Titel: Neuerungen im Eisenhüttenbetriebe.
Autor: Weeren
Fundstelle: Band 303, Jahrgang 1897, S. 205
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Neuerungen im Eisenhüttenbetriebe. Von Dr. Weeren in Charlottenburg. (Fortsetzung des Berichtes S. 173 d. Bd.) Mit Abbildungen. Neuerungen im Eisenhüttenbetriebe. Erzeugnisse des Hochofens. F. Firmstone berichtet in den Transact. of the Americ. Inst. of Min. Engineers, 1894, über Magnesia und Schwefel in Hochofenschlacken. Bekanntlich verwerfen Percy und andere englische Hüttenleute älterer und neuerer Zeit die Verwendung von magnesiahaltigern Kalkstein. Firmstone führt an der Hand praktischer Versuchsergebnisse aus, dass eine derartige Vorsicht nur bei gleichzeitiger Anwesenheit grösserer Mengen von Thonerde geboten ist, dass hingegen bei einem nur geringen Thonerdegehalte Dolomit ein sehr guter Ersatz für Kalk sei und auf einen niedrigen Schwefelgehalt des erblasenen Roheisens sehr günstig einwirke. Eine grössere Zahl von Schlackenanalysen auf einem nordamerikanischen Hochofenwerke, wobei das eine Mal ein Kalkstein mit Kalkerde 44,52 Proc. Magnesia 5,45 Kieselsäure 7,18 Thonerde und Eisen nicht best. das andere Mal ein Dolomit mit Kalkerde 30,42 Proc. Magnesia 20,95 Kieselsäure   2,07 Eisen und Thonerde   1,27 eine längere Zeit hindurch als Zuschlag gegeben wurde, ergaben: bei Kalksteinzuschlag: bei Dolomitzuschlag: Silicium Schwefei Silicium Schwefel Proc. Proc. Proc. Proc. 0,539 0,087 0,414 0,045 0,590 0,096 0,428 0,048 0,596 0,104 0,508 0,070 0,676 0,091 0,535 0,052 0,786 0,053 0,549 0,059 0,802 0,076 0,621 0,023 0,807 0,077 0,681 0,070 0,813 0,039 0,818 0,041 0,819 0,064 0,891 0,057 0,852 0,069 0,910 0,020 0,947 0,064 0,955 0,028 0,954 0,086 1,020 0,025 1,010 0,039 1,040 0,025 1,020 0,032 1,090 0,028 1,150 0,059 1,100 0,027 1,200 0,046 1,130 0,022 1,220 0,041 1,140 0,025 1,240 0,031 1,200 0,008 1,320 0,026 1,300 0,016 Diese Tabelle, die nach dem Siliciumgehalte geordnet ist, zeigt augenscheinlich, dass bei gleichem Siliciumgehalt das bei Dolomitzuschlag erblasene Roheisen regelmässig ärmer an Schwefel ist als das bei Zuschlag von Kalkstein erzeugte. Seitdem ist auf jenem Hochofenwerke der Dolomit regelmässig verwendet worden. Das erblasene Roheisen ist nicht nur ärmer an Schwefel, sondern zeigt in dieser Beziehung auch eine viel gleichmässigere Zusammensetzung, obgleich der Kalkgehalt der Schlacke ein niedriger ist. Ihre Menge beträgt etwa 1,5 t auf 1 t Roheisen. Vor der Verwendung des Dolomits zerfiel bei Zuschlag von Kalkstein die fallende Schlacke mit etwa 40 Proc. Kieselsäure beim Abkühlen; das Mauerwerk des Gestelles brannte stets um die Formen herum aus. Dieser Uebelstand wuchs bei steigendem Kalkgehalt; er verschwand bei dem Ersatz des Kalksteines durch Dolomit und zeigte sich auch nicht, als man mit dem Kieselsäuregehalt der Schlacke bis auf 35 Proc. herunterging. Gleichzeitig wurde bei geringerem Brennstoffverbrauch der Ofengang regelmässiger. Verwerthung der Nebenproducte des Hochofens. In einer Abhandlung: Extraction des sousproduits des gaz des hauts-fourneaux, weist Paul Gredt in Esch sur Alzette, Luxemburg, auf den Gehalt der Hochofengichtgase an werthvollen Bestandtheilen hin, von denen besonders das Jodkalium bei einem Marktpreise von 25 M. für 1 k der Beachtung verdient. Nach Gredt's, Untersuchungen liefert eine tägliche Roheisenproduction aus phosphorhaltigen Erzen von 100 t jährlich ungefähr 800 k Jodkalium, 3000 k Ammoniak und 37000 k Chlorkalium, die gering geschätzt einen Gesammtwerth von rund 23300 M. haben. Bei einer jährlichen Gesammtroheisenerzeugung Englands, Deutschlands, Russlands und Frankreichs von 14387148 t berechnet Gredt den Werth der Nebenproducte auf 8,8 Millionen Mark. Zur Gewinnung dieser in den Gichtgasen theils als Gas, theils in Form sehr feinen Gichtstaubes enthaltenen Producte sind nach Gredt's Ansicht die bislang gebräuchlichen Gasreiniger nicht ausreichend. Nach seinen Versuchen liefert folgende Methode die besten Resultate. Die der Hochofengicht entströmenden Gase werden als einheitliche Masse mit einer derartig verlangsamten Geschwindigkeit durch ein senkrechtes oder wagerechtes Kanalsystem von solcher Weite geleitet, dass die Staubtheile auf Grund ihres eigenen grösseren specifischen Gewichtes ein Fallmoment erlangen, welches grösser ist als die Kraft der Gasströmung. Gleichzeitig werden die dieses Kanalsystem durchströmenden Massen einem sehr kräftigen künstlichen Wasserregen ausgesetzt. Bei einem specifischen Durchschnittsgewicht des Gichtstaubes von 3,59, der Gichtgase von 0,0015 gibt Gredt den einzelnen Rohren eine Länge von 20 bis 25 m bei einem Durchmesser von 2,5 bis 3 m. Textabbildung Bd. 303, S. 206 Gredt's Gasreiniger. Bei der durch Fig. 11 veranschaulichten Ausführungsform treten die Gichtgase oben in den Schacht 1 ein. Der grösste Theil des Gichtstaubes erlangt beim Niederströmen eine grössere Fallgeschwindigkeit als die Gase und fällt am unteren Ende des Rohres beim Richtungswechsel aus dem Strome heraus in das Sammelbecken a. Beim Aufsteigen der Gase in dem Rohre 2 werden sie von einem kräftigen Wasserregen getroffen, der aus dem perforirten Becken b, in welches das Wasser durch Rohr c aus dem Sammelbecken a beständig hochgepumpt wird, strömt. Dieser Wasserregen, dem die Gase auch in dem Rohre 4 ausgesetzt sind, unterstützt die Ausscheidung der Staubtheilchen ganz ausserordentlich und bewirkt auch die Absorption des Ammoniakgases. Fig. 12 und 13 zeigen eine Ausführungsform des Gasreinigers mit wagerechten Rohren. Jedes der Rohre besitzt ein Regenbecken b und ein Sammelbecken a; aus letzterem wird durch Rohre c das Wasser stetig in ersteres hochgepumpt und auf diese Weise in jedem der Rohre 1, 2, 4 ein künstlicher Regen erzeugt. Da hierbei auch leichtere Schlammtheilchen mit hochgepumpt werden und auf die Dauer die Siebe verstopfen würden, so werden diese von Zeit zu Zeit mittels Bürsten gereinigt. Das Wasser lässt man so lange als Regen circuliren, bis es eine Lauge von gewünschter Concentration geworden ist. Die aus dem Reiniger strömenden Gase sind so vollkommen von allen Staubtheilen und Dämpfen befreit, dass sie ein ganz vorzügliches Heizgas für Kessel und Winderhitzer abgeben, wobei ihr ausserordentlich reiner Zustand eine Verstaubung der Winderhitzer vollständig unmöglich macht. Die Lauge wird zunächst in Pfannen, die von den Gichtgasen geheizt werden, eingedampft. Die eingedickte Lauge mit einem durchschnittlichen Jodgehalt von 0,75 Proc. gelangt dann durch Füllrohr d in eine Destillirblase B (Fig. 14), die sich in einem Ofen A befindet. Der Raum, in welchem die Blase B hängt, ist mit lose auf einander gelegten, kantig gebrannten Chamottestücken gefüllt, zwischen die durch Kanäle e Gas (Gichtgas) und durch Kanäle f Luft eingeführt wird. Die Verbrennungsgase ziehen durch h ab. Die starke Erhitzung der Blase hat eine theil weise Verflüchtigung ihres Inhaltes, insbesondere der Ammoniak- und Cyanverbindungen, zur Folge. Die überdestillirenden Dämpfe werden zwecks Bindung des Ammoniaks durch die mit Schwefelsäure gefüllten Abtheilungen i, i1, i2 und i3 der Vorlage hindurchgeleitet, woselbst sich das überdestillirende Ammoniumchlorid mit der Schwefelsäure in Ammoniumsulfat und Salzsäure umsetzt. In der ersten Abtheilung i pflegt sich alles Condensationswasser, sowie sonstige Unreinigkeiten abzusetzen. Die aus der Vorlage entweichenden Gase unterliegen dann noch einer Waschung im Gloverthurm k, wodurch die gasförmige Salzsäure und die Cyanverbindungen aufgefangen werden. Die unverwerthbaren Gase ziehen durch den Schornstein ins Freie. Textabbildung Bd. 303, S. 206 Fig. 14.Gredt's Gasreiniger. In der Blase B verbleibt schliesslich eine feurigflüssige Masse, welche durch den Abstich g abgelassen wird und zu einer Art Schlacke erhärtet, die aus der Luft Feuchtigkeit anzieht. Dieselbe besteht aus Jod- und Chlorkalium, Chlornatrium und Chlorcalcium. Sie wird in Wasser aufgelöst und daraus die einzelnen Salze durch fractionirte Krystallisation gewonnen. Das Verfahren ist in Deutschland patentirt (D. R. P. Nr. 83070). Ueber die Gewinnung von Ammoniak aus Hochofengichtgasen auf den Langloan Iron Works in Cortbrigde, N. B., nach dem Verfahren der Besitzer Addie finden sich in The Engineering and Mining Journal, 1894 S. 222, folgende Angaben. Das Princip des Verfahrens von Addie besteht darin, die abziehenden Gichtgase mit einer ausreichenden Menge schwefliger Säure zu mischen, zu dem Zwecke, das in ihnen enthaltene Ammoniakgas zu binden. Die gemischten Gase werden alsdann in Scrubbern gewaschen und hierbei eine verschiedene Ammoniak-, sowie Kali- und Natronverbindungen enthaltende Lauge gewonnen, die auf ihre Bestandtheile verarbeitet wird. Auf den Langloan Iron Works werden die Gichtgase der Hochöfen in einer Leitung von 7 Fuss Durchmesser zu der am einen Ende des Werkes liegenden Ammoniakanstalt geleitet. Auf diesem Wege geben die Gase eine Menge Gichtstaub und eine schwere theerige Substanz ab. Die Gase gelangen zunächst in zwei Scrubber von 66 Fuss Höhe und 10 Fuss Durchmesser. Jeder derselben steht auf einem Bassin von 8 Fuss Höhe und 15 Fuss lichter Weite, welche Abflussventile für den Theer und die Waschwässer, sowie Frisch Wasserleitungen besitzen. Zwei Pumpen von 14 Zoll Kolbendurchmesser und 15 Umdrehungen in der Minute heben fortgesetzt das Bassinwasser durch ein Rohr von 12 Zoll Durchmesser zur Spitze der Scrubber, durch die es als ein feiner Regen wieder zum Bassin herabfällt. Um die Absorptionsfähigkeit des Wassers durch eine möglichst grosse Oberfläche und langsames Herabfallen zu steigern, sind die beiden Thürme mit einer grossen Anzahl von Drahtgewebediaphragmen ausgestattet. Die zur Bindung des gasförmigen Ammoniaks erforderliche schweflige Säure wird in zwei Hochöfen ähnlichen Apparaten von 16 Fuss Höhe mit vier Blasformen, die mit heissem Winde gespeist werden, erzeugt, und zwar aus einer Mischung von Schwefelkies mit 45 bis 47 Proc. Schwefel und einem neben den Kohlen vorkommenden, Coal brasses genannten Schwefelkies von 40 bis 45 Proc. Schwefelgehalt. Die schweflige Säure wird durch eine Leitung von 2 Fuss lichter Weite in die Hauptleitung der Gichtgase, kurz bevor diese in die Wäscher einströmen, eingeführt. Die Gichtgase haben an der Vereinigungsstelle noch eine Temperatur von 500° F. (260° C.). Beim Verlassen des ersten Waschthurmes ist ihre Temperatur durch das Wasser bereits auf 135 bis 150° F. (57 bis 66° C.) herabgesunken. Sie strömen dann durch ein Verbindungsrohr in den zweiten Scrubber, durchziehen diesen in fallender Richtung und sind beim Verlassen vollkommen von ihrem Gehalt an Ammoniak und etwa 40 Proc. ihres Theergehaltes befreit. Die gereinigten Gase eignen sich trotzdem sehr gut zur Heizung und werden durch entsprechende Leitungen zu den verschiedenen Verbrauchsstellen geleitet. Das Waschwasser lässt man durch die Thürme circuliren, bis es ein specifisches Gewicht von 1,05 bis 1,075 (10 bis 15° Twaddell) erlangt hat. Bei einem specifischen Gewichte von 1,05 pflegen sich die Volumina der Waschwässer und des gewonnenen Theeres wie 3 zu 1 zu verhalten. Die Scrubber werden folgendermaassen bedient: Jede Frischwasserfüllung wird während 24 Stunden ununterbrochen durch den Scrubber geschickt, wobei durchschnittlich 4mal während dieser Zeit das verdunstete Wasser ergänzt werden muss. Hat das Wasser bezieh. die sich bildende Lauge die beabsichtigte Concentration, so wird die betreffende Pumpe stillgesetzt, den Wässern 20 bis 30 Minuten Zeit zum Absetzen gelassen, wobei sich zu unterst der schwere Theer absetzt; über diesem lagert eine dünne Schicht leichterer Theeröle und auf diesen die alkalihaltigen Waschwässer. Durch Oeffnen der Ventile fliesst der Theer in das Theersammelbassin und die Waschwässer in den Waschwässersammelbehälter. Die Zusammensetzung der letzteren ist je nach dem specifischen Gewichte derselben eine verschiedene, wie die folgende Tabelle zeigt. Gehalt in Procenten bei 11,2° T. 13° T. 15° T. Unterschwefligsaures Ammoniak 2,63 2,25 2,82 Saures schwefelsaures Natrium 5,59 8,50 8,44 Schwefelsaures Ammoniak 2,03 1,53 1,12               „         Natrium              „         Kalium 0,80 0,070,86 Ammoniak 2,09 2,35 2,39 Gesammtgehalt 13,14 14,63 15,70 Ursprünglich beabsichtigte man, das unterschweflig-saure Ammoniak durch Einblasen von Luft in die Flüssigkeit zu Sulfat zu oxydiren; dies Verfahren stellte sich aber als sehr unpraktisch heraus. In der Folge wurden weitere Versuche angestellt, die ergaben, dass die gleichzeitige Anwendung eines kräftigen Luftstromes und Eisenoxydulhydrates in kurzer Zeit 50 Proc. des Ammoniaks in Sulfat verwandle. Die Gewinnung des Ammoniaks erfolgt in bekannter Weise. B. H. Thwaite empfiehlt im Engineering and Mining Journal, 1895 Bd. 59 S. 52, die Hochofengichtgase statt wie bislang zur Kesselheizung zum Treiben von Gaskraftmaschinen zu benutzen, und rechnet dem jetzigen Betriebe gegenüber Ersparnisse bis zu 45 Proc. aus. Dass dieser Vorschlag beachtenswerth ist, dürfte daraus hervorgehen, dass, so viel bekannt, zur Zeit diesbezügliche Versuche in grossem Umfange von dem Hörder Bergwerks- und Hüttenverein vorgenommen werden, deren Ergebnisse aber noch nicht zur öffentlichen Kenntniss gelangt sind. Das Fehlen von theer artigen Producten, sowie von Kohlenwasserstoffen, die bei Benutzung von Leuchtgas, Erdöl u.s.w. in Folge unvollständiger Verbrennung leicht zu einem Verschmieren der Gasmaschinen führen, dürfte die gereinigten Gichtgase für Gasmaschinen sehr geeignet machen, zumal eine allenfalls erforderliche Anreicherung derselben durch chemische Regenerirung leicht vorgenommen werden könnte. (Fortsetzung folgt.)