Titel: | Die Anwendung des überhitzten Dampfes im Dampfmaschinenbetriebe. |
Autor: | O. Herre |
Fundstelle: | Band 312, Jahrgang 1899, S. 3 |
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Die Anwendung des überhitzten Dampfes im
Dampfmaschinenbetriebe.
Von O. Herre, Ingenieur
und Lehrer.
Die Anwendung des überhitzten Dampfes im
Dampfmaschinenbetriebe.
Obwohl seit Watt's Zeiten in intensivster Weise an
der Vervollkommnung der Dampfmaschine gearbeitet wird, so beträgt heute der
wirtschaftliche Wirkungsgrad doch nur 0,02 bis 0,12. Dabei sind aber fast alle
Mittel, diesen Wirkungsgrad zu verbessern, erschöpft; die Dampfmaschine steht fast
auf dem Höhepunkte der Vollendung. Als letztes Mittel, die Oekonomie des
Dampfbetriebes zu erhöhen, ist in den letzten Jahren die Anwendung überhitzten
Dampfes an Stelle des gesättigten in Aufnahme gekommen. Die bisher erzielten Erfolge
lassen erhoffen, dass noch ein bedeutender Fortschritt in dieser Richtung zu
erreichen ist.
Um nun den Einfluss richtig beurteilen zu können, den die Anwendung überhitzten
Dampfes auf die einzelnen Verlustquellen ausübt, wird es zweckmässig sein, diese
Verlustquellen, wie sie bisher bei gesättigtem Dampfe zur Geltung kamen, kurz zu
besprechen.
A. Die Energieverluste des Dampfmaschinenbetriebes bei
Verwendung gesättigten Dampfes.
Man kann den Gesamtverlust in vier Teile zerlegen. Der erste Teil betrifft die
Verluste in der Kesselanlage; der zweite Teil diejenigen, welche bei der
Umformung der Energie des Dampfes in mechanische Arbeit in einer theoretisch
vollkommenen Maschine notwendig auftreten Müssen; der dritte Teil umfasst alle
die Verluste, die durch unvollkommene Ausnutzung der Dampfenergie und dadurch
entstehen, dass nur ein Bruchteil der gesamten Dampfmenge zur Arbeitsleistung
gelangt; schliesslich wird noch der vierte Teil durch die Reibungsverluste in
der Maschine gebildet. Dieser Vierteilung entsprechend entstehen vier
Einzelwirkungsgrade: der Wirkungsgrad ηI der Kesselanlage, der Wirkungsgrad ηII des
theoretischen Kreis- oder Arbeitsprozesses, der indizierte Wirkungsgrad ηIII und der
mechanische Wirkungsgrad ηIV.
1. Der Wirkungsgrad ηI
der Kesselanlage. Dieser wird gebildet durch das
Verhältnis der zur Dampfbildung in der Kesselanlage nutzbar gemachten Wärmemenge
zum Heizwerte des Brennmaterials, d.h. zu derjenigen Wärmemenge, welche das
Brennmaterial bei vollkommener Verbrennung entwickeln könnte. Bei guten
Kesselanlagen beträgt ηI etwa 0,7 und steigt bei Vorzüglichen Anlagen bis 0,8, sinkt dagegen
bei schlechten Anlagen bis 0,6 und noch weiter herunter.
Häufig zerlegt man den Wirkungsgrad ηI der Kesselanlage noch in zwei Teile; in den
Wirkungsgrad η' der Feuerung und den Wirkungsgrad η'' der Heizfläche. Jener stellt das
Verhältnis der in der Feuerung thatsächlich entwickelten Wärmemenge zum
Heizwerte des Brennmaterials dar und beträgt 0,8 bis 0,9; dieser wird durch das
Verhältnis der zur Dampfbildung benutzten Wärme zur thatsächlich entwickelten
gebildet und liegt etwa zwischen 0,6 und 0,8.
Die in der Kesselanlage entstehenden Verluste sind folgende:
a) Verluste durch unverbrannt durch den Rost Eilendes Brennmaterial;
b) Verluste durch Rauchentwickelung;
c) Verluste durch unvollständige Verbrennung, d.h. durch Entwickelung noch
brennbarer Gase, z.B. Kohlenoxyd;
d) Verluste durch Strahlung und Leitung;
e) Verluste durch Abzug der noch nicht ganz abgekühlten Feuergase durch den
Schornstein;
f) Verluste durch die notwendige Erwärmung der ausgeschiedenen Schlacke und
Asche, sowie durch die Erwärmung überschüssiger Luft.
Die unter a bis c aufgeführten Verluste wirken auf die Grösse des Wirkungsgrades
der Feuerung ein, während die Verluste d bis f den Wirkungsgrad der Heizfläche
beeinflussen. Beschränkt werden diese Verluste durch richtige Wahl der
Grösse und der Konstruktion des Rostes, durch zweckmässige Form des Feuerraumes,
richtige Führung der Heizgase, genügende Grösse der Heizfläche, möglichste
Steigerung des Wärmedurchganges derselben mit Hilfe energischer
Wasserzirkulation und Reinhaltung der Heizfläche von Russ, Flugasche und
Kesselstein, durch eine gute Einmauerung und Verkleidung des Kessels und nicht
zuletzt durch eine sachgemässe Bedienung.
2. Der Wirkungsgrad ηII
des theoretischen Kreisprozesses. Der im Kessel
erzeugte Dampf wird in den Cylinder der Dampfmaschine eingeleitet und verrichtet
hier durch Verschiebung des Kolbens mechanische Arbeit. Die mechanische
Wärmetheorie zeigt nun, dass bei diesem Vorgange nur ein verhältnismässig
geringer Teil der Dampfwärme in Arbeit umgesetzt werden kann. Die vollständige
Ausnutzung der gesamten Dampfwärme zur Arbeitsleistung ist bei dem
Arbeitsprozess der Dampfmaschine selbst theoretisch
eine Unmöglichkeit. Man erkennt dies, wenn man bedenkt, dass der Dampf den
Cylinder noch in Dampfform verlässt, also den grössten Teil der ihm zugeführten
Wärme noch besitzt. Unter dem Wirkungsgrade ηII des theoretischen Kreisprozesses sei hier nun
das Verhältnis derjenigen Wärmemenge, welche in einer vollkommenen Maschine theoretisch in Arbeit umgesetzt werden könnte,
zu derjenigen Wärmemenge verstanden, welche dem Dampfe in einer Kesselanlage
mindestens zugeführt werden müsste. Die Grösse dieses Wirkungsgrades kann für
gegebene Verhältnisse genau berechnet werden; sie ist abhängig von der
Kesselspannung p, der Gegendruckspannung p0 und der
Temperatur des Speisewassers.
Die mechanische Arbeit L, die eine gewisse
Dampfmenge von der Spannung p durch Expansion bis
auf die Spannung p0
in einer vollkommenen Maschine verrichten könnte, ist in Fig. 1 in der schraffierten Fläche dargestellt.
ab gilt für die Arbeitsleistung bei konstanter
Spannung p während der Füllung der Maschine; bc ist die Expansionslinie. Diese ist als Adiabate,
also unter der Voraussetzung gezeichnet, dass während der Expansion dem Dampfe
weder Wärme entzogen noch zugeführt wird. Der Zusammenhang zwischen Spannung und
Volumen während dieser Zustandsänderung ist für gesättigten Dampf bestimmt durch
die Gleichung
pv1,135 = p1
v11,135 = const . .
. . 1)
Hierin bezeichnet p und v die Spannung bezw. das Volumen für den Anfangszustand, p1 und v1 für einen
beliebigen Endzustand.
Textabbildung Bd. 312, S. 3
Fig. 1.
In Fig. 1 ist noch punktiert die Linie bd eingetragen, welche die Expansion des Dampfes
unter der Voraussetzung darstellt, dass derselbe stets trocken gesättigt bleibt, dass also während der Zustandsänderung keine
Kondensation eintritt und somit das expandierende Dampfgewicht dasselbe bleibt.
Diese Linie wird Grenzkurve genannt. Spannung und
Volumen ändern sich dabei nach dem GesetzZeuner, Thermodynamik, II S.
36.
pv1,0646 = p1
v11,0646 = const .
. . . 2)
Aus Fig. 1 ist nun zu erkennen, dass bei einer
adiabatischen Expansion stets ein Teil des Dampfes kondensiert.
War anfangs trockener gesättigter Dampf vorhanden, so geht derselbe während
der Expansion in ein Gemisch von Wasser und Dampf über. Würde z.B. das Volumen
v1
= a1
b1 eine Dampfmenge
von 1 kg Gewicht einschliessen, und würde sich dieses Volumen adiabatisch bis
auf v1
= a1
c1 vergrössern, so
wäre das Gewicht der dann noch eingeschlossenen Dampfmenge nicht mehr 1 kg, sondern
x=\frac{a_1\,c_1}{a_1\,d_1}\mbox{ Kilogramm}.
Das Gewicht des niedergeschlagenen Wassers wäre natürlich
1-x=\frac{c_1\,d_1}{a_1\,d_1}\mbox{ Kilogramm}.
Dies ergibt sich nach Fig. 1 ohne weiteres, weil
a1
d1 dasjenige
Volumen ist, welches 1 kg trockener gesättigter Dampf nach der Expansion
einnehmen müsste, wenn keine Kondensation eingetreten wäre. Die Grenzkurve
gestattet daher einen klaren Einblick in die Kondensationsvorgänge; sie
ermöglicht eine leichte Bestimmung des kondensierten Dampfes. Die Menge des
letzteren wird nämlich dargestellt durch die Länge der Horizontalen zwischen der
betreffenden Zustandskurve und der Grenzkurve im Verhältnis zur Gesamtlänge der
Abszisse der letzteren.
Textabbildung Bd. 312, S. 4
Fig. 2.
Expandiert nun eine Dampfmenge von der Spannung p
und dem Volumen v adiabatisch auf die Spannung p1, und das Volumen
v1, so ist die
durch Expansion geleistete Arbeit nach Fig. 2
bestimmt durch den Inhalt der Fläche bcc1
b1. Dieser
ermittelt sich durch Integration mit Benutzung von Gleichung 1) zu:
\mbox{Fläche }b\,c\,c_1\,b_1=\frac{1}{1,135-1}\,(p\,.\,v-p_1\,v_1)=7,407\,(p\,v-p_1\,v_1).
Die Gesamtarbeit des Dampfes ist gleich der Volldruckarbeit, plus der
Expansionsarbeit, vermindert um die Gegendruckarbeit, nämlich gleich der Fläche
abcde. Somit wäre
L = p . v + 7,407 (pv – p1
v1
) – p0
v1 . . 3)
Für die Berechnung des Wirkungsgrades ηII ist nun nach Fig.
1 die grösste Arbeitsleistung, entsprechend einer Expansion bis zur
Gegendruckspannung p0 zu Grunde zu legen. Es wäre also in Gleichung 3)
zu setzen. Der Inhalt der schraffierten Fläche in Fig. 1 ist daher
L = pv + 7,407 (pv – p0
v1
) – p0
v1
L = 8,407 (pv – p0
v1
) . . . . . . . 4)
Eliminiert man hierin v1 nach Gleichung 1), so erhält man auch die Form
L=8,407\,p\,v\,\left[1-\left(\frac{p_0}{p}\right)^{0,119}\right]. . . . . 5)
Will man die Arbeit in Meterkilogramm erhalten, so hat man in den vorstehenden
Formeln v in Kubikmeter und p in Kilogramm für den Quadratmeter einzusetzen.
Die Berechnung von L nach Gleichung 5) erfordert die
Benutzung von Dampftabellen und ist auch etwas umständlich.
Bezieht man die Dampfarbeit L auf 1 kg Gewicht des
Dampfes, so kann man auch nach folgender Formel rechnenMollier, Zeitschr.
d. Vereins deutsch. Ingenieure, 1898 S. 686.:
L=\frac{log\,p-log\,p_0}{6,87-0,9\,log\,p_0}\,\frac{636,8}{A} . . . . 6)
Hierin ist A das Wärmeäquivalent der Arbeitseinheit
=\frac{1}{428}. Die Spannungen p und p0 sind in
Kilogramm für den Quadratcentimeter einzusetzen. Die Anzahl der in Arbeit
umsetzbaren Wärmeeinheiten wäre daher:
A\,.\,L=\frac{log\,p-log\,p_0}{6,87-0,9\,log\,p_0}\,636,8 . . . . .7)
Um AL zu berechnen, muss p0 angenommen werden. Für
Auspuffmaschinen kann theoretisch p0
= 1 kg für den Quadratcentimeter gesetzt werden;
dann wird Gleichung 7):
AL = 92,7 logp . . . . . . 8)
Nach dieser Gleichung sind die Werte von AL in
Tabelle I für Dampfspannungen p von 3 bis 15 kg
berechnet.
Bei Kondensationsmaschinen wäre für p0 der Kondensatordruck zu wählen. Nun übt aber
die Grösse von p0
einen bedeutenden Einfluss auf den Wert AL aus.
Nimmt man als kleinsten Wert von p0 einen Kondensatordruck von 0,1 kg an, was etwa
der praktisch erreichbaren Grenze entsprechen würde, so geht Gleichung 7) über
in:
AL = 82 log (10p) . . . . . 9)
Hiernach sind die Werte AL in Tabelle II berechnet.
Die Werte Q in den Tabellen I und II ergeben die
Anzahl der Wärmeeinheiten, die 1 kg Wasser in der Kesselanlage zugeführt werden
mussten, um Dampf von p kg Spannung zu erzeugen. Da
AL die Anzahl der in mechanische Arbeit
umsetzbaren Wärmeeinheiten für 1 kg Dampf ist, so ergibt sich
\eta_{\mbox{II}}=\frac{A\,L}{Q}. . . . . . 10)
Auf die Bestimmung von Q ist die Temperatur t0 des
Speisewassers von Einfluss. Ist t0 = 0°, so wäre für gesättigten Dampf die
Erzeugungswärme:
λ = q + ϱ + A . p . u . . . . .
11)
Tabelle I.
Auspuffmaschinen; Gegendruck p0
= 1 kg f. d. qcm.
p
AL
Q
η
II
D
W
3
44,2
547,4
0,081
14,27
7788
4
55,8
550,5
0,101
11,31
6246
5
64,8
553,0
0,117
9,74
5392
6
72,1
555,1
0,130
8,75
4853
7
78,3
556,9
0,141
8,06
4474
8
83,7
558,2
0,150
7,54
4206
9
88,5
560,1
0,158
7,13
3993
10
92,7
561,5
0,165
6,81
3823
11
96,5
562,7
0,172
6,54
3668
12
100,0
563,9
0,178
6,31
3544
13
103,3
565,0
0,183
6,11
3447
14
106,2
566,1
0,188
5,94
3356
15
109,0
567,1
0,192
5,79
3286
Tabelle II.
Kondensationsmaschinen; Gegendruck p0
= 0,1 kg f. d. qcm.
p
AL
Q
η
II
D
W
3
121,1
601,4
0,201
5,21
3138
4
131,3
604,5
0,217
4,80
2907
5
139,2
607,0
0,229
4,53
2754
6
145,7
609,1
0,239
4,33
2639
7
151,3
610,9
0,248
4,17
2544
8
156,0
612,6
0,255
4,04
2474
9
160,2
614,1
0,261
3,94
2417
10
163,9
615,5
0,266
3,85
2372
11
167,3
616,7
0,271
3,77
2328
12
170,4
617,9
0,276
3,70
2285
13
173,2
619,0
0,280
3,64
2253
14
175,9
620,1
0,284
3,59
2221
15
178,3
621,1
0,287
3,54
2198
Ist nun die Temperatur des Speisewassers nicht gleich Null, sondern grösser,
so ist die Erzeugungswärme des Dampfes kleiner als der nach Gleichung 11)
bestimmte Wert. Die Speisewassertemperatur ist nun aber ausserordentlich
verschieden. Da für eine eindeutige Bestimmung von ηII aber eine bestimmte Temperatur t0 gewählt werden
muss, so sei für unsere vollkommen gedachte Maschine t0 gleich der
Temperatur des ausgenutzten Dampfes, also entsprechend der Spannung p0 angenommen. Es
ist zwar praktisch nicht ganz zu erreichen, dass das Speisewasser so hoch durch Abdampf vorgewärmt wird. Unsere Annahme setzt
voraus, dass der Abdampf ohne Temperaturverlust
etwa in einem Oberflächenkondensator zu Wasser verdichtet und dieses in den
Kessel gedrückt würde. Das Wasser würde hiernach einen vollständigen
Kreisprozess durchmachen, allerdings bei gleichzeitigem Wechsel des
Aggregatzustandes. Da nun aber ηII den Wirkungsgrad dieses theoretischen
Kreisprozesses bedeutet, also den grössten Wert für
das Verhältnis der nutzbar zu machenden Wärme zur aufgewendeten Wärme darstellen
soll, so ist die hier gemachte Annahme vollkommen berechtigt und sinngemäss. Die
Werte für Q in Tabelle I sind daher unter Annahme
einer Speisewassertemperatur t0
= 99,09°, entsprechend der Temperatur des Dampfes
von 1 kg Spannung, bestimmt. Da hierfür die Flüssigkeitswärme 99,6 Kalorien
beträgt, so sind die Tabellenwerte Q um 99,6
Kalorien kleiner als die Werte λ aus Gleichung 11).
Die Werte Q in Tabelle II sind entsprechend der
Spannung p0 = 0,1
kg um 45,6 Kalorien kleiner.
Ein wichtiges Ergebnis erhält man, wenn man den Einfluss der Dampfspannungen p und p0 auf den Wert ηII untersucht.
Zunächst erkennt man deutlich den Einfluss von p0 in dem Unterschiede der Werte ηII in Tabelle I
und II. Die Anwendung der Kondensation des Abdampfes wirkt ausserordentlich
günstig auf ηII
ein. Bezogen auf die gleiche Anfangsspannung p sind
die Werte ηII für
Kondensationsmaschinen etwa 1½- bis 2mal so gross als für Auspuffmaschinen.
Allerdings darf nicht übersehen werden, dass eine Kondensationsmaschine teurer
ist, und dass die Beschaffung des Kühlwassers oft Kosten verursachen kann,
welche den Vorteil der Kondensation überwiegen.
Der Einfluss von p auf die Gestaltung von ηII zeigt sich in
beiden Tabellen deutlich darin, dass? ηII um so grösser ist, je grösser p. Hohe Dampfspannungen sind für die
Wirtschaftlichkeit des Dampfbetriebes daher günstiger als niedrige. Während die
nutzbar zu machende Wärmemenge AL mit p ausserordentlich schnell wächst, bleibt die
Erzeugungswärme Q fast dieselbe. Um Dampf von hoher
Spannung zu erzeugen, ist nur eine verschwindend kleine Wärmemenge mehr aufzuwenden als zur Erzeugung niedrig
gespannten Dampfes. Die bedeutenden Fortschritte in der Oekonomie des
Dampfmaschinenbetriebes während der letzten Jahrzehnte sind daher zum grossen
Teile darauf zurückzuführen, dass man zur Anwendung immer höherer Spannungen
überging. Doch ist ein wesentlicher weiterer Fortschritt in dieser Richtung
nicht mehr zu erwarten. Die beiden Tabellen lassen nämlich erkennen, dass der
Arbeitsgewinn bei hohen Spannungen immer langsamer zunimmt. Erhöht man z.B. bei
einer Kondensationsmaschine die Spannung p von 4 kg
auf 8 kg, also um 4 kg, so steigt ηII von 0,217 auf 0,255, also um 0,038, oder um
15 %. Würde man dagegen die Spannung von 11 kg auf 15 kg, also ebenfalls um 4 kg
erhöhen, so würde ηII von 0,271 auf 0,287, also nur um 0,016, oder um 5,5 % steigen. Je
grösser daher p ist, um so geringer fällt die
Erhöhung des Wirkungsgrades aus, die sich durch Steigerung von p erreichen liesse. Nun ist aber nicht zu
vergessen, dass die Verwendung sehr hoher Spannungen viel kostspieligere Kessel
und Maschinen erfordert, und dass noch weitere Nachteile damit verknüpft sind.
Es ist daher wohl anzunehmen, dass sich durch Verwendung noch höherer
Spannungen, als die heute benutzten, keine wesentlich besseren wirtschaftlichen Ergebnisse erzielen lassen
werden.
In den Tabellen I und II sind noch unter D die
Anzahl der Kilogramme Dampf angegeben, die eine vollkommene Maschine ohne Verluste mindestens für 1 in
einer Stunde nötig hätte. Der Dampfverbrauch D
berechnet sich nach der Beziehung
D=\frac{75\,.\,60\,.\,60\,.\,A}{A\,.\,L} . . . . . . 12)
Da aber die Erzeugungswärme des Dampfes mit p
verschieden ist, wenn allerdings auch nur wenig, so ist in der letzten Spalte
unter W noch die Anzahl der Wärmeeinheiten
angegeben, die in den einzelnen Fällen zur Erzeugung von 1 in der
Stunde nach dem theoretischen Prozess mindestens verbraucht werden müssen. Es
ist
W=D\,.\,Q=\frac{75\,.\,60\,.\,60\,.\,A}{\eta_{\mbox{II}}} . . . . . . 13)
3. Der indizierte Wirkungsgrad ηIII. Ermittelt man nun den thatsächlichen
Dampfverbrauch einer Dampfmaschine, so wird man stets finden, dass derselbe
erheblich höher ist, als der in Tabelle I und II angegebene. Die Energie
Verluste, die diesem Mehrverbrauch entsprechen, haben sehr verschiedene
Ursachen. Es sind folgende Verluste zu unterscheiden:
a) Verluste durch Abkühlung des Dampfes;
b) Verluste durch Drosselung des Dampfes;
c) Verluste durch Undichtigkeiten;
d) Verluste durch Abweichungen des thatsächlichen Arbeitsvorganges von dem
theoretischen Kreisprozess einer vollkommen gedachten Maschine.
Die Abkühlungsverluste sind die bedeutendsten; sie entstehen durch Kondensation
des Dampfes in der Rohrleitung und in der Maschine. Da gesättigter Dampf an der
Grenze zwischen dem tropfbar-flüssigen und dem gasförmigen Zustande steht, so
genügt die geringste Wärmeentziehung, um eine Kondensation zu veranlassen. Die
erste Gelegenheit zur Kondensation findet der Dampf beim Passieren der
Rohrleitung.
Man schützt sich gegen diesen Verlust, indem man die Rohrleitung mit schlechten
Wärmeleitern umhüllt, also den Wärmedurchgang erschwert, und indem man den
Rohrdurchmesser so klein wählt, wie es die zulässige grösste
Dampfgeschwindigkeit gerade noch gestattet, um die Abkühlungsfläche möglichst zu
verringern.
In der Maschine treten die Abkühlungsverluste besonders während der Füllung und
am Anfange der Expansion auf. Die Cylinderwandungen nehmen beim
Beharrungszustande des Betriebes eine Temperatur an, die zwischen der Temperatur
des Einlassdampfes und derjenigen des Auslassdampfes liegt. Der frisch
eintretende Dampf findet daher im Cylinder Flächen von geringerer Temperatur
vor; es muss somit ein Teil des Dampfes kondensieren und sich als Wasserbläschen
an den Cylinderwandungen ansetzen. Diese Kondensation wird so lange andauern,
bis infolge der Expansion der Dampfdruck soweit abgenommen hat, dass die
Dampftemperatur gleich der Cylinderwandtemperatur geworden ist. Tritt jetzt
durch die Expansion noch eine weitere erhebliche Druckverminderung ein, so muss
das vorher kondensierte Wasser wieder verdampfen. Dieses durch Druckentlastung
im Cylinder auftretende Verdampfen des Kondenswassers nennt man das Nachdampfen. Dasselbe findet am Ende der Expansion,
zum grössten Teile aber während der Dampfausströmung statt, weil sich dann die
Dampfspannung bis auf den Gegendruck p0 ausgeglichen hat und demnach die
Dampftemperatur weit unter die mittlere Cylinderwandtemperatur gesunken ist.
Soweit das Nachdampfen während der Expansion auftritt, wirkt es allerdings
günstig, denn der Triebdruck wird erhöht. Dieser Vorteil ist jedoch ganz gering
und verschwindet ganz gegen den Nachteil, den das Nachdampfen besitzt, indem es
während der Ausströmung erfolgt und dadurch den Gegendruck vermehrt.
Die beim Eintritt des Kesseldampfes im Cylinder auftretende Kondensation, welche
auch Eintrittskondensation genannt wird, ist daher
aus zwei Ursachen schädlich. Erstens geht durch die Kondensation ein Teil des
Dampfes für die Arbeitsleistung verloren, zweitens wird durch das Nachdampfen
des kondensierten Wassers die Arbeitsleistung des übrigen Dampfes
vermindert.
Um die Verluste durch die Eintrittskondensation möglichst zu vermindern, wendet
man hauptsächlich zwei Mittel an: den Dampfmantel und die Verbundwirkung.
Die durch Drosselung veranlassten Verluste bestehen aus dem Spannungsverlust in
der Leitung und demjenigen in der Steuerung. Ersterer ist um so bedeutender, je
länger die Leitung und je kleiner ihr Querschnitt ist. Der Druckverlust in der
Steuerung ist abhängig von der Funktion derselben; er ist um so grösser, je
enger die Kanäle und je langsamer die Abschlussbewegung ist.
Die Lässigkeitsverluste, welche durch die Undichtigkeiten der Planschen
Verbindungen, der Steuerorgane, des Kolbens und der Stopfbüchsen entstehen, sind
bei exakt ausgeführten Maschinen im Verhältnis zu den Abkühlungs- und
Drosselungsverlusten nur sehr unbedeutend, können jedoch bei fehlerhafter
Herstellung oder mangelhafter Instandhaltung der Maschine auch erheblich
werden.
Schliesslich kommen noch diejenigen Verluste in Betracht, die durch
Unvollkommenheiten des Arbeitsprozesses entstehen. Die Expansion wird gewöhnlich
nicht bis zur Gegendruckspannung getrieben. Ferner übt der schädliche Raum einen
nachteiligen Einfluss auf den Arbeitsprozess aus, der nur gehoben werden könnte,
wenn die Kompression bis zur Einlassspannung reichte, was gewöhnlich nicht der
Fall ist. Endlich wird auch die Wärme des Auslassdampfes niemals so ausgenutzt,
dass die Speisewassertemperatur diejenige Höhe erreichte, die bei der Definition
des theoretischen Kreisprozesses vorausgesetzt wurde.
Die Gesamtheit der angeführten Dampfverluste erklärt es, dass der thatsächliche
Dampfverbrauch wesentlich grösser sein muss, als der in Tabelle I und II
angegebene, nach dem theoretischen Kreisprozess berechnete. Bezeichnet man nun
den thatsächlichen stündlichen Wärmeaufwand für 1 i mit Wi, so wird der indizierte Wirkungsgrad ηII gebildet
durch das Verhältnis
\eta_{\mbox{III}}=\frac{W}{W_i}: . . . . . . . 14)
Die Grösse W stellt dabei die sich aus dem
theoretischen Kreisprozess ergebende Anzahl von Wärmeeinheiten für 1 i und Stunde dar. Der Wert ηIII ist sehr
verschieden und schwankt je nach der Güte der Ausführung, der besonderen
Maschinentype und örtlichen Verhältnissen zwischen den Grenzen 0,3 und 0,8.
4. Der mechanische Wirkungsgrad ηIV. Das Verhältnis der effektiven zur
indizierten Leistung ist der mechanische Wirkungsgrad ηIV. Er liegt in normalen Fällen
zwischen 0,7 und 0,9. Bei Auspuffmaschinen ist ηIV in der Regel etwas grösser als bei
Kondensationsmaschinen, weil bei letzteren noch die Luftpumpenarbeit hinzukommt;
ebenso ist ηIV bei
Eincylindermaschinen grösser als bei Mehrfach-Expansionsmaschinen. Schliesslich
äussert sich noch der Einfluss der Maschinengrösse dahin, dass der mechanische
Wirkungsgrad bei kleineren Maschinen im allgemeinen kleiner ausfällt als bei
grösseren.
Der wirtschaftliche Wirkungsgrad η ergibt sich nun
als das Produkt der vier besprochenen Einzelwirkungsgrade; es ist also
η = ηI . ηII .
ηIII . ηIV . . . . .
15)
Die Ermittelung der Einzel Wirkungsgrade kann ohne Schwierigkeiten erfolgen, wenn
durch einen Leistungsversuch die notwendigen Daten bestimmt worden sind.
Nachdem durch die vorstehende Erörterung der Einfluss der verschiedenen
Verlustquellen auf die Gestaltung des Gesamtwirkungsgrades klargelegt worden
ist, wenden wir uns zur Behandlung der Vorteile, die durch die Anwendung
überhitzten Dampfes erreicht werden können.
(Fortsetzung folgt.)