Titel: Strobel's Lokomotiv-Drehscheibe.
Fundstelle: Band 311, Jahrgang 1899, S. 126
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Strobel's Lokomotiv-Drehscheibe. Strobel's Lokomotiv-Drehscheibe. Je grösser der Durchmesser einer Drehscheibe ist, desto grösser muss bekanntlich jener Teil der Belastung sein, welcher auf den Mittel- bezw. Drehpunkt übertragen wird, und in Verfolgung dieser Notwendigkeit gelangt man schliesslich bei besonders nennenswerten Spannweiten zu der Anordnung, dass die Gesamtlast lediglich auf die Scheibenmitte trifft, während der Umfang eine völlige Entlastung erfährt. Diesem Konstruktionsprinzipe entspricht in eigentümlicher, höchst einfacher Art eine von Strobel ausgeführte Lokomotivdrehscheibe, Fig. 1 und 2, welche nach den Engineering News, von wo auch die nachstehende Schilderung stammt, seit 1894 auf amerikanischen Bahnen grosse Verbreitung gefunden hat. Die von zwei durch Zwischenstützen, Windschliessen u.s.w. angemessen verstärkten Fischbauchträgern aus Walzblech gebildete Brücke ruht in der Mitte auf einem an der Unterfläche konisch geformten Kranz Ar, Fig. 3 und 4, aus Gusseisen, der mit der Brückenkonstruktion in fester Verbindung steht. Unter diesem Kranze befindet sich ein auf den Abdeckquader des Mittelpfeilers durch Schraubenanker befestigter cylindrischer gusseisener Kasten g, der in seinem oberen Teile durch strahlenförmig auseinandergehende Zwischenwände in zwölf gleiche Fächer geschieden ist. In jedem solchen Fache lagert auf zwei Drehzapfen eine 203 mm lange konische Walze r, welche am stärkeren, nach aussen gekehrten Ende 178 mm und am schwächeren, inneren Ende 144 mm Durchmesser besitzt. Der vorgenannte, an der Brückenkonstruktion befestigte, konische Kranz k liegt auf den zwölf Walzen auf, und übergreift den Walzenkasten wie ein Hut, derart, dass in das Innere des letzteren keinerlei Fremdkörper eindringen können. Vermöge der Konstruktion der Brücke verteilt sich die Gesamtlast derselben auf vier Punkte, die ein Quadrat von 609 mm Seitenlänge bilden und natürlich in den Kranz k hineinfallen. Die zwölf aus Stahl hergestellten Unterlagswalzen r laufen in Oel und sind von Staub oder sonstiger Verunreinigung, wie schon oben betont wurde, vollkommen geschützt; die reibenden Flächen des konischen Kranzes k sind äusserst genau abgedreht und reinpoliert. Zwischen den Längs- und Querträgern in der Brückenmitte werden sämtliche Verbindungen lediglich durch vernietete Bleche hergestellt und keinerlei Schrauben angewendet, damit Lockerungen absolut ausgeschlossen sind; auch lässt sich !uf diese Weise die ganze Brücke ohne Schwierigkeiten ausheben und wieder einsetzen. Sehr vorteilhaft gilt es, dass die Grube im Umfange der Scheibe eine verhältnismässig nur geringe Tiefe erfordert, wodurch gegenüber den Drehscheiben, welche an der Peripherie Laufrollen besitzen, eine grosse Ersparnis an der Gesamtmasse des Kranzmauerwerkes und des Aushubes erzielt wird. Aus letzterem Grunde mindern sich auch die Unterhaltungskosten, welche während des Winters durch die Beseitigung des Schnees erwachsen. An den Geleiseenden der Brücke befinden sich als Kopfstücke stärkere Bohlen p1 und p2, Fig. 2, welche an den beiden Enden abgeschrägt sind; unter den Enden der Brückenkonstruktion sind, da ja unterstellte Rollen oder Räder fehlen, starke hölzerne Mauerbänke m1 und m2 vorhanden, auf welche sich die Brückenträger stützen können, damit bei der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge ein allzu starkes Schwanken der Brücke verhütet werde. Zwischen Konstruktion und Mauerbank ist übrigens, um die nach erfolgter Auffahrt des Fahrzeuges etwa eintretende Einbiegung des Brückenarmes auszugleichen und das Festsitzen oder Aufschleifen der Brücke während des Wendens hintanzuhalten, ein Spielraum von 31 mm vorgesehen, der bei einem Scheibenradius von 9,20 m erfahrungsmässig auch für die schwersten Lokomotiven vollständig ausreicht. Solche als Polster dienende Mauerbänke sind nur dort angebracht, wo vom Scheibenkranze ein Geleise abgeht. Bei der Auffahrt einer zu drehenden Lokomotive ist lediglich darauf zu sehen, dass sie jene Stellung erhält, bei welcher ihr Schwerpunkt sich nahezu über dem Mittelpunkte der Brücke befindet. In diesem Falle lässt sich das Wenden durch zwei Mann, Welche an den beiden Tummelbäumen t1 und t2, Fig. 1 und 2, anfassen, ganz leicht durchführen. Textabbildung Bd. 311, S. 127 Strobel's Lokomotiv-Drehscheibe. An den ältesten Strobel'schen Lokomotivdrehscheiben betrug die Seitenlänge des stützenden Quadrates bloss 375 mm und die spätere Erweiterung auf 609 mm war lediglich durch die Gewichtszunahme bedingt, welche bei den jüngeren Lokomotiven Platz gegriffen hat. Wie sehr letzteres in den zwei verflossenen Decennien der Fall gewesen ist, erhellt beispielsweise aus der gewiss bemerkenswerten Thatsache, dass die Lokomotivdrehscheiben, welche auf der Cincinnati-Southern-Railway in den Jahren 1874 und 1879 erbaut worden sind, für Zugsmaschinen berechnet waren, die samt ihrem vollbelasteten Tender im ganzen 66 t wogen, was, auf die Länge verteilt, beiläufig 3,5 t für den laufenden Meter ausmachte. Heutzutage beträgt diese Belastung nahezu 8 t für den laufenden Meter; dieselbe hat sich demnach im Verlaufe von 20 Jahren mehr als verdoppelt. Aber nicht nur schwerer, auch länger sind die Lokomotiven geworden, weshalb die bisher für Zugsmaschinen von gewöhnlichem Gewichte und normalen Verhältnissen in Amerika im allgemeinen als zureichend erachtete DrehscheibenweiteIn Deutschland wird nach den „Vereinbarungen über die Bau- und Betriebseinrichtungen der Haupteisenbahnen des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen“, § 45, 12 m Minimaldurchmesser verlangt. von 18,28 m, wie sie Fig. 1 und 2 zeigt, nicht mehr für alle Fälle genügt. So hat z.B. die Lokomotive Mastaton der Great-Northern-Railway, welche 154 t wiegt, eine Länge von 19,45 m. Für einzelne Bahnen stellt sich also neuestens die Notwendigkeit heraus Drehscheiben einzurichten, welche einen Durchmesser von fast 20 m besitzen, übrigens nicht allein der Zugsmaschinen halber, sondern auch wegen den Personenwagen von ganz ausserordentlicher Länge, die hier mitunter umgewendet werden sollen. Textabbildung Bd. 311, S. 127 Strobel's Lokomotiv-Drehscheibe. Auch für solche Anlagen grössten Durchmessers lässt sich Strobel's Anordnung in gleich vorzüglicher Zweckdienlichkeit verwenden und es sind denn auch in den letzten Jahren bereits einige Drehbrücken dieses Systems von 19,76 m Länge ausgeführt worden. Bei denselben hat die Konstruktion, abgesehen von der angemessenen Verstärkung, auch insofern eine Abänderung erfahren, als die Hauptträger der Brücke mit dem Bogen nach aufwärts gestellt sind und nicht, wie in Fig. 1 und 2, auf Geleiseweite (1,524 mm) nebeneinander liegen, sondern eine Entfernung von 3,657 m aufweisen. Hingegen ist die allgemeine Anordnung des konischen Hutes, der sich auf zwölf Walzen bewegt, und des Walzenkastens ganz gleich geblieben, doch sind diese Teile im Verhältnisse wie 0,609 : 0,863 grösser geworden, weil das stützende Quadrat eine Seitenlänge von 863 mm erhalten hat. Infolge des erwähnten Umstandes, dass die Bogenträger aufstrebend angeordnet sind, beträgt die Tiefe der Drehscheibengrube in der Mitte nur 0,812 m, während sie bei der älteren Type 1,778 m (vgl. Fig. 1 und 3) misst; der gusseiserne Walzenkasten r, Fig. 3, wird daher bei der jüngsten Type nicht erst von einem cylindrischen Sockel s getragen, sondern unmittelbar auf die Quaderdecke q des Mittelpfeilers gelegt und an dieselbe verankert. In Anbetracht der Seichtheit der Grube, und indem die Enden der Hauptträger der grossen Brücken ein wenig zurückgesetzt werden, lässt sich am Mauerwerke des Drehscheibenkranzes und des Mittelpfeilers so viel ersparen, dass zwischen den Anschaffungskosten der beiden in Betracht gezogenen Typen ein verhältnismässig nur geringer Unterschied besteht.