Titel: Ueber die Entstehung des Rostes unter der das Eisen schützenden Oelfarbendecke.
Autor: Edmund Simon
Fundstelle: Band 305, Jahrgang 1897, S. 286
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Ueber die Entstehung des Rostes unter der das Eisen schützenden Oelfarbendecke. Von Edmund Simon. Ueber die Entstehung des Rostes unter der das Eisen schützenden Oelfarbendecke. So viel auch über die Ursachen der Rostbildung geschrieben worden ist, deren chemische Vorgänge genau festgestellt sind, so wenig können oder konnten wir uns die Bildung von Rost unter einer Oelfarbendecke genügend und sicher erklären. Unsicher und rein hypothetischer Art sind die Auslegungen solcher Erscheinungen von Rostbildung und ebenso unsicher die Wirkung der unter allerhand schönen Namen in den Handel gebrachten Rostschutzfarben. Man erklärte sich die Rostbildung unter der Farbdecke durch die Entstehung von feinen Haarrissen, wodurch das Eisen mit der äusseren Luft in Berührung kommt. Solche Haarrisse können sich bilden durch ungleiches Ausdehnen von Farbhaut und Eisen. Da das Wärmeleitungsvermögen des Eisens viel besser ist, als das der Farbhaut, so treten in Folge der ungleichen Ausdehnung Spannungen in der Farbhaut ein, die, wie man annahm, die Haarrisse zur Folge hatten. Bei älteren Anstrichen erklärte man sich die Bildung der feinen, dem unbewaffneten Auge kaum sichtbaren Risse dadurch, dass das in der Firnisshaut enthaltene leinölsaure Bleioxyd, welches geschmeidig, colloidal ist, in linoxysaures Bleioxyd von krystallinischer, bröcklicher Beschaffenheit übergeht. Die Rostbildung konnte nach dem Feststellen der Haarrisse leicht vor sich gehen, da durch die schnellere Abkühlung des Eisens als die der Farbhaut, in den Rissen eine Luftverdünnung eintritt, wodurch Feuchtigkeit, namentlich bei der Thaubildung, nebst Luft und Kohlensäure lebhaft angesogen und mit dem Eisen direct in Berührung gebracht wird. Diese Erklärung der Rostbildung ist eine so natürliche und ungesuchte, von der Einwirkung anderer chemischer Agentien natürlich abgesehen, dass man sich damit allgemein begnügte. Auch ich theilte die gleiche Ansicht und stellte, um dieser Haarrissbildung nach Möglichkeit zu begegnen, als Grundbedingungen für ein rostschützendes Anstrichmittel unter anderem fest, – grosse Elasticität desselben, starke Adhäsion und möglichst gleichen Ausdehnungscoëfficienten wie das Eisen, sowie, dass bei der Auswahl der Farbkörper der Leitungsfähigkeit für Wärme und Elektricität Rechnung getragen wird.„Die Ursachen der Rostbildung und die Mittel zu dessen Verhütung“ von Edmund Simon-Schweickhart's Tagebuch für Gastechniker, Wien 1894. Hatten schon verschiedenartige Rostbildungen, die ich beobachtete, Zweifel an der Richtigkeit der Entstehung des Rostes durch Haarrisse allein, bei mir erweckt, so wurden diese Zweifel zur Gewissheit, durch eigenthümliche Erscheinungen, die auftraten, als ich die Einwirkung des Seewassers auf mit den verschiedensten Anstrichfarben gestrichenen Eisenplatten studirte. Die Versuche bestanden darin, dass genau eingepasste Eisenplatten neben einander und nur durch Glasrippen getrennt in Accumulatorenkästen der Einwirkung von Seewasser ausgesetzt wurden. Die Platten tauchten ⅔ in das Seewasser, ⅓ blieb davon unberührt und trocken. Alle Platten, die, gleichviel mit welchem Anstrich versehen, während 6 Monaten der Einwirkung des Seewassers ausgesetzt worden warenDie gleichen Versuche wurden auch mit Süsswasser gemacht, doch führten dieselben nie zu einem brauchbaren Resultat, da, so oft auch der Versuch wiederholt wurde, ein Schimmelpilz als durchsichtiger Schleim auftrat, der in kurzer Zeit sichtlich zerstörend auf die Farbhaut einwirkte., zeigten über der Wasserlinie in der Breite von einigen Centimetern Sprünge, Aufblähungen und Abblätterungen der Farbhaut, je nachdem die Farbe mehr oder weniger Firniss enthielt. Der Theil der Platten, welcher in Seewasser eingetaucht war, erscheint dem oberflächlichen Beobachter, von Rostflecken abgesehen, unverändert, nur der Bleiweissanstrich zeigt eine sofort erkennbare Zerstörung und tiefgehende Zersetzung. Die Farbhaut erscheint bei den anderen Platten, soweit selbe in das Seewasser tauchten, noch zusammenhängend, wenn auch weich und nach dem Trocknen matt und etwas rauh. Die Zone oberhalb der Wasserfläche etwa 3 bis 4 cm ist durchweg sichtlich verändert und ist die Farbhaut aufgebläht, abgesprengt und abgelöst. Diese Veränderung und mechanische Zerstörung der Farbhaut ist, wie leicht zu erkennen und an den verschiedenen Platten einheitlich sich beobachten lässt, von innen nach aussen erfolgt. Die Anstrichhaut hat das Seewasser durchgelassen, die Adhäsion zwischen Farbhaut und Eisen ist dadurch abgeschwächt worden und es hat ein capillarer Auftrieb zwischen beiden stattgefunden, gefördert durch die Verdunstung oberhalb der Wasserlinie. Die Verdunstung von innen nach aussen durch die Farbhaut hat aber des Weiteren eine Ausscheidung der Salze unter derselben hervorgerufen, mit der die Sprengung derselben Hand in Hand gehen musste. Diese Erscheinung trat in ganz derselben Weise auf, gleichviel welcher Oelfarbenanstrich verwendet worden war, und wiederholte sich in genau der Form, wie ich solche schilderte, so oft ich auch den Versuch wiederholte. Hatte ich schon in meiner letzten Broschüre mich dahin geäussert, dass die Farbhaut ein ähnliches Verhalten zeige wie die thierische Haut, dass dieselbe im Zustande der Schwellung durchlässig für Gase wie Flüssigkeiten sei„Ueber Rostbildung und Eisenanstriche“ von Edmund Simon, Berlin 1896, S. 27., so wurde diese Ansicht an der Hand der erwähnten Versuche zur feststehenden Thatsache. Um nun durch einwandfreie Versuche klar zu stellen, ob die Farbhaut durchlässig sei, war ich bemüht, mir Farbhäute herzustellen ohne jede Mitwirkung einer Säure, wie dies beispielsweise der Fall ist, wenn kleine Farbhäute hergestellt werden durch Aufstriche auf dünnes Zinkblech, welches durch Säure gelöst die Farbhaut übrig lässt. Es gelang mir nach verschiedenen missglückten Versuchen Farbhäute von ziemlicher Flächenausdehnung dadurch herzustellen, dass ich Gelatineplatten mit einer präparirten Leimschicht überzog und darauf die Farben aufstrich. Diese Aufstriche konnte ich nach einiger Uebung leicht schon durch Einlegen in kaltes Wasser ablösen und erhielt so Farbhäute, die weder mit Säure in Berührung, noch starken physikalischen Einflüssen ausgesetzt waren. Die so erhaltenen Farbhäute sind alle weich, geschmeidig, biegsam und elastisch, und verlieren diese Eigenschaften kaum merklich durch trockene wie feuchte Wärme. Weder durch Kochen der Farbhäute mit Wasser, noch durch Erhitzen bis zur beginnenden Zerstörung der Firnisshaut konnte die Weichheit wie Elasticität der Farbhäute merklich beeinflusst werden. Die Richtigkeit meiner Annahme„Ueber Rostbildung und Eisenanstriche“, S. 27., dass die von Spennrath erhaltenen gegentheiligen Resultate darauf zurückzuführen sind, dass seine Farbhäute durch Schwellung Wasser mit Schwefelsäure aufgenommen hatten, bestätigte sich. Letztere concentrirte sich beim Erhitzen und hatte schliesslich die Zerstörung der Farbhaut zur Folge. Die Dichtheit der Farbhäute wurde von mir in der Weise geprüft, dass ein mit heissem Wasser halb gefülltes Becherglas mit derselben überspannt wurde. Wurde beim Abkühlen des Wassers die Farbhaut nach innen concav eingezogen, so war dies ein Beweis, dass dieselbe keinerlei Verletzungen zeigte und zur Prüfung auf die Dichtheit und Durchlässigkeit wohl geeignet. Wurde in die von der Farbhaut gebildete Schüssel vor dem völligen Abkühlen des Wassers im Becherglas Wasser gegossen, welches mit Anilinfarbstoff leicht gefärbt war, so konnte man bald an der Innenseite der Haut feine Tröpfchen bemerken, welche an Grösse ständig zunahmen, während das Wasser in der Farbhautmulde abnahm. Mit der gleichen Haut wurde ein kleiner Dialysator überspannt und unter gewöhnlichem Luftdrucke die Durchlässigkeit durch verschieden gefärbtes Wasser geprüft mit und ohne Zusatz von Kochsalz. Während in den ersten 24 Stunden kein sichtbarer Durchgang des Wassers durch die Farbhaut zu bemerken war, trat nach dieser Zeit ein sich schnell steigernder Austausch ein. Wurde eine Salzlösung als Diffusionsflüssigkeit benutzt, so war der Austausch viel schneller und merklicher. Dieselben Versuche unter den verschiedensten Verhältnissen mit verschiedenartigen Farbhäuten hatten stets das gleiche Ergebniss. Ebenso wurde die Diffusionsfähigkeit der Farbhaut für Luft, Leuchtgas und schweflige Säure nachgewiesen. Aus meinen Untersuchungen geht zur Genüge hervor, dass die Farbhaut Dicht nur hygroskopisch istEs ist eine bekannte Thatsache, dass Wasser auf Oelfarbenanstriche weisse Flecken hervorbringt, die aber nach dem Trockenwerden wieder verschwinden. Giesst man Wasser auf dicke Oelfarbe, so bildet sich eine weisse Firnisshaut, die, wenn abgetrocknet, dünn und durchscheinend wird., sondern auch durchlässig für Wasser wie Gase. Durch Feststellung dieser Eigenschaft der Farbhaut finden auch verschiedene eigenartige Erscheinungen von Rostbildung ihre natürliche Erklärung, beispielsweise das Auftreten der Rostflecken und Rostwarzen. So hatte ich die Beobachtung gemacht, dass an einer Anzahl neuer Brücken gerade an den unteren vom Wetter geschützten Platten sich gelbe runde Flecken zeigten, die bald die bekannte braunrothe Färbung der Rostwarzen annahmen, während eine gleiche Erscheinung an den mit der gleichen Farbe und unter genau denselben Verhältnissen gestrichenen senkrechten Aussenflächen nur ganz vereinzelt auftrat. Meine fortgesetzten Beobachtungen liessen mich erkennen, dass die erwähnten Platten durch Thaubildung am Morgen oder in Folge plötzlicher Abkühlung schwitzten und dieser Niederschlag sich zu Tropfen zusammenzog, welche, da geschützt, lange Zeit an den Platten hingen und hierbei eine Durchweichung der Farbhaut bewirkten, in deren Folge, da hierdurch durchlässig gemacht, das Eisen mit den Rostbildnern, Wasser, Kohlensäure und Luft in Berührung gelangte und Rost erzeugen musste. Die gleiche Erscheinung ist zu beobachten in Stallungen an den Trägern, in Räumen wo Feuchtigkeit durch Dämpfe auf die eisernen Decken- und Dachconstructionen sich niederschlägt u.s.w. Nicht ungenügende Reinigung der gestrichenen Eisentheile vor dem Streichen, wie man bisher annehmen musste, so lange eine Zerstörung der Farbhaut nicht stattgefunden hatte, ist die Ursache der Rostbildung, sondern, da das Eisen ein weitaus besserer Wärmeleiter wie die Farbhaut ist, wird beim schnellen Abkühlen des Eisens der Thau durch die Farbhaut lebhaft angesogen. mit dem Eisen in Berührung gebracht und Rost erzeugt. Meine Untersuchungen lassen folgende Schlussfolgerungen zu: 1) Die Wärme wirkt nicht in dem Maasse schädigend auf die Farbhaut eines Oelfarbenanstrichs ein, wie vielfach angenommen wurde, dieselbe widersteht derselben im trockenen wie feuchten Zustande ziemlich gut, so dass ein nachtheiliger Einfluss von dieser Seite bei der Verwendung von Oelfarben für Eisenanstriche nicht zu befürchten ist. 2) Die Farbhaut eines Oelfarbenanstrichs ist nicht nur hygroskopisch, sondern auch, im Zustande der Schwellung durch Feuchtigkeit, durchlässig für Wasser und Gase. Alle bisher bekannten Anstrichfarben, welche man zum Schütze des Eisens gegen Rost zur Anwendung brachte, konnten ihren Zweck nicht voll erfüllen, da Mangels Erkenntniss der Ursachen der Rostbildung unter der Farbhaut diesem Uebel nicht gesteuert werden konnte und man oft das Gegentheil erzielte. Aus meinen Beobachtungen geht hervor, dass eine Anstrichfarbe um so rostschützender wirken muss, je mehr Leinölfirniss darin enthalten ist und je indifferenter der Farbkörper gegen chemische Einflüsse ist. Dass bei der Zusammensetzung der Farbe die Cohäsion der Farbtheilchen unter sich, die Adhäsion zum anzustreichenden Gegenstand, sowie die Leitungsfähigkeit gegen Wärme wie Elektricität berücksichtigt werden soll, und man den Ausdehnungscoëfficienten der Farbe für Eisen an striche dem des Eisens selbst möglichst nahe zu bringen bestrebt sein muss, habe ich in meiner Broschüre: Ueber Rostbildung und Eisenanstriche, S. 38 u. ff.Meine Ansichten über die Grundbedingungen eines guten Anstrichmittels gegen Rostbildung und die Ideen, welche mich bei Herstellung einer geeigneten Oelfarbe für diesen Zweck leiteten., eingehend erörtert. Wenn verschiedenerseits betont wird, dass ein zweimaliger Anstrich des Eisens genügenden Schutz gegen Rost gewährt, so ist dies eine absolut irrige Ansicht und wir können der Hygroskopicität und Durchlässigkeit der Farbhaut nur dadurch vorbeugen, dass man erstens bestrebt ist, im Grundanstrich für gute Adhäsion Sorge zu tragen, zweitens der Durchlässigkeit begegnet durch wenigstens 3- bis 4maligen Anstrich mit einer möglichst fetten Farbe. Je grösser der Gehalt der Farbe an Firniss bei guter Deckkraft und AdhäsionEin guter Vergleichsmaasstab für die Adhäsion ist die Anstrichprobe auf ein senkrechtes Eisenblech. Je mehr die Farbe abrinnt, je geringer ist die Adhäsivkraft. ist, desto besser wird er das Eisen vor Rost schützen. Ich stellte nun Anstrichversuche an, worin ich das richtige Verhältniss von Farbkörper und Firniss bestimmte, wo ein Ablaufen der Farbe bei genügender Deckkraft nicht mehr eintrat, und war bemüht, durch geeignete Zusammensetzung eine Farbe mit dem Maximalgehalt an Firniss und indifferenten Farbkörpern herzustellen, die ich „Durabofarbe“ nennen will. Ich erzielte folgende Resultate: 100 Th. chem. reine Bleimennige brauchen 12,8 Th. Firniss 100 Schuppenpanzerfarbe brauchen 21,6 100 Durabofarbe brauchen 85,2 100 Bleiweiss brauchen 40,0 Die Anstrichproben ergaben: Farbenverbrauch auf 1 qm1mal gestr. 2mal gestr. 1 qm Anstrichtrock. Farbe enthältFirniss g g g g Bleimennige 183 352 307 45 Schuppenfarbe   39   72     56,5   15,5 Durabofarbe   39   72     11,0   61,0 Bleiweiss 105 223 159,3   63,7 Die Adhäsion der Farbe wird auch unterstützt durch die nach der Reinigung des Eisens durch Salzsäure vorgesehene Oelung bezieh. Abreibung mit trocknendem OelSiehe Allgemeine Reichsvorschriften § 269.. Wohl sind auch Ansichten laut geworden, die diese Methode für schädlich oder zwecklos halten, doch pflichte ich der Ansicht von Prof. van der Kloes vollständig bei, dass das Oel allein besser auf dem Eisen haften wird bezieh. die Poren besser ausfüllen und kleben wird, als ein Gemisch von Oel mit einem Pulver, das sich mit dem Oel nicht verbindet, die untere Schicht wird gleichsam als einziges kräftiges Bindemittel zwischen Eisen und Anstrich dienen. Ingenieur J. C. Mack, Duisburg, der die Prüfung von Eisen und dessen Abnahme zu besorgen hat, ist mit den Reichs Vorschriften vollkommen einverstanden. Er hat gefunden, dass nach Vorschrift behandelte Constructionstheile Monate hindurch im Freien liegen können, ohne anzurosten, während Eisenmenniganstriche, für sich allein angewendet, sich bald lösten und abfielen.„Bericht der Internationalen Conferenz zur Vereinbarung einheitlicher Prüfungsmethoden von Bau- und Constructionsmaterialien“, Zürich 1895. Die neuerdings im De Ambachtsmann, 1896 Nr. 25 u. ff., veröffentlichten Resultate einer von Prof. van der Kloes mit den verschiedensten Anstrichmitteln auf einer grossen Anzahl von Eisenstücken, Fluss- wie Schweisseisen und Stahl vorgenommenen Versuchsreihe über die Einwirkung von Luft, Feuchtigkeit, Erde, wie auch von Seewasser und Seeluft während 10 Monaten, neigen entschieden zu Gunsten der Oelung der Eisenflächen gegenüber dem nur Blankscheuern. Aus all diesen Betrachtungen ergibt sich, dass jedenfalls die Oelung nach der Reinigung des Eisens geboten erscheint, wie die Anwendung gut deckender Anstrichfarben von höchstem Firnissgehalt, und dass mit solchen der Anstrich wenigstens in 4facher Schicht (Grund- und Deckanstrich) stattfinden muss, um die Durchlässigkeit der Farbhaut abzuschwächen.