Titel: | Die Anwendung des überhitzten Dampfes im Dampfmaschinenbetriebe. |
Autor: | O. Herre |
Fundstelle: | Band 312, Jahrgang 1899, S. 81 |
Download: | XML |
Die Anwendung des überhitzten Dampfes im
Dampfmaschinenbetriebe.
Von O. Herre, Ingenieur
und Lehrer.
(Fortsetzung des Berichtes S. 67 d.
Bd.)
Die Anwendung des überhitzten Dampfes im
Dampfmaschinenbetriebe.
γ) Ueberhitzer mit geraden
Röhren.
Das Kennzeichen dieser Gruppe liegt ausser in den geraden Röhren auch darin, dass
ein Richtungswechsel des Dampfstromes während der Ueberhitzung nicht eintritt.
Hierdurch unterscheiden sich diese Ueberhitzer von den ebenfalls aus geraden
Röhren gebildeten Ueberhitzern, bei denen die einzelnen Elemente ∪- oder S-förmig
zusammengestellt sind, wie z.B. beim Ueberhitzer von C
Budil.
a) Der Ueberhitzer von E. Willmann in
Dortmund.
Die Firma E. Willmann in Dortmund baut sowohl
Röhrenkessel mit einer Wasserkammer nach ihrem Patent Nr. 42321, als auch solche mit
zwei Wasserkammern. Ein Zirkulationsröhrenkessel mit einer Wasserkammer und einer
Heizfläche von 203,33 qm für 12 at Ueberdruck ist in den Fig. 56 und 57 dargestellt. Der
Kessel ist mit einem Ueberhitzer von 19,37 qm Ueberhitzerfläche versehen.
Textabbildung Bd. 312, S. 81
Röhrenkessel mit einer Wasserkammer von Willmann in Dortmund.
Die Wasserkammer des Kessels ist durch eine senkrechte, mittels Stehbolzen versteifte
Wand in zwei Abteilungen zerlegt, wie dies auch aus Fig.
58 hervorgeht. Die Wasserröhren sind als Doppelröhren ausgebildet. Das
äussere Rohr ist in der dem Feuerraum zugekehrten Wand der Wasserkammer
befestigt. Das Rohr erhält einen konischen Ansatz, der in ein entsprechendes
konisches Loch der Wand der Wasserkammer passt. Die Dichtung wird durch einen
zwischengelegten gewellten Kupferring ohne Lötnaht gebildet. Diese Ausführungsart
ist durch D. R. P. Nr. 13449 geschützt. Das äussere Rohr erhält noch eine
Fortsetzung durch die innere Abteilung der Wasserkammer hindurch, um das Rohr gegen
diesen Raum abzuschliessen, dagegen steht dasselbe mit der vorderen Abteilung in
Verbindung. Das innere Rohr steht durch eine Aussparung an der unteren Seite mit der
inneren Abteilung der Wasserkammer in Kommunikation. Die grösste Dampfentwickelung
erfolgt natürlich an der Wandung der äusseren Rohre. Die Dampfbläschen gelangen von
hier in die vordere Abteilung der Wasserkammer. Um nun eine möglichst vorteilhafte
Führung der Dampf- und Wasserteile zu erzielen, steht, wie dies aus der Fig. 57 ersichtlich ist,
die vordere Abteilung durch je einen trichterförmigen Blechkasten mit je einem der
beiden Oberkessel in Verbindung. Die Blechkästen sind dabei über die Linie des
höchsten Wasserstandes hinausgeführt. Es kann daher wohl der entwickelte Dampf in
den Dampfraum gelangen, dagegen kann das zum Ersatz notwendige Wasser nur durch die
innere Abteilung
in die Kernrohre eintreten. Die Wege für den Dampf und das Wasser sind hierdurch
getrennt.
Nach einer anderen Ausführungsart wird derselbe Zweck dadurch erreicht, dass die eine
Abteilung, welche den entwickelten Dampf führt, nur mit einem Oberkessel verbunden
ist, während die innere Abteilung, in welcher das Wasser nachströmt, mit dem anderen
Oberkessel im Zusammenhange steht. Beide Oberkessel müssen dann durch einen Stutzen
verbunden sein.
Textabbildung Bd. 312, S. 82
Fig. 58. Wasserkammer von Willmann in Dortmund.
Nach den Fig. 56 und
57 wird der
gesättigte Dampf beiden Oberkesseln durch je ein Wasserabscheidungsrohr entnommen.
Die beiden Leitungen vereinigen sich über dem Kessel und führen den Dampf auf der
vorderen Kesselseite herunter nach dem ersten, der Verteilung dienenden Dampfkasten
von rechteckigem Querschnitt. Von diesem Dampfraum führen 13 in zwei
Horizontalreihen angeordnete gerade einfache Ueberhitzerröhren von 95 mm Durchmesser
durch den Feuerraum nach dem hinter dem Kessel liegenden Dampfvereiniger. Die in der
Stirnwand des vorderen Dampfkastens für die Befestigung der Ueberhitzerröhren
notwendigen Oeffnungen werden durch konische Verschlussdeckel mit Kupferringdichtung
in derselben Weise verschlossen, wie dies Fig. 58 für
den Verschluss der Oeffnungen der Wasserkammer angibt. Die Ueberhitzerröhren werden
von den Heizgasen vor dem Uebergange zum letzten Zuge umspült. Die Befestigung der
Ueberhitzerrohre an dem hinten liegenden gusseisernen Dampfvereiniger erfolgt
mittels Flanschen und Krümmers. Diese Ausführung hat den Vorteil, dass sich die
Rohre der Erhitzung entsprechend leichter ausdehnen können.
Textabbildung Bd. 312, S. 82
Röhrenkessel mit zwei Wasserkammern von Willmann in Dortmund.
Ein Röhrenkessel mit zwei Wasserkammern, wie er von der Firma E. Willmann gebaut wird, ist in den Fig. 59 und 60 wiedergegeben. Der
Kessel ist für 136 qm Heizfläche und 10 at Ueberdruck konstruiert. Die Anordnung des
Ueberhitzers ist im allgemeinen dieselbe, wie beim Einkammerkessel, nur ist auch die
hinten liegende Dampfkammer zur Sammlung des überhitzten Dampfes ebenso wie die
vordere aus Schmiedeeisen hergestellt. Die Rohrkrümmer sind weggelassen. Es sind
neun Ueberhitzerröhren von 95 mm Durchmesser angeordnet.
b) Der Ueberhitzer der Rather
Röhrenkesselfabrik in Rath bei Düsseldorf.
Die Fig. 61 bis 63 zeigen einen
Wasserröhrenkessel der Rather Röhrenkesselfabrik nach
dem System Gehre, Diese Kesselbauart zeichnet sich
durch die ganz charakteristische Ausbildung der vorderen Wasserkammer aus. In den
Fig. 64 und 65 ist die Wasserkammer
in grösserem Massstabe wiedergegeben. Jede Horizontalrohrreihe mündet vorn in eine
besondere Abteilung der Wasserkammer. Die einzelnen Abteilungen sind durch
querliegende Bleche gebildet. Durch diese Einrichtung soll für jede horizontale
Rohrreihe eine besondere Verdampfungsoberfläche und ein besonderer Dampfraum erzielt
werden, wie dies in den Fig.
64 und 65
abgebildet ist. Jeder der kleinen Einzeldampfräume steht durch ein Rohr mit dem
Hauptdampfraum des Oberkessels unmittelbar in Verbindung. Der in den Wasserröhren
entwickelte Dampf hätte somit auf seinem Wege bis zum Dampfraum eine kleinere
Wassersäule zu überwinden, als es sonst ohne diese Einrichtung der Fall wäre. Da
ausserdem eine Vergrösserung des Verdampfungsspiegels erreicht wird, so liegt die
Gefahr für das mechanische Mitreissen von Wasserteilchen in diesem Falle viel
weniger vor, als wenn die einzelnen Dampfbläschen auf einem sehr langen und
komplizierten Wege durch das Wasser hindurch bis zum Dampfraum geführt werden
würden. Diese Ausführungsart der Wasserkammer des Gehre-Kessels ist durch das D. R.
P. Nr. 73280 geschützt.
Der Ueberhitzer für den in den Fig. 61 bis 63 dargestellten Gehre-Kessel von 148 qm Heizfläche und 10 at Ueberdruck
besteht aus zwölf geraden Ueberhitzerröhren von 95 mm Durchmesser und 5,85 m Länge.
Die Dampfentnahme aus dem Oberkessel erfolgt durch den vorn angebrachten
Doppelstutzen, der gleichzeitig die Sicherheitsventile trägt. Der Dampf tritt in das
auf der vorderen Stirnseite angeordnete horizontal liegende gusseiserne
Verteilungsrohr. Dieses steht durch Rohrkrümmer von geringer Lichtweite mit den
Ueberhitzerröhren in Verbindung, wodurch ungleichmässige Ausdehnungen der Röhren
kompensiert werden. Die Ueberhitzerröhren werden mittels Muffen durch beide
Wasserkammern hindurchgeführt und auf der hinteren Stirnwand des Kessels direkt mit
einem Rohr von rechteckigem Querschnitt vereinigt.
Auf der hinteren Kesselseite (Fig. 63) ist noch eine
Vorrichtung angebracht, welche ähnlich wie beim Babcock- und Wilcox-Ueberhitzer die
Möglichkeit bietet, die Ueberhitzerröhren vom Oberkessel aus vorübergehend mit
Wasser zu füllen und dieses Wasser eventuell auch wieder ablassen zu können.
Textabbildung Bd. 312, S. 83
Wasserröhrenkessel der Rather Röhrenkesselfabrik nach dem System Gehre.
Der Grad der Ueberhitzung richtet sich nach der Grösse der Ueberhitzerfläche; in
normalen Fällen liefert der Kessel Dampf, welcher um 30 bis 75° überhitzt ist.
Die Untersuchung eines Gehre-Kessels der elektrischen Zentrale der Firma Siemens und Halske in Bochum, vorkommen am 19.
September 1896, lieferte folgende Ergebnisse:
Tabelle XV.
Dauer des Versuches
Std.
5
Kohlenverbrauch gesamt
kg
1125,1
„ pro qm Heizfläche und Std.
„
1,99
„ pro qm Rostfläche und Std.
„
77,80
Schlacke und Asche
„
128,90
Wasserverbrauch gesamt
„
9417,7
Temperatur des Speisewassers im Mittel
°C.
16,43
„ des Dampfes hinter dem Ueberhitzer
„
216,6
„ der Heizgase hinter dem Schieber
„
245,2
Dampfdruck im Kessel im Mittel
kg
8,86
Ueberhitzung des Dampfes
°C.
38,32
Verdampftes Wasserquantum, reduziert auf Dampfvon
600 Kalorien Erzeugungswärme
pro 1 kg Kohle brutto
kg
9,25
„ 1 „ „ netto
„
10,44
„ 1 qm Heizfläche und Std.
„
20,18
Der Kessel besitzt eine Heizfläche von 103,09 qm, eine Rostfläche von 2,88 qm und
eine Ueberhitzerfläche von 9,54 qm und lieferte den Dampf für drei Maschinen von
zusammen 215 .
Die verfeuerte Kohle war eine Ruhrnusskohle Nr. 3. Trotz der Beanspruchung der
Heizfläche mit 20 kg Verdampfung pro Quadratmeter und Stunde ist die Wärmeausnutzung
eine sehr günstige, da die Abzugsgase nur wenig wärmer als der überhitzte Dampf
sind. Jedenfalls hätte die Beanspruchung des Kessels pro Quadratmeter Heizfläche und
Stunde ohne Nachteil noch bedeutend weiter getrieben werden können.
c) Der Ueberhitzer von Dr.
Fehrmann-Moskau.
Bei diesem System sind Doppelrohre zur Verwendung gekommen; der Dampf durchströmt
aber nur den ringförmigen Hohlraum zwischen beiden Rohren, während das Innenrohr von
den Heizgasen durchzogen wird. Hierdurch unterscheidet sich dieser Ueberhitzer von
den unter β behandelten Konstruktionen (Dürr, Uhler u.s.w.), bei denen auch Doppelröhren
Verwendung finden, aber derart, dass der Dampf nacheinander sowohl das Aussenrohr
wie das Innenrohr durchströmt.
Das wesentlichste Merkmal des Fehrmann'schen
Ueberhitzers bildet aber die Benutzung kupferner Platten als Wärmeleiter. Fig. 66 stellt einen
Querschnitt, Fig. 67
einen Längsschnitt durch ein Ueberhitzerrohr dar. Wie diese Figuren erkennen lassen,
wird der Hohlraum zwischen beiden Röhren mit gewellten Kupferblechstreifen von etwa
150 mm Länge ausgefüllt. Jeder folgende Kupferstreifen ist gegen den vorhergehenden
um eine halbe Welle versetzt. Infolge der eigenen Federkraft pressen sich die
Wellblechcylinder gegen die Rohrwandungen und bilden mit diesen einen guten, die
Wärmeleitung fördernden Kontakt. Nun ist aber das Wärmeleitungsvermögen des Kupfers
sehr bedeutend, es übertrifft dasjenige des Eisens um mehr als das 4- bis 6fache.
Die den Heizgasen ausgesetzten hocherhitzten Rohrwände werden daher ihre Wärme sehr
schnell den Kupfercylindern mitteilen, welche sie wieder an den Dampf abgeben.
Andererseits bewirken die eingeschobenen Wellblechcylinder aber auch eine sehr
zweckmässige Zerteilung des Dampfstromes und eine beträchtliche Vermehrung der
wärmeabgebenden Oberfläche. Infolgedessen ist die Ueberhitzung eine sehr
gleichmässige.
Die konstruktive Ausführung ist gewöhnlich folgende: Das innere Rohr erhält einen
Durchmesser von 7 Zoll engl. = 178 mm. Die Wandstärke beträgt 4,5 mm. Der
Durchmesser des äusseren Rohres ist 10 Zoll engl. = 254 mm bei einer Wandstärke von
6,5 mm.
Die Verbindung beider Rohre erfolgt dadurch, dass nach Fig. 67 das äussere Rohr
an den Enden bis auf den Durchmesser des inneren Rohres eingewalzt wird. Nachdem nun
das innere Rohr eingeschoben worden ist, wird entweder ein starker schmiedeeiserner
Ring warm auf den Hals des Aussenrohres aufgezogen, oder es werden, wie es bei
neueren Ausführungen geschehen ist, beide Rohre miteinander verschweigst.
Beide Ausführungsarten haben sich den hohen Heizgastemperaturen gegenüber gut
bewährt.
Die einzelnen Rohre werden stets parallel geschaltet; demnach muss jedes
Rohrelement eine Zuleitung und eine Ableitung für den Dampf erhalten. Der Anschluss
dieser Leitungen, welche gewöhnlich 2 Zoll engl. lichte Weite besitzen, erfolgt
durch konisches Gewinde. In der Wand des äusseren Rohres werden zwei Oeffnungen
angebracht, in welche, wie dies Fig. 68 zeigt,
stopfbüchsenähnliche Cylinder im glühenden Zustande eingeführt werden. Durch
Umbörteln des vorstehenden Teiles erhalten dann diese Cylinder die in Fig. 68 durch punktierte
Linien angegebene Form. Die Oeffnung wird dann mit konischem Muttergewinde versehen,
in welches ein Ende des Anschlussrohres eingepasst wird (Fig. 67). Natürlich muss
das Einziehen dieser Ringe erfolgen, bevor die Rohrenden verschweisst werden.
Textabbildung Bd. 312, S. 84
Wasserröhrenkessel der Rather Röhrenkesselfabrik nach dem System Gehre.
Der Fehrmann'sche Ueberhitzer wird in der Regel nicht in
die Feuerzüge des Kessels eingebaut. Die inneren Rohre des Ueberhitzers würden sich
nämlich bei dauerndem Betriebe mit Russ und Flugasche füllen. Eine Reinigung
desselben wäre aber schwierig auszuführen, wenn man die Rohre in die Feuerzüge
einbauen wollte, wo sie ziemlich unzugänglich wären. Dr. Fehrmann wählt daher für seinen Ueberhitzer eine Aufstellungsart, die in
Fig. 69
wiedergegeben ist. Auf dem Kesselmauerwerk ist ein besonderer Rauchkanal
hergestellt, der bequem zugänglich ist. Am Ende des ersten Kesselzuges wird ein Teil
der Rauchgase abgezweigt und in diesen Rauchkanal und durch den Ueberhitzer
geleitet. Aus demselben treten dann die Heizgase in den dritten Zug ein. Da auf
diese Weise der Weg von der Feuerung bis zum Kamin durch den Ueberhitzer ein
kürzerer ist als durch die anderen Kesselzüge, so ist der Durchzug der Gase durch
den Ueberhitzer ein sehr energischer. Auch ist man in der Lage, durch Regulierung
der Menge der Heizgase die Ueberhitzungstemperatur zu beeinflussen. Der Ueberhitzer
gebraucht gewöhnlich den zehnten Teil der Heizgase. Die in Fig. 69 angegebene
Aufstellung des Ueberhitzers hat noch den weiteren Vorzug, dass der Einbau während
des Betriebes geschehen kann; ebenso kann der Ueberhitzer während des Betriebes mit
Leichtigkeit ausgeschaltet und der Einwirkung der Heizgase entzogen werden. Die
Zuführung des gesättigten Dampfes erfolgt durch ein gusseisernes Rohr vom Dampfdom
aus. An dieses Rohr sind dann die einzelnen Ueberhitzerelemente durch
schmiedeeiserne Leitungen angeschlossen.
Textabbildung Bd. 312, S. 84
Ueberhitzer von Fehrmann in Moskau.
In Mittel- und Südrussland, wo fast ausschliesslich mit flüssiger Naphta geheizt
wird, wäre auch der Einbau des Ueberhitzers direkt in die Kesselzüge zulässig, da
bei dieser Feuerungsart keine Russbildung auftritt.
Das Verhältnis der Ueberhitzerfläche zur Heizfläche des Kessels wird in der Regel zu
1 : 5 gewählt.
Der Fehrmann'sche Ueberhitzer ist in Russland,
Frankreich, England, Vereinigte Staaten von Nordamerika, Belgien und in der Schweiz
patentiert.
(Fortsetzung folgt.)