Titel: Die Zukunft der Elektricität im Eisenbahnbetriebe.
Fundstelle: Band 302, Jahrgang 1896, S. 281
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Die Zukunft der Elektricität im Eisenbahnbetriebe. Die Zukunft der Elektricität im Eisenbahnbetriebe. Unter dieser Ueberschrift veröffentlicht Dr. Louis Ducan im Junihefte des Journal of the Franklin Institute, S. 401, seine jüngsten Anschauungen über die voraussichtliche künftige Rolle des elektrischen Betriebes bei den Eisenbahnen, welchen Artikel wir nachstehend wiederbringen, nicht bloss des actuellen Gegenstandes halber, sondern auch mit Rücksicht auf mancherlei unterrichtende Einblicke, welche diese Darlegungen über die in Amerika für Beurtheilung von Eisenbahnfragen maassgebenden Gesichtspunkte darbieten. Schon früher einmal erörterte ich an dieser StelleJournal of the Franklin Institute vom 17. Januar 1896, Nr. 846. die Verwendbarkeit der Elektricität als Ersatz der Dampfkraft bei Eisenbahnen und versuchte unter gewissenhafter, eingehender Prüfung der neuesten Fortschritte auf dem Gebiete der elektrischen Traction festzustellen, ob dieser Betriebsweise oder ob den Dampfbahnen die günstigeren Aussichten für die Zukunft zuzusprechen seien. Ich kam dabei für die Dampfbahnen zu einem keineswegs sehr hoffnungsvollen Schlusse. Gleichwohl steht bisher die Thatsache fest, dass der mit Eisenbahnen zu erzielende Gewinn, hüben wie drüben, ein geringer ist, und dass bei zahlreichen elektrischen Bahnen sich die Erträgnisse trotz des billigeren Trolleybetriebes noch ungünstiger herausstellen, als bei ihren Dampfrivalinnen. Immerhin bleibt die Frage eine natürliche, warum denn die Dampf bahnen den elektrischen Betrieb, wenn er wirklich weniger kostspielig ist, nicht glattweg annehmen? Es erklärt sich dies durch den Umstand, dass man vorläufig noch nicht so weit ist, die drei Formen des Eisenbahnverkehres, nämlich den Güterverkehr, den Localverkehr und den Fernverkehr für Reisende auf ein und derselben elektrischen Linie gleichzeitig durchführen zu können. Um hierüber eine klare Einsicht zu gewinnen, muss vorerst untersucht werden, inwieweit die genannten drei Arten des Eisenbahntransportes ein Ergebniss der Eigenthümlichkeiten der Dampflocomotiven und inwieweit sie gleichsam ein natürliches System sind, das von der Art des Motors unabhängig ist. In den Vereinigten Staaten beläuft sich der Güterverkehr auf das Zwei- bis Dreifache des gesammten Personenverkehrs und im grossen Ganzen bezahlt er sich auch besser. Ein Blick auf den Jahresbericht irgend einer Bahngesellschaft lässt unschwer und sofort erkennen, dass der Güterverkehr der ertragsreichere und also vom Standpunkte des Eisenbahnmannes der befriedigendere ist. Erstens, da die Güterzüge lang sein können und langsam fahren dürfen, stellt sich bei ihnen der Kraftaufwand für die Beförderung der Gewichtseinheit im Vergleiche mit jenem bei Personenzügen, die kurz sind und schnell fahren müssen, wesentlich geringer; zweitens ist auch das Verhältniss der bezahlten, ein Erträgniss abwerfenden Last gegenüber dem Gesammtgewichte der Züge bei den Güterzügen weitaus günstiger als bei Personenzügen. In einer Reihe von Jahresberichten der Pennsylvania-Bahn erscheint das durchschnittliche Gewicht der beförderten Güter stets namhaft grösser als die Hälfte des Gesammtgewichtes der betreffenden Züge. Im Personenverkehr hingegen stellt sich das Verhältniss von Zuggewicht zum Gewichte der Reisenden nie über 50 zu 1, und wenn also das allgemeine durchschnittliche Verhältniss mit 60 oder gar mit 70 zu 1 angenommen würde, dürfte dies der Wahrheit ziemlich nahe kommen. Hinsichtlich des Frachttransportes, bei welchem Zeitersparnisse verhältnissmässig von geringem Belang sind, lässt es sich leicht berechnen, welche Fahrgeschwindigkeit das günstigste Ergebniss liefert, nämlich welche Geschwindigkeit es ermöglicht, eine gegebene Tonnenzahl mit den geringsten Kosten für die Wegeinheit zu befördern. Allein beim Personenverkehr gestalten sich Vorausberechnungen weit schwieriger, weil die Verhältnisse der Dinge sehr ungleich liegen und es bei der derzeitigen, mit allen Mitteln arbeitenden Concurrenz nicht allein auf die billigste, sondern auch auf die schnellste und bequemste Beförderung ankommt. Es unterliegt durchaus keinem Zweifel, dass die grosse Fahrgeschwindigkeit der Expresszüge, wie solche z.B. zwischen New York und Chicago verkehren, den betreffenden Bahngesellschaften ganz ausserordentliche Kosten verursachen. Abgesehen von dem Kraftaufwand, welcher lediglich von dem bei grossen Fahrgeschwindigkeiten so beträchtlichen Luftwiderstande aufgezehrt wird, ist die Abnutzung des rollenden Materials und der Fahrbahn eine gesteigerte und grosse; kein directes Erträgniss abwerfende Lasten, d.h. Wagen, die in Betreff der Raumvertheilung und ihres Gewichtes die Grenzen des Nothwendigen weit überschreiten, müssen mitgeschleppt werden, gerade nur, um der Bequemlichkeit der Reisenden entgegenzukommen. Und dennoch trachten alle Eisenbahnen danach, die Fahrzeiten ihrer Personenzüge zu verkürzen, da es eben ausser Frage steht, dass die Reisenden nur jene Strecken bevorzugen, welche die rascheste Beförderung gewährleisten. Bei den bisherigen Dampflocomotivbahnen erweist sich das Verhältniss der drei oben genannten Transportarten, Güterverkehr, Local- und Fernverkehr für Personen, nachfolgend: Localzüge verkehren dicht hinter einander nur auf kurzen Strecken zunächst oder zwischen angrenzenden, stark bewohnten Centren; Expresszüge fahren weite Strecken, aber sie folgen sich in verhältnissmässig langen Zeitabständen; die Güterzüge endlich werden dazwischen eingeschoben, sei es nach regelmässigen Fahrplänen, sei es nach Gelegenheit und Bedarf. Diese Art der Ausnutzung stimmt ganz trefflich zu den wirthschaftlichen Bedingungen für Dampfbahnen. Auch gilt für sämmtliche drei Beförderungsformen im Allgemeinen dieselbe Sparsamkeitsregel, nämlich die Züge so lang als möglich zu machen und dazu möglichst wenig Maschinen zu verwenden. Der Dampfbetrieb gewährt demnach den grossen Vortheil, dass auf denselben Gleisen alle Verkehrsformen neben einander bestehen können, zudem unter denselben wirthschaftlichen Hauptbedingungen. Nur auf ganz wenigen, ganz ausnahmsweise stark benutzten Dampfbahnen hat sich im Laufe der Zeit die Notwendigkeit ergeben, das Doppelgleis doppelt, d.h. vier Gleise anzulegen; ein verschwindend kleiner Procentsatz von der Gesammtlänge der Eisenbahnen. Dementgegen liegen die Geschäftsbedingungen bei elektrischen Bahnen wesentlich anders. Wollte man vorerst der Frage des Güterverkehrs näher treten, so drängt sich in erster Linie die schon oben einmal erwähnte Thatsache auf, dass zur Erzielung der äussersten Sparsamkeit Züge von grösstmöglichstem Gewicht von einer Maschine gezogen werden sollten. Eben deshalb gingen ja auch die Bestrebungen aller grösseren Dampflocomotiveisenbahnen in den letzten Jahren dahin, die Leistungsfähigkeit der Zugsmaschinen zu steigern und die Länge der Züge, sowie die Tragfähigkeit der Wagen zu erhöhen. In Folge dessen sind auch solidere und kostspieligere Gleisanlagen, insbesondere schwerere Schienen und allgemeine Verstärkungen an Brücken und sonstigen Unterbauobjecten nöthig geworden. Allerdings waren die daraus erwachsenen Auslagen ausserordentlich gross, allein die später bei der Frachtenbeförderung erzielten Ersparnisse beweisen deutlich, wie klug diese Opfer angebracht gewesen sind. Auf einer der längeren Dampfeisenbahnen, welche alljährlich sorgsam abgefasste statistische Ausweise veröffentlicht, findet sich, dass die Beförderungskosten für die Tonne und Meile im J. 1870 noch 1,15 Cent betragen haben, während sie sich 1890 nur auf 0,56 Cent beliefen. Auf einer anderen Bahnlinie stellten sich die Kosten für die Tonnenmeile im J. 1864 auf 1,9, im J. 1893 nur auf 0,447 Cent. Die beförderte Tonnenzahl für die Zugmeile belief sich bei der erstgedachten Bahn 1870 auf nur 103, im J. 1890 schon auf 226 und 1895 auf 256. Wollte man versuchen, denselben Verkehr unter den gleichen Gesichtspunkten und Betriebsgrundsätzen mit elektrischen Locomotiven zu bewältigen, die von entfernter Centralkraftstation gespeist würden, so liegt ohne weiteres klar zu Tage, dass sich schwere wirthschaftliche Nachtheile ergeben müssten, zufolge der unvermeidlich äusserst ungleichen Vertheilung der Last entlang der Strecke. Würde man beispielsweise annehmen, je zwei Kraftstationen hätten gemeinsam die zwischenliegende Strecke mit Energie zu versehen, so müsste jede von ihnen, eine gleichmässige Vertheilung der Belastung in der Stromzuführung vorausgesetzt, mindestens die Hälfte der im Ganzen für den Normalverkehr erforderlichen Energie zu leisten im Stande sein; sollte jedoch für die einzelnen Strecken immer nur je eine Kraftstation vorhanden sein, so muss diese allein das volle Maass der normalen Betriebskraft zu liefern vermögen. Hört aber die Belastung auf, eine gleichmässige zu sein, und drängt sich an irgend einer Stelle der Verkehr derart, dass eine aussergewöhnliche Anzahl schwerer Züge in einer Theilstrecke zusammenkommen, dann würden sich die Normalleistungen der betreffenden Kraftstationen als unzulänglich erweisen, oder mit anderen Worten: sollen die Kraftstationen, gleichgültig ob nur eine oder ob zwei gemeinsame Stationen die Strecke besorgen, für alle Fälle genügen, so muss ihre Leistungsfähigkeit weit über den regulären Bedarf hinausreichen. Würde man sich entschliessen, die elektrische Energie auf weitere Entfernungen zu übertragen und eine Reihe von Strecken von einer einzigen Kraftstation etwa mit Phasenstrom zu versorgen, indem längs der Linie Transformatoren in Verwendung gebracht werden, so braucht allerdings die Kraftstation lediglich für den normalen Bedarf der von dort besorgten Gesammtlinie eingerichtet zu sein, allein die Transformatoren der Theilstrecken müssten doch wieder für die oben erwogenen aussergewöhnlichen Verkehrsverhältnisse ausreichen und zu dem Ende eine Leistungsfähigkeit erhalten, welche das durchschnittliche Bedürfniss weit überschreitet. Wenn wir den elektrischen Betrieb mit dem der Dampflocomotiveisenbahnen in Vergleich ziehen wollen, müssen wir uns stets klar bewusst bleiben, dass jede Abweichung von einer gleichmässigen Vertheilung der Last entlang der Strecke beides, nämlich sowohl die Kosten der Einrichtung als die des Betriebes nennenswerth erhöhen wird. Um also überhaupt die Beförderung von Gütern mittels Elektricität rationell durchführen zu können, gibt es nur drei Wege, entweder müssen kleinere Züge verwendet oder es muss eine billige Vertheilungsmethode erfunden, oder endlich es muss die elektrische Energie am Zuge selbst erzeugt werden. Wird die Länge der Züge gekürzt, so muss dafür ihre Zahl vermehrt werden und damit vermehrt sich gleichzeitig die Zahl der Zugführer und im gewissen Maasse auch die der Bremser; ausserdem erhöhen sich die ersten Einrichtungskosten und ebenso späterhin die Erhaltungskosten der Motoren. Die Erhöhung dieser Posten wird zum Theile auch noch von der gewählten Zahl der Stromzuführungsunterabtheilungen abhängen. Dagegen werden durch die Verwendung von Zügen geringeren Gewichtes die Kosten der Kraftstationen und der Streckeneinrichtungen, sowie der Bahnverwaltung herabgemindert. Was die Methode der Vertheilung anbelangt, von welcher eine glückliche Lösung des Problems erhofft werden kann, so scheint dies ausschliesslich nur mit Hilfe eines Wechsel- oder Mehrphasenstromes erreichbar zu sein, der an der Erzeugungsstelle hochgespannt und durch Transformatoren, welche direct an den Locomotiven angebracht sind, wieder für die Verwendung im Motor entsprechend abgespannt wird. Derartige Durchführungen bieten jedoch in der Praxis ganz ausserordentliche Schwierigkeiten, die zu bekämpfen bisher nicht gelungen ist. Was schliesslich die elektrischen Locomotiven ohne Stromzuführung betrifft, so müssen dieselben die erforderliche Energie entweder mitzuführenden Speicherbatterien entnehmen, etwas, das für den Güterdienst der Eisenbahnen derzeit gar nicht erst in Erwägung gezogen werden kann, oder sie müssen als fahrende Kraftstationen eingerichtet sein, wie die Heilmatm'sche Locomotive, mit der man in Frankreich Versuche gemacht hat. Auch diese letztere Form kann aus naheliegenden, hauptsächlich wirthschaftlichen Gründen vorläufig nicht ernstlich in Betracht kommen. Damit wäre also die erste Ueberprüfung der Chancen des Gütertransportes abgethan und es kann nun zu jener des Localverkehrs übergegangen werden. Ein idealer Localverkehr müsste sich auf ein System aufbauen, welches darin bestünde, dass zur Verbindung nahe an einander liegender Städte oder Stadttheile und Vororte ein eigenes Gleisnetz ausgeführt sei, welches das ganze in Frage kommende Gebiet sowohl der Länge als Breite nach so oft mal durchquert, als es die örtlichen Bedürfnisse erheischen, und das von einer continuirlichen Zugsreihenfolge befahren wird. Dass der elektrische Betrieb die Verwirklichung eines solchen idealen Localverkehrs im vollendetsten Maasse zu gewährleisten vermag, liegt auf der Hand. Auch was den gewöhnlichen Expressdienst anbelangt, so kann derselbe ebenfalls mittels des elektrischen Betriebes geleistet werden, da es keiner Schwierigkeit unterliegt, Züge, aus einem oder zwei Wagen bestehend, sehr rasch in kurzen Zwischenräumen hinter einander verkehren zu lassen. Durch einen richtig angeordneten Fahrplan wird es sogar möglich sein, die Belastung auf der Strecke ziemlich gleichmässig, d. i. wirthschaftlich günstig zu vertheilen. Freilich darf nebenbei nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Ausnutzung der Leitung noch immer keine günstige sein kann, denn würden die Expresszüge, sagen wir etwa 90 Meilen (145 km) in der Stunde fahren und sich in Zeitabständen von 20 Minuten folgen, so sind die Züge bei regelmässiger Fahrt stets 30 Meilen (48 km) von einander entfernt. Für einen sparsamen Betrieb müssten die Züge noch weit näher an einander liegen, was im Fernverkehr kaum ausführbar ist. Was aber die Geschwindigkeit anbelangt, die erzielt werden könnte, lässt sich schwer eine Grenze angeben; immerhin liessen sich die Motoren für Geschwindigkeiten bis zu 120 Meilen (193 km) oder selbst bis zu 150 Meilen (251 km) in der Stunde einrichten und die den Dampflocomotiven gegenüber schwächeren Ausmaasse der elektrischen Motoren würde auch einiges zur Verminderung des Luftwiderstandes beitragen. Allein wir haben den letzteren pro Gewichtseinheit des Zuges doch erhöht, weil dieser verkürzt worden ist, und so wird denn auch durch die grosse Geschwindigkeit der zur Fortbewegung des einzelnen Zuges erforderliche Kraftaufwand bedeutend erhöht. Uebrigens ist es beim Personenverkehr nicht bloss die Frage des rationellen, sparsamen Verkehrs, durch welche die äussersten Grenzen der Fahrgeschwindigkeit abhängen, sondern schliesslich doch auch die Sicherheit und Bequemlichkeit der Reisenden. Mit einem sorgfältig ausgeführten Unterbau und Schienen und Bettungen nach jetzigem Muster der Dampf locomotivenvollbahnen könnte sich mit gut und richtig gebauten elektrischen Motoren und Wagen immerhin eine Zuggeschwindigkeit von 100 Meilen (160,9 km) in der Stunde ohne unstatthafte Beeinträchtigung der Bequemlichkeit und Sicherheit erzielen lassen. Wenn also der elektrische Betrieb für den Localverkehr und auch für den Expressverkehr mindestens auf Entfernungen bis zu einigen Hundert Meilen Eignung besitzt, worüber späterhin noch ausführlicher gesprochen werden soll, so hat er für den Gütertransport lediglich den einen Vortheil aufzuweisen, dass die kürzeren Züge leichter zu behandeln wären und weniger Gelegenheit für Unfälle bieten würden. Es fragt sich nur, inwieweit die drei Beförderungsformen, der Güter-, Local- und Expressverkehr, auf einer und derselben Gleisanlage abgewickelt werden können? Fürs erste ist es zweifelsohne unmöglich, Expresszüge mit Güter- und Localzügen zu vermischen, weil für den Expressverkehr, solche Zugsgeschwindigkeiten ins Auge gefasst, wie sie weiter oben angegeben wurden, unbedingt ein besonderes Gleis vorhanden sein müsste, das möglichst günstige Gefällsverhältnisse, keine Bahnüberwege im Niveau und keine scharfen Bögen haben dürfte, also kurzweg sehr kostspielig wäre. Eher könnte es angehen, unter gewissen Umständen den Güter- und Localverkehr auf denselben Gleisen abzuwickeln, wenn nämlich der letztere, ganz regelmässig durchgeführt, nur bestimmte Hauptpunkte der Stadttheile und Vororte verbindet, zwischen welche – wenn überhaupt – so wenig als möglich Haltestellen eingeschaltet sind. Keineswegs könne so gefahren werden, wie es jetzt auf gewöhnlichen elektrischen Trambahnen geschieht, wo der aus Sparsamkeitsrücksichten möglichst leicht gebaute Personenwagen an jeder Strassenkreuzung anhält, während die Güterwagen nicht stehen bleiben und doch dieselbe Fahrgeschwindigkeit haben sollten. Auch bleibt der Umstand zu überlegen, dass bei einer Vermengung des Güter- und Localverkehrs auf jede Freiheit hinsichtlich vorübergehender Fahrordnungsänderungen verzichtet werden müsste, denn solche Aenderungen wären in Anbetracht der schweren Güterwagen, die nicht leicht gebremst, d.h. schwer angehalten werden können, stets recht gefährlich. Mehr oder minder stellt sich mithin auch für die zwei zuletzt in Erwägung gezogenen Beförderungsformen das Bedürfniss nach Trennung der Gleise heraus, und würde sich dies sowohl aus Nützlichkeits- als aus Sicherheitsgründen insbesondere auf solchen Linien fühlbar machen, wo ein so starker Frachtenverkehr vorhanden ist, dass das Gleis von den vielen Güterzügen übermässig in Anspruch genommen werden müsste. Alle die obigen Erwägungen, nochmals kurz zusammengefasst, führen zu nachfolgendem Schlusse: Die bisherige Gepflogenheit der Dampfeisenbahnen, verhältnissmässig schwere Züge in langen Zwischenräumen fahren zu lassen, ergibt sich aus den zwei Umständen, dass diese Einrichtung hinsichtlich des Kraftaufwandes das wirthschaftlichste ist und zugleich die geringsten Gleisanlagen erfordert. Um denselben Verkehr durch Elektricität zu bewältigen, müsste mindestens für den Expressverkehr eine besondere Doppelgleisanlage vorhanden sein, und für jene Strecken, auf welchen sich wegen grossen Güterandranges auch noch die Trennung des Frachten Verkehrs von dem Localverkehr als nothwendig herausstellt, müssen die Gleise auf sechs erhöht werden. Dampf durch Elektricität zu ersetzen, verlangt also eine grössere Aufwendung von Gleisanlagen und ebenso bei unseren jetzigen Preisen und Vertheilungsmethoden auch noch einen grösseren Aufwand von Triebkraft. Abgesehen von diesen Anschaffungen verspricht jedoch der elektrische Betrieb selber, mindestens beim Local- und Expressverkehr sich billiger zu gestalten, während eine günstige Herabminderung der Betriebskosten beim Güterverkehr erst noch von verschiedenen örtlichen Verhältnissen abhängen würde. Habe ich in meiner älteren eingangs erwähnten Bearbeitung der vorliegenden Frage meine Meinung hinsichtlich des Verhältnisses der jetzigen Dampf bahnen zur Elektricität dargelegt, die Dinge so betrachtend, wie sie in Wirklichkeit bestehen, liegt es heute in meiner Absicht, zu zeigen, wie meinen Anschauungen nach sich diese Verhältnisse in nicht allzu ferner Zeit gestalten können und zuversichtlich auch gestalten werden. Erstens wird der Localverkehr – ich gebrauche diesen Ausdruck in seinem volksthümlichen Sinne, nicht im Sinne der Eisenbahnberichte – aus naheliegenden, natürlichen Gründen sehr bald vollständig durch elektrische Bahnlinien aufgesogen sein. Es ist ja ganz wesentlich billiger, Personen auf kurze Entfernungen mit Trolleybahnen als mit Dampfwagen zu befördern, und der elektrische Betrieb spricht auch dem Publicum mehr an; das Verhältniss des Gewichtsantheiles der Reisenden zur todten Last stellt sich weit günstiger als beim Dampf und die Zugkraft ist ebenfalls billiger. Für die Reisenden ist es bequem, überall und zu jeder Zeit Fahrgelegenheit zu finden, und während des grössten Theils des Jahres fährt man im Trolleywagen angenehmer als auf der russigen, übelriechenden Dampf bahn. Es steht ausser Zweifel, dass diese Vortheile und Annehmlichkeiten als natürliche Folge eine immer grössere Erweiterung der Localbahnnetze mit sich bringen wird, woraus sich Districtsbahnen entwickeln werden, welche in weitem Umkreise den Verkehr entfernterer Ortschaften oder Nachbarstädte mit den Centren besorgen. Ein ganz bedeutender Vortheil der Elektricität liegt auch in der Thatsache, dass als Zugführer nicht erst besondere Fachleute angestellt zu werden brauchen, sondern dass jeder gewöhnliche, denkende Arbeiter hierzu genügt, da die ganze Treibmaschine, besonders wenn gewisse Motorconstructionen angewendet werden, von einer geradezu idealen Einfachheit sind und nur eine äusserst geringe Wartung und Unterhaltung bedürfen. Für elektrische Localbahnen lassen sich überdies leichtere Schienen verwenden, ebenso genügt ein leichterer Unterbau und die Steigungs- und Richtungsverhältnisse der Gleise sind weniger strengen Einschränkungen unterworfen. Zur klugen, weitgehendsten Ausnutzung aller dieser Vortheile sollte allerdings jedes Project für elektrische Bahnanlagen erst auf das sorgsamste vorgeprüft und genau überlegt werden. Wie sehr übrigens die oben ausgesprochene Idee von elektrischen Districtsbahnen berechtigt ist und der Verwirklichung nahe liegt, zeigt beispielsweise die Ausführung von fünf Vorortbahnen, welche die Stadt Cleveland als Mittelpunkt haben und grösstentheils bereits ausgeführt sind, theils soeben vollendet werden. Davon verbindet die 23 Meilen lange Ostlinie die Stadt Painersville und das Strandgebiet mit Cleveland; die Südlinie kommt von Akron und hat mehr als 30 Meilen Länge; eine südöstliche, ungefähr 9 Meilen lange Linie geht nach Berea und gegen Westen zweigt eine Linie von 20 Meilen nach Elyria, dem Hauptorte von Lorain County, ab. Derzeit endigen diese Bahnen an den Stadtgrenzen von Cleveland und sie hängen hinsichtlich der Weiterbeförderung ihrer Reisenden in das Stadtinnere von zwei älteren elektrischen Strassenbahnen ab. Ausser kleinen Packeten wurden bisher keine Güter befördert, indessen beabsichtigt man, sobald in der Stadt selbst Bahnhöfe gesichert sein werden, einen grossen Theil der Landproducte in Körben, Kisten oder Ballen zu befördern. Die Wagen sind daselbst genau so lang, wie gewöhnliche Eisenbahnwagen und haben nebst den Abtheilungen für Reisende auch solche für Gepäck und Frachten. Kürzlich haben sich die fünf Bahnen zu einer einzigen Gesellschaft vereinigt und wurde von dieser der Beschluss gefasst, durch die Stadt eine Verbindungsbahn herzustellen, welche, zu einem grossen Netze ausgeweitet, nach allen Richtungen hin den Anschluss vermitteln und in den Stunden von Mitternacht an bis halb 6 Uhr früh hauptsächlich zum Frachtentransport, Dämlich vorläufig insbesondere zur Zufuhr von Milch, Fleisch, Früchten und sonstigen Lebensmitteln benutzt werden soll. Es wird ferner an einer zweckmässigen Stelle nahe dem Mittelpunkte der Stadt ein Centralbahnhof errichtet, sowohl für Güter als zur Bequemlichkeit der Reisenden. Später, wenn der Frachtenverkehr anwächst, sollen auch noch in den verschiedenen Stadttheilen kleine Frachtenstationen errichtet werden. Das ganze geschilderte Bahnnetz steht unter dem Eisenbahngesetze und kann sich daher, wo es noth thut, im Wege des Enteignungsverfahrens die zweckmässigsten Wege schaffen. Um auch die öffentliche Meinung für das Unternehmen günstig zu stimmen, liegt die Absicht vor, Umsteigkarten auszugeben, welche für sämmtliche Linien Gültigkeit besitzen und zu je acht Stück nur 25 Cent kosten sollen. Da die neue Linie innerhalb der Stadt Cleveland vielfach mit den bestehenden elektrischen Strassenbahnen parallel laufen werden, so haben die letzteren einen erbitterten Kampf aufzunehmen, dessen Ergebniss sich schwer voraussagen lässt. Sollte die neue Bahngesellschaft alle ihre Pläne thatsächlich verwirklichen, dann drohen die alten Strassenbahngesellschaften die Fahrgelder aufs Aeusserste herabzusetzen und einen Tarif krieg zu beginnen, dessen Ausgang für alle betheiligten Interessenten kaum verfehlen wird, schädlich zu sein. Was uns daran am meisten interessirt, ist die Mitbenutzung der Strassen für den Frachtentransport, d.h. die Vermengung des Localverkehrs mit dem Güterverkehr, denn, wenn alle die oben angeführten Absichten zur That werden, dann ist alle Aussicht vorhanden, dass die Gesellschaft die Beförderung von Gütern auf allen ihren Linien regelrecht aufnimmt, was den vielen industriellen Etablissements und dem Productenaustausche der anliegenden Ortschaften ausserordentlich zu statten käme. Unter den fünf Linien hatte die von Akron kommende, südliche schon nach einem viermonatlichen Verkehr dem Geschäft der auf dieser Route von früherher vorhandenen Dampfbahn grossen Abbruch gethan, demzufolge sich die letztere genöthigt sah, ihre Züge um zwei zu vermindern. Obwohl auf der elektrischen Bahn die Fahrzeit für die Züge von und nach Akron etwas länger ist als auf der Dampf bahn, so scheinen die Reisenden die erstere doch vorzuziehen, offenbar weil sie da befreit sind von Kohlenstaub und Rauch u. dgl. und überdem alle 45 Minuten einen Zug zur Verfügung haben. Der Eifer, mit welchem man jetzt daran gehen will, gute Landstrassen zu erbauen, ist viel zu spät erwacht, denn bis es hierin schliesslich zur Ausführung kommt, werden wir bereits mitten in neue Verhältnisse gerathen sein, nämlich in die Aera der elektrischen Bahnen und der Zweiradwege, welche Landstrassen überflüssig machen werden. Wenn wir uns nun dem elektrischen Expressverkehr zuwenden, so muss zugegeben werden, dass derselbe grosse Anlagen erfordert und dass, um ihn einträglich zu gestalten, noch eine gründliche Verbesserung der jetzigen Betriebsmethode vorhergehen muss. Bei dieser Verkehrsform können Einnahmen für Personen- und Gepäcksbeförderung und nebenbei für die Postbeförderung erwartet werden. Nimmt man diesfalls bestehende Dampfbahnen zum Maasstab, so findet sich nur äusserst selten eine Linie, wo sich der Expressdienst bezahlt macht. Da jedoch der elektrische Expressverkehr weit grössere Geschwindigkeiten und häufigere Reisegelegenheit bieten könnte, dürfte auf einen grossen Zuwachs der Zahl der Reisenden gerechnet werden. So erscheint es beispielsweise ausser Frage, dass, wenn etwa die Fahrzeit für eine Reise von Philadelphia nach New York und umgekehrt um eine Stunde vermindert werden würde, und wenn daselbst die Züge alle 15 bis 20 Minuten hinter einander führen, zwischen den genannten zwei Punkten sich die Zahl der Reisenden bedeutend erhöhen würde. Die reiche Zahl der Vorschläge, welche gemacht worden sind für elektrische Bahnen von Philadelphia nach New York oder selbst von Washington nach New York, beweist, wie sehr die Sache in der Luft schwebt und ernstlichst von überlegten, gewissenhaften Leuten in Erwägung gezogen wird. Es ist ja auch nichts Ausschweifendes mehr in diesen Plänen; nichtsdestoweniger darf man sich aber nicht blind stellen gegen die Schwierigkeiten, auf welche man bei der praktischen Durchführung stossen wird. Dort, wo bereits vorhandene Dampfbahnen in Betracht gezogen werden müssen, erscheint es von vorhinein höchst zweifelhaft, ob die riesigen Auslagen für die Anlage sich bezahlen würden. Die bestehenden alten Bahnen könnten verhältnissmässig leicht die Tarife weit tiefer herabspannen, als es einem jungen kostspielig veranlagten Concurrenzunternehmen nachzufolgen möglich wäre. Eine Linie von Washington nach New York trotz des Widerstandes der dort fahrenden Dampf bahn zu bauen, würde eine grosse Geschicklichkeit und Schlauheit von Seite der Vertreter der betreffenden Gesellschaft und enorme Geldopfer erfordern. Niemand, der die Sache nicht eingehend kennt, kann die Schwierigkeiten und Ausgaben begreifen, welche beispielsweise allein schon mit der Sicherung eines Bahnhofs in den verschiedenen Städten verbunden sind, und ebenso können die an sich schon bedeutenden Kosten und Mühen zur Erlangung des Wegrechtes durch eine wohlorganisirte und kluge Gegenwehr der bedrohten alten Gesellschaften, welche in der Lage sind, sich auf grosse Kapitalskraft, auf Einfluss und auf die Erfahrungen von der Einführung ihrer Bahn her zu stützen, wesentlich erhöht werden. Von der Möglichkeit, Züge mit einer Geschwindigkeit von 100 Meilen (160,9 km) in der Stunde fahren zu lassen, ist schon gesprochen worden. Unsere Erfahrungen hierüber sind folgende: Die Fahrgeschwindigkeit gewöhnlicher Trolleywagen ist nach und nach stetig gesteigert worden, im Vororteverkehr bis zu 40 Meilen in der Stunde, eine Geschwindigkeit, welche jetzt am häufigsten vorkommt. Eine viel bedeutendere Steigerung wird auf der jetzt noch im Bau begriffenen Columbia- und Maryland-Eisenbahn in Aussicht genommen, wo auf der Fahrt zwischen Baltimore und Washington eine Zugsgeschwindigkeit von 60 Meilen in der Stunde eingeführt werden soll. Im verflossenen Jahre fuhren Züge auch schon auf der Nantasket-Beach-Strecke der New-York- und New-Hampshire-Bahn über 60 Meilen in der Stunde und ähnliche Resultate wurden selbst auf der Holly-Linie der Pennsylvania-Bahn erreicht. In den beiden letzten Fällen waren die Wagen nicht einmal für sehr grosse Fahrgeschwindigkeiten besonders gebaut, und dennoch ergaben sich hinsichtlich ihrer Verwendbarkeit keinerlei Schwierigkeiten. Mehrfache Bedenken, welche man bisher gegen das Schnellfahren hegen zu müssen glaubte, erscheinen durch die angeführten praktischen Beispiele bereits besiegt und es lässt sich gewärtigen, dass dies ebenso der Fall sein wird, wenn man noch grössere Geschwindigkeiten versucht. Noch vor Kurzem war die Ueberzeugung allgemein, bei sehr hohen Geschwindigkeiten würde sich der Zugwiderstand bis zur Unüberwindlichkeit steigern, allein mehrfache Probefahrten auf Dampf bahnen sowohl als solche mit elektrischen Wagen, wobei Schnelligkeiten bis zu 120 Meilen in der Stunde erreicht worden sind, haben gezeigt, dass die bis dahin für wahr gehaltenen Berechnungsformeln falsch waren; sie alle bezifferten den Luftwiderstand viel zu hoch. Besonderes Interesse verdienen die Forschungen Crosby's welcher nach zwei Richtungen hin Versuche machte. Zuerst liess er einen kleinen elektrischen Wagen auf einem in sich zurückkehrenden Kreisgleise fahren und maass die Geschwindigkeit und verbrauchte Kraft; da ihm ausserdem die Constanten der Motoren bekannt waren, konnte er den totalen Widerstand für verschiedene Geschwindigkeiten genau feststellen. Allein er ging noch weiter und brachte am Vordertheil des Versuchswagens eine Registrirvorrichtung an, welche den jeweiligen Maximalluft widerstand während der Bewegung des Wagens graphisch darstellte; dieser vom totalen Widerstand abgezogen, gab als Rest den Gleis widerstand. Bei diesen Versuchen wurden dem Wagenvordertheil auch wiederholt verschiedene Formen gegeben und bestimmt, welche Rückwirkung die Gestalt der Angriffsfläche des Zuges besitzt. Aus den Ergebnissen der Crosby'schen Arbeiten geht hervor, dass Fahrgeschwindigkeiten von 120 oder selbst 150 Meilen in der Stunde keineswegs unüberwindliche Widerstände hervorrufen, sofern der Zug eine geeignete Gestalt besitzt. Vermöge der Natur seines Baues gestattet es der elektrische Motor, den Schwerpunkt des angetriebenen Fahrzeuges weit niedriger anzubringen, als bei den Dampflocomotiven, wodurch sich leicht höhere Schnelligkeiten erreichen lassen, und da man die Treibkraft gleich tangential an der Treibachse angreifen lassen kann, so wird die Sicherheit unter diesen Verhältnissen in jeder Beziehung eine höhere sein, als wo die antreibenden Theile eine hin- und rückgängige Bewegung zu machen genöthigt sind; auch die Abnutzung der Gleise und Brücken wird demzufolge eine geringere. Bis jetzt sind elektrische Motoren ohne Vorgelege, nämlich solche, welche direct auf der Treibachse sitzen und auf diese durch Vermittelung von Reibungskuppelungen einwirken, allerdings erst selten in Verwendung genommen worden, aber die damit gewonnenen Erfahrungen waren sehr viel versprechend, indem die Besonderheiten dieser Maschinen zu den Erfordernissen des in Betracht gezogenen Schnellverkehrs ausserordentlich gut passen. Gerade für gleichmässig andauernde, grosse Fahrgeschwindigkeiten eignet sich diese Motorengattung am besten, da sie sich auch, was die Anordnung und Behandlung anbelangt, durch die grösste Einfachheit auszeichnet. Durch das Mehrphasenstromsystem ist ausserdem ein bewunderungswürdiges Mittel zur Kraftübertragung aufweite Entfernungen erstanden, das sich bereits bei den grossartigen Kraftanlagen am Niagarafall bewährt. Bei weiterer Ausgestaltung und Vervollkommnung dieser Hilfsmittel erscheint sonach die Schaffung eines elektrischen Expressverkehrs durchaus naheliegend. In der That wird ja auch die erste Bahnstrecke, welche bis zu einem gewissen Grade die Bedingungen einer elektrischen Expresslinie erfüllt, bereits zwischen Baltimore und Washington erbaut und ihr Betrieb wird voraussichtlich viele der Fragen lösen, welche bisher hinsichtlich des elektrischen Schnellverkehrs noch offen sind, wie z.B. die Frage über die vortheilhafteste Art der Wagen oder über die Anbringung der Motoren u.s.w. Allerdings können sich solche Bahnen nur dort bezahlt machen, wo sie besonders belebte, verkehrsreiche Mittelpunkte der Bevölkerung verbinden. Zwischen Washington und New York, New York und Boston und vielleicht selbst noch zwischen New York und Chicago könnten sie also immerhin mit anzuhoffendem Erfolg ins Leben gerufen werden, allein wenn die Entfernungen noch weiter wachsen, stellt sich das Begehren der Reisenden nach Bequemlichkeiten, wie sie beispielsweise unsere „Chicago-Limited“-Züge gewähren, mit der als Grundbedingung vorausgesetzten Leichtigkeit der Züge in scharfen Widerspruch. Auf langen Reisen sind wir an Speise- und Schlafwagen oder auch an Aussichtswagen und Rauchwagen gewöhnt, Dinge, welche von elektrischen Zügen, die etwa mit 100 oder 120 Meilen Geschwindigkeit dahinrasen, unmöglich geboten werden können. Dennoch liesse sich so viel dieses Comforts auch mit den elektrischen Zügen darbieten, um eine 8- oder 9stündige Fahrt von New York nach Chicago – und das ist vorläufig die grösste Entfernung, an die ich für die nächste Zukunft denke – ganz erträglich zu gestalten. Was die Sicherheit eines solchen Betriebes betrifft, so würde sie eher grösser sein als bei den jetzigen Systemen. Mit einem vollständig freien Gleis, mit Zügen von geringem Gewichte, das ein schnelles Bremsen gestattet, mit einfachen Maschinen, die einen niedrigen Schwerpunkt der Locomotive und eine erhöhte Schonung des Schienenweges ermöglichen, mit einer vollkommenen Oberbauconstruction und einem selbsthätigen Blocksignalsystem, dessen Einfügung der elektrische Betrieb so leicht gestattet, müsste sich der Schnellverkehr absolut sicher gestalten lassen. Die grössere oder geringere Bequemlichkeit im Fahren würde von der Correctheit des Gleises und von der Wagenanordnung abhängen; hierin ergeben sich jedoch keine Schwierigkeiten, da wir ohne weiteres im Stande sind, glatte Schienenwege auszuführen und uns hinsichtlich der Beschaffung ruhig laufender Wagen getrost auf die Findigkeit unserer Wagenbauer verlassen dürfen. Welches andere Beförderungssystem könnte uns eine so häufige Fahrgelegenheit, einen so raschen Transport und überdies eine solche Sicherheit gewähren, Vorzüge, welche jeder für sich jene der bestehenden Dampfbahnen weit überflügelt? Allem dem steht auch keinerlei Problem mehr entgegen, welches wir auf Grund unserer bisherigen Errungenschaften und Erfahrungen hinsichtlich elektrischer Eisenbahnen und elektrischer Kraftübertragung zu lösen nicht befähigt wären. Freilich würden für alle Fälle der Local- und der Expressverkehr auf den Linien, welche ich zu schildern versuchte, ganz verschiedenen Bedingungen unterworfen sein, und sie könnten nicht auf denselben Gleisen zur Abwickelung kommen. Schon die Einrichtung der Wagen und Motoren würde nicht dieselbe sein und selbst die Stromvertheilungsmethode würde aller Wahrscheinlichkeit nach abweichen müssen. Der Localbetrieb, welcher sich nach allen Richtungen hin ausdehnen soll, wo auf kurze Entfernungen ein reger Verkehr gewärtigt werden darf, findet sein Auslangen mit einem verhältnissmässig leichtschienigen, also billigen Gleis; offene Personenwagen können im Sommer, die gewöhnlichen, geschlossenen im Winter in Gebrauch genommen werden. Bei den Expresszügen hingegen würden die Wagen eine glatte Oberfläche bekommen und die Locomotiven einen Vorbau erhalten müssen, durch dessen Form ein möglichst geringer Luftwiderstand verbürgt wird; die Gleise würden aus schweren, vorzüglich befestigten Schienen hergestellt, ohne spitzbefahrene Weichen und ohne Wegübergänge ausgeführt sein müssen und kämen allerdings weit höher zu stehen, als bei den derzeitigen Dampfeisenbahnen. Auf diesen kann man jetzt Express- oder Localzüge keineswegs auf den ersten Blick hin erkennen, da die Wagen für den einen wie für den anderen Dienst dieselben sind und der Hauptsache nach unterscheiden sich auch die Locomotiven äusserlich nur wenig; das ganze rollende Material kann unter Umständen für beide Beförderungen herangezogen werden, was ja auch nicht selten geschieht. Beim elektrischen Betrieb wird der Unterschied zwischen Local- und Expresszügen auffälliger sichtbar sein; es liessen sich weder die Wagen noch Motoren der Locallinien für den Expressverkehr benutzen, ebenso wenig als die Expresszüge auf den Localbahnzügen eine zweckdienliche Verwendung erfahren könnten. Was nun schliesslich den Güterverkehr betrifft, so muss ich gestehen, dass meine Anschauungen darüber noch nicht so weit geklärt sind, als ich wünschen möchte. Die unbestreitbare Leistungsfähigkeit und Billigkeit des jetzigen Transportverfahrens machen die Frage einer Vervollkommnung zu einer schwierigen. Wie bereits mehrmals erwähnt, verlangen die bisher bekannten Stromvertheilungsmethoden unbedingt kürzere Züge und ich sehe für die nächste Zukunft nichts, wodurch diese leidige Thatsache geändert werden könnte. Für den elektrischen Betrieb ergäben sich wohl einige Vortheile, als weniger Heizmaterialbedarf, billigere Weichenstellung, billigere Zugführer, weniger Ausbesserungen an Maschinen und Wagen, geringere Bahnunterhaltungskosten, allein alle diese Vortheile gehen durch die Erhöhung der Kosten, welche durch die Theilung, d.h. Verkürzung der Züge erwachsen, wieder verloren. Immerhin könnten aber Dampf und Elektricität für die Bewältigung des Gütertransportes gemeinsam herangezogen werden, indem die mit Dampf betriebenen Hauptlinien mit zahlreichen elektrischen Abzweigungen versehen würden, welche den ersteren die Frachten aus den umliegenden Städten und Bezirken zuführen. Der Bau und Betrieb solcher Zweiglinien würde sich viel billiger herausstellen, als bei den jetzt bestehenden, sich so selten rentirenden Dampfzweiglinien. Die Erfindung und Anwendung der Dampfmaschinen führte zur Concentration der Industrie, die eben ihre bedeutendsten materiellen Erfolge nur durch die Vereinigung grosser Unternehmungen an einer Stelle zu erzielen vermag; das hat seine schlechten Seiten, gesellschaftlich, moralisch und oft auch geschäftlich. Die Elektricität verlangt nicht solche Sammelpunkte, sie erträgt nicht nur die Vertheilung auf weite Entfernungen, sondern besitzt die Eignung, selbst den kleinsten Geschäftsstätten den Bedarf an Kraft so billig zu besorgen, wie den grössten, und die Wirkungen dieser Umstände machen sich bereits wohlthätig fühlbar. Die Elektricität bringt also der Kleinindustrie sozusagen die Vortheile der Grossindustrie und erleichtert die Ausbreitung der heutigen Tages oft so gedrängten Bevölkerung grosser Städte auf die umgebenden Vororte. Ihre moralischen und socialen Wirkungen sind also weitreichend und gesund. Nach diesen allgemeinen Bemerkungen möchte ich nun nochmals zum eigentlichen Gegenstand der vorstehenden Darlegungen zurückkehren und das Bild, welches ich mir von der Zukunft der Elektricität im Eisenbahnwesen entwerfe, nachstehend neuerlich zusammenfassen: Elektrische Localbahnen werden das Land durchziehen und Personen wie Frachten an die Städte oder an durchgehende Güterund Expressbahnen zubringen; elektrische Expressbahnen werden zwischen grossen Städten erbaut werden und die Ausführung ihrer Gleise wird ganz verschieden sein von jenen des Localverkehrs und sie werden die Reisenden bequem und sicher mit Fahrgeschwindigkeiten von 100 bis 120 Meilen (engl.) befördern. Selbst der Güterverkehr wird auf besonderen durchgehenden Gleisen im Wege des elektrischen Betriebes besorgt werden. Freilich lässt sich vorläufig noch nicht angeben, wie sich das alles vollziehen wird, denn es bedingt in der That einen vollständigen Wechsel nicht nur im System der Triebkraft, auch in der Gestaltung von einigen 200000 Meilen Eisenbahnanlagen, wofür die Kosten sich auf Tausende Millionen Dollars belaufen werden. So viel steht aber fest, wenn die Versendungsarbeit billiger und ausreichender durch Elektricität als durch Dampf besorgt werden kann, so ist der Betriebswechsel lediglich nur mehr eine Frage der Zeit. Ein Beispiel für die zukünftige Form des Localverkehrs besteht ja bereits und wir haben dasselbe bereits weiter oben kennen gelernt; ebenso wird der zukünftige Expressverkehr durch die geschilderte neue Baltimore-Washington-Bahn sehr gut repräsentirt. Nur der durchgehende Güterverkehr ist noch ein zweifelhafter Punkt, aber man darf ihn mit Augen der Hoffnung betrachten. Es gibt gewiss nur wenige von unsDamit dürften wohl die Elektrotechniker Amerikas gemeint sein; für alle Fälle scheint uns aber diese Zuversicht Dr. Ducan's doch gerade in Anbetracht seiner unbefangenen und zutreffenden Darstellung der Schwierigkeiten des elektrischen Expressverkehrs und der vorläufigen völligen Aussichtslosigkeit des elektrischen Güterverkehrs selbst für Amerika einigermaassen verfrüht. Für Europa kommt bekanntlich eine Reihe gewichtiger Umstände noch dazu, durch welche die prophezeite Verdrängung der Dampflocomotive in eine weitaus fernere, ungewissere Zukunft hinausgeschoben wird.Anm. d. Red. hier, wie ich fest überzeugt bin, die nicht einer umfassenden Ausbreitung und Anwendung der Elektricität auf weiten Industrie- und Verkehrsgebieten für sicher entgegensehen, und einige von ihnen werden vielleicht die Zeit noch erleben, in der die Dampflocomotive zur Rarität geworden sein wird.