Titel: Verhalten einiger Metalle in hohen und tiefen Temperaturen.
Autor: Joh. Russner
Fundstelle: Band 312, Jahrgang 1899, S. 141
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Verhalten einiger Metalle in hohen und tiefen Temperaturen. Von Dr. Joh. Russner in Chemnitz. Verhalten einiger Metalle in hohen und tiefen Temperaturen. Die Festigkeit des Eisens ist von – 20° an bis 600° in den königl. technischen Versuchsanstalten in Berlin ausführlich untersucht wordenMitt. der königl. Versuchsanstalten, 1890 S. 159.. Es wurden hierzu drei Sorten Flusseisen von der Festigkeit 36, 42 und 48 kg/qmm verwendet. Die graphischen Darstellungen der Versuchsresultate lassen erkennen, wie die Bruchlast (σB) und Zerreissungskraft (σZ) pro Flächeneinheit von – 20° bis zu 50° erheblich abnehmen, um dann stark zuzunehmen, bis sie bei etwa 200 bis 250° ihren grössten Wert erreichen. Dieser grösste Wert ist in allen drei Härtestufen ganz beträchtlich grösser als derjenige für + 20°, und zwar für Härtestufe σB σZ  I um 34 % 62 %  II 27 45 III 25 50 Die Dehnungen der beiden ersten Eisensorten nehmen von – 20° bis + 20° zu, fallen dann stark ab und erreichen bei etwa 130° den kleinsten Wert. Von hier an steigt die Dehnung wieder bis auf etwa 280 bis 330° und fällt dann wieder ab. Der für die Festigkeitslinien charakteristische Punkt bei 300° ist bei der Dehnung durch eine Wiedererhöhung der Dehnbarkeit für die Traggrenze deutlich gekennzeichnet. Bei der dritten Eisensorte zeigt sich bei etwa 130° auch eine Abnahme der Dehnung, aber der kleinste Wert wird hier erst bei 300° und der Höhepunkt bei 420° erreicht. In neuester Zeit sind die Festigkeitseigenschaften des Kupfers in obengenannter Versuchsanstalt von – 80° bis 600° untersucht wordenIbid. 1898 S. 171.. An Probematerial standen acht Sorten Platten und drei Sorten Rundstangen zur Verfügung, aus welchen 162 Versuchsstücke gemacht wurden. Der Querschnitt der plattenförmigen Stücke betrug im Mittel 83,7 und der der cylinderförmigen 78,5 qmm. Sämtliche Versuche wurden bei senkrechter Lage der Stäbe mit einer 50-t-Maschine ausgeführt, wobei die Stäbe in einem Bade sich befanden, dessen Wärmegrad möglichst gleichbleibend erhalten wurde. Textabbildung Bd. 312, S. 141 Fig. 1. Zur Erzeugung der Kälte von – 80° diente feste Kohlensäure und die Versuche bei – 20° wurden unter Anwendung einer Kältemischung aus gestossenem Eis und Kochsalz ausgeführt. Von dem Versuchsmaterial war ein Teil geglüht und ein anderer Teil durch Walzen im kalten Zustande gehärtet. Aus der graphischen Darstellung der Versuchsresultate ergibt sich, dass die Dehnungen für gleiche Belastungen im allgemeinen bei allen untersuchten Kupfersorten mit steigender Versuchswärme zunehmen. Von den drei Sorten Rundkupfer zeigen die im geglühten Zustande untersuchten Proben keine Proportionalität zwischen Belastung und Dehnung. Durch Hartziehen erlangen sie jedoch Proportionalität bis etwa 300°. Von den geglühten Platten weisen nur einzelne Proben Proportionalität auf. Die durch Kaltwalzen und durch Hämmern mechanisch gehärteten Plattenproben lassen bis 200° Proportionalität erkennen. Textabbildung Bd. 312, S. 141 Fig. 2. Der Verlauf des Einflusses der Wärme auf die Spannungen an der Streckgrenze und beim Bruch ist nahezu der gleiche. Aus dem Verlauf der Linien ergibt sich, dass die Streckgrenze des mechanisch bearbeiteten Materials und die Bruchfestigkeit des geglühten sowie des bearbeiteten Materials mit wachsender Wärme beständig abnehmen. Die Abnahme ist bis zu etwa 300° verhältnismässig gering, schreitet dann aber mit wachsender Wärme erheblich schneller fort. Die Lage der dünnen Linien für den ausgeglühten Zustand zu den starken Linien für das hartgewalzte Material (Fig. 1 Rundkupfer, Fig. 2 Platten) bestätigt, dass durch die mechanische Bearbeitung im kalten Zustande sowohl die Bruchfestigkeit als auch die Streckgrenze gehoben wird. Mit wachsender Versuchswärme geht dieser Einfluss der Bearbeitung immer mehr verloren, so dass von 500° zum Teil auch schon von 400° ab die Festigkeit des vor dem Versuch mechanisch kalt bearbeiteten Materials diejenigen des geglühten im allgemeinen nicht mehr übertreffen. Auffällig ist in den Figuren die Aenderung bei 500°; es ist dies die Temperatur, bei welcher die Rotglut beginnt, während alle Körper das erste düsternebelgraue Licht bei 400° auszustrahlen beginnen. Der Verlauf der Bruchdehnung zeigt, dass alle untersuchten Sorten von Platten innerhalb des Wärmebereichs von – 80° bis etwa 300° die grösste Dehnbarkeit bei – 20° besitzen. Innerhalb 20 bis 300° änderten die Rundstangen ihre Dehnbarkeit nur wenig. Auf das geglühte Material ist der Einfluss steigender Wärme wechselnd und bei dem hartgezogenen Material nimmt die Dehnung bis 100° um weniges ab und dann mit steigender Temperatur wieder zu. Ueber 300° verhielten sich die untersuchten Stangen sehr verschieden. Nachdem man jetzt mit den Apparaten von Linde flüssige Luft in grösseren Mengen erzeugen kann, war es mir interessant, zu erfahren, wie gross die Festigkeit der Metalle bei der Temperatur der siedenden Luft (– 186°) ist. Zu meinen Zerreissversuchen verwendete ich Drähte und das Verfahren war folgendes. Ein Glascylinder von 35 mm lichtem Durchmesser und 200 mm Länge wurde an dem einen Ende mit Kork verschlossen (Fig. 3) und durch diesen mehrere starke Eisendrähte gezogen, an welche die Versuchsdrähte mit Hilfe von Oesen befestigt wurden. Zur Aufhängung der Versuchsdrähte an einen Haken wurde an denselben ein zweiter starker Eisendraht befestigt. Die Zerreissversuche wurden nicht nur in flüssiger Luft, sondern auch in einem Gemisch von fester Kohlensäure und Aether (– 80°) und bei Zimmertemperatur (18°) vorgenommen. Die flüssige Luft und die feste Kohlensäure wurden in den genannten Glascylinder gebracht, so dass die Versuchsdrähte ganz in den tiefen Temperaturen sich befanden. An die unteren Eisendrähte wurde eine grössere Wagschale zur Aufnahme der Belastung gehängt. Gegen Wärmezufuhr zu den Kälteflüssigkeiten wurde der Glascylinder mit Seidenabfällen als schlechtesten Wärmeleiter stark bekleidet und eine Fangvorrichtung angebracht, damit bei dem stattfindenden Bruch eines Drahtes das Gefäss mit dem Kältemittel in senkrechter Stellung erhalten blieb. Die Belastung wurde immer um 0,5 kg bis zum Bruche eines Drahtes vermehrt. Die Versuchsresultate sind aus nachstehender Tabelle zu ersehen und in Fig. 4 graphisch dargestellt. Die Bruchbelastungen für Blei sind wegen den kleinen Werten in zehnfacher Vergrösserung aufgetragen worden. Zur Berechnung der Bruchfestigkeit für die Flächeneinheit wurde nicht der Bruchquerschnitt, sondern der anfängliche Querschnitt genommen. Stärkeinmm Quer-schnittinqmm Bruchbelastung inkg bei Bruchfestigkeit inkg/qmm 18° – 80° – 186° 18° – 80° – 186° Blei 2,51 4,95   9,2 12,7 22,2   1,86   2,57   4,49 Blei 3,47 9,46 17,0 26,2 35,0   1,80   2,77   3,70 Kupfer 1,01   0,802 21,0 23,7 28,0 26,18 29,55 34,91 Aluminium 1,25   1,227 20,0 22,7 16,30 18,50 Eisen 0,51 0,20   7,3 10,7 16,2 36,50 53,50 81,00 Eisen 1,04 0,85 33,2 37,7 39,06 44,35 Nach diesen Versuchen nimmt die Festigkeit von Blei und Eisen etwas stärker zu als die Temperatur abnimmt, während die Zunahme der Festigkeit bei Kupfer proportional mit der Temperaturabnahme vor sich zu gehen scheint. Der elektrische Leitungswiderstand der Metalle ändert sich mit der Temperatur, und zwar nimmt er zu, wenn die Temperatur steigt, ClausiusPoggend. Ann., 104 S. 650. hat darauf aufmerksam gemacht, dass der Temperaturkoeffizient der Metalle nahe so gross ist, wie der Ausdehnungskoeffizient der Gase 0,003667, woraus dann folgen würde, dass der Leitungswiderstand der absoluten Temperatur porportional sei und bei – 273° gleich Null werden müsste. Obwohl sich nun diese Beziehung durch die nachherigen Versuche von Mathiessen und v. BoseIbid. 115 S. 391. nicht bestätigt hat, so haben doch Messungen von v. WroblewskiWiedem. Ann., Bd. 26 S. 27. ergeben, dass der Widerstand des Kupfers noch rascher sinkt als die absolute Temperatur, so dass dieselbe bei den niedrigen Kältegraden, welche man durch Verdampfen von flüssigem Stickstoff erreicht (ungefähr – 200°), schon auf einen sehr geringen Bruchteil herabsinkt. Nachstehend ist eine der von v. Wroblewski mitgeteilten Versuchsreihen wiedergegeben, welche er mit einem über 2 in langen Kupferdraht erhalten hat. Temperatur nach Celsius Widerstand in S. E.      25 19,262       0 17,489 – 103   9,769 – 146   6,738 – 193   2,754 – 201   1,655 Diese Resultate lassen erwarten, dass der Widerstand des Kupfers noch lange vor dem Erreichen des absoluten Nullpunktes der Temperatur sich dem Werte Null nähert. Holborn und Wien haben den elektrischen Widerstand von Platin in Bädern von flüssiger Luft, und in solchen aus Alkohol und fester Kohlensäure bestimmtIbid. 1897 Bd. 59 S. 219.. Die Temperatur t lässt sich als Funktion des Widerstandes W durch eine Gleichung zweiten Grades bis auf ungefähr 1° Genauigkeit darstellen, während die mittleren Abweichungen der Beobachtungen nur einige Zehntel Grad betragen. Diese Gleichung ist t = – 258,3 + 5,0567 W + 0,005855 W2. Wenn es gestattet wäre, diese Formel für Temperaturen unter – 190° zu extrapolieren, so würde für die Temperatur – 258,3° der elektrische Widerstand des Platins Null werden. Die spezifische Wärme mehrerer Körper in tiefen Temperaturen hat in neuester Zeit U. Behn bestimmtWiedem. Ann., 1898 Bd. 66 S. 237.. Die Versuche wurden nach der Mischungsmethode angestellt, welche bisher immer das beste Resultat ergeben hatten. Die mittleren spezifischen Wärmen innerhalb einiger Temperaturgrenzen sind folgende: 100 bis 18° 18 bis – 80° – 80 bis – 186° Blei   0,0310 0,0300 0,0291 Platin   0,0324 0,0311 0,0277 Iridium   0,0323 0,0303 0,0263 Palladium   0,0590 0,0567 0,0491 Kupfer   0,0940 0,0883 0,0716 Nickel   0,1090 0,0983 0,0743 Eisen   0,1130 0,0999 0,0721 Aluminium 0,220 0,1950 0,1530 Wie man aus dieser Tabelle ersieht, nimmt auch die spezifische Wärme mit Abnahme der Temperatur sehr erheblich ab. Allgemein zeigt sich, dass eine bleibende Formveränderung stets eine Festigkeitsänderung, also auch eine Aenderung in der molekularen Anordnung des Materials zur Folge hat. Es lag daher die Frage nahe, ob durch Strecken auch Dichteänderungen an verschiedenen Stellen des Materials hervorgerufen würden. Die von L. GrunmachIbid. 1899 Bd. 67 S. 227. ausgeführten Versuche bejahen diese Frage. Textabbildung Bd. 312, S. 142 Fig. 3. Der zu untersuchende cylindrische Eisenstab, welcher nach Massgabe nebenstehender Skizze abgedreht worden war (Fig. 3), wurde an den Stabköpfen in vertikaler Richtung in eine Zerreissmaschine gespannt, bei welcher die Krafterzeugung durch eine hydraulische Presse erfolgt. Die Beziehungen zwischen Belastung und Dehnung des Stabes sind in Fig. 4 dargestellt, in welcher die Ordinaten den Belastungen und die Abszissen den zugehörigen Dehnungen entsprechen. Solche Linien wurden von der Zerreissmaschine selbstthätig verzeichnet. Es lassen sich an derselben drei Teile unterscheiden; erstens der bis zur Proportionalitätsgrenze geradlinig verlaufende Teil, zweitens bei dem benutzten Material der Teil nach Ueberschreitung der „Streckgrenze“, bei welcher der Stab eine gewisse Zeit lang beträchtlich sich streckt, ohne dass die Belastung zunimmt, und endlich der dritte Teil bis zur „Zerreissgrenze“. Bei der Streckgrenze treten bestimmte Veränderungen im Aussehen des Probestabes auf. War der Stab vorher poliert, so verschwindet die Politur, die Oberfläche verändert sich auffällig, sie wird rauh und es treten die sogen. „Streckfiguren“ auf, das sind Liniensysteme, welche an verschiedenen Stellen zur Zugrichtung geneigten Richtungen hervortreten, ferner schwächer ausgebildete Liniensysteme, die nahezu senkrecht zur Zugrichtung verlaufen. Diesen Zustand bezeichnet man als Fliessen. Die „Streckfiguren“ verschwinden allmählich wieder, und die Last steigt von neuem an bis zur höchst getragenen Last, der Bruchlast. Unter dieser bildet sich bei zähem Material eine Einschnürung, die allmählich zunimmt, bis schliesslich unter der Zerreisslast der Bruch des Stabes stattfindet. Im Augenblick des Bruches ist die getragene Last kleiner als die höchstgetragene Last, weil der Querschnitt infolge der Einschnürung kleiner geworden ist. Textabbildung Bd. 312, S. 142 Fig. 4. Nachdem der Versuchsstab in seiner Mitte zerrissen war, wurde er vorsichtig in die 12 Stücke zerschnitten und das spezifische Gewicht dieser Stücke auf das Sorgfältigste durch Wägungen in der Luft und in Wasser bestimmt. Die Resultate zeigen die interessante Thatsache, dass die oberen fünf Stufen und ebenso die entsprechenden unteren nahezu dasselbe spezifische Gewicht besitzen. Die einzelnen Werte weichen nur um 1 bis 2 Einheiten der dritten Dezimale voneinander ab und können daher zu je einem Mittelwerte 7,835 vereinigt werden. Die Dichte der Stufen in der Mitte, zwischen denen die Einschnürung und schliesslich die Zerreissung stattfand, ist durch die Streckung in hohem Masse beeinflusst worden. Die spezifischen Gewichte dieser beiden Stücke weichen voneinander um 12 und von den entsprechenden Mittelwerten um 40 und 50 Einheiten der dritten Dezimale ab, und zwar sind sie um diese Beträge kleiner geworden.