Titel: | Die erste städtische Acetylenbeleuchtungs-Zentralanlage. |
Autor: | Bujard |
Fundstelle: | Band 312, Jahrgang 1899, S. 44 |
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Die erste städtische
Acetylenbeleuchtungs-Zentralanlage.
Die erste städtische
Acetylenbeleuchtungs-Zentralanlage.
Ingenieur Berdenich in Budapest, der in
Oesterreich, insbesondere in Ungarn, eine Reihe von grösseren und kleineren
Acetylenentwickelungsanlagen eingerichtet hat, beschreibt in der Zeitschrift für Calciumkarbidfabrikation und
Acetylenbeleuchtung, 1898 Nr. 6 und 7, die Einrichtung von grösseren
Zentralen für Acetylenbeleuchtung.
Textabbildung Bd. 312, S. 44
Fig. 1Acetylenentwickelungsanlage.
a Entwickler; b Kühler; c
Dreiwegehalm; c1 Hahn; d Signalwerk; e
Gasbehälter; f Laterne; g Manometer; h Druckregler; i Hauptsperrung; k
Manometertafel; l Pumpe; m Telephon; n Trockner; o Gasmesser; p Chemischer
Reiniger; q Rohrmagazin; r Karbidmagazin; s Kanalstück.
Die erste Stadt, welche das Acetylenlicht in ausgedehnterem Massstabe für
Stadtbeleuchtung einführen liess, war Veszprém, wo seit Mai 1897 drei Strassen und
drei Hauptplätze und so auch mehrere Geschäftslokale ständig mit Acetylen beleuchtet
werden und zwar mit bestem Erfolg, so dass nun diese Stadt schon demnächst auch zum
Ausbau eines für das ganze Stadtgebiet berechneten Acetylengaswerkes schreiten wird.
Inzwischen haben die ungarischen Städte Tata-Tóváros die Acetylenbeleuchtung für
Strassen und Private im ganzen Stadtgebiet definitiv eingeführt. Die beiden Städte
Tata, zu deutsch Totis, und Tóváros (das s wird als sch ausgesprochen), zu deutsch
Teichstadt, beide zusammen in Ungarn kurzweg Tata-Tóváros genannt, zählen derzeit
als angrenzende Nachbargemeinden zusammen rund 12000 Einwohner, und sind an der
Bahnstrecke Wien-Bruck-Budapest gelegen. Tata sowie auch Tóváros haben derzeit noch
autonome Gemeindeverwaltung und gehören beide zu den mittleren Gemeinden
Ungarns.
Tóváros ist eine neuere Ansiedelung, hat gerade, geregelte Strassen, mit ebenfalls in
neuerer Zeit erbauten, mit wenigen Ausnahmen niederen Parterregebäuden, dagegen ist
Totis eine ältere Stadt, mit systemlosen, sich herumschlingenden Gassen. Tóváros ist
ganz flach gelegen, wogegen schon an der Grenze von Totis das Terrain dieser
letzteren Stadt sehr unregelmässig zu werden beginnt und in bebautem Gebiet
Höhenunterschiede von 3 bis 10 m bestehen. Die Flächenausdehnung beider Gemeinden
ist eine verhältnismässig bedeutende; es beträgt die Gesamtlänge der Strassen in
Totis an 10 km, in Tóváros über 8 km.
Beide Gemeinden besassen bisher, so wie die Provinzstädte in dieser Grösse in Ungarn
heute noch überwiegend, Erdölbeleuchtung, und es kostete die Unterhaltung von 123
Erdöllaternen beiden Gemeinden zusammen 2600 fl. österr.-ungar. Währung im Jahr.
Schon seit längerer Zeit stand die Lösung der Beleuchtungsfrage auf der Tagesordnung,
zu welchem Behufe beide Gemeinden im Einvernehmen vorgingen, doch führten
diesbezügliche Unterhandlungen mit Elektrizitäts- und Gasgesellschaften zu keinen
positiven Resultaten, da die Gemeinden selbst kein Baukapital hatten, für
Konzessionsunternehmungen aber – mit Rücksicht auf die nicht unbedeutenden
Anlagekosten (das Elektrizitätswerk war mit 135000 fl. voranschlagt) und den
verhältnismässig kleinen Lichtbedarf – für den Unternehmer keine genügenden
Rentabilitätsgarantien geboten schienen.
Die 1897er grossen militärischen Herbstmanöver in Tata-Tóváros und Umgebung und der
Besuch der beiden Kaiser gaben Veranlassung zur Beschleunigung der Beleuchtungsfrage
und führten zu einer provisorischen Vereinbarung der Acetylengas-Aktiengesellschaft mit den beiden Gemeinden – welch letztere
sich übrigens in Anbetracht des noch zur Verfügung stehenden äusserst kurzen
Zeitraumes – kaum einer anderen Beleuchtungsart mehr hätten zuwenden können.
Laut des so zu stände gekommenen provisorischen Vertrags wurde der Bau eines für die
ganzen Gebiete beider Städte berechneten Acetylengaswerkes samt Rohrnetz Mitte
August 1897 in Angriff genommen, und musste die Ausführung in solcher Weise
geschehen und forciert werden, dass bis zum Eintritt der Festtage – d.h. bis 6.
September desselben Jahres – die Hauptstrassen und Hauptplätze, sowie diejenigen
Gassen, in welchen für die zu erwartenden hohen Gäste Wohnungen vorgesorgt waren,
mit Acetylen beleuchtet sein mussten.
Es war nun in der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit von dem ganzen Rohrnetz der
grössere, nahezu 8000 m betragende Teil herzustellen, mit über 100 Strassenlaternen
und nahezu 250 sonstigen Flammen.
Das Rohrnetz selbst konnte nach den Normalien für die Leuchtgasanlagen definitiv
hergestellt werden, die Acetylenentwickelungsanlage wurde aber, weil für grössere
Zentralen keine Erfahrungen vorlagen, einstweilen provisorisch eingerichtet. Hierzu
mussten wegen der Zeitkürze vorrätige Apparate benutzt werden, in Grössen, wie sie
also gerade vorhanden waren.
Die Anordnung und Einrichtung der Gaserzeugungsanlage ist aus dem nebenstehenden
Grundriss ersichtlich. Dieselbe ist in der Grenzlinie der beiden Gemeinden, jedoch
ausserhalb der bebauten Gebiete gelegen und ist in einem Umkreis von über 200 m von
sonstigen Baulichkeiten frei in der Mittellinie der Konsumgebiete.
Der Baugrund hat ein Ausmass von 1600 m, um auch für die definitive Anlage zu
genügen, für welche folgende Gebäude projektiert sind:
I. Steingebäude, in welchen separierte Räume für die
Gaserzeugungsapparate, Kühler und Reiniger, für den Stationsgasmesser und
Druckregler, sowie Trockner angelegt werden;
II. massives Wohnhaus für den Gasmeister und einen
Gehilfen;
III. Werkstätte und Magazine;
IV. Wasserturm mit Motor;
V. Gasometer;
VI. Kalkablagerungsschächte.
Die provisorische Anlage umfasst mit Rücksicht auf die zu dieser Gelegenheit zur
Verfügung gestandenen vorrätigen Apparate, in einem 8,4 m langen, 4 m breiten
Riegelwandgebäude untergebracht, zu einer Doppelanlage kombiniert:
1. 4 Gaserzeuger „Industrielle“;
2. 2 Gasometer mit je 3 cbm Gasfassungsraum;
3. 2 chemische Trockenreiniger;
4. 2 Schlangenkühler;
5. 2 Trockner.
Diese Apparate sind, wie aus dem Grundriss (Fig. 1)
ersichtlich ist, derart angeordnet, dass je zwei Entwickler und je ein Kühler,
Reiniger und Trockner und ein Gasometer zu einer selbständigen Gaserzeugungsanlage
kombiniert sind, so dass also zwei komplette Gaserzeugungseinrichtungen zur
Verfügung stehen, von welchen jede für sich selbst abwechselnd, oder auch beide
zusammen gleichzeitig betrieben werden können. Beide Erzeugergarnituren münden dann
in ein gemeinschaftliches Hauptrohr, bezw. dieses geht durch den Hauptgasmesser,
ferner ist der vor dem Ausgang vom Apparatenhaus in einem Schacht untergebrachte
Druckregler ins gemeinschaftliche Hauptrohr eingeschaltet.
Die Gaserzeuger „Industrielle“, altes Modell der Pariser Société du Gaz Acétylène, sind nach dem Prinzipe:
„Einbringen des Karbids ins Wasser“ konstruiert, und werden mit der Hand
bedient. Die Konstruktion eines solchen Gaserzeugers veranschaulicht Fig. 2.
In einer cylindrischen Kühlwanne p aus Kesselblech steht
der ebenfalls aus Eisenblech hergestellte, innen verzinkte Wasserbehälter o, der als eigentlicher Entwickler dient und mit Deckel
b versehen ist, welcher mit Gasabführhahn e und Manometerhahn d
armiert ist. Zum Einbringen des Karbids in den ⅔ mit Wasser gefüllten Entwickler
dient der im Deckel zentrisch eingesetzte Fülltrichter c, welcher zum selbstthätigen Abschluss mit dem durch Führungsstange k zu handhabenden Schwimmerventil i versehen ist.
Das durch den Fülltrichter c eingeworfene, bei
Hinabdrücken des Schwimmerventils i in den Wasserraum
gelangende Karbid zersetzt sich, und das sich entwickelnde Acetylengas steigt durch
das Wasser in den oberen wasserfreien Gasraum des Entwicklers, von wo dasselbe durch
den Hahn e abgeführt wird, wogegen der als Rückstand
sich ablagernde Kalkschlamm jeweilig durch den Entleerungshahn r mit Kapsel q abgelassen
wird.
Zwecks der Kühlung zirkuliert in der Wanne p Kühlwasser.
– n ist das Wasserstandsglas.
Dieser Gaserzeuger arbeitet für gewöhnlich mit 160 bis 200 mm Druck, welcher bei
eventuellen Störungen maximal 700 mm erreichen kann, weiter aber nicht, da das
Zersetzungswasser und endlich das Gas selbst durch den Fülltrichter c hinausgetrieben wird, letzterer dient somit auch als
Sicherheitsrohr.
Textabbildung Bd. 312, S. 45
Fig. 2. Gaserzeuger „Industrielle“ der Pariser Société du Gaz
Acétylene.
Mit dieser Konstruktion ist Berdenich zufrieden, rügt
aber als einen zu Störungen Veranlassung gebenden Nachteil die Bedienung von
Hand!
Die Hauptmasse eines solchen Erzeugers sind: Durchmesser des Entwicklers 60 cm, Höhe
desselben 1 m, wovon ⅔ auf Wasserraum, ⅓ auf Gasraum entfallen. Die maximale
Leistungsfähigkeit ist eine stündliche Gasproduktion bei normaler Bedienung und
Karbid, das 270 bis 300 l Gas liefert, von 3000 l, wobei 6 bis 8 Stunden hindurch,
entsprechende Kühlung durch die Kühlwanne p
vorausgesetzt, ohne Wechsel des Zersetzungswassers eine nachteilige
Temperaturerhöhung, d. i. über 30° C., nicht eintritt.
Leider ist die infolge der ungleichmässigen Speisung mittels Handbedienung
eintretende ungleichmässige Gaserzeugung und die dadurch bedingte ständige
Druckschwankung im Entwickler ein die Qualität des produzierten Gases stets
beeinflussender Faktor.
Von den Erzeugern geht das Gas durch Schlangenkühler, in welchen ein Teil der aus den
Entwicklern mitgerissenen Wasserdämpfe kondensiert und sonstige eventuelle
mechanische Beimengungen abgelagert werden, um dann in den in Fig. 3 abgebildeten chemischen Trockenreiniger zu
gelangen.
Textabbildung Bd. 312, S. 45
Fig. 3. Reiniger der Société du Gaz Acétylène.
Zur Absorbierung des Ammoniaks hat Berdenich anfangs in
Anlehnung an de Boismenu Eisenchlorür, zur Ausscheidung
des Schwefelwasserstoffes Eisensesquioxyd, weiter Eisen- und Kupfersulfat zur
Entziehung des Phosphor Wasserstoffes und Siliciumwasserstoffes in den Reiniger
eingebracht, hat aber dies Verfahren, weil zu kostspielig und für Laien zu
kompliziert, verlassen und zur Entfernung von Ammoniak und Schwefelwasserstoff die
gewöhnliche Leuchtgasreinigungsmasse angewandt. Die bedenklichsten Verunreinigungen,
wie Phosphorwasserstoff und Siliciumwasserstoff, lassen sich hierdurch jedoch nicht
entfernen.
Die Konstruktion der in Totis angewendeten Reiniger ist ebenfalls eine Type der Société du Gaz Acétylène in Paris, und wie aus
beistehender Abbildung (Fig. 3) ersichtlich ist,
besteht derselbe aus einem einfachen Cylinder mit Bleifutter, 80 cm hoch und 22 cm
im Durchmesser, in welchen die Reinigungsmassen schichtenweise eingebracht werden.
Doch ist diese Form eines Reinigers weder für kleine Anlagen noch weniger für
grössere Anlagen entsprechend, da selbst bei kleinen Anlagen die gewählten
Querschnitte bei den stark variablen Druckverhältnissen im Entwickler und den
demzufolge wechselnden Durchgangsgeschwindigkeiten des Gases viel zu klein
dimensioniert sind, und ist daher eine entsprechende gleichmässige Gasreinigung
mit diesen Modellen nicht erreichbar gewesen. Auch ist die Füllung und Entleerung
eines solchen Cylinders eine zu umständliche.
Von dem chemischen Reiniger geht das Gas in die Gasometer. Diese hatten einen
Fassungsraum von je 3 cbm, zusammen also 6 cbm – somit zur Speisung von 300 Stück
20-literigen Flammen für 1 Stunde genügend. – Die beiden Gasometer sind
untereinander in der Weise verbunden, dass sie kommunizieren und sich auch beim
Betriebe von nur einer Entwicklergarnitur gegenseitig ergänzen. – Die Ein- und
Ausströmungsrohre mit 60 mm lichter Weite führen von unten durchs Sperrwasser in den
Gasraum der Glocke und sind am tiefsten Punkte mit Kondenshähnen versehen.
Von dem Gasometer geht das Gas durch die Trockner. Dieselben sind auch nur einfache
Gusseisencylinder (Fig. 4) von 570 mm Höhe und 170 mm
Durchmesser, mit verzinntem Etagen-Blechkorbeinsatz, in welchem Calciumkarbid
eingebracht und zur Trocknung des Gases verwendet wird. Diese Methode der Trocknung
des Acetylengases ist äusserst wirksam, auch bei forciertem Betriebe, doch ist als
Uebelstand zu erwähnen, dass in letzterem Falle, wenn nämlich der Entwickler schon
stark mit Wasserdämpfen gesättigtes Gas abgibt und der Kühler nicht genügend
kondensiert, das im Trockner befindliche Calciumkarbid rasch zersetzt wird, wobei
natürlich das hier entwickelte ungereinigte Acetylen sich mit dem vom Gasometer
kommenden gereinigten Gase mischt. Ausserdem lösen sich auch feine, trockene
Kalkteilchen von der zersetzten Oberfläche des Karbids ab, werden vom Acetylen
mitgerissen und verunreinigen das Gas, die Rohrleitung, Brenner u.s.w.
Wenn also ein solcher Karbidtrockner eingeschaltet wird, so ist die Anwendung eines
feinen mechanischen Gasfilters nach dem Trockner, z.B. Asbestgewebe, Cellulose,
sowie auch öfteres Auswechseln des Karbids im Trocknergefäss u.s.w. jedenfalls zu
empfehlen.
Nach dem Trockner strömt das Gas durch den Gasmesser in das Hauptrohr, in welches
noch vor Austritt aus der Gaserzeugungsanlage ein Druckregulator eingeschaltet
ist.
Der Hauptgasmesser ist ein Haas'scher Trockenmesser von
der Firma S. Elster, eine Gasuhr, die Berdenich, als besonders für Acetylengas geeignet,
empfiehlt.
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Fig. 4. Trockner.
Als Druckregulator verwendet Berdenich einen Simon Lanz'schen Regler. Die Reiniger, Trockner,
Gasmesser und der Druckregler sind mit Rohrumleitungen in der Weise angeordnet, dass
mittels Schieberstellung im Bedarfsfälle eine Ausschaltung derselben einzeln oder
zusammen auch während des Betriebes möglich ist.
Jeder einzelne Gaserzeuger ist mit Manometer versehen, ferner sind solche vor und
nach dem Reiniger, für den Gasbehälter und vor und nach dem Gasmesser angebracht,
deren Zeigerwerke auf einer Manometertafel vereinigt sind, so dass der Gasmeister
die Funktion der einzelnen Apparate leicht überblicken und kontrollieren kann.
Den niedrigsten und höchsten Stand der Gasbehälterglocken zeigt ein elektrisches
Läutewerk an. – Die Beleuchtung des Apparatenraumes geschieht von aussen, die
Heizung ist eine indirekte.
Die Entwickler und deren Kühlwanne, endlich auch die Kühler sind mit einer
Wasserleitung verbunden, die Schlammablasshähne der Entwickler münden in einen
Kanal, durch welchen der Kalkschlamm in Kalkgruben gelangt behufs seiner
Sedimentierung.
Der Kalkrückstand ist nach Berdenich für Bauzwecke
vorzüglich verwendbar, und es hat derselbe mit demselben auch schon kleine Gebäude,
Brunnen u.s.w. ausgeführt.
Für eine wirksame Ventilation ist ebenfalls vorgesorgt. Verfasser beklagt das Fehlen
geeigneter Kontrollapparate zur Prüfung der Qualität des Gases und ist zur Zeit mit
Versuchen zur Lösung dieser Frage beschäftigt.
Ueber die Leistungsfähigkeit der Tata-Tóvároser provisorischen Gasanlage berichtet
Berdenich etwa folgendes:
Mit einem Entwickler können im Durchschnitt stündlich rund 3000 l Gas erzeugt werden,
wenn also von jeder Erzeugergarnitur je ein Entwickler gleichzeitig in Verwendung
steht, können 6 cbm Gas pro Stunde produziert werden, d. i. 300 Stück 20literige,
gleichzeitig brennende Flammen gespeist werden. Für den regelmässigen Betrieb ist je
ein Entwickler in Verwendung, doch können im Bedarfsfalle gleichzeitig oder
vielmehr in schneller Aufeinanderfolge beide, also alle vier Entwickler in Anspruch
genommen werden, wodurch sich die Leistungsfähigkeit der Anlage auf das Doppelte des
oben angegebenen Quantums erhöhen lässt, je eine Garnitur – also zwei Entwickler
können von einem Mann bedient werden – doch ist es angezeigt, in den langen
Winternächten Mitternachtsablösung vornehmen zu lassen, da die kontinuierliche,
intensive Bedienung denselben eine längere Schicht als 8 Stunden nicht recht
aushalten lässt.
Bezüglich der Einbringung des Karbids von Hand wurde die Erfahrung gemacht, dass eine
solche bei Anlagen, deren stündliche Gasproduktion 5 cbm übersteigt, nicht rationell
ist. An ihre Stelle sollte dann eine gleichmässige maschinelle Bedienung treten, da
nach den gemachten Erfahrungen die Gasbildung im Entwickler als auch die Kühler,
Reiniger u.s.w. zu einer richtigen Funktion eine möglichst gleichmässige
Karbidzufuhr in den Entwickler verlangen.
Bezüglich des Rohrnetzes ist schon erwähnt worden, dass das Verteilungsnetz in den
Hauptpunkten nach den Regeln der Leuchtgastechnik sofort definitiv eingerichtet
worden ist. Besonders hervorgehoben wird, dass nach 8- bis 10monatlichem Betriebe
eine Wasserabscheidung im Rohrnetz noch nicht wahrgenommen werden konnte.
Die Rohrdimensionen sind nach der bekannten Formel
d=11,449\,\sqrt[5]{\frac{Q^2\,.\,s\,.\,l}{h}}
berechnet, bezw. wurde zur Bestimmung der Rohrweiten für
Acetylen kurzweg die Monier'sche Tafel für Leuchtgas
genommen, der gefundene Durchmesser mit 3 dividiert und eine Stufe in der
Normaltabelle nach aufwärts abgerundet, welches Verfahren stets hinlängliche Werte
gegeben hat.
Bei der Anlage von solchen Gaswerken ist bei der Berechnung der Rohrdimension auf die
Vergrösserung von vornherein Bedacht zu nehmen.
Als weiter gemachte Erfahrung ist anzuführen, dass peinlich reine, sorgfältige Arbeit
bei den Acetyleninstallationen Grundbedingung ist, da sich die kleinste
Oberflächlichkeit oder Nachlässigkeit stets nur zu bald schädlich bemerkbar
macht.
Die Schmiederohrverschraubungen müssen mit feinem, gut eingeöltem Hanf, gut
verarbeitetem Mennige und mit möglichst grosser Ueberdeckung hergestellt werden, da
sonst die Dichtungen sehr rasch austrocknen; gefördert wird dies durch gut
getrocknetes Acetylengas, und dann stellen sich sehr rasch Undichtheiten ein.
Die Gussrohrdichtungen erfordern ebenfalls eine besondere Aufmerksamkeit. Der gut
eingeölte Dichtstrick soll möglichst fest eingetrieben werden, worauf dasselbe mit
der Bleidichtung geschehen soll. Insbesondere ist bei letzteren Dichtungen zu
beachten, dass dieselben nach Anarbeitung nicht längere Zeit den äusseren,
wechselnden Temperatureinflüssen ausgesetzt werden, da sich sonst der Bleiring von
der Peripherie der Muffe und des Rohrendes mit freiem Auge unbemerkbar ablöst und
die kleinsten Haarrisse genügen, um dem Acetylengas das Entweichen zu gestatten. So
war z.B. das Undichtwerden eines nach allen Regeln sorgfältig verlegten
Gussrohrstranges, welcher die Luftdruckprobe tadellos aushielt, nach erfolgter
Zuschüttung auf diesen Umstand zurückzuführen.
Verunreinigungen bezw. Ablagerungen im Rohrnetz konnten selbst nach längerem Betriebe
nicht wahrgenommen werden, ausser sporadisch vorgekommenen Kohlenstoffablagerungen,
welche aber nicht die Folge des Betriebes, sondern verhütbarer Gaszersetzungen im
Rohre zuzuschreiben sind. So z.B. wurde bei Abmontierung der während der grossen
Tata-Tóvároser Kaisermanöver extra installiert gewesenen Kaiserbeleuchtung, die
Wahrnehmung gemacht, dass in einem Teile des Rohrnetzes an verschiedenen
Biegungsstellen im Inneren der Rohre feiner Russ, reiner Kohlenstoff, in grösserer
Quantität abgelagert war. Es war dies eine ganz lockere, spezifisch leichte,
trockene, in der Luft in Flocken sich verteilende tiefschwarze Masse, welche sich in
den Röhren ganz lose angesammelt hatte und leicht ausgeblasen werden konnte. Die
Rohre selbst waren innen hellblank geblieben. Dieser feine Kohlenstoff war ein
Zersetzungsprodukt des Acetylens und die Ursache bezw. Entstehung desselben war auf
Flammenrückschlag zurückzuführen. Diese Erfahrung führte Berdenich zur Konstruktion seines in D. p. J.
1898 310 227 beschriebenen Rückschlagventils.
Was die Strassenlaternen betrifft, so sind in Tata-Tóváros derzeit 158
Strassenflammen installiert. Dieselben sind genau so angeordnet, wie dies bei
Leuchtgas üblich, und sind die Kandelaber, Laternen, Laternenhähne genau dieselben,
wie bei diesen, nur die Anschlussleitungen, welche mittels Anbohrung und Rohrschelle
hergestellt werden, sind je nach der Entfernung der Laterne vom Hauptrohre mit ⅜ bis
½ Zoll dimensioniert, wodurch Verstopfungen oder sonstige Mängel, welche auf zu
schwaches Rohrkaliber zurückgeführt werden könnten, vermieden werden.
Die Laternen sollen möglichst gross und mit möglichst wenig Stäben gewählt
werden, da solche beim Acetylen bedeutend wirksamere Schatten werfen, als bei
Leuchtgas. Auen ist eine von allen Seiten möglichst geschlossene Strassenlaterne für
Acetylen sehr empfehlenswert, da die Acetylenflamme dem Luftzuge ausgesetzt,
insbesondere bei windigem Wetter äusserst unruhig flackert und hierbei sehr zu
Russausscheidungen neigt, ja hierbei ein verhältnismässig sehr rasches Ansetzen der
Brenner eintritt, wodurch auch die Flamme schnell ungünstig beeinflusst wird.
Als Brenner sind für Strassenflammen die Luftzuführungsbrenner „Ideal“
verwendet. Es ist dies nach Berdenich's Erfahrungen bis
heute der einzige Luftmischbrenner, der allen, an einen solchen Brenner stellbaren,
gerechten Anforderungen entsprechen kann und leicht für verschiedene Gaskonsume
eingestellt werden kann, der eine möglichst vollkommene Mischung und demzufolge
Verbrennung zulässt, Wochen, ja Monate hindurch ohne jedwede Reinigung tadellos
funktioniert und unter allen bisher bekannten Brennern auch der dauerhafteste
ist.
Die Wartung der Laternen ist die sonst übliche. Die Verhütung des Verstaubens der
Brenner, Dichthalten der Laternenhähne ist besonders zu beachten, und soll der
Laternenwärter stets auf diese Punkte achten, so wie er auch dahin sorgfältigst
instruiert werden muss, dass er beim Anzünden der Laternen sofort nach Oeffnen des
Gashahnes mit der brennenden Lunte in die Laterne an den Brenner heranfahre, da eine
Verspätung häufig Laternenexplosionen nach sich zieht. Sollte ein Einfahren mit der
Lunte nicht sofort nach Oeffnung des Laternenhahnes möglich sein, soll er dies
überhaupt unterlassen, sondern den Hahn wieder sperren, die Laternenthüre öffnen und
die Laterne auslüften lassen und diese erst auf dem Rückwege anzünden.
Ausser diesen Strassenlaternen sind in Tata-Tóváros rund 300 Privatflammen
installiert, doch darf nach Ausbau der definitiven Gaserzeugungsanstalt auf 1500
Privatflammen gerechnet werden.
Die Gasabgabe geschieht mittels Gasmessers.
Die Anschlüsse für Privatinstallationen werden ebenfalls mittels Anbohrung
hergestellt und wird als kleinste Zuleitung ½zölliges Schmiedeeisen-Gasrohr
genommen.
Mit Rücksicht auf die Gefährlichkeit der Luftgemische im Acetylenrohrnetz sind
möglichst viele Schieber und Absperrungen in dasselbe eingeschaltet, auch für die
Privatinstallationen sind Trottoirhähne im Gebrauch, damit, wenn bei Vornahme von
neuen Anschlüssen Anbohrungen oder Reparaturen eine Ausserbetriebsetzung notwendig
wird, eine möglichst kleine Rohrzone ausgeschaltet werden kann, das Lufteindringen
also auf eine kleinere Rohrstrecke beschränkt wird. Hier könnte wohl eingewendet
werden, dass im Stadtrohrnetz das Gas nie vollständig abgesperrt werden soll, und in
der Leitung immer ein bestimmter Druck herrschen soll, doch ist diese bei Leuchtgas
usuelle Regel für Acetylenleitungen praktisch nicht empfehlenswert, da die
Gasverluste bei Anbohrungen unter Druck, dann sonstige dadurch entstehende Nachteile
es für angezeigt erscheinen lassen, bei Acetylen einen anderen Vorgang zu befolgen
wie bei Leuchtgas. Die Installationen wurden nach bekannten Regeln ausgeführt.
Als Gasmesser sind Haas'sche Trockengasuhren in
Verwendung, und zwar seit dem Vorkommen der durch Flammenrückschlag erfolgten
Gasmesserexplosionen sind dieselben alle mit Berdenich'schen Patent-Sicherheitskapseln (Rückschlagfangventile) versehen,
welche gleichzeitig auch als mechanische Reiniger wirken. Wenn nun ein
Flammenrückschlag bei regelmässigem Betriebe auch nicht zu befürchten ist, so ist
ein solcher dennoch nicht ausgeschlossen, insbesondere aber leicht möglich, wenn in
der Rohrleitung ein Acetylen-Luftgemisch entsteht. Dieser Fall ist aber, wie ja
allen Acetylentechnikern nur zu gut bekannt ist, bei Neufüllung des Gasometers,
Erzeugers, Reinigers, bei Oeffnen der Brennerhähne vor Anlassen des Gasometers
u.s.w. nur zu oft möglich und kann dann beim vorzeitigen Anzünden eines mit
Acetylen-Luftgemisch gespeisten Brenners, was ja speziell für kleine
Acetyleninstallationen mit eigener Erzeugeranlage nie zu vermeiden ist, ein
Flammenrückschlag in die Leitung ohne weiteres entstehen.
Als Kosten für die Gesamtanlage mit definitiver Gaserzeugungsanlage sind rund 75000
fl. österr.-ungar. Währung ausgeworfen.
Hiervon entfallen
auf
die
Gaserzeugungsanlage
20000
fl.
„
das
Tataer Rohrnetz
27000
„
„
„
Tóvároser Rohrnetz
20000
„
Rest Diverses.
Das Werk ist als Privatunternehmen angelegt, mit 40jähriger ausschliesslicher
Konzession für die öffentliche und private Beleuchtung auf dem Gebiete der beiden
Stadtgemeinden, welche für die als Minimum angenommenen 158 öffentlichen
Strassenflammen, bei 1800 Jahresbrennstunden und 20 Kerzenstärken der einzelnen
Flammen, 3000 fl. pro Jahr während der ganzen Konzessionsdauer als Minimum
bezahlen.
Der Preis des Gases für den Privatkonsum ist mit 1,25 fl. pro Kubikmeter
festgesetzt.
Bei der derzeitigen Karbidsachlage in Oesterreich-Ungarn ist dieser Preis wohl noch
kein. rentabler, da das zumeist aus der Schweiz und in letzterer Zeit auch aus
Frankreich importierte Karbid inklusive Zoll und Fracht auf 36 fl. zu stehen kommt,
also bei 300literiger Ausbeute, die aber nie erreicht wird, einen
Selbstkostenpreis fürs reine Gas von 1,20 fl. ergibt. Voraussichtlich werden
aber auch bald hier Karbidfabriken im Betriebe, sein, so dass der hohe Zoll und
Fracht wegfällt, was mindestens ⅓ des bisherigen Preises ausmacht, wobei dann die
Rentabilität des Tata-Tóvároser ersten Acetylengaswerkes schon bei 750 Flammen
gesichert sein würde.
Bujard.