Titel: Verkehrswesen.Anwendung der Westinghouse'schen Luftdruck-Weichenstellwerke auf Rangirbahnhöfen.
Fundstelle: Band 310, Jahrgang 1898, S. 72
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Verkehrswesen.Anwendung der Westinghouse'schen Luftdruck-Weichenstellwerke auf Rangirbahnhöfen. Mit Abbildungen. Anwendung der Westinghouse'schen Luftdruck-Weichenstellwerke auf Rangirbahnhöfen. Hinsichtlich der an dieser Stelle seiner Zeit ausführlich erörterten Westinghouse'schen Weichenstellwerke (vgl. 1896 300 * 181) bringen die Railway and Engineering Review Mittheilungen, welche ersehen lassen, dass diese bekanntlich durch Druckluft betriebenen und elektrisch gesteuerten Stellvorrichtungen auf amerikanischen Rangirbahnhöfen in äusserst einfacher Anordnung, d.h. ohne weitere Verriegelungen oder sonstige Abhängigkeiten und Sicherungen, lediglich in Verbindung mit elektrischen Rückmeldern zur Verwendung kommen, und dabei vorzügliche Dienste leisten. Die Anordnung der Stromleitungen für derartige Anlagen lässt das in Fig. 1 dargestellte Beispiel erkennen, welches vier Weichen und eine gleisverbindende Doppelweiche umfasst. Es ist diesbezüglich vorerst zu erinnern, dass jede der bei w1 w2 w3 ... angedeuteten Weichenstellvorrichtungen aus einem Druckcylinder besteht, dessen Kolben, je nachdem die Pressluft von rückwärts oder von vorn auf ihn einwirkt, das Umstellen der Weiche auf die Ablenkung oder die Rückstellung auf die Gerade besorgt, sowie in beiden Fällen sodann das unverrückbare Festhalten der Weiche in der ertheilten Lage bewirkt. Den Zutritt oder Austritt der Pressluft gewährt in beiden Cylindertheilen je ein Ventil, dessen Steuerung mit Hilfe eines Elektromagnetes geschieht. Zu diesem Zwecke ist für sämmtliche Weichenstellvorrichtungen eine gemeinsame Batterie b vorhanden und zu jedem Ventil-Elektromagneten je eine Drahtleitung p bezw. q geführt. Textabbildung Bd. 310, S. 73 Westinghouse'sches Luftdruck-Weichenstellwerk. Ferner befinden sich an jenem Orte, von dem aus die Weichen gestellt werden sollen, ebenso viele Contactvorrichtungen k1 k2, als Weichen oder Gleis Verbindungen in die Anlage einbezogen sind. Diese in einem Kasten (Stellwerkkasten) geborgenen, nach Art stehender Wippen angeordneten und in wagerechter Reihe neben einander angebrachten Contactvorrichtungen sind an ihren Drehachsen gemeinsam mit dem Pluspol der Batterie b in leitende Verbindung gebracht, deren zweiter Pol an Erde liegt. Die beiden Hebelarme jeder Wippe tragen je einen aus isolirendem Material angefertigten Knopf, der mehr oder minder hoch durch die Vorderwand des Stellwerkkastens emporragt. Bei der Ruhelage, welche Fig. 1 ersichtlich macht, liegen die oberen Knöpfe – in der Abbildung sind die Wippen der Uebersichtlichkeit wegen um 90° gedreht dargestellt – nahe der Kastenwand, während die unteren auffällig vorstehen. Es ist unter dieser Voraussetzung beispielsweise in der Stellvorrichtung w1 der Strom der Batterie b über die Wippe, einen Contact c2, die Leitung q1 und Erde geschlossen, wobei die Lage der Weiche der Fahrt am geraden Gleise entspricht. Genau dasselbe Verhältniss obwaltet bei allen übrigen Weichen. Soll jedoch w1 auf Ablenkung umgestellt werden, dann drückt der Stellwerkwärter den Knopf k2 nieder, wodurch dieser in die Kastenwand zurücktritt, während der obere Knopf k1 vorspringt. Hierbei wird der Contact c2 geöffnet und dafür jener bei c1 hergestellt. Es hört somit der über q1 zu w1 bestandene Stromweg auf, wogegen über p1 ein neuer geschlossen wird. Der auf diese Weise stromlos gewordene Ventil-Elektromagnet in w1 lässt seinen Anker los und die bislang hinter dem Kolben des Druckcylinders wirksam gewesene Pressluft entweicht, während sie gleichzeitig vor dem Kolben durch das daselbst nunmehr geschlossene Ventil festgehalten, die Verschiebung des Kolbens nach rückwärts, das ist die Umstellung der Weiche auf Ablenkung bewirkt. Wird späterhin die Wippe k1 k2 durch einen Druck auf den Knopf k1 wieder in die Ursprungslage zurückgebracht, so tritt k1 in die Kastenwand zurück und k2 springt vor; der alte Stromweg über c2 q1 ist aufs Neue hergestellt, jener über c1 p1 wieder unterbrochen. Es entleert sich im Druckcylinder der Stellvorrichtung w1 nunmehr der vordere Theil, während der rückwärtige sich mit Pressluft füllt, so dass letztere den Kolben von rückwärts nach vorwärts schiebt, d.h. die Weiche wieder auf das gerade Gleis zurückstellt. In gleicher Weise arbeiten alle übrigen Stellvorrichtungen mit Ausnahme jener an den gleisverbindenden Weichenpaaren, wie beispielsweise bei u5 und u 6, wo die gleichsinnig wirkenden Ventil-Elektromagnete beider Stellvorrichtungen in denselben Stromkreis einbezogen werden, so dass für die Steuerung ihrer vier Ventil-Elektromagnete statt ebenso vieler Leitungen nur zwei Leitungen, p5 und q5, zur Verwendung gelangen. Durch diese vereinfachte Schaltung ist überdem das vollständig gleichzeitige Hin- oder Rückstellen des Weichenpaares verbürgt, sowie die werthvolle Füglichkeit geboten, für die Steuerung der beiden Weichen einer Gleisverbindung am Stellwerke mit nur einer Wippe das Auslangen zu finden. Da am Stellwerkkasten die mit entsprechenden Ueberschriften versehenen Knöpfe der Gontactwippen bezw. diese selber ganz dicht an einander gereiht werden können, so unterliegt es keiner Schwierigkeit, eine grosse Anzahl von Weichen einem einzigen Stellorte zu überantworten, denn die Bedienung wird sich auch in diesem Falle äusserst einfach gestalten und nur geringe Arbeitsaufwendung seitens des Stellwerkwärters erfordern. Zur Vervollständigung des betrachteten Centralstellwerkes für Rangirbahnhöfe bedarf es noch einer wichtigen Controleinrichtung, nämlich einer Vorkehrung, welche dem Stellwerkwärter für jede einzelne Weiche verlässlich erkennen lässt, ob sie nicht verstellt ist und ob dieWeichenzunge gehörig anliegt. Für diesen Zweck befindet sich am Kasten des Centralstellwerkes über dem oberen Knopfe jeder Contactwippe je ein Rückmelder, der aus einem in der Vorderwand des Stellwerkkastens ausgeschnittenen, verglasten Fensterchen besteht, das durch ein Farbenscheibchen, welches an dem Anker eines im Kasteninneren angebrachten Elektromagnet es befestigt ist, entweder weiss oder roth abgeblendet wird. Die weitere Einrichtung und namentlich das Stromwegschema der Rückmeldeanlage lässt Fig. 2 ersehen. Hierzu ist zuförderst der Umstand hervorzuheben, dass bei jeder Weiche die Schienenstränge auf eine bestimmte Länge isolirt verlegt und von den anstossenden Fortsetzungen des Gleises durch isolirende Zwischenlagen i1 i2 i3 i4 ... und c1 c2 c3 c4 ... getrennt sind. Die Schienenisolirung erstreckt sich hinter der Weiche bis zu der Stelle, an welcher im Weichendelta die Sicherheitsmarke liegt. In jedem Weichenbezirke sind die isolirten Schienen durch Anschlusskabel einerseits mit einer Batterie b1 b2 b3 b4 ..., andererseits mit einem als Relais eingerichteten Elektromagneten r1 r2 r3 r4 ... in leitende Verbindung gebracht, d.h. in jedem der auf diese Weise gebildeten Schliessungskreise besteht ein Ruhestrom, welcher den Anker des zugehörigen Relais angezogen hält. Damit durch die Lage der Weichenzunge keine Störung im Schienenstromkreise verursacht werden könne, gleichgültig ob die Weiche auf Gerade oder Ablenkung steht, sind die von der Weichenstange gesteuerten Umschalter u1 u2 u3 u4 ... vorhanden, welche in beiden Weichenstellungen den Stromweg sichern. Jedes Relais der Schienenstromkreise steht im Ankercontact durch eine Leitung l1 l2 l3 l4 ... mit einem Rückmelder-Elektromagneten m1 m2 m3 m4 ... und dann mit der Batterie b in Verbindung, deren zweiter Pol an das als Erd- bezw. Rückleitung dienende Rohr der Luftdruckleitung anschliesst. Desgleichen sind die Ankerachsen sämmtlicher Relais mit der Luftdruckleitung durch Anschlussdrähte in Verbindung gesetzt. Auf diese Art entstehen ebenso viele Stromwegzweige der Batterie b, als Weichenrelais bezw. Rückmelder vorhanden sind. In jedem dieser Schliessungskreise liegt auch noch ein Unterbrecher v1 v2 v3 v4 ..., nämlich ein einfacher Federncontact, der durch einen auf der Weichenstange sitzenden Daumen bei jeder Hin- oder Rückbewegung, also bei jeder Weichenumstellung kurz unterbrochen und sodann wieder losgelassen bezw. geschlossen wird, sobald die Weichenzunge genau ihre richtige Schlusslage erreicht hat. Solange die Relaisanker angezogen bleiben, bleiben die betreffenden Rückmelderleitungen stromlos und die Fensterchen zeigen weiss. Kommt jedoch irgend ein Eisenbahnfahrzeug in den Bereich der isolirten Schienen, beispielsweise gelangt ein Wagen innerhalb der Isolirungen i2 c2 i3, so erfolgt daselbst durch die Radachse ein Stromübergang von Schiene zu Schiene, also ein Kurzschluss der betreffenden Batterie b2. Es verwandelt sich demzufolge das Fensterchen des Rückmelders m2 von weiss in roth. Hat der Wagen oder haben die Fahrzeuge den Weichenbezirk verlassen, derart, dass daselbst gegen eine nächste Fahrt über die Weiche kein Hinderniss mehr vorhanden ist, dann tritt im zugehörigen Relais r2 das ursprüngliche Verhältniss wieder ein und m2 stellt sich wieder auf weiss. Ganz dasselbe, was für das angezogene Beispiel galt, gilt natürlich auch für alle übrigen Weichen und deren Rückmeldereinrichtung. Eine Weichenumstellung darf seitens des Stellwerkwärters sonach nur vorgenommen werden, wenn der betreffende Rückmelder weiss zeigt. Bei jeder solchen Umstellung kennzeichnet sich der Vollzug gleichfalls am betreffenden Rückmelder und zwar durch momentanes Rothwerden, weil während des Weichenumstellens der zugehörige, oben erwähnte Unterbrecher v1 v2 v3 v4 ... in Thätigkeit gelangt. Würde nach der Umstellung oder in Folge eines Gebrechens die Weiche nicht gehörig geschlossen sein, dann bleibt, bezw. wird das zugehörige Rückmelderfensterchen gleichfalls roth. Als ein hervorragendes Beispiel derartiger Stellwerkanlagen führt unsere Quelle den Rangirbahnhof Altoona der Pennsylvania-Bahn an, wo 3 Hauptweichen, 14 Weichen eines Ablaufgleises und 5 gleisverbindende Doppelweichen einbezogen sind, so dass sich zusammen 27 durch Pressluft betriebene Stellvorrichtungen an Weichen und im Centralstellwerk 22 Wippen und ebenso viele Rückmelder befinden. Der Stellwerkkasten ist so compendiös, dass der vor demselben in einem Sessel sitzende Wärter die sämmtlichen, in zwei wagerechten Reihen, wie die Tasten zweier Klaviaturen, über einander angeordneten 44 Knöpfe der Contactwippen ganz leicht und bequem handhaben kann. Ueber den 22 Wippen sind, beiläufig in der Augenhöhe des sitzenden Wärters, die Fensterchen der Rückmelder, gleichfalls in wagerechter Reihe neben einander angebracht.