Titel: | Neuere elektrische Lokomotiven für verschiedene Beförderungszwecke. |
Fundstelle: | Band 312, Jahrgang 1899, S. 10 |
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Neuere elektrische Lokomotiven für verschiedene
Beförderungszwecke.
Neuere elektrische Lokomotiven für verschiedene
Beförderungszwecke.
Textabbildung Bd. 312, S. 10
Fig. 1. Trolley-Lokomotive.
Ueber eine Grubenlokomotive der Union Electrical Company
macht Ingenieur Eveno in Revue
universelle, 1898 S. 273 (nach Scientific
American) Mitteilungen, aus welchen zuvörderst hervorgeht, dass diese
Trolley-Lokomotive, deren Aeusseres Fig. 1
ersichtlich macht, sich für die verschiedensten Spurweiten, wie sie in Bergwerken
vorzukommen pflegen, verwenden lässt, weil die Räder auf ihren Achsen von 400 bis
650 mm gegenseitige Entfernung beliebig auseinandergerückt und eingestellt werden
können. Lagergestelle und Körper der Lokomotive bestehen aus einem einzigen
Eisenblechkasten, der an seinen beiden Längsseiten je zwei Verschlussthüren hat und
im Inneren mit den entsprechenden Querträgern und Rippen versehen ist. Jede der
beiden Radachsen, auf welchen der Lokomotivkasten mittels Blattfedern ruht, dient
als Triebachse und erhält von einem eigenen Motor den Antrieb durch
Zahnradübertragung. Die beiden Motoren hängen federnd, ähnlich wie bei
Trambahnmotorwagen, einerseits am Lokomotivgestelle, andererseits an den Radachsen.
Der als Führerraum eingerichtete Vorderteil ist trotz der Enge leicht zugängig und
bietet dem Lokomotivführer einen Sitz, auf dem er mit seiner linken Hand die Kurbel
einer sehr kräftig wirkenden Handbremse und mit der rechten den Kontrollerhebel oder
im Bedarfsfalle auch die Kurbel eines Sandstreuers bequem und sicher handhaben kann,
während sich vor ihm an der niedrigen Lehne das Zeigerblatt eines Tachometers
befindet, auf dem er sowohl beim Vorwärts- wie beim Rückwärtsfahren jederzeit
ersieht, welche Geschwindigkeit die Lokomotive besitzt. Das hierzu erforderliche
Licht spendet eine an der Stirnwand im Rücken des Maschinenführers vorhandene
elektrische Lampe, welche auch die nach vorne liegende Geleisstrecke reichlich
beleuchtet. Sämtliche an der Lokomotive zur Stromleitung dienenden Verbindungsdrähte
sind zu ihrem Schütze in metallene, am Kasten festgeschraubte Röhren eingeschlossen.
Beiläufig in der Längsmitte des Fahrzeuges befindet sich der bügelförmige, breite,
als drehbare dünne Walze angeordnete Stromabnehmer, der nur einmal vorhanden und
unmittelbar in der Mittelachse der Lokomotive angebracht ist, wenn die Schienen des
Fahrgeleises als Rückleitung dienen. Besteht hingegen eine zur Speiseleitung
parallel gespannte Rückleitung, so werden natürlich zwei solche, ganz gleich
angeordnete Stromabnehmer angewendet, die entsprechend weit voneinander gerückt
ihren Platz rechts und links auf der Lokomotive erhalten, an der die betreffenden
Teile und Anschlüsse bereits für beide Möglichkeiten vorbereitet sind. Genau
dieselbe Lokomotivform wird sowohl für leichte als für schwere Förderung geliefert,
jedoch ist nur die erstere für verstellbare Spurweiten bis zu einer
Minimalgeleisweite von 400 mm eingerichtet, und dieselbe leistet in der Regel nur 12
. Die zweite Gattung entspricht hingegen einer unveränderlichen Spurweite
von 700 mm, besitzt ein Eigengewicht von 181 und leistet 100 mit einer
Zugkraft von 2500 kg für Fahrgeschwindigkeiten von 9 bis 10,8 Std./km. An diesen
Grubenlokomotiven der Union Electrical Company, welche
sich im allgemeinen trefflich bewähren, rügt Eveno
lediglich die niedrige Lage der Stromabnehmer, beziehungsweise die Gefahr, dass der
Lokomotivführer, insbesondere beim Aufstehen, leicht mit der Speiseleitung in
Berührung geraten kann und sonach in dieser Richtung Gefährdungen ausgesetzt
erscheint.
Aus dem elektrotechnischen Bureau der Firma Emil Klemm
in Dresden stammt die in Fig. 2 veranschaulichte
Grubenlokomotive, welche mit federnden Achslagern, federnder Buffer- und
Zugvorrichtung, sowie mit einer selbstthätig wirkenden Signalglocke versehen, ferner
zu Händen des Führers links mit einer Steuerungskurbel zum Vor- und Rückwärtsfahren
und zum Regulieren der Fahrgeschwindigkeit und rechts mit einer kräftigen
Spindelbremse ausgestattet ist. Dieselbe war zuvörderst für den Betrieb mit
Akkumulatoren vorgesehen, die in einem Beiwagen mitgeführt wurden; soll die
Lokomotive aber für ober- oder unterirdische Stromzuführung eingerichtet werden oder
im gemischten Betriebe Verwendung finden, so wird sie einfach durch die
erforderlichen Stromabnehmer ergänzt. Ein letztgedachter praktischer Fall besteht
u.a. auf der Eduard-Zeche in Zielenzig. Die Aufgabe dieser Grubenbahn, deren Geleise von 425 mm
Spurweite nahezu 2 km lang sind, liegt in der Bewältigung des Transportes der mit
Kohlen beladenen Hunte aus den einzelnen Stollen des Abbaues zum Förderschacht. Der
in einem eisernen Gehäuse vollständig wasser- und staubdicht abgeschlossene, auf der
einen Laufachse aufgehängte Motor leistet annäherungsweise 6 und wirkt auf
die Laufräder durch Zahnradübertragung. Jeder einzelne Zug besteht in der Regel aus
10 Hunten von 200 kg Eigengewicht und 350 kg Ladegewicht, und da die Lokomotive
mindestens 40 Zugfahrten täglich ausführt, so bringt sie in dieser Zeit mindestens
14 t Kohle zum Förderschacht. Die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit der Züge
beträgt 8 Std./km.
Im Bereiche des Hauptstollens besteht eine oberirdische Stromzuführung mittels
zweier an der Stollendecke aufgehängter blanker Kupferdrahtleitungen, an welchen der
Strom durch zwei federnde Kontaktrollen der Lokomotive abgenommen und rückgeleitet
wird. In den Nebenstollen und Querschlägen ist keine äussere Stromzuführung
vorhanden; hier wird vielmehr die erforderliche Energie durch eine
Akkumulatorenbatterie geliefert, welche in einem Beiwagen der Lokomotive ihren Platz
hat. Das Laden der Akkumulatoren geschieht im Hauptstollen direkt mittels der
Speiseleitung während der zugfreien Zeit, ausserdem aber auch während des
Förderungsdienstes durch die Kraftüberschüsse, welche sich bei den Fahrten im
Hauptstollen ergeben.
Textabbildung Bd. 312, S. 10
Fig. 2. Grubenlokomotive von Klemm.
Textabbildung Bd. 312, S. 11
Fig. 3a. Elektrische Lokomotive der Transportbahn bei Ruhland.
Für den Betrieb der Grubenbahnen in Wharncliffe sind von
Immish gebaute Lokomotiven in Benutzung, welche in
sehr engen Stollen Dienst zu leisten haben. Letztere haben nur 1,20 m Breite und
1,35 m Höhe, weshalb die Herstellung von Stromzuleitungen ganz umgangen und die für
eine Spurweite von 530 mm bemessenen Lokomotiven lediglich für Akkumulatorenbetrieb
eingerichtet wurden. Das auf Federn ruhende eiserne Untergestelle dieser Lokomotiven
wird von zwei Radachsen getragen, welche untereinander durch eine Treibkette
gekuppelt sind. Zwischen den beiden Radachsen hängt am Traggestelle der Motor,
welcher mittels eines Getriebes und einer stählernen Gliederkette die eine der
Radachsen, vermöge der vorbezeichneten Achsenkuppelung also beide Radachsen
antreibt. Der auf einem Reitstuhl sitzende Führer steuert die Fahrtrichtung durch
einen die Ummagnetisierung der Feldmagnete bewirkenden Umschalter und reguliert die
Fahrgeschwindigkeit durch Zu- oder Wegschalten von Widerstandsdrähten; ausserdem hat
er einen Sandstreuapparat und eine Handbremse zur Verfügung. Die auf dem Boden und
in Fächern des hölzernen Lokomotivkastens untergebrachten Akkumulatoren liefern eine
Stromstärke zwischen 25 und 50 Ampère und beim Anfahren eine solche von 65 Ampère.
Das Gesamtgewicht der Lokomotive beträgt annäherungsweise 2,5 t. Dieselbe vermag auf
wagrechter Bahn einen Zug von 30 Grubenhunten mit 17 t Gesamtgewicht und auf einer
Steigung von 14 ‰ einen Zug von 20 Hunten mit 11 t Gewicht langsam fortzuschaffen,
während sie einen 8,5 t schweren Zug aus 15 Hunten auf der Steigung von 14 ‰ mit
einer Geschwindigkeit von 4,48 Std/km oder einen 4,5 t schweren Zug von 8 Hunten auf
einer Steigung von 25 ‰, sowie einen solchen von 6 Hunten mit 3,5 t Gewicht auf
einer Steigung von 40 ‰ mit einer Fahrgeschwindigkeit von 3,2 Std./km zu
befördern im stande ist.
Textabbildung Bd. 312, S. 11
Fig. 3b. Transportbahn bei Ruhland.
Als besonders vorteilhaft bewährt sich gegenüber der Verwendung von Dampflokomotiven
der elektrische Betrieb auch auf den verschiedenen über Tag vorkommenden
schmalspurigen Arbeitsbahnen, weil bekanntlich für kleine Abmessungen eine
rationelle Anordnung der Dampflokomotiven um so schwieriger und fragwürdiger wird,
da dieselben stets ein verhältnismässig sehr grosses Gewicht erhalten müssen und
also auch widerstandsfähigere Geleisanlagen erfordern als elektrische Lokomotiven.
Ein einschlägiges Beispiel bietet die bei Ruhland in
Schlesien bestehende 3,5 km lange TransportbahnEine
ähnliche, von Emil Klemm eingerichtete, 900 m
lange Transportbahn befindet sich auf dem Kaolinwerke in Börtewitz bei Mügeln (Bez. Leipzig); hier
werden täglich etwa 40 cbm Material mit 9 bis 12 Std./km
Fahrgeschwindigkeit gefördert. Die Lokomotive ist insofern anders, als der
Motor sich nicht im Lokomotivkasten befindet, sondern unter dem Gestelle auf
diesem und einer Laufachse hängt und durch Zahnradübertragung den Antrieb
bewirkt., auf welcher das in einer Krystallquarzsandgrube
gewonnene Material nach der Bahnstation Schwarzbach
befördert wird. Zur Bewältigung des Betriebes auf dieser mit Geleisen von 600 mm
Spurweite versehenen Arbeitsbahn sind zwei elektrische Lokomotiven von der in den
Fig. 3a und Fig.
3b ersichtlich gemachten Anordnung in Dienst gestellt. Das Eigengewicht
jeder der beiden von Emil Klemm in Dresden gelieferten
Lokomotiven beträgt 2000 kg und ihre Leistung 8 bis 10 ; sie zieht unter
normalen Verhältnissen einen Zug von 8 Kieswagen, die ein Gesamtgewicht von 14 t
besitzen, mit einer durchschnittlichen Fahrgeschwindigkeit von 12 Std./km, wobei an
mehreren Stellen der Strecke Steigungen bis zu 30 ‰ zu überwinden sind. Den
erforderlichen Strom von 500 Volt Spannung für jede Lokomotive liefert ein
Elektrizitätswerk und die Zuführung desselben erfolgt mittels kupferner Oberleitung,
von der der Strom durch einen federnden Bügel abgenommen wird. Die Rückleitung
besorgen die beiden Schienenstränge des Fahrgeleises. Der Motor ist auf dem Boden
des Lokomotivkastens aufgehängt und treibt durch Vermittelung zweier Kettenvorgelege
gleichzeitig beide Radachsen an.
In mehrfacher Beziehung neu und interessant ist die auf der 9200 m langen und
innerhalb dieser Streckenlänge um 1411 m ansteigenden Bergbahn Zermatt-Gornergrat in Verwendung stehende
Zahnradlokomotive, Fig. 4, welche regulär einen Zug
von 2 Wagen zu befördern hat. Letztere, von welchen der eine ein geschlossener
Kastenwagen, der zweite ein offener Aussichtswagen ist, können im ganzen 110
Personen fassen und besitzen vollbesetzt ein Gewicht von 17500 kg, während die
Lokomotive beiläufig 10500 kg wiegt, so dass sich mithin das Gesamtgewicht des Zuges
auf 28 t beläuft. Nicht weniger als 4563 m, d. i. mehr als die Hälfte der Bahn,
haben die Maximalsteigung von 200 ‰ und das Ende der Linie, die Station Gornergrat, liegt 3018,56 m über Seehöhe. Als
Betriebsstrom dient Dreiphasenstrom, welcher der Lokomotive durch eine doppelte
Oberleitung zugeführt wird; die beiden parallel laufenden Zuführungsdrähte ll und l1
l1, die sich in Fig. 4 natürlich nur als einfache Linie darstellen,
sind aus Bronze, 8 mm stark und 40 mm voneinander entfernt. Als Rückleitung dienen
die beiden Schienenstränge des Fahrgeleises, die an den Schienenstössen durch
angenietete Kupferdrahtstücke leitend überbrückt sind. Die Lokomotive, welche bei
der Bergfahrt das Ende, bei der Thalfahrt die Spitze des Zuges bildet, ist mit zwei
sechspoligen Motoren m1
und m2 versehen, von
denen jeder bei 800 Umdrehungen in der Minute und 540 Volt Spannung max. 90
leisten kann. Diese beiden Motoren sind voneinander vollständig unabhängig und jeder
von ihnen treibt durch Vermittelung eines Zahnradvorgeleges v1 bezw. v2 ein Zahnrad z1 bezw. z2 derart an, dass die Rotationsgeschwindigkeit der
betreffenden Motorwelle im Verhältnisse wie 12 : 1 auf das zugehörige Zahnrad z1 bezw. z2 übertragen wird. In
der Mitte zwischen den beiden Schienensträngen des Fahrgeleises ss liegt die nach Abt'schem System angeordnete Zahnstange rr, in
welche die beiden Zahnräder z1 und z2
eingreifen. Die hierbei von den letzteren geleistete Arbeit erfolgt, obwohl in
gegenseitiger Unabhängigkeit, gleichsinnig und addiert sich. Das ganze
Lokomotivgestelle ruht in federnden Lagern auf zwei Laufachsen r1 und r2, die mit den zwei
Triebachsen, auf welchen die Zahnräder z1 und z2 sitzen, natürlich in keinerlei Zusammenhang
stehen; die Spielweite der Lagerfedern ist derart begrenzt, dass die senkrechten
Schwankungen des Lokomotivkörpers nie so gross werden können, um die Zahnräder z1 oder z2 etwa ausser Eingriff
mit der Zahnstange zu bringen. Sowohl für die Thal- als für die Bergfahrt gelten
sämtlichen Zügen 7 Std./km als normale Fahrgeschwindigkeit und es ergibt sich hinsichtlich der bei
den Bergfahrten aufzuwendenden Zugkraft das Meisterfordernis von ungefähr 6000 kg.
Ueber jedem der beiden Lokomotivmotoren befindet sich ein Kasten mit den zugehörigen
Schaltwiderständen, deren Endanschlüsse zu einem am Führerstande angebrachten
Schaltbrette geführt sind, wo sich alle sonst erforderlichen Mess- und
Kontrollinstrumente, Umschalte- und Bremshebel befinden. Jeder der beiden Motoren
hat für jede der beiden stromzuführenden Leitungen seinen eigenen stangenförmigen
Stromabnehmer (Trolley) t1 und t'1
bezw. t2 und. t'2, die in einer
Entfernung von 1,2 m hintereinander angebracht sind, während der seitliche Abstand
zwischen den beiden Paaren natürlich mit dem oben erwähnten Abstand der beiden
Leitungsdrähte übereinstimmt und sonach 40 mm beträgt. Rechts und links am
Führerstande F befindet sich je eine kräftige
Handbremse, mit deren Hilfe an die Zahnräder z1 und z2 rechtsseitig bezw. linksseitig Bremsbacken
angepresst werden können. Ausserdem ist eine elektrische Notbremse vorhanden, welche
durch den Anker eines Solenoides derart beeinflusst wird, dass sie unwirksam bleibt,
solange die Solenoidspule stromdurchflossen ist, hingegen sofort selbstthätig
wirksam wird, sobald dieser Strom eine Unterbrechung erleidet oder die
Geschwindigkeit des Zuges das äusserste statthafte Mass von 7,25 Std./km
überschreitet. Diese Bremse kann auch von jedem der beiden Wagen des Zuges aus durch
den Zugführer in Thätigkeit versetzt werden. Der an die Lokomotive anschliessende
gedeckte Personenwagen w, von dem in Fig. 4 der rückwärtige Teil noch angedeutet erscheint,
kann 60 Personen fassen und ruht mit dem vorderen, in der Zeichnung nicht mehr
ersichtlichen Ende auf einem zweiachsigen Radgestelle, wogegen er mit dem
rückwärtigen, räderlosen Ende unmittelbar von der Lokomotive getragen wird. Diese
Anordnung hat den Zweck, gleichsam das Gewicht des Zuges zu verringern und dafür das
Adhäsionsgewicht der Lokomotive zu vermehren. Bei den Tunnelfahrten, sowie bei Nebel
oder Dunkelheit ist der ganze Zug elektrisch beleuchtet und zwar jedes der Fahrzeuge
mit je drei hintereinander geschalteten Glühlampen (vergl. Génie civil, 1898 S. 193).
Textabbildung Bd. 312, S. 12
Fig. 4. Zahnradlokomotive der Zermatt-Gornergrat-Bergbahn.
Für die elektrisch betriebene, nach dem Muster der City and
South London Railway ausgeführte Central London
Underground Railway wurden die fürs erste erforderlichen 32
Lokomotiven bei der General Electric Company zu
Schenectady in den Vereinigten Staaten bestellt, weil die heimischen Werke zu sehr
beschäftigt waren, um den Auftrag unter Gewährleistung der rechtzeitigen Lieferung
übernehmen zu können. Die unterirdische Zentral-London-Bahn, welche zwischen dem
Börsengebäude und der Bank von England beginnt und nach dem äussersten Westen der
Stadt führt, besitzt eine Länge von 10,5 km und besteht bekanntlich aus zwei
Röhrentunnels, von denen jeder nur ein Geleise enthält. Die Lokomotiven dieser
Untergrundstrecke sind wesentlich kräftiger gewählt als die Lokomotiven der City and South London Railway (vergl. D. p. J. 1891 * 280 37),
denn sie haben die Aufgabe, im regulären Dienst Züge, welche aus 7 Wagen mit 336
Sitzplätzen bestehen, mit einer Fahrgeschwindigkeit von 35 Std./km zu
befördern und dabei eine Zugkraft von 3500 kg zu entwickeln; ihrer Anordnung nach
gleichen sie ganz der vielbesprochenen Lokomotive der Baltimore- und Ohio-Bahn (vergl. D. p. J.
1896 * 299 121, 302 37, und
1897 305 16), nur mit dem Unterschiede, dass sie bloss 48
t Gewicht und eine bedeutend geringere Leistungsfähigkeit besitzen als ihr Vorbild.
Diese Bauart, bei der bekanntlich der Führerstand sich in der Mitte des vorne und
rückwärts ganz symmetrisch ausgeführten Fahrzeuges befindet, wurde vorwiegend
deshalb gewählt, weil sie das Umdrehen der Lokomotive erspart. Letztere ruht auf
zwei Drehgestellen mit je zwei Radachsen, welche jede für sich durch einen eigenen,
direkt auf der Achse sitzenden Motor angetrieben wird; die sonstigen
Hauptabmessungen sind: Länge des Unterbaues 8,08 m, Länge von Buffer zu Buffer 9,07
m, Radstand jedes Drehgestelles 1,75 m, Abstand der beiden Drehgestellmittel 4,50 m,
Durchmesser der acht Treibräder 1,06 m.
Textabbildung Bd. 312, S. 12
Lokomotive der Vereinigten Elektrizitäts-Aktiengesellschaft, Wien.
Im März verflossenen Jahres wurden auf dem Rangierbahnhofe der sächsischen
Staatsbahnstation Königstein a. d. E. vor einer aus
mehreren höheren Eisenbahnbeamten bestehenden Kommission höchst befriedigende
ProbeverschiebungenBei diesen Versuchen
wurden 16 einzelne Verschiebungen vorgenommen. Die Fahrgeschwindigkeit kam
dabei ungefähr starken Pferdeschritten und bei den Leerfahrten kurzem
Pferdetrab gleich. Verglichen mit den mittels Pferden ausgeführten
Rangierungen stellte sich das mit der elektrischen Lokomotive
zweckdienlicher und unter der Voraussetzung, dass elektrischer Strom zum
Laden der Akkumulatoren zur Verfügung steht, auch billiger.
mittels einer Akkumulatorenlokomotive vorgenommen, welche bereits seit 1897 auf den
Nebengeleisen eines direkt an den Güterbahnhof der benannten Station stossenden
Sägewerkes den Zu- und Abstreifungsdienst mit bestem Erfolge versieht. Diese
normalspurige Lokomotive dient nämlich dazu, angekommene Güterwagen vom Bahnhofe
abzuholen und ihrer Bestimmung gemäss in die verschiedenen Geleise zu verführen,
sowie die entleerten oder frisch beladenen Wagen des Werkes wieder nach dem
Güterbahnhof zurückzubeordern. In dem geschlossenen, auf federnden Lagern ruhenden
Lokomotivkörper mit bequem angeordnetem Führerstand befinden sich die aus 40 Zellen bestehende Batterie
und der Motor. Eine kräftige Handbremse und der Hebel einer Sandstreuvorrichtung
liegen dem Führer unmittelbar zur Hand, gleichwie ein elektrischer Regulator für die
Vor- und Rückwärtsfahrt. Den Anforderungen des Sägewerkes entsprechend ist die
Lokomotive für eine normale Nutzförderlast von 2600 kg bei 7,2 Std./km
Fahrgeschwindigkeit in der Horizontalen gebaut, jedoch im stande, äussersten Falles
unter denselben Verhältnissen bis 50000 kg fortzuschleppen. Die Akkumulatoren
reichen für 1 Stunde Vollbetrieb aus, was in Rücksicht auf Wartezeit und Leerfahrten
einen 2- bis 3stündigen Rangierbetrieb ermöglicht. Das Laden der Akkumulatoren
geschieht am frühen Morgen durch eine im Sägewerk vorhandene Starkstromanlage, und
befindet sich zu diesem Zwecke am Standorte der Lokomotive ein Steckkontakt mit
beweglichem Anschlusskabel. Am Vormittag erfolgt sodann das Rangieren, was einige
Stunden erfordert. Hierauf wird die Batterie nachgeladen, so dass sie für den
Nachmittag wieder gebrauchsfähig ist. Der elektrische Teil dieser Lokomotive und
einer zweiten ganz ähnlichen, welche auf einer Zweigbahn der Euskirchener Zement- und Thonwerke in Verwendung steht, ist aus dem
elektrotechnischen Bureau Emil Klemm in Dresden
hervorgegangen.
Aehnlichen Zwecken dient eine in Fig. 5 und 6 dargestellte, von der
Vereinigten Elektrizitäts-Aktiengesellschaft, Wien,
gelieferte zweiachsige Lokomotive, welche in 2 bis 3 Anhängewagen Frachten, sowie
Personen, die im Oberkasten der Lokomotive Platz finden, von der Brauerei Zipf (Oberösterreich) zum Staatsbahnhof gleichen Namens
und umgekehrt befördert. Vom Bahnhofe gegen die Brauerei ist die Strecke durchwegs
ansteigend und zwar im Maximum mit 24 ‰, weshalb bei der Thalfahrt nur beim Anfahren
elektrische Energie benötigt wird. Das Geleise besitzt eine Spurweite von 690 mm.
Nach der Zeitschrift für Elektrotechnik, 1898 S. 68,
beträgt der Radstand der Lokomotive 1,5 m, der Durchmesser der Räder 700 mm, das
Eigengewicht 9 t und die durchschnittliche Leistung 10 Std./km bei einer Anhängelast von ca. 13
t. Der 15pferdige, zweipolige Hauptstrommotor macht belastet 290 Touren in der
Minute bei einer Stromstärke von 24 Ampère und einer Betriebsspannung von 500 Volt.
Auf jeder Seite der Motorwelle sitzt ein Stirnrad aus Bronze, welches in eine
gezahnte, in Oel laufende Kurbelscheibe eingreift; von den beiden letzteren wird
sodann die Bewegung durch Pleuelstangen auf alle vier Räder übertragen. Die
Kurbelzapfen an den beiden Scheiben sind um 90° gegeneinander versetzt, wodurch
einer ungleichen Massenbeschleunigung begegnet wird. Das Magnetgehäuse des Motors
besteht aus zwei Teilen, derart, dass der obere durch Schrauben an den unteren
befestigt ist und durch eine Klappe im Fussboden des Lokomotivkastens geöffnet
werden kann, während der untere Teil zugleich einen Teil des auf Federn lagernden
Untergestelles bildet. Der aus Holz, Flach- und Winkeleisen ausgeführte
Lokomotivkasten hat eine Höhe von 2,80 m und eine Breite von 1,49 in. In den
Ausbauchungen der beiden Stirnwände sind Sandkasten und die erforderlichen
Schaltwiderstände untergebracht. Das Kasteninnere wird durch zwei mit der Lehne
aneinander stehende Querbänke in zwei Hälften geteilt; diese Bänke können an
Scharnieren umgeklappt werden, wonach es möglich ist, die Bodenklappen zu öffnen und
zum Motor zu gelangen. Beide Stirnwände der Lokomotive sind mit drehbaren Fenstern
versehen und als Führerstand eingerichtet. Die Bremsung geschieht mittels einer
Spindelbremse mit Riedel'scher Signalglocke, welche das
Läuten ermöglicht, ohne dass der Führer den Bremshebel loszulassen braucht. An
beiden Führerständen sind nebst dem Bremshebel noch je ein Sandstreuhebel und ein
Kontroller vorhanden. Letzterer ermöglicht in seiner äussersten Endstellung eine
elektrische Bremsung durch Kurzschluss des Ankers. Zur Beleuchtung der Lokomotive
dienen zwei an der Kastendecke angebrachte Glühlampen, sowie aussen an jeder
Stirnseite, knapp über dem Buffer, eine Signallaterne mit je drei Glühlampen. Die
Stromzuleitung erfolgt oberirdisch nach dem Trolley-System, jedoch befindet sich
der Stromabnehmer nicht auf dem Dache der Lokomotive, sondern an deren Seite
auf einer Konsole. Diese Anordnung wurde notwendig, weil die an sich 2,8 m hohe
Lokomotive auf ihren Fahrten mehrere Thore passieren muss, welche nur 3 m hoch
sind.
Gleichfalls in diese Kategorie gehörte, was die Bestimmung anbelangt, eine etwas
stärkere elektrische Lokomotive, die seitens der Paris-Lyon-Mittelmeer-Eisenbahn in der Station St. Etienne in Benutzung
stand, um die beladenen Wagen des nahen Kohlenwerkes Montrambert von der Laderampe
des Schachtes abzuholen und die leeren Wagen wieder dahin zuzuführen. Das
betreffende normalspurige Geleise hatte eine Länge von 2 km und führte durch einen
150 m langen Tunnel, der infolge von Rutschungen, die im Jahre 1893 eingetreten
waren, unterpölzt werden musste und hierdurch so viel von seinem ursprünglichen
Profil einbüsste, dass ihn die gewöhnlichen Rangierdampflokomotiven, mit denen bis
dahin die Zu- und Abstreifung der Kohlenwagen besorgt worden war, nicht mehr
passieren konnten. Das gab den Anlass zur Improvisation eines elektrischen
Betriebes, über welchen das 16. Bulletin de la commission
internat. du congrès de chemin de fer, Bd. IX, nachstehende Mitteilung
macht: Eine zweipolige Dynamomaschine, die durch eine 50pferdige, von einem
ausgemusterten Lokomotivkessel gespeiste Dampfmaschine angetrieben wurde, lieferte
den Betriebsstrom, nämlich Gleichstrom von 300 Volt Spannung. Als Stromzuleitung
diente ein dritter Schienenstrang aus gewöhnlichen Eisenbahnschienen von 34 kg
Gewicht per laufenden Meter, der entweder rechts oder links oder – wenn es
beiderseits an Platz fehlte – auch in der Mitte zwischen den Fahrschienen des
Geleises, die die Rückleitung bildeten, vermittelst paraffinierter Holzstützen und
Sattelhölzer 299 mm über Schienenoberkante auf den Bahnschwellen befestigt war. Von
dieser Schienenleitung empfing die Lokomotive den Strom mit Hilfe eines oder des
anderen ihrer drei als Schleifkontakte ausgeführten Stromabnehmer, welche nach
abwärts federnd rechts, links und in der Mitte des Lokomotivgestelles angebracht
waren. Im Inneren des Lokomotivkastens befand sich der mit einer Handbremse, einem
Sandstreuer und dem Kontroller versehene Führerstand und in der Mitte des
Kastenraumes der zweipolige Motor, welcher bei 720 Touren in der Minute 25 Kilowatt
leistete. Die Drehungen seiner Ankerwelle übertrugen sich durch Vermittelung eines
Zahnradvorgeleges auf eine zwischen den beiden Radachsen der Lokomotive am Gestelle
angebrachte Triebwelle, welche schliesslich mittels zweier endloser Gall'scher Ketten die beiden Radachsen antrieb. Täglich
beförderte diese durch einfache Umgestaltung eines gewöhnlichen Gepäckwagens der
Bahngesellschaft gewonnene Lokomotive, deren Gewicht 15 t betrug, 12 bis 15 Züge in
jeder Richtung, und zwar bei der Bergfahrt je 8 leere Kohlenwagen der Hauptbahntype
auf der maximalen Steigung von 15 ‰ mit einer Fahrgeschwindigkeit von 6 Std./km und auf
den übrigen Strecken mit einer Fahrgeschwindigkeit von 7 bis 8 Std./km, dagegen
auf der Thalfahrt je 8 beladene Kohlenwagen mit einer Fahrgeschwindigkeit von 8 bis
10 Std./km.
Verglichen mit dem früheren Dampflokomotivenbetrieb ergab sich für die elektrische
Anlage der Kohlenverbrauch etwas niedriger. Ausser wenigen vorübergehenden
Versagungen infolge kleiner Lokomotivgebrechen hat sich von der anfangs des Jahres
1894 stattgehabten Betriebseröffnung der Anlage bis zum Mai 1896 kein Anstand
ergeben, und selbst Schnee oder Regen und der reichliche Niederschlag von
Kohlenstaub blieben ohne störende Rückwirkungen. Diese Anlage ist nun allerdings
längst wieder ausser Dienst gestellt, weil sich infolge weiteren Abbaues der Kohlen
die Bodensenkungen fortwährend mehrten und schliesslich der weiter oben erwähnte
Tunnel völlig unfahrbar geworden war, so dass zur Verbindung der Schächte mit der
Bahnlinie eine ganz neue Zweigstrecke erbaut werden musste, welche vom Bahnhofe Bellevue ausgeht und wieder mit Dampflokomotiven
betrieben wird. Die relativ vorzüglichen Ergebnisse der bestandenen elektrischen
Einrichtung haben aber der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn
Anlass gegeben, diese Betriebsform für den Dienst ihrer Linien seither noch
weitergehend zu verwerten.
(Schluss folgt.)