Titel: | Allgemeine Fragen der Technik. |
Autor: | P. K. von Engelmeyer |
Fundstelle: | Band 311, Jahrgang 1899, S. 69 |
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Allgemeine Fragen der Technik.
Von Ingenieur P. K. von
Engelmeyer, Moskau.
(Fortsetzung von S. 21 d. Bd.)
Allgemeine Fragen der Technik.
Der mächtige Aufschwung, den die Technik in den letzten zwei Jahrhunderten
erfahren, richtet auf dieselbe das Augenmerk der Kulturforscher. In den sechziger
Jahren entstand eine neue Denkrichtung, die als Vorarbeit für die Philosophie der
Technik betrachtet werden darf. Der Strom hatte sich nach zwei Richtungen hin
verzweigt: einerseits wurde die Thätigkeit des Erfinders, andererseits aber wurden
die Resultate derselben, d. i. die Technik selber und deren Funktion in der gesamten
Kultur untersucht. Im Jahre 1864 erscheinen zwei Schriften, welche die beiden
Richtungen andeuten. Diese sind: Engel's „Ueber die
Grenzen des Erfindungsgeistes im Transportwesen“ (Zeitschr. des Preuss. Statist. Bureaus, Nr. 5) und v. Bauer's „Ueber die Unterscheidung der Technik von der
Wirtschaft“ (Faucher's Vierteljahrschr. für
Volkswirtschaft, Bd. 3). Die Erfindungsfrage soll uns später beschäftigen.
Jetzt wenden wir uns der allgemeineren Frage zu.
Nach v. Bayer haben die menschlichen Thätigkeiten
„die Fürsorge für Mittel zu den verschiedenen Zwecken“ (S. 35) zum
Gegenstande. Im allgemeinen bezweckt aber die menschliche Thätigkeit: 1. Erzeugnisse
der Natur in den physischen Besitz des Menschen zu bringen (Stoffgewinnung) und
zwar: a) ohne Mitwirkung bei der Hervorbringung (Aufsuchen), b) durch gleichzeitige
Mitwirkung bei der Entstehung (Land- und Forstwirtschaft). 2. Aus den vorhandenen
Mitteln andere hervorzubringen durch Aenderung ihrer Form und Zusammensetzung
(Gewerbe, bildende Künste u. dgl.). 3. Sie nutzbar zu machen durch Aenderung der
örtlichen Verhältnisse (Transport). 4. Besondere Einrichtungen zu treffen, um sie
denjenigen in die Hände zu führen, die ihrer bedürfen (Handel). 5. Die vorhandenen,
nicht mit Personen verbundenen geistigen Mittel zu vermehren, sie mögen nun a) dem
Bereich der Wissenschaften angehören (Darstellung des Erkannten in Sprache und
Schrift) oder b) dem Bereich der Künste (Dichtkunst, Tonkunst, dramatische Kunst).
6. Die persönlichen Mittel zu erhalten, auszubilden und neue hervorzubringen und
zwar: a) Bildung des Geistes, Lehren, Lernen, geistiger Genuss, b) körperliche
Bedienung, körperliche Uebung, ärztliche Behandlung, körperlicher Genuss u.s.w.
Die Gesamtheit dieser Thätigkeiten, durch welche die Mittel überhaupt oder für
bestimmte Personen ihre Existenz erhalten, bildet die Produktion, die Gesamtheit der
dabei verwendeten Mittel, die Konsumtion in der weitesten Bedeutung des Wortes.
„So sehen wir also die Fürsorge für Mittel zur Erreichung von Zwecken,
bestehend in den Thätigkeiten der Produktion und Konsumtion, oder richtiger
Erlangung und Verwendung, in zwei Hauptteile zerfallen, deren einer die
Ausführung oder Darstellung des Gedankens des Mittels durch Verfügung über
andere nach Massgabe der aus der Natur der bezüglichen Thätigkeiten fliessenden
Gesetze zum Gegenstand hat, der andere die Gewinnung möglichst hoher
Wertüberschüsse“ (S. 41, 42). Die erstere Hälfte ist nach v. Bauer die Technik, die letztere die Wirtschaft.
Alle Achtung vor dem Bestreben v. Bauer's, eine möglichst erschöpfende Darlegung zu
erzielen, jedoch sie ist verschwommen.
Fr. Neumann-Spallart, in seiner Schrift „Die
Zivilisation und der wirtschaftliche Fortschritt“ (1869), berührt zwar die
Technik nicht direkt, allein sie ist unzweifelhaft in dem wirtschaftlichen
Fortschritte mit einverstanden. Auf die Frage, was dem Menschen als die höchste
Stufe der Zivilisation vorschwebt, antwortet Neumann
folgendermassen: „So weit die Auffassungen hierüber auch auseinander gehen mögen,
so wird und kann doch von keiner Seite geleugnet werden, dass nur jene Richtung
der Kultur eine innere Berechtigung in sich trägt, welche jedem die Mittel
bietet, ein durch die Natur selbst im Menschen gelegtes gemeinsames Streben zu
befriedigen; jene Richtung, welche nicht bloss einigen aus der Familie der
Menschheit, sei es herrschenden Völkern, Klassen und Ständen oder Individuen,
auf Kosten und zum Nachteil anderer, sondern welche allen ausnahmslos die
Erfüllung ihres Berufes ermöglicht“ (S. 8). „Dieses Ziel, das von der
Gesamtheit der Menschen anerkannt wird, liegt in der ungestörten, nur durch das
ethische Bewusstsein eingeschränkten Befriedigung der körperlichen und geistigen
Bedürfnisse. Es setzt einen Zustand der Menschheit voraus, in welchem erstens
die nötigen äusseren Mittel geboten sind, und das ist nur der Fall bei voller
Beherrschung des natürlichen Daseins, der Materie, und in welchem zweitens die
Anwendung dieser Mittel durch die moralische und soziale Ordnung gewährleistet,
keine Persönlichkeit durch die andere beeinträchtigt, keine unterdrückt, sondern
für jede die volle Rechtsharmonie hergestellt wird, und das geschieht durch die
staatsbürgerliche Freiheit“ (S. 8, 9). „Und so ist die Zivilisation – die
wachsende Herrschaft des Menschen über die Natur – nicht bloss eine materielle
und wirtschaftliche, sondern sie ist eine ethische That, die uns auf die höchste
Stufe des Daseins stellt“ (S. 22).
Bei Neumann sticht deutlich der Gedanke durch, dass alle
Kultur, alles soziale und ethische Emporsteigen nur auf Grund der Beherrschung der
Natur stattfindet, ja dass beides ein und dasselbe ist. Die Beherrschung der Natur
ist aber das Grundziel der Technik, worin alle ihre Ziele auslaufen.
In den siebziger Jahren wurden umfangreichere Versuche gemacht, die Technik
philosophisch zu betrachten. E. Kapp, in seinen
„Grundlinien einer Philosophie der Technik“ (1877), hat jedoch keinen
Erfolg erzielt. Als eifriger Hegelianer will er in seinem deduktiv konstruierten
Werke die gesamte Technik aus ihrem Urzustände erklären, indem er sie als
„Organprojektion“ deutet, was zu bedeuten hat, dass der Mensch in allen
seinen Werkzeugen nur seine Glieder nachahmt oder „hinausversetzt“ (S. 30).
Es ist nicht zu leugnen, dass diese Auffassung die primitiven Werkzeuge (Hammer,
Axt, Messer) ziemlich gut deckt. Jedoch beim Bohrer (als Projektion unserer Nägel)
wackelt schon der Boden. Kapp schreitet aber unverzagt
weiter: die Camera obscura sei die Projektion des Auges, die uralte Harfe – die des
Corti'schen Organs (!), die Orgelpfeife, Pumpe, Telegraphenleitung –
diejenigen des Kehlkopfs, des Herzens und der Nerven. Dagegen ist aber einzuwenden,
dass wir, gerade umgekehrt, die funktionelle Erklärung jener Organe nach jenen
Kunstprodukten konstruiert haben.
Nun kommt Kapp zu den Maschinen. Hier hört jede Analogie
mit dem Menschenkörper auf. und zwar bei dem einfachsten Maschinenteile, dem Rade. Ueber diese logische Kluft wird indessen eine
dialektische Brücke geschlagen: „Die Formen der Dampfmaschine als eines Ganzen
und die Leibesgestalt des Menschen haben in ihrem Aeusseren wenig oder gar
nichts miteinander gemein, wohl aber gleichen verschiedene Teile, aus denen die
Maschine zusammengestellt ist, einzelnen Organismen“ (S. 133). Diese Sentenz
ist natürlich von keinem Beispiel begleitet, denn jedes stösst sie um. Im Gegenteil
fragt sich der Leser, welche Teile der Dampfmaschine sind unseren Gliedern am
meisten unähnlich: die Räder mit Büchsen, oder der Cylinder mit Kolben, oder der
Röhrenkessel? In der That verlässt Kapp bei den
Maschinen seine Grundidee vollkommen und wiederholt nur, was Reuleaux in seiner Kinematik (1875) sagt. Die Kinematik hat aber mit der
Organprojektion durchaus nichts gemein. Doch wo Begriffe fehlen, erweist sich Kapp als ein Virtuos der „reinen“ Dialektik.
Dabei vermeidet er grundsätzlich, eine Definition der Technik zu geben. Zudem finden
wir in seinem Buche noch umfangreiche Kapitel über „Sprache“, „Staat“,
ja sogar über „das Unbewusste“. Das Buch erhält dadurch eine ansehnliche
Dicke, doch weiss man nicht, ob das alles zur Technik gehört oder nicht. Auch die
Philosophie selber kommt zur Sprache. Ueber dieselbe lesen wir: „So ist alle
Philosophie recht eigentlich auch Philosophie des Unbewussten, und ihr letztes
Resultat ist das im Selbstbewusstsein gewusste Unbewusste“ (S. 163).
Es ist unnötig, Kapp's Auseinandersetzungen eingehender
zu verfolgen. Der technische Leser ist ohnedem zum Vorwurfe berechtigt, zu lange mit
einer Schrift beansprucht zu sein, die keine positiven Eigenschaften besitzt und nur
den vergeblichen Versuch verrät, den der Verfasser macht, über ein Gebiet zu
philosophieren, in welchem ihm faktische Kenntnisse fehlen. Daran tragen aber die
Techniker die Schuld; derweil sie schweigen, haben Fremde die Arbeit begonnen,
welche eigentlich nur von Technikern erfolgreich verrichtet werden kann.
Wir gehen nun zu den Arbeiten des Nationalökonomen Em.
Herrmann's über. Seine erste diesbezügliche Schrift, „Leitfaden der
Wirtschaftslehre“ (1870), ist die eines vielversprechenden jungen Mannes.
Der Verfasser will seinen Gegenstand nicht routinenmässig behandeln, kann indessen
seine Gedankenfülle nicht bemeistern. Das Werkchen enthält noch keine Unterscheidung
der Technik von der Wirtschaft. Nur finden wir die „Sicherungsmethoden“
(Regulierung, Relais, Kette, Turnus, Batterie, Amortisation), die Herrmann in seinen späteren Schriften auf die Technik
bezieht. Jedoch brauchen wir an diesen Begriffen nicht länger zu verweilen.
Herrmann's nächstfolgende Schrift „Prinzipien der
Wirtschaft“ (1873) befasst sich schon mit der Wechselwirkung der Technik und
der Wirtschaft. Leider fehlen präzise Definitionen. Statt derselben lesen wir:
„Nicht wer schafft, handelt darum schon in wirtschaftlichem Geiste, sondern
nur wer mehr Vorteile schafft, als er an Kosten, Schäden und Vorteils entgangen
ausgibt, und als andere im gleichen Falle schaffen
könnten“ (S. 64). Mit dem Zusatz „und als andere“, der etwas
von der Ricardo'schen Rententheorie führt, ist die
sonst klare Sentenz geschädigt worden. Nebenbei kommen technische Begriffe
(Nutzeffekt, Arbeitsteilung, Maschinen, „richtiger“ Gebrauch der Werkzeuge,
Matrizen, Patrizen, Formen, Schablonen, Stanzen u.s.w.) zur Sprache, ferner „die
Methoden der Annäherung und Meidung“, „der Vermittelung und
Verhinderung“ (S. 227), die Sprache, die Schrift u.a.m., alles ziemlich
allgemein gehalten. Auch Roscher's bekannter
„Substanzwechsel“ ist aufgeführt, doch fehlt der Hinweis auf die
Bezugsquelle. Rein technische Anordnungen (Reihe, Paket, das Revolverprinzip) sind
zu der „wirtschaftlichen Organisation“ gezählt. Bald finden wir neben dieser
noch „das wirtschaftliche Arrangement“, was wieder etwas anderes bedeuten
soll, jedoch mangeln auch hier wieder die Definitionen. Es wird daher sogar
Heterogenes (Massenproduktion, Kopieren, Drehung, Walzenprinzip, Surrogate, Konturen
und Schemata, Zentralisation, Schablonen, Sortieren, Magazinieren u.s.w.)
hinzugezählt.
Das dritte Werk Herrmann's,
„Kultur und Natur“ (2. Aufl., 1887), ist ein frisch geschriebenes Buch für
das grosse Publikum. Mit Recht weist Herrmann auf die
grosse wirtschaftliche Bedeutung der Kontinuität der Arbeit, und der „Typus des
Ringes“ (S. 62) ist gut. Ebenso treffend ist der Satz, dass die Menschheit
am meisten um den Vorteil an Kraft ringt, „rücksichtlich an Zeit, Raum, Stoff,
die ja alle auf Kraft reduziert werden können“ (S. 91).
Das Werk enthält auch ein Kapitel „Technik und Oekonomik“. Leider befindet
sich darin keine Definition des Begriffs der Technik. Statt dessen lesen wir:
„Technik bedeutet ja: Können, und der Wunsch, alles zu können, beherrscht den
Menschen ebenso sehr, als der andere Wunsch, alles zu wissen“ (S. 250). Als
Unterscheidung der Technik von der Oekonomik gilt folgendes: „Während die Technik
nur den unmittelbaren Zusammenhang von Ursache und Wirkung, das physikalische
Kausalitätsgesetz benutzt, um ihre Zwecke zu erreichen, besteht die Oekonomik in
der Abwägung aller das Individuum aus jedem Lebensakte treffenden Folgen“
(S. 262). Man kann sich wohl das Richtige darunter denken, indem aber die Ziele der
Technik nicht näher definiert werden, bleibt die Kernfrage dunkel. Der Oekonomik
wird die Abwägung der „günstigen und ungünstigen Folgen“ als Ziel
aufgestellt. Zu den letzteren werden gerechnet: die Kosten, die Schäden und die
Vorteilsentgänge, jedoch bleibt besonders die letzte Kategorie fraglich, obwohl sie
wieder nach der Ricardo'schen Rentenauffassung gedacht
werden soll. Die vorgeführten Beispiele helfen wenig. So soll die Muskelarbeit beim
Atmen dessen Kosten ausmachen, den Schaden – die Infektion und Verkühlung, den
Vorteilsentgang – indem die Arbeit des Atmens unser Denken stört (S. 262). (!?) Und
dennoch muss man sagen, dass diese populäre Schrift Herrmann's sein bestes Werk ist.
Nun treten wir zu Hermann's Hauptwerk „Technische
Fragen und Probleme der modernen Volkswirtschaft“ (1891). Jetzt oder nie
sollen die Versprechungen der früheren Werke erfüllt werden. Das dritte Kapitel
(Studie) heisst: „Das Verhältnis der Technik zur Wirtschaft“. Die
sprachlichen Formeln sind noch unbestimmter denn je: durchweg finden sich „fast
immer“, „hauptsächlich“, „meistens“ u. dgl. Zudem wird noch
ein starker Gebrauch gemacht von Synonymen und Homonymen, ohne Abgrenzung derselben.
So z.B. lesen wir: „Kann aber nun das Werk der Akkuratesse gar nie zur Stufe der
Präzision im Sinne der Exaktheit erhoben werden?“ (S. 267). Vergebens suchen
wir die Lösung dieser Frage und die Abgrenzung dieser drei Synonyme. Im Gegenteil,
wir begegnen ein viertes Synonym in jener Formel, die als Definition der Technik
gelten soll: „Die Technik strebt eine Leistung, einen Effekt an, welcher auf das
genaueste die gestellte Aufgabe löst“ (S. 35). Ob die Technik genau,
akkurat, präzis oder exakt ihre Aufgaben löst, bleibt uns gleich, solange uns nichts
darüber gesagt wird, welcher Art diese Aufgaben sind.
Ferner stossen wir auf folgende Unbestimmtheiten: „Teller, Schüsseln werden aus
Holz gedreht, Löffel aus Holz geschnitzt und nur etwa die Messerklinge stammt
aus fremder Technik her“ (S. 30). Hier ist die Technik vollständig mit der
Produktion identifiziert. Ebenso bleibt unentschieden, was den „technischen
Vorgang“ ausmachen soll: „Das Verhältnis des technischen Vorganges der
Natur (?) zum Menschen charakterisierte einst ein polnischer Jude trefflich, der
zu einem Grossgrundbesitzer sagte: 'Graf Gnaden schlafen und Ihr Wald
wächst!'“ (S. 61). Die Wahl dieser Feuilletonanekdote ist aus zwei Gründen
keine glückliche: erstens werden der Natur mit der technischen Thätigkeit auch
Absichten zugeschrieben, was den früheren Aeusserungen desselben Verfassers
widerspricht (Kultur und Natur S. 255). Zweitens wird das Zusammenwirken des
Menschen und der Natur im technischen Prozess ganz falsch beleuchtet: der Mensch
brauche nur ruhig zu schlafen und die Natur sorge für ihn. Ja, wäre dem so, so
hätten wir keine
Technik, keine Wissenschaft und überhaupt keine Arbeit bis auf den heutigen Tag.
Im weiteren glaubt Herrmann eine mathematische
Entdeckung gemacht zu haben, indem er sagt: „Wenn auch die Mathematik (es sollte
heissen die elementare Arithmetik) nur arithmetische und geometrische
Progressionen kennt (?), so weisen doch gerade die Fortschritte der technischen
Elementarfaktoren darauf hin, dass es über die progressive Addition und
Multiplikation hinaus noch eine progressive Multiplikation der Anfangsgrösse und
jedes weiteren Produktes mit sich selbst, d.h. also eine progressive
Potenzierung gebe“ (S. 439). Mit einer anderen gleichwertigen Entdeckung
glaubt Herrmann sogar den Ansichten unserer Zeit
„weit voranzueilen“ (S. 329), dass nämlich die Zeit einmal drei (S. 329,
330) und ein anderes Mal sogar vier (S. 331) Dimensionen habe.
Es finden sich leider nur „wenige Beispiele“ von dem, was eigentlich wichtig
ist, worin die technische Anordnung bestehe. Es werden genannt: Reihen, Ketten
(„zusammenhängende Reihen“), Strom, fixe Glieder, wie die Zähne einer
Säge, eines Kammes (?) u.s.w., Zirkulation, Rotation. Wenn wir uns erinnern, dass
Herrmann in seinem „Leitfaden der
Wirtschaftslehre“ die Kette – in seinen „Prinzipien der Wirtschaft“
aber die Reihe – zu den ökonomischen Prinzipien zählt, dass dagegen hier
Regulierung, Relais, Turnus, Batterie, Amortisation, Paket und Revolverprinzip
gänzlich fehlen, so wissen wir nicht, welchen Standpunkt Herrmann behauptet. Am Ende des Werkes findet sich eine Aeusserung, die
wir hervorheben: Die Technik „befreit den Menschen nur deshalb, um sich von
demselben zu emanzipieren“ (S. 464).
Herrmann's Werk „Wirtschaftliche Fragen und Probleme
der Gegenwart“ (1893) enthält zwar einen Abschnitt über „die Rolle
der Technik in der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung“, es soll uns jedoch
nicht lange aufhalten. Ohne den Leser darauf vorzubereiten, unterlegt der Verfasser
dem Begriffe Technik eine so breite Bedeutung, dass man gar nicht mehr weiss, wo sie
anfängt und wo sie aufhört. Hierüber nur wenige Belege: „Die verstaatlichte
Technik sollte vor allem mit der Einführung des Prinzips der Solidarität, der
Stetigkeit, der Präzision und der fortschreitenden Entfaltung reagieren“ (S.
48). „Seltsam hemmt auch die ganz untechnische, ja sogar jeder Technik
hohnsprechende Weise der bureaukratischen Verteilung der Agenden unter
verschiedene Behörden die richtige Lösung der Aufgaben“ (S. 51). „Die
Vereinbarungen (Strikes, Kartelle u.s.w.) wenden sich manchmal direkt gegen jede
Fortsetzung solider Technik“ (S. 81). „Diesem Treiben steht die Technik
nahezu machtlos gegenüber, insbesondere aber die Technik der Gesetzgebung“
(S. 82).
Fasst man Herrmann's Werke zusammen, so muss man sagen:
ihm gebührt das Verdienst, zuerst den Versuch gemacht zu haben, das Bereich der
Technik in Eins zusammenzufassen und die Prinzipien der Technik aufzusuchen. Obzwar
er dieses Ziel nicht erreicht hat, so ist er doch offenbar von einem richtigen
Instinkte geführt worden. Darum seien seine Werke einem jeden anempfohlen, der an
der Lösung allgemeiner Fragen der Technik Interesse nimmt. Herrmann's Werke wecken das Interesse für dieselben. In dieser Hinsicht
schadet die Verschwommenheit seiner Darlegung nicht viel. Auch die Inkongruenz der
Begriffe in seinen verschiedenen Schriften wirkt anregend. Hat auch Herrmann seinen Acker nicht bebaut, so hat er doch ein
weites Feldstück aufgepflügt.
(Fortsetzung folgt.)