Titel: | Herstellung von Handfeuerwaffen. |
Fundstelle: | Band 302, Jahrgang 1896, S. 54 |
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Herstellung von Handfeuerwaffen.
Mit Abbildungen.
Herstellung von Handfeuerwaffen.
Ueber die Herstellung der Handfeuerwaffen, insbesondere der
Gewehrläufe.
Die Herstellung, des Feuergewehrs ist nach zwei Gesichtspunkten zu beurtheilen und
zwar erstens nach dem der Handfertigkeit, wo durch die besondere Geschicklichkeit
des Büchsenmachers die Vollendung der einzelnen Waffen gesichert, nicht aber die
absolute Gleichheit der einzelnen Theile gleicher Waffengattung gewährleistet war,
und zweitens nach dem Bestreben, die absolute Gleichheit der Abmessung und Form
gleicher Waffentheile zu erreichen, so dass ein Vertauschen derselben ermöglicht
werden kann. Bei der verhältnissmässig geringen Anzahl Bestandtheile, aus welchen
eines der älteren Vorderlader-Percussionsgewehre besteht, wäre dieses Ziel viel
leichter zu erreichen gewesen, als bei dem neueren Hinterlader-Repetirgewehr
mit Packetladung, oder gar der selbsthätigen Maxim-Gewehre bezieh. der Borchardt'schen Repetirpistole, die aus 71 Theilen bei
1275 g Eigengewicht besteht. Nach einem Vortrage von John
RigbyEngineering, 1893 I Bd. 55 S. 757.
sind die ersten Anläufe, die Gleichheit der Gewehrtheile bis zur Vertauschbarkeit
anzustreben, den Amerikanern und namentlich Eli Whitney
zuzuschreiben, der im J. 1797 die Waffenlieferung für die Vereinigten Staaten
übernahm.
Mittels Schmiedegesenke, Lehren und Normal-Stichmaasse suchte derselbe die Gleichheit
der Abmessungen zu erhalten. Ihm folgten Hall aus
Harper's Ferry und Blanchard aus Middlebury, Mass., dem
die Erfindung der Copirdrehbank und anderer Holzbearbeitungsmaschinen für die
Erzeugung der Gewehrschäfte zugesprochen wird.
Diese Bearbeitungsweise fand später ausgedehnte Anwendung bei der
Nähmaschinenfabrikation und hatte einen grossen Einfluss auf die übrigen
mechanischen Betriebsweisen in Amerika erlangt. Bei dem grossen Bedarf an
Feuerwaffen während des Bürgerkrieges wurde auch bei Massenherstellung der
ersatzfähigen auswechselbaren Theile dieses Arbeitsverfahren von den Spencer und Henry Repeater Companies, von der Sharp Rifle Company, von Smith
und Wesson, von Winchester und Remington
weiter ausgebildet. Bemerkenswerth ist, dass die Spandauer Gewehrfabrik, welche im
J. 1722 auf Veranlassung König Friedrich Wilhelm's I zur Ergänzung der Gewehrfabrik
in Potsdam durch die Kaufleute Splittgerber und Daun
aus Berlin angelegt wurde, contractmässig die Armeegewehre zu 6,5 Thaler das Stück
zu liefern hatte. Um das Jahr 1777 fertigte diese Fabrik 10000 Gewehrläufe jährlich,
während die Fertigstellung der Gewehre in Potsdam erfolgte. Bis zum Jahre 1852 blieb
die Verwaltung zwischen dem Staat und der Familie Sichler getheilt, von da an ging die Fabrik ganz in den Besitz des Staates
über.
Bahnbrechend für das Arbeitsverfahren massenhafter Herstellung versetzbarer Theile
war in England die Einführung der von Colonel Samuel
Colt erfundenen Revolverpistole, die, zuerst 1851 in London ausgestellt,
Veranlassung war für die Errichtung einer Fabrik in Pimlico, wozu Colt seine Maschinen zum grössten Theile aus Amerika
einführte. Nachdem die englischen Matrosen während des Krimkrieges 1854 mit
Revolvern dieser Fabrik ausgerüstet waren, ging dieselbe ein. Nur eine einzelne
englische Firma bei London Bridge und zwar Deane, Adams und
Deane, welche später in die London Small Arms
Company übersiedelte, verfertigte Adams-Revolver und später (1857) das
Enfield-Gewehr mit aus Amerika bezogenen Werkzeugmaschinen.
Die englischen Gewehrfabriken in Birmingham gingen zu diesem Arbeitsverfahren nur
widerwillig und zu spät über, und als der amerikanische Bürgerkrieg mit seinem
riesigen Bedarf an Waffen eintrat, da waren die englischen Waffenfabriken
unvorbereitet und zu solchen Leistungen gar nicht eingerichtet.
Die Vereinigten Staaten, Deutschland, Belgien, Oesterreich und die Schweiz waren und
blieben auch fernerhin die gewaltigen Waffenlieferanten der Welt. Der Grund, weshalb
England von diesen Ländern überholt wurde, ist in dem Anspruch der englischen
Regierung zu suchen, jedes Patent, welches den Mitteln der Landesvertheidigung diente, für sich
ohne jegliches Entgelt zu beanspruchen. Erst nach der Patent Acte vom Jahre 1883
kann dem Erfinder vorbehaltlich der Zustimmung des Schatzamtes auf Antrag der
Kriegscommission eine beliebige Entschädigung zugesprochen werden, wodurch die
Rechte der Erfinder an die Krone übergehen. Dadurch ist aber das Interesse der
Privatindustrie für diesen Gewerbszweig verloren gegangen und die Waffenfabrikation
als ein allein nur den Staat betreffendes Geschäft angesehen worden, das für die
späteren Unternehmer zwar einen Gewinn bedeutete, weil dieselben keine Auslagen für
Versuche zu machen hatten, welche bislang ausschliesslich von der Militärverwaltung
getragen wurden.
Textabbildung Bd. 302, S. 54
Herstellung der Gewehrläufe von Perry.
So blieb auch die Royal Small Arms Factory in Enfield
bei Waltham Abbey die Hauptwerkstätte Englands für Feuer- und Hiebwaffen, deren
Einrichtungen für die Erzeugung von 2000 Magazingewehren einschliesslich der
Bajonnete, 200 Cavalleriesäbel sammt Scheiden, 50 Lanzen und 4 Maschinengeschützen
berechnet sind. Zum Betriebe der Arbeitsmaschinen und für Beleuchtungszwecke sind
Dampfmaschinen von etwas über 1000 vorhanden.
Nach Engineering, 1893 I Bd. 55 S. 757, besteht das
englische Lee-Metford-Gewehr, Marke I, aus 82 Theilen, zu deren Bearbeitung 950
verschiedene Arbeitsmaschinen erforderlich sind. Der Arbeitslohn eines Gewehrs ist
in 1591 Lohnpositionen zerlegt, die aber auf 1863 ansteigen, sobald die Zusatztheile
und Ausrüstungen, wie Visirklappe, Bajonnet mit Scheide, Handwerkzeuge u.s.w.
zugezählt werden. Als Baumaterial für das Gewehr ist ausschliesslich Stahl, gehärtet
und angelassen, sowie im Naturzustand, als Ersatz für Eisen angewendet; Rothguss
wird nur als Schildschraube zum Einschlagen der Regimentsnummer und Nussbaumholz für
den Gewehrschaft gebraucht. Noch im J. 1854 zur Zeit des Krimkrieges bestand der
Gewehrlauf aus einem geschweissten Eisenrohr mit einer rein cylindrischen Ausbohrung
von ¾ Zoll engl. Weite, während die gezogenen Läufe des vergangenen Jahrhunderts
keine nennenswerthen Vorzüge gegenüber dem glatten Lauf hatten.
Zur Herstellung der Gewehrläufe sind in der Gewehrfabrik von Enfield zwei
Gewehrlaufwalzmaschinen im Betrieb, von denen die ältere von einem früheren Leiter
der Fabrik, Perry, herrührt, während die in Fig. 1 bis
3 nach
Engineering, 1893 I Bd. 55 S. 789, dargestellte,
verbesserte Maschine von Greenwood und Batley in Leeds
gebaut ist. Das Rohmaterial der Gewehrläufe sind 35 mm starke, 400 mm lange
Rundstäbe a (Fig. 6) aus
Siemens-Martin-Stahl oder Gusstahl von 0,395 und 0,45 Proc. Kohlenstoffgehalt und
von grosser Homogenität, welcher in einer Hitze auf die Form l (Fig. 6) bei einmaligem Durchgang durch
zehn Walzenpaare in Zeit von 30 Secunden gebracht wird.
Der 400 mm lange Rundstab a wird durch
Walzenscheibenpaare gezogen, deren Kaliber, den konisch zulaufenden Laufformen von
b bis l entsprechend,
sich staffelweise verändert, wobei die Hitze des Laufes in Folge der aufgewendeten
Walzarbeit nur unwesentlich abnimmt. Bemerkenswerth sind hierbei die Verlängerungen,
welche Staffel weise von der ersten bis zur zehnten Walze wie folgt betragen:
b =
422,
c =
470,
d = 527,
e =
559,
f =
579,
g = 641, h =
683,
i =
724,
k =
772
und l = 832 mm,
wobei das Kammerende nur wenig Veränderung erleidet. Nach dem
Walzverfahren wird das Kammerende des Laufes unter einem Dampfhammer abgesetzt und
der Lauf auf 790 mm Länge m (Fig. 6) abgeschnitten. Hierauf folgt das Ausziehen des vorderen Laufes
und das Abrichten auf einer Richtmaschine (Fig. 4 und 5) im kalten
Zustande. Erfahrungsgemäss stellt sich das Walzen gegenüber dem Schmieden der Läufe
insofern günstiger, als das Material seine gleichförmige Festigkeit auch nach den
weiteren Bearbeitungen wie Ausbohren, Riffeln und Abdrehen beibehält.
Textabbildung Bd. 302, S. 54
Greenwood und Batley's Walz- und Richtmaschine für Gewehrläufe.
Bei dem in Frankreich geübten Härten und Anlassen der Läufe darf die Härte nur
unmerklich gesteigert werden, da das Ausbohren und Riffeln nach dem Härten
durchgeführt wird. Dagegen werden die Läufe in Enfield nicht gehärtet. Nickelstahl
ist als Material trotz der hohen Festigkeit und Reinheit zu Gewehrläufen wegen der
die Bearbeitung erschwerenden grossen Härte nicht verwendbar. Sofern die äussere
Form des Gewehrlaufes den Walzprocess gestattet, wird das Walzen der Läufe dem
Schmieden vorzuziehen sein.
Das Walzwerk von Perry (Fig. 1 bis 3) besteht aus
einer Welle a mit 914 mm grosser und 259 mm breiter
Antriebscheibe b, die mittels Reibungskuppelung c abgestellt werden kann. Mittels zweier
Stirnrädersätze d und e
von 57 und 70 mm Theilung und mit Uebersetzung (22 : 75) und (20 : 55) wird eine
lange, 165 mm starke Hauptwelle f getrieben, von der
mittels Schrägzahnräder g fünf wagerechte Walzenpaare
und fünf solche mit lothrechter Achse bethätigt werden. Bei den liegenden
Walzenscheiben vermitteln Schrägzahnräder h und durch
die untere Walzenwelle i Stirnräder h den Betrieb der oberen Walze l. Beide Walzen lagern im Gestellrahmen m,
durch Schraubenspindeln stellbar.
In ähnlicher Weise sind die stehenden Walzenwellen durch wagerechte Schrauben n stellbar gemacht, deren Betrieb durch Räder o und Stirnradpaare p
erfolgt. Sämmtliche Form walzen sind so hinter einander angeordnet, dass die
Führungslinie des Walzenzuges in eine gerade Linie fällt, während ihre Abstände mit
zunehmender Länge des Werkstückes entsprechend grösser werden, so dass der Eingriff
in das folgende Walzenpaar erst eintreten kann, nachdem das Werkstück das
vorhergehende Walzenpaar verlassen hat. Verschiedene Führungsböckchen q und selbsthätige Vorrücker r vervollständigen das Walzwerk.
Nach dem Walzen wird das hintere Laufende unter einem Gesenkdampfhammer m abgesetzt (Fig. 6),
sowie nach dem Erkalten der Richtprocess unter einer von Greenwood und Batley gebauten Walzmaschine (Fig. 4 und 5)
durchgeführt wird. Diese Maschine besteht aus einem Gestellrahmen a mit Lager für eine Antriebwelle b, welche durch Stirnräder c von der Riemenscheibe d bethätigt wird. Auf
dieser Welle b sind nun zwei äussere Räder e und ein mittleres ebenso grob gezahntes Mittelrad f aufgekeilt. Mit den äusseren Rädern e werden zwei in festen Lagerungen achsenrichtig
gehende Nabenräder g und mit dem mittleren Rade f ein mit freier Bohrung versehenes Rad i mit 150 minutlichen Umdrehungen betrieben, welches in
einem Schlitten k lagert, welcher etwas von der
Normalen zur Drehungsachse der festgelagerten Räder g
abweicht und sich mit der Schraubenspindel l verstellen
lässt.
Da nun in die Naben dieser Räder gehärtete Formbüchsen als Werkzeuge eingesetzt sind,
so wird bei einer Verstellung des Mittelrades das durch die Nabenbüchsen geschobene
Werkstück quer gebogen und in Folge der Schräglage der Mittelnabe i ausserdem axial fortgeleitet. Um nun den Normaldruck
der Stärke des rollenden Werkstückes, also in diesem Falle des Gewehrlaufes,
angemessen zu steigern, wickelt sich das constante Belastungsgewicht p am Umfange einer Evolutenscheibe o auf, so dass das kleinere statische Moment dieser
Kraft q dem schwachen Gewehrlauftheil, das grössere dem
stärkeren entspricht. Mittels Handkreuz m und
Stirnräder n wird das Mittelrad i zurückgestellt und so die Einführung des Gewehrlaufes
ermöglicht, welcher ausserdem in einem Winkelschlitten q seine Führung erhält.
Textabbildung Bd. 302, S. 55
Fig. 6.Absetzen der Gewehrläufe.
Nach dieser Richtarbeit wird der Lauf mit seinen Enden auf Rollenlagern wagerecht
aufgelegt und durch einen Handhammer nach Bedarf endgültig abgerichtet. Nachdem die
Laufenden abgedreht und abgefräst, sowie die Körnergrübchen für den Angriff der
Bohrer eingearbeitet worden sind, gelangt der Lauf in eine wagerechte
Ausbohrmaschine. Die Seele wird an zwei Enden gleichzeitig durch halbcylindrische
Bohrer ausgefräst, wobei der Laut in seiner Mitte von einem Spannfutter gehalten
wird, das mit 1000 minutlichen Umläufen kreist, wobei der axiale Vorschub 6 mm in
der Minute beträgt. Mittels eines. Strahlrohres wird nach der Bohrstelle
Seifenwasser unter einer Pressung von 5 at zugeleitet, wodurch die Späne dabei
ausgeschwemmt werden. Sowie die beiden Bohrer an der Laufmitte angelangt sind, wird
der eine Bohrer zurückgestellt, während der andere fortschaltet und so die schwache
¼ mm starke Scheidewand durchbricht.
Gewöhnlich sind diese Bohrmaschinen dreifach angeordnet. Die stündliche Spannleistung
einer solchen dreifachen Laufbohrmaschine stellt sich bei Bohrungen von 9,6 mm und
838 mm Bohrtiefe auf 68 cc Stahl und bei Seelenweiten von 6,6 mm und 762 mm
Seelenlänge auf 16 cc. Ueber Sponsel's bezieh. Pratt und Whitney's Gewehrlaufbohrmaschine vgl. D. p. J. 1893 288 * 147.
Von der Union Drawn Steel Company in Beaver Falls, Pa.,
wird nach Uhland's technischer Rundschau, 1893 Bd. 7 S.
368, die in Fig.
7 und 8 vorgeführte Maschine von McCool zum
Ausbohren von Rundstäben, welche zu Gewehrläufen verarbeitet werden, gebaut. Auf der
Wange a sind zwei Führungskörper b angeschraubt oder angegossen, in deren Ausbohrung
sich zwei Cylinder c durch Vermittelung eines
Zahnstangentriebwerkes d axial verschieben, die aber
gegen Verdrehung durch die angesetzte Zahnstange entsprechend versichert sind. Die
Cylinder c sind Träger für Kanonen- oder Spiralbohrer
f, die ausserdem durchbohrt und für Zuleitung von
Kühlwasser unter Druck eingerichtet sind. Zudem erhalten längere Bohrer eine feste
Winkelführung g.
Der mittels des erwähnten Zahnstangentriebwerkes vorgetriebene Bohrer f erhält seine selbsthätige Schaltbewegung durch
Vermittelung eines Schneckenradtriebwerkes h und i, dessen Schnecke an einer Gelenkwelle i sitzt und in einem senkrechten Schlitten k lagert, der mittels des Handhebels lund eines senkrechten Zahnstangengetriebes, welches
an der Hebelklinke m angebracht ist, im Eingriff
erhalten wird. Wenn nun durch die Anschlagstange n die
Hebelklinke m zurückgeschlagen ist, wird sich der
Lagerschlitten k schon in Folge seines Eigengewichtes
senken und dadurch den Schaltbetrieb auslösen. Bethätigt wird die Schneckenwelle i von der Hauptantriebwelle p durch Zahnräder o. Um diese von der
Riemenscheibe q betriebene Hauptwelle kann der
eigentliche Spindelstock r schwingen. Derselbe besteht
aus einer kurzen Hohlspindel s, die im Schwinglager r lagert, und welche durch die Stirnräder t bethätigt wird.
Textabbildung Bd. 302, S. 56
Ausbohren von Gewehrläufen von McCool.
Um nun das Werkstück in die Hohlspindel bequem einzubringen, werden die
Schlitzschrauben u gelüftet und zurückgestellt, wodurch
der ganze Spindelstock r hochgedreht, das Werkstück
eingeführt und mittels der Spannschraube v festgestellt
werden kann. Zur Rückstellung der Bohrerschlitten sind Handkreuze w und für die Zuleitung von Kühlwasser Rohrleitungen
x vorhanden, welche von einem Pumpwerk y das Seifenwasser zugeführt erhalten.
Dem Ausbohren der Gewehrläufe folgt das Abdrehen des äusseren Körpers auf
Formdrehbänken mittels drei oder vier Schneidstählen. Durch die Wegnahme der
äusseren Materialschicht verändern sich auch die Materialspannungen, wodurch die
ursprünglich gerade Achse der Seelenbohrung mitunter verloren geht. Die Untersuchung
des Laufes auf die Geradheit der Seelenachse erfolgt am sichersten durch das Auge
dazu besonders eingeübter jüngerer Arbeiter, das Richten aber mittels Handhämmer,
wobei der Lauf auf Rollenunterlagen wagerecht gelegt ist. Doch gelangen zur
Untersuchung der Laufbohrung auch Fühlhebelwerke mit und ohne Fernrohre und
Spiegelapparate zur Anwendung, wobei der Lauf am hinteren Ende und in der Mitte
seiner Länge auf Rollenlager unterstützt wird. Mit dem Spiegelapparat werden
Ablesungen bis 1/400 mm, mit der anderen einfacheren bis 1/40 mm ermöglicht.
Zuletzt wird die Laufbohrung durch eine vierkantige Reibahle fertig gestellt, welche
durch Holzpfropfen Rückenführung erhält, und die mittels Oel gefettet wird. Dieses
alte Verfahren hatte neuere Arbeitsweisen lange Zeit überdauert. Neuerdings kommt in
Frankreich eine Art Riffelmaschine zum Fertigmachen der Laufseele in Anwendung,
deren Werkzeuge in ununterbrochener Schaltung gewundene Zugriffen, Riffe an
Riffe anschliessend, einhobeln und so die Laufbohrung vollenden. Nach der
Fertigstellung der Bohrung und dem Schlichten der Gewehrläufe erhalten diese in
einer stehenden fünffachen Maschine ihre äussere Politur. Durch einen
Kurbelmechanismus abc (Fig. 9 und 10) wird ein
Rahmen d bewegt, in welchem fünf Spindeln e lagern, die durch Zahnrädchen f in Verbindung stehen, wodurch diese eine kreisende Bewegung ausführen,
welche von einer Keilnuthwelle g abgeleitet wird, die
entweder durch Handhebel h oder Riemenscheibe i bethätigt wird. An die unteren Köpfe dieser Spindeln
e werden die Gewehrläufe gespannt, von denen jeder
durch ein Paar hölzerne, schwingende Schleifbacken k
gefasst wird.
Aehnlich sind die älteren von Wm. Rigby erdachten
Gewehrriffelmaschinen gebaut, nur dass an Stelle der kreisenden Keilnuthwelle g eine in festen Lagern frei laufende spiralgenuthete
Führungsspindel vorhanden ist, durch welche die fünf Spindeln f eine dem Drall entsprechende Verdrehung erfahren.
Ferner sind in die Spindeln e die Ziehstäbe eingesetzt,
während die Gewehrläufe in Consollagern lothrecht stehend fest eingespannt
werden.
Textabbildung Bd. 302, S. 56
Fertigstellung der Gewehrläufe.
Die sieben Züge des Lee-Metford-Gewehres, Modell 1888, besitzen einen Radius von
0,112 Zoll engl. (2,84 mm) und übergreifen die Seelenbohrung von 0,303 Zoll engl.
(7,696 ∾ 7,7 mm) an der Scheitelstelle um 0,1 mm, so dass dadurch von der glatten
Bohrung 0,554 mm breite Bahnen übrig bleiben (Fig. 11 und 12). Diese
Zugtiefe von 0,1 mm ist zureichend, um bei 254 mm (254 : 7,7 = 33 Kaliber) Drall
(Linksgewinde) dem Geschoss 2700 secundliche Umdrehungen bei 768 mm Lauflänge
(gleich 100 Kaliber) und bei 686 m/Sec. Anfangsgeschwindigkeit zu ertheilen, wobei der
Stahlmantel des Geschosses in den Zügen um 0,312 – 0,307 = 0,005 Zoll engl. (0,127
mm) und in den Bahnen nur 0,007 Zoll ∾ (0,178 mm) verdichtet wird. Vgl. D. p. J. 1891 281 * 97 und
126.
Zum Riffen der Züge wird in englischen Gewehrfabriken das in Fig. 13 dargestellte
einfach wirkende Werkzeug gebraucht, welches in einer Maschine zur Anwendung kommt,
die der von Sponsel erfundenen bezieh. von Pratt und Whitney gebauten gleicht. (Vgl. D. p. J. 1893 288 * 174.)
Die Einstellung des Schneidstahles a geschieht durch
den Pflock b, der an der Schraube c sich stützt, dagegen weicht im Rücklauf des
Ziehstahls der unter Federwirkung stehende Pflock d
zurück.
Textabbildung Bd. 302, S. 57
Herstellung des Lee-Metford-Gewehres.
Von besonderer Wichtigkeit ist der richtige Gewindeanschluss des Laufes an die
Kammerhülse, was durch die Anfangsstellung des Schraubengewindes an beiden Theilen
bedingt wird. Die Schlosstheile bestehen ausnahmslos aus Tiegelgusstahl von milder
Beschaffenheit. Diese Theile werden unter einem Gesenkdampffallhammer in zwei Gängen
ausgeschmiedet und einer Reihe der verschiedensten Bearbeitungen unter
Sondermaschinen, namentlich Fräsemaschinen, unterworfen. Zur Fertigstellung von
Formlochern, Langlöchern, namentlich Löchern mit parallelen Seitenflächen haben sich
die sogen. Fräsedorne sehr bewährt, das sind Formdorne mit zunehmenden parallelen
Riffenschneiden, welche normal zur Längsachse des Dornes, meistens aber etwas
geneigt hierzu stehen. Mit einem Satz solcher Fräsedorne können mehrere Tausend
Formlöcher ohne wesentliche Abweichungen in den Abmessungen fertig gemacht werden.
Schmirgelschleifmaschinen sind natürlich bei der Vollendung von Schlosstheilen in
ausgedehntem Maasse verwendet. Die mittlere Uebereinstimmung der Abmessungen von
gewöhnlichen Schlosstheilen erstreckt sich in Enfield auf 0,05 mm, auch bei der
Bohrung des Laufes sind die Grenzen von 0,303 auf 0,305 engl. Zoll, d. i. 0,002 Zoll
∾ 0,05 mm gestellt. Selbstverständlich wäre eine so grosse Abweichung bei
Schraubengewinden, beim Visir u. dgl. Theilen ein grober Missgriff, während bei
anderen Stücken, so z.B. dem Repetirmechanismus, grössere Abweichungen ohne
Nachtheil noch zulässig erscheinen.
Nach dem Ausbohren, aber vor dem Riffeln, werden die Läufe einer Gewaltprobe
unterworfen, indem jeder Lauf durch einen Verschraubpfropfen an Stelle des Schlosses
geschlossen, dann als Vorderlader mit 7,15 g feinkörnigem Schwarzpulver, einem
Bleipfropfen von 22,7 g Gewicht geladen, sodann in wagerechter Lage batterienweise
abgefeuert wird. Im J. 1891 sind unter 57000 Stück derart geprüfter Läufe bloss vier
Stück gesprungen oder verletzt. Jeder Lauf mit dem Schloss wird einer zweiten
Prüfung nach dem Riffeln unterworfen, wobei die Ladung auf Hervorbringung eines
Gasdruckes von 241 für 1 Quadratzoll bezieh. 3720 at bemessen wird, während der
normale Gasdruck bei Schwarzpulver auf 18 t ∾ 2800 at, bei Cordit 14 t für den
Quadratzoll bezieh. 2170 at beträgt. Aufschluss über den Gasdruck in Tonnen –
Quadratzoll und die Geschossgeschwindigkeit in Fuss – Secunden im Gewehrlauf von 10
bis 100 Kaliberlängen gewährt das beifolgende Diagramm, deren Grundlinie die
Lauflänge in Kalibern (Fig. 14) ist und worin die
Geschwindigkeitscurven a und b für Schwarzpulver und Cordit, und ebenso c
und d die Druckcurven für dieselben Sprengmittel
vorstellen, während die mittlere Druckcurve der Zuginanspruchnahme des inneren
Laufmaterials für 20 Tonnen-Quadratzoll oder 31 k/qmm entspricht. Wie weit die Ladung
gesteigert werden kann, ohne ein Bersten des Gewehrlaufes herbeizuführen, beweist
ein Versuch mit 14,3 g Pulverladung und 110 g Bleigeschoss, wobei 380 mm Lauflänge
voll geladen waren.
In der Berliner Gewerbeausstellung sind von der Firma Ludw.
Loewe und Co., Actiengesellschaft in Berlin, und von der Waffenfabrik Mauser in Oberndorf a. Neckar eine hervorragende
Sammlung neuester Armeegewehre, Modell 1893/95, sowie nebst Werkzeugen und
Werkzeugmaschinen vorzüglichster Ausführung eine Reihe Werkstücksobjecte
ausgestellt, welche die staffelweise Bearbeitung einzelner Gewehrbestandtheile zur
Anschauung bringen.
Ohne auf die besonderen Einzelheiten dieses neuesten Gewehrtypus näher einzugehen,
dürfte die knappe Anführung der hauptsächlichsten Abmessungen, Gewichte und
baulichen Eigenthümlichkeiten willkommen sein, welches mit dem deutschen
Infanteriegewehr Modell 88 nur noch im Princip mit der Ladeweise und dem Verschluss
übereinstimmt.
Textabbildung Bd. 302, S. 57
Fig. 14.Diagramm über den Gasdruck.
Im Vergleich zum deutschen Infanteriegewehr Modell 88 ist das neue Mauser-Gewehr
bedeutend vereinfacht. So beträgt die Theilzahl in Bezug auf Schloss- und
Repetirmechanismus beim
Modell 88
Modell 93
Hülse mit Abzugsvorrichtung und Schlosshalter
11
10
Schloss mit Auszieher und Sicherung
10
8
Kasten mit Repetirvorrichtung
10
7
–––––
–––––
die Theilzahl
31
25
Das Magazin liegt im Mittelschaft, ist unten geschlossen und
nicht sichtbar, die hölzerne Handschutzleiste des Laufes reicht von der Hülse bis
unter den Unterring.
Die Lauflänge beträgt 738 mm, das Kaliber oder die Laufweite zwischen den Feldern 7
mm, der Querschnitt 0,385 qc. Der Lauf besitzt vier concentrische 0,125 mm tiefe und 3,9 mm
breite Zugriffen mit Rechtsdrall bei einer Umdrehung auf 220 mm Länge, demnach Länge
des Dralls in Kalibern 31,4 bezieh. Drallwinkel 5° 42,5', während die Länge der
Visirlinie vom Standvisir aus gemessen 642,8 mm beträgt. Der Verschluss ist ein
Cylinderdrehverschluss mit zwei senkrechten Stützwarzen, die Patronen werden vom
Ladestreifen (Buchrückenform) in das Magazin abgestreift und lagern im Zickzack drei
rechts, zwei links, im Ganzen fünf Stück. Das Gewicht des Ladestreifens für fünf
Patronen beträgt 10 g.
Das Geschoss aus Hartbleikern mit nickelplattirtem Stahlmantel hat bei 7,25 mm
grösstem Durchmesser, 30,8 mm Länge, eine Länge in Laufweiten (30,8 : 7) = 4,4 und
ein Gewicht von 11,2 g.
Die Patronenhülse aus Messing mit Eindrehung ist 56,5 mm lang, die scharfe Patrone
selbst 78 mm lang, wiegt bei 2,5 g Ladung von rauchschwachem Blättchenpulver 24,8 g.
Das Ladungsverhältniss beträgt (11,2 : 2,5) = 4,48 und die Querschnittsbelastung
durch das Geschoss auf die Laufweite zwischen den Feldern (11,2 : 0,385) = 29,1 g/qc, die grösste
Gasspannung 3100 bis 3300 at, die Geschossgeschwindigkeit an der Laufmündung 728 m/Sec., 25 m vor
der Mündung 700 m/Sec. die Umdrehungszahl des Geschosses in der ersten Secunde 3200. Es
beträgt ferner das Arbeitsvermögen des Geschosses an der Laufmündung 303 mk, jene
des Rückstosses 8,15 mk, die Rückstossgeschwindigkeit 2,04 m und die
Gesammtschussweite bei 30° Elevation über 4000 m, während die Scheitelhöhe der
Flugbahn bei 500, 550 und 600 m Entfernung 1,0, 1,3 bezieh. 1,64 m erreicht.
Das Gewicht des 1235 mm langen Gewehres bei leerem Magazin beträgt 4 k, das Gewicht
des 376 mm langen Seitengewehrs 0,4 k, so dass sich ein Gesammtgewicht von 4,4 k mit
aufgepflanztem Seitengewehr ergibt.
Versuchsschiessen haben ergeben, dass die Brauchbarkeit des Gewehrlaufes und jene des
Schlossmechanismus selbst nach 15000 Schuss nicht beeinträchtigt war, dass
Nachbrennen, Versager oder Verschlusshemmungen nicht vorgekommen sind, obwohl an
jedem Tage 720 Schuss aus demselben Gewehr, davon 7 Proc. unter Schnellfeuer,
abgegeben wurden. Nach 9000 Schuss trat nur eine minimale Verminderung in Bezug auf
Treffähigkeit ein, während nach Beendigung des Beschüsses (15000 Schuss) das Gewehr
noch seine volle Kriegsbrauchbarkeit beibehielt. So zeigt die folgende
Vergleichsübersicht die Treffsicherheit eines Versuchsgewehres A, aus welchem 12750
Schüsse verfeuert waren, gegenüber einem neuen Gewehr B. Die Streuung betrug
nach Höhe und Breite in Meter bei Schussweiten:
SchussweiteinMeter
Streuung in Meter
A
B
Höhe
Breite
Höhe
Breite
250
0,3
0,19
0,25
0,15
500
0,6
0,40
0,73
0,41
600
0,87
0,68
0,79
0,61
900
2,09
1,05
1,80
0,96
1200
3,05
1,62
2,51
1,20
Erwähnt mag noch sein, dass die kleinkalibrigen Mauser-Repetirgewehre folgende
Staaten adaptirt haben: Belgien Modell 1889, Kaliber 7,65 mm; Türkei Modell 1890,
Kaliber 7,65 mm; Argentinien Modell 1891, Kaliber 7,65 mm. Nach der Construction
1893/95: Spanien Modell 1893, Kaliber 7 mm; Türkei Modell 1893, Kaliber 7,65;
Brasilien Modell 1894, Kaliber 7 mm; Schweden Modell 1894, Kaliber 6,5 mm; Chile
Modell 1895, Kaliber 7 mm; Mexico Modell 1895, Kaliber 7 mm.