Titel: | Allgemeine Fragen der Technik. |
Autor: | P. K. von Engelmeyer |
Fundstelle: | Band 312, Jahrgang 1899, S. 146 |
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Allgemeine Fragen der Technik.
Von Ingenieur P. K. von
Engelmeyer, Moskau.
(Fortsetzung von S. 129 d. Bd.)
Allgemeine Fragen der Technik.
Psychologische Betrachtungen.
Gewöhnlich unterscheidet man grundsätzlich das spontane Erfinden von dem Entwerfen,
von der Arbeit auf ein von aussen gegebenes Programm. Betrachtet man indessen diese
zwei Arten des technischen Schaffens mit dem Auge des Psychologen, so sieht man
keinen wesentlichen Unterschied. Ob die technische Aufgabe von aussen gegeben, oder
ob sie spontan entstanden, ist insofern gleichgültig, als die Lösung in beiden
Fällen intuitiv erschaut werden muss. Vergebens würde man einen Unterschied wieder
darin suchen, dass dem entwerfenden Techniker ein fertiges Programm vorliegt, dass
er somit die Bedingungen stets vor Augen hat, denen sein Werk entsprechen muss,
wogegen dies beim Erfinden nicht derart sichtbar scheint. Wenn der Erfinder sich
über die gleichen Bedingungen nicht volle Klarheit verschafft, so bringt er nichts
Praktisches hervor. Es ist nicht anzunehmen, dass A. Graham
Bell sein eminent praktisches Telephon fertiggestellt hätte, wenn ihm nicht
alle Anforderungen der Praxis gegenwärtig gewesen wären. Jener Erfinder, der nicht
wie ein entwerfender Techniker vorgeht, d.h. nicht zu jeder Zeit sein Ziel vor Augen
hat, ist ein spielender Sportsmann, aber kein Techniker. Auf diese Thatsache
stützend, machen wir keinen Unterschied zwischen Erfinden und Entwerfen.
Wenn der Techniker sich an die Lösung seiner Aufgabe macht, so ist es von der
grössten Wichtigkeit, dass er sie lieb gewinne, um sie erfolgreich zu lösen. Denn
die Liebe zur Aufgabe ist immer der Vorschmack der entstehenden Lösung. Indem er
nun, wie Newton, an seine Aufgabe „oft“ denkt,
entsteht in ihm die Idee seines Werkes. Das ist allerdings bald gesagt, doch nicht
so bald geschehen, insbesondere wenn die zu lösende Aufgabe von dem bereits
Bekannten beträchtlich abweicht. Zuerst entsteht in der Regel ein unbestimmtes
Vorausahnen, welches empfinden lässt, dass die Lösung auf einem bestimmten Wege zu
finden sei. Meist ist diese Ahnung derart dunkel, dass man einem Anderen sein
Vorhaben kaum auszusprechen im stande ist.
Aber es ist eigenartig! der Erfinder fühlt sich doch schon im Besitz einer neuen
Wahrheit. Er glaubt an sie. er fühlt sich zu den Auserwählten erkoren. Dieser Glaube
und diese Liebe sind es, die die vieljährigen Mühen leicht erscheinen lassen und sie
mit Erfolg krönen. Aber derselbe Glaube veranlasst auch, an Dingen, wie das
„perpetuum mobile“ zu arbeiten. Leider ist es unmöglich, in unserem
Inneren die verführerische Stimme des Irrtums von der göttlichen Stimme der Wahrheit
zu unterscheiden, wenn unsere Vorkenntnisse der Naturvorgänge der Bestimmtheit
entbehren. Nur muss gesagt werden, dass hier, im ersten Akte, die Vorkenntnisse noch
nicht der eigentlichen Wissenschaft angehören; es genügt vielmehr eine empirische
Sachkenntnis. Man muss in sich ein richtiges Gefühl, eine Art Wahrheitssinn im
betreffenden Fach ausgebildet haben. Darum sehen wir so viele geniale Erfindungen
von nicht wissenschaftlich Gebildeten angebahnt. Eher angebahnt als vollendet, denn
zur vollkommenen Ausführung gehört noch das Wissen des zweiten Aktes und das Können
des dritten.
Wie gesagt, die erste auftauchende Intuition erscheint ihrem Träger meist nur
dunkel. Es ist eine Sphinx, deren Bild enthüllt werden muss. Man fühlt deutlich,
dass die Aufgabe gelöst ist, dass man die Lösung im Geiste trägt, nur ist die Lösung
im dunkelsten Winkel des Geistes verborgen. Da nun in diesen geheimen Winkel das
Licht des Bewusstseins nicht fällt, so kann man die Sphinx nicht direkt betrachten.
Und nun geht im Erfinder etwas Aehnliches vor, wie bei dem in manchen Gegenden
verbreiteten Kinderspiel, das darin besteht, dass man einen versteckten Gegenstand
aufsucht, während Einer, der den Bergungsort kennt, auf dem Klavier spielt und den
Ton verstärkt, sobald sich der Suchende dem Orte nähert. Die Einbildungskraft
schöpft aus der Erfahrung verschiedene Einzelheiten und die Sphinx wählt sich, was
ihr passt. Letzteres prägt sich ein, das übrige weicht aus dem Bewusstsein, und
diese Arbeit dauert fort, bis man für die Hauptbestandteile wenigstens annähernd
passende Formen gefunden hat. Darin besteht das, was als Austragen seiner Idee oft
benannt wird.
Die intuitive Entstehung einer Idee kostet keine Mühe. Bei einer nichtigen
Unterhaltung, ja sogar im Schlafe kommen zuweilen kostbare Gedanken. Aber das
Austragen einer dunklen Idee bis zur vollen Aufklärung, bis die Möglichkeit erreicht
wird, die Idee wenigstens einem anderen fassbar zu machen, ist zuweilen eine höchst
peinliche Arbeit. Nur der Glauben an seine Sphinx führt zum Ziel.
Diese Arbeit muss auf spekulativem Wege vor sich gehen. Papier und Bleistift, die im
zweiten Akte unbedingt nötig sein werden, sind hier eher hinderlich. Das Papier hat
ja nur zwei Ausdehnungen, wogegen ein sachliches Gebilde drei. Ausserdem kommt es
jetzt hauptsächlich darauf an, sich möglichst viele Einzelheiten ins Bewusstsein zu
rufen. Zumeist muss noch das der Erfahrung Entnommene entsprechend den Forderungen
der Sphinx sich etwas abändern lassen. Die leichtesten Striche auf dem Papier sind
doch realer, konkreter und unbeweglicher, als jene luftigen, elastischen Formen der
Einbildungskraft und fesseln die Aufmerksamkeit. Die Einbildungskraft dreht sich
unwillkürlich um diesen zufälligen, aufgedrängten Schwerpunkt. Ganz anders ist es,
wenn ein solcher Schwerpunkt durch die freie Auslese entstanden ist. Das ist ein
lebender Kern, der bald andere Glieder an sich heranzieht.
Die Psychologie des zweiten Aktes ist einfacher. Es ist ein logisches,
wissenschaftliches Denken. Die Phantasie verschwindet mehr und mehr vor der
nüchternen Reflexion. Das faktisch Bestehende ist hier Gesetz. Im ersten Akte war
die Naturkunde nur nötig als Wahrheitssinn, als Milieu, nur als Schutzmittel, um
nicht an Ungereimtheiten zu glauben. Der zweite Akt kann dagegen ganz unerwartet
Aufschlüsse aus den allerverschiedensten und neuesten Gebieten der Wissenschaft
erheischen.
Was endlich den dritten Akt anbelangt, so ist die psychologische Physiognomie
desselben mit einem Worte klar gemacht: es ist ein Gewerbe.
Dreiakt im praktischen Maschinenbau.
Sämtliche Einzelfälle, die im fabriksmässigen Maschinenbau vorkommen, lassen sich in
eine kleine Zahl typischer Fälle einreihen. Der allereinfachste Fall ist der,
wenn eine in allen Teilen genaue Nachbildung einer als Muster gegebenen Maschine
ausgeführt wird. Ein anderer Fall tritt ein, wenn man sich an die Form und Anordnung
eines Systems hält, jedoch der Maschine der Bestellung gemäss andere Dimensionen
gibt. Es soll z.B. eine Worthington'sche Pumpe von
dieser oder jener Leistung gebaut werden. Ein weiterer Fall tritt ein, wenn
Aenderungen in der Form und der Anordnung der Teile zu machen sind, wobei höchstens
nur die Hauptarbeitsteile, etwa Triebzeug und Werkzeug, einer bekannten Maschine
fertig entnommen werden. Endlich gibt es noch einen, obgleich seltenen Fall, wenn
eine neue, noch nie dagewesene Maschine konstruiert wird. Hierher gehört z.B. der
Bau der ersten Druckpresse, die Ausarbeitung eines Mannesmann-Walzwerkes u.s.w. Der
letzte Fall fällt mit der Erfindung zusammen. Nehmen wir Abstand vom ersten Fall,
der rein gewerblichen Nachbildung nach fertigen Schablonen, so lassen sich sämtliche
Fälle, bei welchen irgend ein Entwerfen nötig ist, folgendermassen einteilen:
1. Fall: Bau einer ganz und gar neuen Maschine, wobei keine Grundlagen, ausser der
Art der Arbeit, gegeben sind und folglich mit der Erfindung der Arbeitsorgane selbst
angefangen werden muss. Dieser allerdings nur seltene Fall heisst in der
Umgangssprache die Erfindung einer neuen Maschine.
2. Fall: Bau einer Maschine, wobei die hauptsächlichsten Arbeitsteile gegeben sind
und es sich darum handelt, neue Uebersetzungen zu schaffen, die Form und Anordnung
vieler Teile umzuändern. Dieser Fall heisst Verbesserung,
Vereinfachung, Neuerung u.s.w.
3. Fall: Bau einer Maschine, wobei alle Teile in ihrer Form und Anordnung gegeben und
nur ihre Dimensionen zu ändern sind. Dieser Fall heisst Anwendung eines Systems je nach den Forderungen der Bestellung.
Der zweite und der dritte Fall kommen in dem praktischen Maschinenbau am häufigsten
vor.
Analysieren wir die drei Fälle des praktischen Maschinenbaues, so entdecken wir in
dem ersten Fall den vollen Dreiakt, in dem zweiten Fall den zweiten und dritten Akt,
im dritten Fall nur den dritten Akt des Dreiaktes. Hierzu nur wenige
Erläuterungen!
Der erste Akt fängt auch hier mit der Entstehung der Intuition an und endigt mit der
Aufklärung derselben. Wenn somit die Idee einer neuen Maschine ausnahmsweise gleich
anfangs klar ins Bewusstsein tritt (was eher bei einfacheren Gebilden vorkommt), so
hat der erste Akt nur ein Moment gedauert. In der Regel sieht man sich aber
genötigt, seine Idee sich selbst gegenüber erst aufzuklären. Wie gesagt, dieses
Lesen muss spekulativ geschehen. Wenn der Maschinenbauer, behufs der schnelleren
Verkörperung seiner Idee, zu mechanischen Tafeln und Hilfsbüchern greift, so fühlt
er bald, dass er sich von seinem Ziele mehr entfernt, als dass er demselben näher
rückt.
Der zweite Akt findet die Maschine unter der Form einzeln stehender Bestandteile vor,
und seine Aufgabe ist es, die verschiedenen Verbindungsglieder auszuarbeiten, damit
die Bewegung der Arbeitsteile auf die vernünftigste Art und Weise gesichert werde.
Wenn die Aufgabe der Uebertragung der Bewegungen gelöst ist, so bestimmt diese
Lösung zugleich die Form und die hauptsächlichsten Masse der Details, sowie die
darauf wirkenden Kräfte. Als Ergebnis des zweiten Aktes entsteht noch nicht das, was
ein Entwurf der Maschine genannt wird, sondern es entsteht ein Schema, welches in
geometrischen Linien die wesentlichen Teile in ihrer Anordnung wiedergibt. Der zweite Akt bestimmt das, was man gewöhnlich als System
oder Typus einer Maschinengattung nennt. Schauen wir auf die Entwickelung
des Zweirades zurück, so gestaltet sie sich als die Aufeinanderfolge folgender
Systeme (auch Typen): Das System Michaux mit zwei
Rädern gleichen Durchmessers und mit Fusstritten, welche auf der Vorderachse sitzen;
alsdann das amerikanische System mit grossem Vorderrade und Gummireifen, endlich das
Rower-System mit gleich grossen Rädern und Fusstritten auf einer Vorgelegewelle.
Der dritte Akt bestimmt die Konstruktion der Maschine.
Dies ist Sache des Konstrukteurs, der nach dem Schema einen vollständigen
Entwurf macht und ihn sodann in die Werkstatt abgibt. Das Fertigen eines Entwurfes
nach einem gegebenen Schema ist eine gewerbsmässige Arbeit. Verschiedene Details,
wie Zahnräder, Lager, werden einfach aus Tabellen und Diagrammen entnommen. Andere
verlangen eine elementare Berechnung, während man das übrige wieder fertig
vorfindet.
Untersuchen wir geschichtlich den Entwickelungsgang der verschiedenen heutigen
Maschinen, so sehen wir, dass fast eine jede das Arbeitsergebnis sehr vieler
Erfinder ist. Das ändert aber an der Sache gar nichts. Ob die Maschine aus den
Händen eines einzigen Technikers fix und fertig herauskommt, oder ob ganze
Geschlechter sie allmählich zusammenbringen, überall sehen wir den Dreiakt, entweder
in sichtbaren drei Einzelakten, oder in einer verdichteten Form, oder endlich die
einzelnen Akte hervortreten.
Dreiakt in der Maschinenlehre.
Die Maschine wurde im vorstehenden unter vier Gesichtspunkten der Betrachtung
unterzogen, wobei vier Schulen der Maschinenlehre entstanden waren: die
technologische, die kinematische, die konstruktive und die wirtschaftliche. Es wurde
ferner gesagt, dass die einzelnen Schulen nur einzelne Seiten der Maschine
hervorheben: die technologische sieht in derselben nur die Lösung einer
technologischen, die wirtschaftliche einer wirtschaftlichen Aufgabe, die
kinematische betrachtet nur den mechanischen Bestand derselben, und die konstruktive
Schule zerlegt die Maschine in ihre Einzelteile und beschäftigt sich nur mit
diesen.
Die Maschine wird mit gutem Grund als Vertreterin der Technik dahingestellt: sie ist
ebenso vielseitig, wie die Technik selbst. Wie die Technik, so ist die Maschine
zugleich Mittel und Zweck. Betrachtet man die Maschine als künstliches Erzeugnis zum
Zwecke einer technischen Leistung, so denkt man technologisch, den Zweck der
Maschine hervorhebend und sie als Mittel anschauend. Die Maschine verrichtet aber
ihre technologische Arbeit unter Ausführung bestimmter Bewegungen. Betrachtet man
die Bewegung der Hauptarbeitsteile als Zweck, so erscheint der mechanische Bestand
(der Mechanismus) als Mittel und man steht auf dem kinematischen Standpunkt.
Betrachtet man endlich den Mechanismus als gegebenen Zweck, so erscheint das Mittel
hierzu, die Einzelteile zweckmässig zu gestalten. Das ist die konstruktive
Ansicht.
Nun reihen sich, aber die drei Betrachtungsweisen genau nach den oben entwickelten
drei Elementen der zielbewussten Handlung, dem Wollen, dem Wissen und dem Können.
Die technologische Ansicht betrachtet die Maschine als Mittel, einem Wollen Genüge
zu thun. Hernach tritt in Scene das Wissen und lehrt das Gewollte in der
vernünftigsten Weise zu erzielen. Das bewirkt die kinematische Bearbeitung. Zur
Ausführung gehört auch noch das Können, und diesem entspricht in der
Maschinentheorie die Konstruktionslehre. Die technologische Maschinenlehre steht
somit auf der Stufe des ersten Aktes, die kinematische auf der des zweiten, die
konstruktive des dritten Aktes.
Die dreifaltige Betrachtung der Maschine lässt sich endlich auch einheitlich als synthetische Maschinenlehre ausdrücken. Sie umfasst
drei zusammenhängende Lehrsätze:
1. Die Maschine ist ein künstliches körperliches Gebilde, welches unter gegenseitiger
Bewegung seiner Teile auf mechanischem Wege eine technische Aufgabe löst.
2. Der kinematische Bestand einer Maschine heisst Mechanismus.
3. Der bauliche Bestand einer Maschine heisst Konstruktion.
Der Techniker bringt entweder körperliche Gebilde oder zeitliche Verfahren hervor, um
seine Aufgaben zu lösen. Die körperlichen Gebilde zerfallen wieder in zwei Klassen:
in solche, wo Bewegungen erfolgen und solche, wo Bewegungen vermieden sein sollen.
Die letzte Klasse nennen wir Bauwerk. Der dritte Lehrsatz reiht unter der letzten
Klasse die Maschinendetails, und in der That wird auch jeder Teil so geformt und
dimensioniert, damit keine innere Bewegung (etwa Verbiegung) eintrete. Dies bewirkt
die Konstruktionslehre. Nur unter dieser Bedingung bleiben die inneren Bewegungen in
der Maschine eindeutig kinematisch bestimmt, und diese Bewegungen sind es, die den
Zweck der Maschine erfüllen, in anderen Worten deren technologische Aufgabe
lösen.
In einer Maschine unterscheidet man das Prinzip, das System
und die Konstruktion. Die allgemein übliche Unterscheidung hat indessen
noch nicht die volle Klarheit erhalten, und ich glaube den Grund davon wieder darin
zu erblicken, dass man die logische und die psychologische Analyse nicht weit genug
getrieben hat. Der Dreiakt bringt auch hier das nötige Licht hinein. Das Prinzip ist
das Ergebnis des ersten Aktes, das System des zweiten, die Konstruktion des dritten.
Einem Prinzip können mehrere Systeme, einem System mehrere Konstruktionen
entsprechen. Beispiele dieser Art Verzweigung der Dreiakte kennen wir schon. Das
Prinzip sagt allgemein, in welcher Art und Weise eine technische Aufgabe maschinell
zu lösen sei. Das System umfasst eine Reihe Konstruktionen und hebt die allen
Konstruktionen gemeinschaftlichen Hauptteile hervor, welche das Prinzip
verwirklichen und die Aufgabe lösen.
Die Maschinenlehre entspringt dem Bedürfnis, die zahllosen Erscheinungen auf dem
Maschinengebiete verständlich zu machen, behufs Erleichterung des Denkens über
Maschinen, oder, nach E. Mach's trefflichem Ausdrucke,
um in Gedanken möglichst ökonomischer experimentieren zu können. Die Oekonomie im
Denken wird bekanntlich dadurch erzielt, dass man die zahllosen wirklichen
Erscheinungen in wenigere Begriffe, und diese wieder in noch wenigere Ideen
zusammenfasst. So schreitet die Aufbauung einer jeden Wissenschaft, oder das, was
man Induktion nennt, von der Erscheinung (dritter Akt) zum Begriffe (zweiter Akt),
und von diesem zur Idee (erster Akt) empor. Sobald dieser Gipfel erreicht worden
ist, die umfassendsten Ideen gewonnen sind, wird die Wissenschaft deduktiv
ausgebildet, indem man das Gebiet nach den Ideen einteilt (erster Akt), ferner diese
Bezirke wieder nach den Begriffen zergliedert (zweiter Akt), und endlich die
Erscheinungen beschreibt (dritter Akt).
Jede fertig dastehende arbeitsfähige Maschine durchläuft in ihrer Entstehung den
dreiaktigen Prozess, wobei nacheinander ihre technologische, ihre kinematische und
ihre konstruktive Seite in die Erscheinung tritt. Kein Wunder, dass dieselben Seiten
der fertigen Maschine stets anhaften! Will man sich von dieser Thatsache überzeugen,
so hat man kein besseres Mittel, als irgend eine beliebige. Maschine eingehend zu
beschreiben. Die erste Frage, die sich hierbei aufdrängen wird, ist: „Was für
eine Arbeit hat die Maschine zu verrichten?“ Ist diese (technologische)
Frage beantwortet, so stellt sich die nächste ein: „In welcher mechanischen Art
und Weise verrichtet die Maschine ihre Arbeit, oder: wie ist sie als Mechanismus
beschaffen?“ Diese Frage beantwortet die kinematische Analyse. Zuletzt tritt
die Frage nach der Konstruktion auf, nach der räumlich-formalen Gestaltung der
Bestandstücke.
Dass der Gang der Beschreibung und auch des Verständnisses einer Maschine gerade
dieser und kein anderer sein kann, liegt in den Eigenschaften unserer eigenen
Denkmaschine, und von seiner Richtigkeit überzeugt man sich sofort, wenn man den
umgekehrten Weg einzuschlagen versucht. Versetzen wir uns in die 60er Jahre, wo man
von der Dynamomaschine noch keine Ahnung hatte, wo nur das elektrisch betriebene
Spielzeug bekannt war. Nun wäre jemand gekommen und hätte gesagt: Es ist eine neue
Maschinengattung, Dynamomaschine genannt, erfunden worden, die aus Eisen, Kupfer und
Isoliermaterial so und so konstruiert ist – und damit Punktum! Was hätte man aus
einer solchen Beschreibung gewonnen? Alles andere, nur kein Verständnis für die
Dynamomaschine. Nur einen Maler (etwa einen Cliché-Zeichner) dürfte dies zufrieden
stellen, denn es handelt sich für ihn nur um die äussere Form. Dem Techniker dagegen
ist die Form das letzte: er will vor allem die technische Idee, alsdann die
mechanische Verwirklichung derselben erfassen.
(Fortsetzung folgt.)