Titel: Sicherung gegen Feuersgefahr auf See.
Fundstelle: Band 300, Jahrgang 1896, S. 131
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Sicherung gegen Feuersgefahr auf See. Mit Abbildungen. Sicherung gegen Feuersgefahr auf See. Der Ruf „Feuer im Schiff“ hat entsprechend dem Fortschritt in der Schiffsbautechnik vieles von seiner unheimlichen Wirkung verloren; seine Bedeutung ist mit der Verdrängung des Holzes als Baumaterial durch das Metall, mit der Vervollkommnung der Einrichtungen zur Verhinderung und Erstickung eines Brandes zurückgegangen. Die Mittel zur Begegnung der Feuersgefahr bilden auf jedem Fahrzeug ein durchgebildetes System, welches nach Zweck, Grösse und Bauart verschieden ist. Die Möglichkeiten der Feuerentstehung sind zu Wasser ebenso gegeben wie zu Lande; sie alle verzeichnen zu wollen, wäre vergebliche Mühe. Heizung und Beleuchtung, zwei an sich geläufige Feuerquellen, sind von der Technik so weit gefördert, dass sie eine schädliche Wirkung nur zufällig zu äussern vermögen. Auch der Blitz bietet dem eisernen bezieh. stählernen Schiff eine Gefahr schwerlich dar. Es findet ja eine energische Ableitung der Elektricität aus der das Fahrzeug umgebenden Luftschicht nach dem Wasser durch Masten und Rumpf statt. Hölzerne Schiffe sind der Gefahr, vom Blitz getroffen zu werden, eher ausgesetzt, wenn auch der Umstand, dass der mit einem Gewittersturm auftretende Seegang das Deck öfters unter Wasser setzt und so die sonst fehlende energische Stromableitung herstellt, zur wesentlichen Verminderung der Gefahr beiträgt. Als noch immer gefürchtete Ursachen von Schiffsbränden sind die Selbstzündungen von Waarenladungen geblieben. So ist fettige Baumwolle (Putzlappen) leicht selbstentzündlich. Fette, Oele (insbesondere Leinöl, Rüböl) haben die Fähigkeit, viel Sauerstoff unter Wärmeentwickelung zu verdichten. Stoffe, wie Flachs, Jute, Seide, welche einer Behandlung mit solchen Oelen unterzogen worden waren, können deshalb von selbst in Brand gerathen. Aehnlich verhalten sich Heu, Tabak u.a.m. Erdöl theilt die genannte Eigenschaft mit den Oelen nicht. Man hat auch nasse Baumwolle als selbstentzündlich bezeichnet, jedoch wohl kaum mit Recht; sie vermag lediglich in Folge der physikalischen und chemischen Eigenschaft der Baumwollfaser Funken lange eingeschlossen zu halten, welche dann zu geeigneter Zeit das Feuer verursachen. Die gewichtigste Rolle unter den Selbstzündern spielt aber die Kohle, deren Entzündbarkeit Liebig auf den Gehalt an Schwefelkies zurückführte, welcher von Wasser und Luft unter Wärmeentwickelung zersetzt würde, so dass einerseits die Auswahl trockener schwefelkiesarmer Kohle, andererseits Mangel an Luft die Vorsichtsmaassregel bilden müssten. Schnelle und trockene Verladung und gute, feste, aber nicht zu dichte Verstauung könnten in ihrer Wirkung nach Liebig noch dadurch unterstützt werden, dass man die Kohle vorher mit leichtem Steinkohlentheer besprengt. Der erste Steinkohlenbrand, welchen die französische Akademie der Wissenschaften auf Selbstentzündung zurückgeführt hat, soll sich 1757 im Arsenal zu Brest ereignet haben. Zu Anfang des Jahrhunderts gaben mehrere erhebliche Explosionen von französischen Pulverfabriken dem Artillerieoberst AubertPogg. Ann. d. Phys.u. Chem., 1830 S. 451. Veranlassung, die Ursache dieser Unglücksfälle festzustellen. Er ermittelte, dass fein zerriebene Kohle sich in einem Fasse nach 15 Stunden auf 75° erhitzte und bereits nach 20 Stunden entzündete. Die Kohle hatte hierbei nicht allein Sauerstoff, sondern auch beträchtliche Mengen Wasserdampf aus der Luft aufgenommen. Erwiesenermaassen absorbirt feine Holzkohle bis zum Sechsfachen ihres Volumens Sauerstoff; sie entzündet sich, wenn sie mehrere Tage einer Temperatur von 12 bis 15° ausgesetzt wird. Wenn die Steinkohle Sauerstoff aufgenommen hat, so erzeugt dieser Oxydationsprocess Wärme, welche die weitere Oxydation und damit die Entzündung begünstigt. Auch Tropenluft wirkt fördernd, während andererseits das Seewasser die Kühlung nicht weit genug ins Innere einer Ladung reichend bewirken kann. Da unter solchen Umständen eine Zuführung von frischer Luft in die Kohlenräume schädlichen Einfluss ausüben muss, wird man von einer künstlichen Ventilation absehen müssen. Im J. 1872 hatte man auf amerikanischen und hamburg-amerikanischen Schiffen Versuche mit einer selbsthätigen Ventilationseinrichtung angestellt, welche darin bestand, dass in zwei am Bug und Heck angeordneten, durch Rohre mit einander verbundenen und zum Theil mit Wasser gefüllten Behältern durch die Schaukelbewegung des Schiffes abwechselnd Luft comprimirt und diese in die einzelnen Räume gepresst wurde. Mit den Behältern waren zugleich Nothpfeifen verbunden. Emanuel StauberD. R. P. Nr. 73957. in Hamburg, welcher übrigens positiv die Selbstentzündung der Kohle auf die vereinigte Wirkung der durch Absorption atmosphärischen Sauerstoffes und dessen mitgeführten gasartigen Elementen in Gegenwart von Feuchtigkeit aus den Beimischungen der Kohle entwickelten brennbaren Gasen und der durch die in Folge der Schiffsbewegung reibenden Kohlenmassen erzeugten Wärme zurückführt, bedient sich zur Verhütung der Entzündung einer Ventilationsanlage, welche den dreifachen Zweck hat, die Kohle zu trocknen, die entwickelten Gase abzuführen und die eingelagerten Massen vor Bewegung zu schützen. Er setzt deshalb in den Lagerraum perforirte Wände ab (Fig. 1 und 2) und Böden d, welche die Lufträume AD bilden. Die Lagerräume BC werden von einem zwei- oder mehretagigen Röhrensystem ee durchsetzt, dessen Röhren e gelocht sind und einerseits in den Luftschacht A münden, andererseits auf Stützen f aufruhen. Die Rohre haben Scharniere gh, so dass sie beim Einlagern der Kohle auf die Seite geklappt werden können. Der Schacht A steht in Verbindung mit auf Deck befindlichen Rohren i, welche in bekannter Weise mit einer Saugvorrichtung versehen sind und deren Austrittsöffnung von der Fahne h stets nach der vom Wind abgekehrten Seite gedreht wird. Gleichzeitig wird aber durch ein abwärts geführtes Rohr o frische Luft in den unteren Schiffsraum getrieben. Textabbildung Bd. 300, S. 131 Ventilationsanlage von Stauber. Logischer ist es, neben der Kühlung auf thunlichste Luftentfernung hinzuwirken, und in diesem Sinne ist die Kohlensäure vielfach in Vorschlag gebracht worden. Der Inspector des Germanischen Lloyd, Kraus, entwickelt unter der Voraussetzung, dass zur Entzündung der Steinkohle die Aufnahme des doppelten Volumens Sauerstoff erforderlich sei, für Segelschiffe folgende Berechnung.Hansa, 31 S. 28. Die Kohlensäure soll aus den bekannten Flaschen ausgelassen werden. Für ein Segelschiff für Salpeterfahrt von 1000 Registertonnen, welches 3000 cbm Hohlraum unter Deck besitzt und 1500 t Kohle von 1250 cbm ladet, bleiben noch 1750 cbm Luftraum übrig. Lässt man 1000 cbm Kohlensäure ein, so verbleiben 750 cbm Luft mit 190 cbm Sauerstoff, also nur ⅙ des Kohlenvolumens. Zur Erzeugung der 1000 cbm Gas sind 40 Flaschen zu 50 k flüssiger Kohlensäure erforderlich, welche 5 cbm einnehmen. Vor Einlassen der Kohlensäure, was etwa nach Eintritt in den Passat zu erfolgen hätte, müssen die entwickelten Explosionsgase mittels Handventilators entfernt werden. Für die den Schiffsraum betretende Mannschaft werden natürlich Taucherapparate erforderlich. Auch beim Entladen ist Vorsicht am Platze; man untersucht die Laderäume mit Hilfe einer Laterne auf ihren Luftgehalt. Dies wird auch für hochgelegene Räume zu erfolgen haben, da die schwere Kohlensäure sich durch Diffusion den oberen Luftschichten mittheilt. Indessen würde für Dampfer der Schutz durch Kohlensäure ausser Frage kommen, da das durch die Flaschen repräsentirte erforderliche Ladequantum eine unverhältnissmässig grosse todte Last darstellen würde, deren Verstauung erheblichen Schwierigkeiten begegnet. Nach einer kürzlich (von Pape) aufgestellten BerechnungZ. d. V. d. I., 1895. wären zur Immunisirung von 1000 t Kohle 2600 cbm Kohlensäure von 4700 k Gewicht bei Laderaumtemperatur erforderlich. Da Stahlflaschen von 20 k Inhalt 45 k wiegen, würden die (235) Flaschen ein Deplacement von 15 000 k beanspruchen. Von einem Chemiker BehnkeHansa, 1895 S. 470. ist ein anscheinend zweckentsprechendes Verfahren empfohlen worden. Er erzeugt durch Verbrennen von Koks Kohlensäure, die er in den Laderaum leitet, in welchen er Ammoniakdämpfe einspritzt. Ist die Füllung des Schiffes mit Kohlensäure beendet, so wird in die Rohrleitung des Verbrennungsofens aus Stahlflaschen flüssiges Ammoniak eingespritzt, welches sich rasch verbreitet und die Bildung eines dünnen weissen Ueberzuges von karbaminsaurem Ammonium veranlasst. Dieses verwandelt sich durch Aufnahme von Feuchtigkeit in anderthalbfach kohlensaures Ammoniak (Hirschhornsalz), welches durch überschüssige Kohlensäure in kohlensaures Ammonium übergeführt wird. In dieser beständigen Form verhindert der Ueberzug die Absorption von Sauerstoff durch die Kohle. Für eine Ladung von 1000 t sollen 220 k Koks genügende Kohlensäuremengen liefern und 35 k Ammoniak ausreichend sein. Da die Immunisirung direct nach Verladung vorgenommen werden kann, lassen sich die bezüglichen Apparate an Bord besonders hierfür eingerichteter Fahrzeuge aufstellen. Die vielfach empfohlenen Flammenschutzmittel, mit welchen Wandungen und Gegenstände bestrichen bezieh. belegt werden sollen, um diese gegen die Einwirkung des Feuers zu sichern, haben die von mancher Seite gewünschte Verbreitung in der Praxis des Schiffbaues nicht gefunden; man hat vielmehr die brennbaren Constructionsmaterialien durch unverbrennliche zu ersetzen gesucht. Ein bekannt gewordenes Deckmittel ist nach Patera ein Gemenge von 4 Th. Borax mit 3 Th. Bittersalz, welches sich zu der in kaltem und warmem Wasser unlöslichen borsauren Magnesia umbildet. Die Mischung wird erst kurz vor Gebrauch zubereitet; ihre Wirkung ist ähnlich derjenigen des wolframsauren Natrons oder der eines Gemenges von schwefelsaurem Ammoniak mit Gyps. BurstynMitth. Seew., 1873 S. 662. gibt als ein gut deckendes, im Wasser nicht lösliches Flammenschutzmittel eine Lösung von 1 Maasstheil käuflichen Wasserglases in 2,5 bis 3 Th. Wasser an. Zu 3 Gew.-Th. dieser Lösung werden 1 bis 1,5 Gew.-Th. feinpulveriges Eisenminium zugesetzt. Insbesondere auch auf Eisen fest haftend wird der Schutz, wenn 28 Th. der genannten Wasserglaslösung 4 Gew.-Th. Eisenminium und 7 Th. Braunstein beigemengt werden. Zum Fenerlöschen wird der grösste Theil der Pumpen an Bord nutzbar gemacht, gleich ob sie zum Deck waschen oder Lenzen dienen. Bereit liegende Schläuche gestatten das Einführen von Wasser in alle Räume und zu allen Stellen des Schiffes. Grössere Dampfer erhalten wohl auch besondere Feuerspritzen. Die auf dem englischen Panzerschiff Sultan Anfang des Jahres 1880 aufgestellte DampffeuerspritzeEngg., 1880. erhält ihren Dampf von einem Siederohrkessel und ist so hoch im Schiffsraum untergebracht, dass sie noch bei hohem Wasserstand im letzteren wirksam sein kann; in der Hauptsache sind es drei wagerechte Cylinder von je 8½ Zoll Durchmesser, welche drei Taucherkolben von 8¾ Zoll Durchmesser und 8 Zoll Hub bewegen. Gleichzeitig angesetzte Mundstücke von 1, 11/16, 1⅛ und 1½ Zoll werfen unter Voraussetzung eines Wasserdruckes von 100 Pfund für 1 Quadratzoll das Wasser 200 Fuss hoch und zwar in Mengen von 1120 Gallonen in der Minute. Eine gleiche Anlage hat sich seit 1878 auf dem Panzerschiff Hercules bewährt. Die neueren Schiffe des Norddeutschen Lloyd und der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actiengesellschaft führen auf Oberdeck je zwei 7zöllige Downton-Pumpen mit drei Kolben, die ausser zum Lenzen auch zum Feuerlöschen dienen, wobei sie das Wasser von aussenbord entnehmen. Vielfach findet man auch die Druckpumpen mit Dampfmaschinen gekuppelt. Bei grossen modernen Dampfern, wie dem Kaiser Wilhelm II., einem Schiff von 137 m Länge, 3675 t Tragfähigkeit und mit elf wasserdichten Abtheilungen, ist man dazu übergegangen, im Maschinenraum eine Duplex-Dampfpumpe aufzustellen, welche auch lenzen kann. In ähnlicher Weise dient eine im vorderen Heizraum aufgestellte kleinere Duplex-Dampfpumpe zur Hilfeleistung. Eine Feuerlöschrohrleitung verbindet in geeigneter Weise die einzelnen Organe. Gemäss den Vorschriften der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika münden in alle Abtheilungen Dampfrohre aus galvanisirtem Schmiedeeisen mit Messingabsperrventilen; es soll dadurch ermöglicht werden, entstandene Brände durch Einlassen von Dampf aus den Kesseln zu ersticken. Bricht Feuer in einem allseits geschlossenen Raum aus, so wird man auch thunlichst unter Luftabschluss das Löschen versuchen. Zu diesem Zweck ist die Anwendung von Rauchhelmen geboten. Ein auf Schiffen viel benutzter Apparat ist der von König construirte (Fig. 3).Vertrieb von G. Kleemann in Hamburg. Er hindert die Bewegung des Körpers nicht, indem er lediglich Kopf und Hals deckt. Die Luft wird von hinten mittels Blasebalgs und Schläuchen zugeführt. Unter Voraussetzung geschlossener bezieh. verschliessbarer Räume würden zum selbsthätigen Löschen auch die Extincteure in Rücksicht zu ziehen sein, wenngleich sie sich zu maassgebender Rolle noch nicht durchgerungen haben. Man kann bekanntlich bei den Extincteuren durch einen Schlag die Bildung von Gasen verursachen, welche die Luft verdrängen und dadurch das Feuer ersticken. Dieser Schlag mit der Hand lässt sich aber auch durch Mittel ersetzen, welche die das Gas entwickelnden Mittel trennt und bei gewisser Temperaturerhöhung selbsthätig ausfällt. Textabbildung Bd. 300, S. 132 Fig. 3.Rauchhelm von König. Bei dem Dick'schen Extincteur wird der erforderliche Druck erst im Augenblick des Bedarfes erzeugt. Hier ist der Kessel mit einer Lösung von doppeltkohlensaurem Natron gefüllt und eine Flasche mit concentrirter Schwefelsäure eingesetzt. Ein Schlag mit einem hölzernen Hammer genügt, um die Flasche zu zertrümmern, so dass die Schwefelsäure sich in die Natronlösung ergiesst. Freilich ist die Nothwendigkeit, concentrirte Schwefelsäure an Bord zu halten, ein nicht zu verkennender Uebelstand, welcher sich bei dem nach BurstynMitth. Seew., 1880 Bd. 8 S. 426. ausgeführten Apparat nicht vorfindet. Burstyn benutzt anstatt der Schwefelsäure ein Pulver von doppeltschwefelsaurem Natron oder Kali, welche im gegebenen Momente in die vorgeschriebene Lösung des doppeltkohlensauren Natrons fallen gelassen wird. Die löschende Wirkung der ausspritzenden Flüssigkeit soll nach Burstyn's Ansicht bedeutend erhöht werden, wenn das doppeltkohlensaure Natron durch kohlensaures Ammon ersetzt würde. Nur in äussersten und auch da nicht immer möglichen Fällen wird man zu dem Gewaltmittel greifen, das brennende Schiff zeitweise zu versenken. Auf hoher See ist diese Möglichkeit freilich ausser Betracht zu lassen.