Titel: | Metallgewinnung in Sibirien. |
Autor: | T. |
Fundstelle: | Band 312, Jahrgang 1899, S. 50 |
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Metallgewinnung in Sibirien.
Metallgewinnung in Sibirien.
Sibirien gilt von altersher als ein reiches Land, dessen Naturerzeugnisse auf
gewaltigen Flächen zerstreut liegen und grossartige Vorräte für die Zukunft bilden.
Bedeutende Mineralschätze finden sich in den südlichen Steppengebieten, im Altai, im
Gebiet von Nertschinsk, am Amur und in vielen anderen Gebieten dieses grossen
Reichs. Im Bestreben, die Naturschätze Sibiriens zu erforschen und auszubeuten,
haben die Russen anfänglich weder System und Geschick gezeigt, noch besondere
Kenntnisse bewiesen, auch nicht einmal die ersten Grundlagen für eine einheimische
Industrie geschaffen.
Grosse Anstrengungen wurden im verflossenen Jahrhundert gemacht, um die Montanschätze
Sibiriens aufzuspüren. Leibeigene wurden herangezogen und zu schweren
Arbeitsleistungen angehalten; sie mussten Erze herbeischaffen, Kohlen brennen u.
dgl. mehr. Stellenweise versuchte auch die örtliche Verwaltung den Bergbau und das
Hüttenwesen durch unentgeltliche Zwangsarbeit der Sträflinge zu fördern. Alle
künstlichen Massregeln und Anstrengungen waren aber vergeblich, die Montanindustrie
Sibiriens blieb in einem kläglichen Zustande, das Land musste durch
Metallerzeugnisse vom Ural und aus dem europäischen Russland versorgt werden. Die
Hüttenwerke von Nertschinsk und Kolywan-Wosskressensk, die seit Peter I. von der
Regierung unterstützt wurden und grosse Summen verschlangen, haben fortgesetzt nur
Unkosten hervorgerufen. Die Eisenindustrie, die sich mit Beginn dieses Jahrhunderts
in Sibirien zu entwickeln begann, wurde durch die Goldindustrie unterdrückt. „Man
hatte keine Zeit, Eisenerze auszubeuten,“ schrieb einst Schtschurowsky,
„die gesamte Thätigkeit der Bevölkerung wird durch das Goldfieber
beeinflusst.“ Sämtliche Kapitalien und Kräfte des Landes wandten sich dem
Goldgewinn zu, Ackerbau und Viehzucht wurden vernachlässigt, Sibirien besass
lediglich die Bedeutung einer Goldgrube.
Für die Entwickelung einer einheimischen Metallindustrie sind aber in Sibirien an
vielen Orten alle Vorbedingungen vorhanden, doch gehört dazu Kapital und
Unternehmungsgeist, die der Sibirier für solche Zwecke nicht besitzt, weil er auch
heute noch den Raubbau auf Gold und das Fuhrgewerbe allein für gewinnbringend hält
und im allgemeinen an die Fortschritte auf anderen gewerblichen Gebieten nicht
glaubt.
Zur Entwickelung der sibirischen Metallindustrie werden auch hier, wie in Russland,
ausländische Unternehmungen beitragen müssen, die dem Sibirier zeigen, auf welche
Weise die grossen Bodenschätze des Landes nutzbringend verwertet werden können.
In nachfolgendem sollen einige Mitteilungen über die Silber-, Blei-, Elsen- und Kupfergewinnung
Sibiriens wiedergegeben werden, die im sibirischen Handels-
und GewerbekalenderDas Berg- und
Hüttenwesen in Sibirien von Bergingenieur Gribassowy (Sibirischer Handels- und Gewerbekalender von F. P. Romanow. Tomsk. Jahrgang 1896 und
1898). von Gribassowy, und
in dem vom russischen Finanzministerium herausgegebenen Werk „Sibirien und die grosse sibirische Eisenbahn“ veröffentlicht
worden sind.
Silberhaltige Bleierze werden in Sibirien im Altaigebiet (Gouvernement Tomsk), im
Bezirk von Nertschinsk (Transbaikalien) und in der Kirgisensteppe (Provinz
Ssemipalatinsk) gewonnen und verarbeitet.
Die Bergwerke des Altaigebietes liegen in den Uebergangsschichten der Ockererze zu
den Kieserzen; die Erze selbst sind in ihrer Zusammensetzung äusserlich
veränderlich, der Metallgehalt ist sehr ungleichmässig verteilt. Die Ockererze
enthalten 30,5 g bis 2,56 kg Silber auf 1 t Erz und 0,12 bis 0,31 kg Blei auf 1 t
Erz. Die Kieserze sind dagegen bedeutend ärmer an Silber und Blei. Die Bergwerke von
Smeïnogorsk, Syrjanowsk und Salaïrsk sind die reichsten des Altaigebietes.
Seit einer Reihe von Jahren ist die Silber- und Bleiausbeute in Sibirien im
Niedergang begriffen, der gegenwärtige niedrige Preisstand des Silbers ist auch
nicht dazu angethan, einen verstärkten Abbau der Silbererze zu bewirken. Die
offenkundige Misswirtschaft auf den staatlichen Hüttenwerken des Altai mag wohl auch
zum Niedergang dieser Industrie beigetragen haben. Ueber die Silber- und Bleiausbeute in den einzelnen
Gebieten Sibiriens hat Bergingenieur Gribassowy
folgende Angaben veröffentlicht:
Gebiete
1892
1893
1894
1895
1896
Ausbeute in
Tonnen
Silber
Blei
Silber
Blei
Silber
Blei
Silber
Blei
Silber
Blei
AltaiNertschinskKirgisensteppe
8,23 0,95 0,63
321167232
5,560,921,60
305153173
4,680,870,90
25,50156,00359,00
5,630,920,56
–149140
4,590,921,56
30,00111,32 53,45
Gesamtausbeute in Sibirien
9,81
720
8,08
631
6,45
540,50
7,11
–
7,07
194,77
Gesamtausbeute in Russland
11,19
884
9,50
843,8
7,83
743,50
7,89
412
–
–
Die grösste Abnahme der Silberausbeute weist die Altaigegend auf, wo 1893 bis 1894
drei Hütten ihre Thätigkeit gänzlich einstellten, deren Hochöfen sogar abgebrochen
wurden. Im Jahre 1856 wurde im Altaigebiet allein mehr Blei gewonnen, als
gegenwärtig im ganzen russischen Reich zusammen, seitdem ist die Ausbeute, abgesehen
von einzelnen Schwankungen, beständig zurückgegangen.
Auch im Gebiet von Nertschinsk waren früher mehr Gruben im Betriebe, die nach und
nach aus verschiedenen Ursachen in Verfall gerieten. Zur Zeit befindet sich dort nur
eine Silberhütte.
In Ostsibirien sind früher auch silberhaltige Erze ausgebeutet worden. Beispielsweise
wurden im Zeitraum von 1765 bis 1775 im Jakutengebiet, im Bergwerk von Jundibalsk,
an einem Nebenfluss der Jana, silberhaltige Erze verschmolzen. Im Minussinskischen
Kreise des Gouvernements Jenisseisk und unweit der Küste des Stillen Ozeans, etwa 120 km von der
Olgabucht und 37 km von der Bucht Preobraschenija, im Flussthal des Wapzin, sind
silberhaltige Bleilager entdeckt, aber bisher noch nicht abgebaut worden.
Auch Kupfer wird in Sibirien nur in geringen Mengen, im
Altaigebiet und in der Kirgisensteppe, beim Ausschmelzen der Silber- und Kupfererze
gewonnen. Ueber die Ausbeute von Stangenkupfer in diesen Gebieten hat Gribassowy folgende Angaben veröffentlicht:
Gebiete
1892
1893
1894
1895
1896
Ausbeute in
Tonnen
AltaiKirgisensteppe
279,00 0,20
218,00 9,20
206,041,5
260 23
265,60 30,60
Gesamtausbeute in Sibirien
279,20
227,20
247,5
283
296,20
Gesamtausbeute in Russ- land
5316
5463,20
5408,60
5854
–
Aus der Tabelle geht hervor, dass auf Sibirien in den letzten Jahren etwa 1/21 der
Gesamtkupfer ausbeute Russlands entfielen, während im Jahre 1886 das Verhältnis
ungefähr ⅙ betrug.
Zur Zeit ist je eine Hütte im Altaigebiet und in der Kirgisensteppe thätig, ausserdem
wird noch Kupfer auf der Smejew'schen Fabrik auf
elektrolytischem Wege und im Ssuratow'schen Bergwerk
aus dem Grubenwasser gewonnen.
Wie sehr die Kupferausbeute, insbesondere in der Kirgisensteppe, zurückgegangen ist,
geht aus der Angabe hervor, dass hier im Jahre 1870 aus dem Spasski'schen Hüttenwerk von Rjäsanow allein etwa 635,5 t Kupfer gewonnen
wurden. Seitdem diese Hütte, wie es heisst, aus Mangel an geeignetem Brennmaterial
ihre Thätigkeit eingestellt hat, ist ein gewaltiger Rückschritt in der
Kupfergewinnung Sibiriens zu beobachten.
JarowskyDas
Bergwesen im westlichen Teil des Atschinsk-Minussinskischen Gebietes (Bergjournal, Januar. Jahrgang
1894). berichtet, dass an vielen Stellen Westsibiriens,
beispielsweise in den Kreisen Atschinsk-Minussinsk, alle Vorbedingungen für eine
gedeihliche Entwickelung der Hüttentechnik bezw. der Metallindustrie vorhanden sind.
Leider sind aber bisher in den meisten Fällen die Fabriken an ungünstigen Stellen
errichtet worden, oft mussten sie auch aus Mangel an Betriebskapital oder gar wegen
Unfähigkeit der Betriebsleiter eingehen.
Obgleich Sibirien über reiche und ausgedehnte Eisenerzlager verfügt, sind zur Zeit
auf dem grossen Gebiet nur fünf Eisenwerke im Betriebe, und zwar:
1. Das Gurjew'sche Eisenwerk im Altaigebiet, Kreis
Kusnetzk des Gouvernements Tomsk, gehört zum Privatbesitz des Kaisers von Russland
und wurde 1897 von der Ostsibirischen Metallurgischen
Gesellschaft gepachtet, die über grosse Steinkohlengruben und
Erzlagerstätten in Sibirien verfügt.
2. Das Petrowski'sche Eisenwerk, das gleichfalls
Eigentum des Kaisers ist, liegt im Werchneudinskischen Kreise des Gouvernements
Transbaikalien am Muss Balaga, einem Nebenfluss des Chilok, etwa 475 km von der
Stadt Tschita entfernt.
Sibirien
Russland
Russland
Jahr
Zahl derArbeiter
Grubenbezw. Seen
GeförderteEisenerze
RohesGusseisen
Eisen
Stahl
RohesGusseisen
Eisen
Stahl
in Tonnen
in Tonnen
1891
–
–
–
8409
4664
–
1004749
447993
433414
1892
153
9
19037
6405
4750
26
1071743
497952
514987
1893
230
9
14724
7066
4298
34
1148893
499000
630794
1894
269
12
20801
8835
5093
31
1332566
502627
703030
1895
170
10
22313
9611
4250
8
1452337
440387
879050
1896
–
–
–
7976
4637
–
–
–
–
3. Das Abakanski'sche Eisenwerk befindet sich im
Jenissei'schen Gouvernement, Kreis Atschinsk-Minussinsk, am linken Ufer des
Abakan, etwa 213 km von der Einmündung desselben in den Jenissei.
4. Das Nikolajew'sche Eisenwerk liegt im Gouvernement
Irkutsk, am linken Ufer der Oka (einem Nebenfluss der Angará), etwa 640 km von der
Stadt Irkutsk und 200 km von der Stadt Nishne-Udinsk entfernt.
5. Das Eisenwerk „Neu-Nikolajewsk“ wurde im Jahre
1896 als Zweigunternehmen von der Ostsibirischen
Metallurgischen Gesellschaft gegründet und liegt im Nishne-Udinskischen
Kreise, am rechten Ufer der Angará, etwa 23 km vom Dorf Bratski entfernt.
Nach Eröffnung des Gurjew'schen Werkes (1867), das
ursprünglich für die Verhüttung der Silbererze der Salaïrski'schen Lager bestimmt
war, fanden sich auch in der nächsten Umgebung Eisenerze, die jetzt in diesem Werk
verarbeitet werden. Die Erze (Magnet- und Brauneisenstein) enthalten bis 60 % Eisen.
1896 wurden hier 1556,26 t rohes Gusseisen ausgeschmolzen, 1116,71 t Eisen, 133,96 t
Eisenfabrikate und 296,72 t Gusseisenwaren hergestellt.
Im Jahre 1740 wurde am rechten Ufer des Jenissei, etwa 107 km nordöstlich der Stadt
Minussinsk, die Irbinski'sche Hütte gegründet, die
inzwischen ihren Betrieb eingestellt hat.
Das Petrowski'sche Eisenwerk wurde im Jahre 1789
gegründet und verfügt über reiche Lager von Magneteisenstein. Ein gewaltiger Forst
liefert das Brennmaterial für den Hüttenbetrieb. 1896 wurden hier 656,26 t rohes
Gusseisen ausgeschmolzen, 704,37 t Eisen und 164,47 t Gusseisenwaren
hergestellt.
Das Abakanski'sche Werk verfügt über ausgedehnte Lager
von Magnet-, Spat- und Brauneisenstein, deren Erze 50 bis 60% Eisen liefern. 1896
wurden hier 2360 t rohes Gusseisen ausgeschmolzen, 1632,46 t Eisen, 255,53 t
Eisenfabrikate und 106,80 t Gusseisenfabrikate hergestellt.
Das Nikolajew'sche Werk wurde 1845 von der Regierung
gegründet, ging darauf im Jahre 1864 in Privathände über und befindet sich zur Zeit
im Besitz der Ostsibirischen Metallurgischen
Gesellschaft. In den Gruben werden hauptsächlich Magneteisensteine
gefördert, die 40 bis 55 % Eisen enthalten. Das Nikolajew'sche Eisenwerk ist seit einigen Jahren vollständig umgebaut und
mit allen technischen Einrichtungen der Neuzeit versehen. In den Walzwerken werden
Schienen für die sibirische Eisenbahn hergestellt. Mit der Fabrik ist eine
Schiffsbauanstalt verbunden, die verschiedene Dampfer für die Binnengewässer
Sibiriens erbaut hat. 1896 wurden auf dem Eisenwerk 2175,63 t rohes Gusseisen
ausgeschmolzen, 1183,34 t Eisen, 416,77 t Eisenfabrikate und 665,54 t Gusseisenwaren
hergestellt. Das Eisenwerk von Neu-Nikolajewsk lieferte
1896 etwa 1228 t Gusseisen.
Um die Gusseisen-, Eisen- und Stahlproduktion Sibiriens mit der des gesamten
russischen Reiches vergleichen zu können, geben wir in nachfolgendem eine
Zusammenstellung für den Zeitraum von 1891 bis 1896 nach den Veröffentlichungen des
Statistischen Jahrbuches der Montanindustrie
Russlands von A. Loransky (Amtliche
Veröffentlichung des gelehrten Berg-Comités für 1895).
Aus der Tabelle geht hervor, dass Sibirien etwa mit 1/150 an der Roheisenproduktion und mit
etwa 1/100 an der
Eisenproduktion Russlands beteiligt ist, während die Stahlproduktion, im Verhältnis
zur Produktion des ganzen Reiches, verschwindend klein ist.
T.