimmen, wenn irgend ein Abtheil voll Wasser. Im Allgemeinen also fünf Schotte für Dampfer.Frachtsegelschiffe von über 275 Fuss Länge müssen schwimmen, wenn irgend ein Abtheil voll Wasser. Im Allgemeinen also vier Schotte für Segler. VI. Frachtdampfer von 260 bis 300 Fuss Länge müssen schwimmen, wenn irgend ein Vorderraum voll Wasser. Im Allgemeinen also vier Schotte für Dampfer.Frachtsegelschiffe von 225 bis 275 Fuss Länge müssen schwimmen, wenn irgend ein Vorderraum voll Wasser. Also im Allgemeinen drei Schotte für Segler mit dem gebräuchlichen Collisionsschott. Jedoch auch die Ausführung der Schottwände selbst, ihre Stärke und Steifigkeit, sind an gewisse Normen gebunden, welche eine untere Grenze festsetzen. Es spielt hierbei natürlich der Zweck der einzelnen von einander zu trennenden Abtheile eine bestimmende Rolle für manche Einzelheiten der Construction. Immerhin wird neben einer sicheren Festigkeit dichter Schluss nach allen Seiten stets von Wesen sein. Die italienischen Kriegsschiffe z.B. werden deshalb gemäss einer im Jahre 1889 erlassenen Verfügung in Bezug auf die Wirksamkeit ihrer wasserdichten Zellen und Abtheilungen in der Weise geprüft, dass diese nach einander mit Wasser gefüllt werden, um thunlichst der Wirklichkeit entsprechende Verhältnisse zu schaffen. Die neueren Dampfer besitzen am Bug und Heck je ein Collisionsschott, welches den vordersten bezieh. hintersten Raum in seiner ganzen Höhe vom anderen Schiffsraum abscheidet. Das Collisionsschott hat den Zweck, nach Zertrümmerung des Bugs bezieh. Hecks dieses zu ersetzen und so das beschädigte Schiff schwimmend zu erhalten; ihm hatte der englische Sultan nach Anrennen der Cimbria seine Rettung zu verdanken, ebenso wie das Panzerschiff König Wilhelm nach dem Zusammenstoss mit dem Grossen Kurfürsten. Es ist auch das Bestreben dahin gerichtet, die Sicherheit nicht zu beeinträchtigen, welche ein allseitig geschlossenes Schott gewährt. So haben die Schotten der Augusta Victoria und der Columbia unter Hauptdeck gar keine Oeffnungen, über demselben jedoch solche mit sicher schliessenden Schiebethüren. Der Verkehr unter Deck wird natürlich die Anlage einzelner Durchbrechungen nicht ausschliessen können; aber gerade der rechtzeitige Verschluss derselben im Augenblick der Gefahr bildet eine technische Frage, welche nach jedem Schiffsunfall immer wieder von Neuem aufgeworfen wird. Und in der That ermahnen die Vorkommnisse, bei denen Seefahrer in wenigen Minuten und ohne dass die eigentliche Ursache hätte festgestellt werden können, versunken sind, auf einen sicheren und raschen, womöglich selbstthätigen Schottschluss das Augenmerk zu richten. Textabbildung Bd. 300, S. 8 Fig. 4.Schotthür. Die Schotthüren lassen sich im Grossen und Ganzen in solche eintheilen, welche in Angeln drehbar sind, ferner in solche, welche schieberartig senkrecht oder wagerecht verschiebbar sind. Die drehbaren Thüren erfordern einen ihrer Breite entsprechenden Platz; sie sind verhältnissmässig langsam zu schliessen und setzen ausserdem dem Schluss Widerstand entgegen, wenn Wasser der Bewegungsrichtung der Thür entgegentritt. Das Abdichten nach erfolgtem Herumwerfen erfolgt meist durch Wirbel w (Fig. 4), welche von beiden Seiten des Schottes s gehandhabt werden können und den mit Gummipackung versehenen Thürrand gegen den Thürrahmen pressen. Von gleichwertigen Constructionen wird aus Gründen der Sicherheit natürlich stets die einfachste den Vorzug erhalten. Indessen verlangt gerade die Sicherheit ein rascheres Schliessen, als es mit Hilfe der acht bis zehn einzeln von Hand zu stellenden Wirbel möglich ist. Es wird dieser Umstand in dem Augenblick eine Rolle spielen, wo plötzlich grosse Wassermassen abzuhalten sind, die unter Umständen den soeben eingedrehten Theil der Verschlussorgane absprengen können. L. Wieting hat deshalb einen schnell zu bewirkenden Verschluss, der überdies den Druck auf alle Theile gleichzeitig zu übertragen bestimmt ist, in der durch die Fig. 5 und 6 angedeuteten Weise ausgeführt. An die Stelle der Wirbel treten hier Riegel R, welche an der Thür A verschiebbar sind. Die Verschiebung erfolgt durch Excenter E, die mit Zahntrieben T auf Bolzen Z festsitzen; die Triebe T werden ihrerseits durch Verschieben der Zahnstange S gedreht. Werden die sämmtlichen Riegel R einer Thür von der Bewegung der Zahnstange S abhängig gemacht, so genügt offenbar eine einzige Manipulation, um alle Riegel R in den Rahmen B der Schottwand C zu drücken. Um einen dichten Abschluss zu erzielen, befinden sich für jeden Riegel zu beiden Seiten der Thür durch Wirbel D anzuziehende Hebel E, welche die Riegel gegen die Thür und damit die Dichtung F der letzteren gegen den Rahmen B pressen. Der aus Gummi o. dgl. bestehende, ringsum laufende Dichtungstreifen F ist mit gewalzten biegsamen Metallstreifen M befestigt. Textabbildung Bd. 300, S. 8 Fig. 5.Schotthürverschluss von Wieting. Textabbildung Bd. 300, S. 8 Fig. 6.Schotthürverschluss von Wieting. Textabbildung Bd. 300, S. 8 Fig. 7.Schotthürverschluss von Clark. Auf spanischen, in Bilbao gebauten Kreuzern ist eine andere Verschluss weise eingeführt; diese rührt her von einem gewissen Clark und geht aus Fig. 7 hervor. Die in den Angeln A mit länglichen Löchern drehbare Thür B besitzt feste Keile C, welchen entsprechend am Thürrahmen D Keile E angeordnet sind, deren Keilflächen über diejenigen der Theile C greifen. Nach erfolgtem Herumwerfen der Thür wird gegen die letztere ein Hebel F gedreht, welcher die Keilflächen unter einander und damit die Thür dicht an den Rahmen presst. Schwere Thüren erhalten statt des Hebels F Schraubengetriebe. Die Dichtung erfolgt durch Metall auf Metall. (Fortsetzung folgt.)