Titel: Neuerungen aus dem Gebiete der Gasindustrie.
Fundstelle: Band 305, Jahrgang 1897, S. 213
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Neuerungen aus dem Gebiete der Gasindustrie. Mit Abbildungen. Neuerungen aus dem Gebiete der Gasindustrie. Gasretortenöfen, System Joyce. Ein Retortenofen, wie er bei den englischen Gaswerken durchweg in Anwendung ist, wo die Fülltrichter der Generatorfeuerungen unmittelbar über dem Fussboden des Retortenhauses liegen, die eigentlichen Feuerungen dagegen im Souterrain sich befinden, hat besonders den Nachtheil, dass der Inhalt der Retorten bei der Ausräumung in das Souterrain fällt und den Zugang zu den Feuerungen erschwert. In Fig. 1 ist diesem Uebelstande abgeholfen, da der Schürraum als Tunnel zwischen den Feuerungen ausgebildet ist und die Feuerungsthüren in diesen Gang verlegt sind. Der Koks fällt nun aus den Retorten nach unten, kann auskühlen und abgefahren werden. Das System hat sich bei der Londoner South Metropolitan Gas Co. so gut bewährt, dass dieselbe sich zur Umänderung ihrer sämmtlichen Oefen entschlossen hat. Die Ausnutzung der Joyce'schen Patente ist von der Tunnel Furnace Co. in die Hand genommen. (Der Gastechniker, 1896 S. 102.) Textabbildung Bd. 305, S. 212 Fig. 1.Retortenofen. Ueber das Entfernen des Graphits aus Gasretorten macht Dr. O. Habermann in Worms im Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung, 1897, Mittheilungen. Bislang geschah das Entfernen des Graphits aus den Gasretorten durch Zuführung von Luft in dieselben, und zwar indem man durch Einschieben von Thonmulden einen Luftzuführungskanal bis vor den Retortenboden herstellte. Dieses Verfahren ist umständlich und kostspielig, indem die betreffenden Muldchen leicht abgängig werden. Auch ist die Luftzuführung in Retorten, welche sich längere Zeit im Gebrauche befinden, unzulänglich, da die einströmende Luft durch die auf der Sohle der Retorte befindlichen Unebenheiten bereits Auswege nach dem Steigrohre findet, ohne den Boden und die Decke der Retorte zu berühren, an welchen sich bekanntlich die grössten Mengen Graphit abgesetzt haben. Ferner beobachtet man öfters, dass durch das Verbrennen der Kohlenstoffinkrustirung eine so hohe Temperatur in der Retorte erzeugt wird, dass das Steigrohr ins Glühen geräth und durch seine Ausdehnung das Sattelrohr der Vorlage abreisst. Auch erleidet in diesem Falle die Retorte direct hinter dem Mundstücke Risse, welche sich bei der geringsten Temperaturschwankung des Ofens bemerkbar machen. Fernerhin kommt es vor, dass Thonmulden an die Retorte anschmelzen und durch Eisenstangen abgestossen werden müssen; hierdurch wird die Retortensohle holprig und das Laden und Entladen der Retorte erschwert. Man kann letztgenannten Uebelständen wohl vorbeugen, indem man von Zeit zu Zeit das Retortenmundstück schliesst; hierbei unterbricht und verzögert sich aber der Zweck: das Ausbrennen des Graphitansatzes. Das Entfernen des Retortengraphits geschieht nun sicher und leicht durch Anwendung eines von Gasmeister Roedel construirten „Ausbrenncylinders“, welcher bereits seit 2 Jahren im Wormser Werke mit Erfolg Anwendung findet. Der Apparat Fig. 2 stellt einen doppelwandigen Cylinder dar, gebildet aus zwei in einander gedichteten, schmiedeeisernen Röhren von 4 bis 5 mm Wandstärke. Das innere Rohr mit einer lichten Weite von etwa 80 mm bildet den Luftzuleitungskanal und wird durch Umspülung mit kaltem Wasser vor der hohen Ofentemperatur geschützt. Die Zuleitung des Wassers zum Apparat, sowie die Ableitung sind an den Steigröhren der ganzen Ofenfront angebracht. Das Wasser verlässt den Apparat, welcher zur eventuellen Kesselsteinentfernung aus einander genommen werden kann, mit einer Temperatur von etwa 60° und findet mannigfache Verwendung. Textabbildung Bd. 305, S. 212 Fig. 2.Roedel's Ausbrenncylinder. Die Bedienung des Apparates ist sehr einfach: Nachdem die Verbindung mit Zu- und Ableitung des Wassers durch Spiralschläuche hergestellt ist, kann derselbe in jede Retorte abwechselnd eingesetzt werden. Die durch den gekühlten Cylinder von aussen eintretende Luft wird somit bis an den Boden der Retorte geführt und muss auf ihrem Wege zum Steigrohre die ganze Retortendecke bestreichen. Die durch dieses Verfahren erzielte Temperaturdifferenz zwischen heisser Retortenwandung und abgekühltem Graphitansatz lässt die Kohlenstoffinkrustation gerade noch verbrennen, bewirkt der Hauptsache nach aber eine Abschreckung und somit leichte Loslösung des Graphits, welcher in grossen Stücken als verkaufsfähige Waare gewonnen wird. Ofenbetrieb mit geneigten Retorten von E. Merz in Cassel. Während sich die in den letzten 10 Jahren gebauten Gasanstalten die mit Geschick verbesserten Kühl-, Wasch-, Abscheidungs- und Sicherheitsapparate zu Nutze gemacht haben, ist man in dem bis jetzt mehr als 50 Proc. der Herstellungskosten des Gases verschlingenden Ofenbetrieb mit Neuerungen noch nicht allgemein vorgegangen. Versuchsweise ist man zwar in neueren Gaswerken Verbesserungen in der Ofenbedienung näher getreten und hat einerseits sich der Ersetzung des Handbetriebes durch Zieh- und Lademaschinen, andererseits den schräg liegenden Retorten zugewandt. Hierdurch sind zwei Strömungen in das gastechnische Leben eingetreten, welche jede für sich den Vorrang beansprucht. Beide Richtungen wollen sowohl den Arbeitern an den Oefen den Betrieb erleichtern als auch sich von den Arbeitern unabhängig machen und an Betriebskosten sparen. Während erstere Richtung die Arbeit im Ofenhaus complicirter und verwickelter macht und auch an den Arbeiter hinsichtlich Geschicklichkeit grössere Anforderungen stellt, bietet die geneigte Retorte nicht zu verachtende Vortheile. Schon Murdoch, der Erfinder der Steinkohlengasbeleuchtung, hat Kohlen in schräg liegenden eisernen Retorten vergast. Jetzt nach 100 Jahren tritt man dieser Art des Ofenbetriebes wieder näher. Die mittleren Temperaturen der einzelnen Oefen waren bei Ofen: Nr. I unten 1030° C., oben 1053° C., Unterschied + 23° C. II 1066° 1085° + 19° IX 1153° 1157° +   4° X 1196° 1180° – 16° Es hatten dabei: Ofen Nr. I 284 Betriebstage II 342 IX 190 X 188 Scrubberberieselung. Textabbildung Bd. 305, S. 213 Fig. 3.Scrubber. In neuerer Zeit sind verschiedene Verfahren und Vorrichtungen für die Berieselung von Scrubbern beschrieben und empfohlen worden, die aber der Kosten wegen anderen ebenso guten, aber einfacheren Verfahren gegenüber zurückstehen. Eine solche einfache, billige, aber gut wirkende Scrubberberieselungsmethode beschreibt Burgemeister in Celle im Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung, 1896 Nr. 51. Der Scrubber (Fig. 3) wird bis zu ¾ Höhe mit etwa hühnereigrossen Kieselsteinen oder anderem Füllstoff (bezieh. gelochten Blechen) auf einen über dem Einlauf des Gases angebrachten Rost gefüllt. Auf dem Scrubber wird ein gusseisernes Verlängerungsstück von etwa 1 m Länge und 100 bis 150 mm Weite mit Flanschenverschraubung angebracht. In diesem Rohr wird eine an zwei Rundeisenstäben von etwa 5 mm Durchmesser angenietete convexe Scheibe von etwa 80 mm Durchmesser befestigt, welche 250 mm unter dem Scrubberdeckel mündet. Die Scheibe aus Schwarzblech wird auf 20 bis 25 mm Wölbung ausgehämmert. Auf diese Scheibe fällt das Berieselungswasser in einem dünnen Strahl durch ein oben auf dem Deckel des Rohres angebrachtes Siphon röhr mit Trichter und zerspritzt staubartig. Eine derartige Berieselung genügt für einen Scrubber bis 2 m Durchmesser, und man hat es in der Hand, mit viel oder wenig Wasser zu berieseln, ohne befürchten zu müssen, dass ein Verstopfen der Ausflussöffnung eintritt. Zweck massig ist es hierbei, den Auslauf des Wasserzuführungshahnes etwa 200 mm oberhalb des Trichters anzubringen, um von unten übersehen zu können, ob der Wasserzulauf für die gewünschte Menge eingestellt ist. Ein derartiger Scrubber, mit Kieselsteinen beschickt und nach 7jährigem Gebrauch geleert, zeigte nicht den geringsten Theeransatz, sondern sah wie eben beschickt aus. Vor Inbetriebsetzung der Scrubber muss das Berieselungswasser einen Tag laufen, um das Scrubbermaterial vollständig anzufeuchten. Der obere freie Raum des Scrubbers dient gleichzeitig als Wäscher, da dieser Theil mit dem zerstäubten Berieselungswasser – Ammoniak oder Klarwasser – stets angefüllt ist. Ein Verstopfen der Ausflussöffnung, wie dieses bei der in neuerer Zeit aufgetauchten Tropfenberieselung sehr häufig vorkommt, ist hier ausgeschlossen. Der vorstehend geschilderte Berieselungsapparat wirkt besser als 10 bis 15 in einem Scrubber eingebaute Tropfapparate. Schliesslich hat diese Berieselung den Vortheil leichter Ausführbarkeit. Ist Leitungswasser mit starkem Druck vorhanden, so kann die Fallhöhe nebst dem offenen Trichter in Wegfall kommen; auch kann der Wasserstrahl dann in umgekehrter Weise zur Anwendung gelangen. In diesem Fall ist es jedoch zweckmässig, Schaulöcher von Glas anzubringen, um sich zu jeder Zeit von dem Gange der Berieselung überzeugen zu können. Textabbildung Bd. 305, S. 213 Fig. 4.Gaskühl- und Waschapparat von Breuer. Einen Gaskühl- und- Waschapparat hat sich H. Breuer in Höchst a. M. unter D. R. P. Nr. 84520 patentiren lassen. Wie Fig. 4 zeigt, bestehen die Berieselungsflächen aus Kegelstumpfen, welche so über einander angeordnet sind, dass über die Grundfläche des einen Pyramiden- oder Kegelstumpfes die Kopffläche des anderen herüberragt, wodurch Wassertaschen zwischen je zwei Berieselungskörpern gebildet werden. Das von Stufe zu Stufe laufende Wasser sammelt sich in jeder Stufe einmal an, ohne dass besondere Fangbleche vorgesehen sein müssten. Ausserdem muss das Berieselungswasser stets über den vorspringenden Rand des zunächst folgenden Berieselungskörpers hinübersteigen, wobei es über die ganze zu berieselnde Fläche gleichmässig vertheilt wird. (Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung, 1897.) Textabbildung Bd. 305, S. 213 Fig. 5.Vorrichtung zur Verhinderung unbewachten Ausströmens von Leuchtgas von Jaskey & Else. Eine Vorrichtung zur Verhinderung unbewachten Ausströmens von Leuchtgas bei solchen Flammen, welche mit elektrischer Zündung versehen sind, haben W. N. Jaskey und E. S. Else in Lopan, Utah, construirt. Die Vorrichtung ist als D. R. P. Nr. 83589 geschützt. Eine über dem Brenner angeordnete Kappe b (Fig. 5) wird durch die aufsteigenden Verbrennungsgase in wagerechter Lage erhalten und hält so den elektrischen Zündstrom geöffnet, schliesst diesen aber, sobald die Kappe in Folge Erlöschens der Gasflamme bei offenem Hahn sich senkt. Berichte der vom deutschen Verein für Gas- und Wasserfachmänner eingesetzten Commissionen (nach den Originalberichten) vom Jahre 1896. I. Lichtmess-Commission. Diese Commission ist beauftragt, einen zusammenfassenden Bericht über ihre Thätigkeit auszuarbeiten. Insbesondere sollten die 10jährigen Arbeiten über die Hefner-Lampe und über das in der Gastechnik zu benutzende Photometer zusammengestellt werden. Die beabsichtigte Zusammenfassung soll nach folgender Disposition ausgestaltet werden: I. Historischer Bericht über die Lichtmess-Commission, ihre Mitglieder und die Aufgaben, welche sie bearbeitet hat. II. Arbeiten über die Lichteinheit: Kerzen, Gasflammen, andere Lichteinheiten und Vergleichsflammen, Amylacetatlampe, Hefner-Lampe. III. Photometrische Methoden: Photometerkunst; Länge, Aufstellung der Lichtquellen, Photometerköpfe nach Bunsen (Photometerpapier), Foucault, Lummer und Brodhun. IV. Beobachtungsraum: Temperatur, Grösse, Luftbeschaffenheit, Beschaffenheit der Wände. V. Normalgasbrenner und Versuche über andere Brenner. II. Bericht der Gasmesser-Commission. Den Hauptgegenstand der Berathung bildete von Neuem der Entwurf der kaiserl. Normalaichungs-Commission zur Abänderung der Aichordnung nebst Zusatz zur Instruction betreffend Absperrvorrichtungen an nassen Gasmessern. Die Berathung führte zu folgenden Beschlüssen: 1) Nach den bisherigen Vorschriften der Aichordnung ist es gestattet, dass der Flüssigkeitsstand in den nassen Gasmessern eine Erniedrigung erfahren kann, ehe das Ventil abschliesst. Die Commission empfiehlt, dass die dadurch bedingte Abweichung, bevor die Gaszuführung abgesperrt wird, nicht mehr sein soll, als bei Gasmessern für weniger als 5 Flammen 12 Proc. bei 5 fl. bis einschliesslich 10 fl. Messern 11 bei grösseren als 10 fl. Messern 10 bezogen auf die normale Durchlassmenge des Messers. 2) Während in den bisherigen Vorschriften der Aichordnung über den Ventilabschluss bei nassen Gasmessern bestimmt ist, dass derselbe genügend dicht sein soll, empfiehlt die Commission, Undichtheiten innerhalb der unvermeidlichen Grenzen bis zu 5 Proc. des grössten Gasdurchganges, für welchen der Gasmesser bestimmt ist, zuzulassen. 3) Von der bisherigen Aichordnung werden bei nassen Gasmessern sogen. durchlässige Ventile, Beipassöffnungen, nicht gestattet. Der zur Berathung stehende Entwurf will solche zulassen. Es wird empfohlen, eine Durchlässigkeit von 25 bis 35 Proc. für statthaft zu erklären. Schliesslich waren die Berathungen einem ausführlichen Schreiben der kaiserl. Normalaichungs-Commission vom 22. December 1896 über die Gasautomaten gewidmet. Die aus England, Frankreich, Belgien und Holland unsererseits eingeholten Erkundigungen haben ergeben, dass daselbst aichamtliche Prüfungen der Automateneinrichtung bei den selbstkassirenden Gasmessern nicht stattfinden. In der Commission machte sich der Wunsch geltend, dass in Deutschland in gleicher Weise verfahren werden möchte, da auch bei den selbstkassirenden Gasmessern schliesslich die Angabe des Hauptzählwerkes entscheidend sein soll. Es musste hierzu aber Folgendes zugegeben werden. Soll das Hauptzählwerk entscheidend sein, so muss dafür gesorgt sein, dass das Hauptzählwerk durch das Automatenwerk nicht gestört werden kann. Hiernach ist auch die Automateneinrichtung einer Constructionsuntersuchung zu unterwerfen, und können nur diejenigen Einrichtungen zugelassen werden, die die Gewähr bieten, dass das Hauptzählwerk nicht beeinflusst wird. Die eingehende Berathung einer Anzahl von Fragen führte zu folgenden Ergebnissen: 1) Es wird empfohlen, beliebige Constructionen von Gasautomaten zuzulassen, sofern sie der vorbezeichneten Anforderung genügen. 2) Es wird ferner empfohlen, sowohl Constructionen mit allmählichem, wie mit plötzlichem Abschluss der Ventile zuzulassen. 3) Die Einstellung auf verschiedene Preise möge sowohl ausserhalb wie innerhalb des unter Aichverschluss befindlichen Raumes bewirkt werden können. 4) Der herannahende Abschluss des Gaszuflusses möge kenntlich gemacht werden. 5) Die Zahl der noch vorhandenen Geldstücke möge aussen sichtbar gemacht werden. 6) Automaten mit zwangsläufiger Oeffnung des Ventils mögen zugelassen werden. Darüber, ob solche Automaten, bei denen allein durch die Schwere des Geldstückes das Ventil geöffnet wird, zur Zulassung empfohlen werden können, soll erst später Bestimmung getroffen werden, wenn dauernde, seitens unseres Vereins durchzuführende Versuche die Brauchbarkeit solcher Automaten erwiesen haben. 7) Die Commission empfiehlt, sowohl solche Automaten zuzulassen, bei denen durch Undichtheit des Ventils Schädigungen des Hauptzählwerkes ausgeschlossen sind, als auch solche, bei denen Schädigungen nicht ausgeschlossen, aber nicht wahrscheinlich sind. 8) Das zwangläufige Zurückhalten der überschüssigen Geldstücke möge verlangt werden. Nachdem der Vorstand unseres Vereins wiederum, und zwar am 26. Juni 1896, an die kaiserl. Normalaichungs-Commission den Wunsch gerichtet hatte, den Gebrauch von Gasautomaten zuzulassen, bat am Schlusse der Sitzung vom 28. Februar 1897 die Commission die Vertreter der kaiserl. Normalaichungs-Commission um eine thunlichst baldige Entscheidung in dieser Angelegenheit. Ausser diesem Gegenstand wurde über das Ergebniss aichamtlicher Nachprüfungen von im Betriebe befindlich gewesenen trockenen Gasmessern aus Köln, Berlin und Stockholm referirt. (Schluss folgt.)