Titel: | Die II. internationale Acetylenausstellung zu Budapest vom 15. Mai bis 5. Juni 1899. |
Autor: | F. Liebetanz |
Fundstelle: | Band 312, Jahrgang 1899, S. 157 |
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Die II. internationale Acetylenausstellung zu
Budapest vom 15. Mai bis 5. Juni 1899.
Von F. Liebetanz in
Düsseldorf.
Die II. internationale Acetylenausstellung zu Budapest.
Die II. internationale Acetylenausstellung zu Budapest, verbunden mit dem II.
internationalen Kongress für Acetylen wurde am 13. Mai, nachmittags 5 Uhr durch den
Handelsminister Hegedüs feierlich eröffnet.
Nach einer Begrüssungsrede des Präsidenten Gelléri nahm
der Handelsminister Hegedüs das Wort und gab seiner
Freude über das Gelingen der Ausstellung und der hohen Entwickelung der
Acetylenindustrie lebhaften Ausdruck. Er sprach seine Anerkennung darüber aus, dass
man mit der Ausstellung einen Kongress verbunden habe, der es ermöglicht, die
Erfahrungen hervorragender Fachleute kennen zu lernen.
Die Beschickung der Ausstellung ist eine ebenso reiche als auch vielseitige, die
Ausstellung eine thatsächlich internationale. Die Fortschritte seit der I.
Acetylenausstellung im Frühjahr 1898 sind bedeutend. Nicht allein, dass die
Acetylenindustrie auf einer wirtschaftlich sichereren Basis anlangte, es ist auch,
wie die Ausstellung lehrt, die Technik in steter Entwickelung begriffen, wovon die
ausgezeichnete konstruktive Durchbildung einzelner Ausstellungsobjekte Zeugnis gibt.
Wir werden an Hand unserer eingehenden Beobachtungen der verschiedenen Apparate eine
Beschreibung derselben bieten, möchten indessen nicht verfehlen, vorerst das
allgemeine Bild der Ausstellung voraus zu senden, das Direktor Berdenich bei Eröffnung des Kongresses von derselben
gab.
Nach einem Rückblick über die Entstehung der Ausstellung sagte derselbe
folgendes:
Die Acetylenausstellung in Budapest kann als gelungen betrachtet werden. Die
hervorragendsten Fachfirmen des In- und Auslandes haben sich an derselben
entsprechend beteiligt.
Von den 92 Ausstellern entfallen auf
Kroatien
1
Holland
1
Schweden
2
England
4
Schweiz
3
Italien
4
Oesterreich
15
Frankreich
17
Ungarn
18
Deutschland
24
Die Ausstellung umfasst in den zwei Hallen, Vestibüle und Hofraum eine Bodenfläche
von 1590 qm, wovon nach Abzug der Wege und unbenutzbaren Flächen 985 qm als belegte
Ausstellungsplätze verbleiben.
Die grössten Plätze okkupieren die Firmen: Allgemeine Karbid-
und Acetylenges. m. b. H., Berlin; Schilling und
Gutzeit, Königsberg-Budapest; Cie. L'Urbaine,
Paris; Ingenieur Hauser-Wegmann, Zürich, und The Imperial „SC“ Acetylene Compagnie, London.
Von den ausgestellten Apparaten und Gegenständen sind 3 bis 4 bisher noch aufkeiner
kontinentalen Ausstellung vorgeführt worden, sind also für die Jury ganz neu, und
erfordert deren Beurteilung eingehendes Studium.
Ein Vergleich mit der vorjährigen Berliner Ausstellung zeigt, dass die Budapester
Ausstellung an Anzahl als auch an Qualität bedeutend voraus ist, und dokumentiert
sich in allen hier ausgestellten Apparaten und Gegenständen seit Berlin ein
bedeutender, sozusagen staunenswerter technischer Fortschritt.
Die hier ausgestellten grossen Acetylenerzeugungsanlagen entbehrten wir in Berlin
ganz, ebenso die reiche Auswahl an bereits praktisch erprobten, wirklich guten
Generatoren, wie wir solche hier in grosser Anzahl vorfinden. Staunenswert ist die
inzwischen herangereifte vollkommene Erkenntnis aller Fabrikanten in Sachen der
Acetylenreinigung, und finden wir an den Apparaten mit wenig Ausnahme überall
Reinigungen angewendet, wogegen solche in Berlin überhaupt noch gänzlich
fehlten.
Ob nun die verwendeten Reiniger auch alle ihren Zweck erfüllen, dies zu beurteilen
erfordert wohl eingehende Untersuchungen, die vorzunehmen die Jury berufen ist; so
viel gestatte ich mir aber schon jetzt zu bemerken, dass die an den meisten
Apparaten verwendeten Reiniger schon auf den ersten Blick höchstens als Dekoration
betrachtet werden können, in manchen Fällen aber auch eine gefährliche Komplikation
an den Apparaten bilden.
Es wäre dringend zu empfehlen, wenn die Apparatefabrikanten und Konstrukteure die
Einrichtung von Acetylenreinigern stets hierzu berufenen Spezialfachleuten
anvertrauen würden, denn die alle chemischen Fachkenntnisse entbehrenden
diesbezüglichen Versuche, wie wir sie auch in unserer Ausstellung sehen, bilden nur
zu oft eine ständige Gefahrquelle für den Apparat. Insbesondere sei dies hier von
unrichtig gehandhabten Chlorkalkreinigern gesagt, mit welchen die königl. ungarische
Staatsbahn hier eben nicht die beruhigendsten Erfahrungen machte; über diesen
Gegenstand wird Staatsbahnchemiker H. Pfeiffer später
noch näher referieren.
Acetylengasgeneratoren haben zusammen 38 Firmen in 62 verschiedenen Konstruktionen
und 80 Exemplaren ausgestellt. So wie im Vorjahre in Berlin das sogen.
Ueberschwemmungssystem überwiegend war, finden wir in der Budapester Ausstellung den
grössten Teil der Apparate schon nach dem System „Karbid ins Wasser“
konstruiert. Die sinnreichsten, nicht selten kompliziertesten Konstruktionen
wechseln mit den einfachsten in den buntesten Lösungen ab, und wenn ich erwähne,
dass wir auf einer Seite der Ausstellung Apparate mit Uhrwerk, Rudel, Gewichte,
Zahnrädergetriebe, dann wieder Tackelhakenkugelspiele, auch schwere Kettengetriebe,
auf der anderen Seite einfachste Blechcylinder mit Füllrohren sehen, so habe ich die
bedeutende Verschiedenheit in den Konstruktionen wohl nur annähernd
charakterisiert.
Ein scharfer Beobachter der Acetylenapparate wird in den einzelnen Konstruktionen
sogar nationale Merkmale erkennen und herausfinden, dass den Generatoren einzelner
Länder im Wesen der Konstruktion bestimmte Eigentümlichkeiten anhaften, so z.B.
sucht der Engländer Gasbehälter, Entwickler, Reiniger u.s.w. möglichst in ein Ganzes
zu vereinigen, und erkennt man darin das Bestreben, die Apparate für den
Welttransport geeignet zu machen. Der Franzose sucht überwiegend die Gasbehälter zu
entbehren und trachtet die gleichmässige Gaserzeugung mit der Verwendung von
granuliertem Karbid zu erreichen.
Die deutschen Apparate beginnen sich nunmehr in solider, den praktischen
Anforderungen angepasster Form auszubilden, dagegen die Schweiz in puncto massiver
Ausführung und konstruktiver Maschinentechnik obenan steht.
Italien scheint auch bei den Acetylenentwicklern den konstruktiven Mechanismus,
insbesondere Zahnradgetriebe, kultivieren zu wollen; Russland scheint keine
Acetylenexplosionen zu fürchten; Ungarns Acetylenapparatkonstruktionen dürften sich
international entwickeln – man nimmt hier es eben, wie und von wo es immer kommt;
Sachsen scheint mit seinen Apparatideen von Deutschland abtrünnig werden zu wollen
und Oesterreich scheint auch in den Acetylenapparaten sich noch nicht recht
vergleichen zu können, Rumänien endlich trachtet mit Einfachheit zu
glänzen.
Leider ist die Ausstellung in dieser Hinsicht nicht genügend reichhaltig, um die
nationalen Studien an den Apparaten eingehender fortsetzen zu können, ich glaube
aber schon demnächst Gelegenheit zu finden, obige Charakteristik noch ergänzen zu
können.
Erwähnenswert halte ich, dass bei den Acetylengas-Erzeugerkonstruktionen mit
minimaler Ausnahme zweifellos allseitig das Bestreben vorherrscht, den Betrieb
automatisch einzurichten, und dürfte die am vorjährigen Berliner Kongress
mehrererseits aufgestellte und von mir damals schon bekämpfte Ansicht, speziell
grössere Generatoren könnten zweckmässig nur mit Handbetrieb gespeist werden, denn
doch nur eine persönliche gewesen sein, und zwar von solcher Seite, welcher die
Konstruktion eines automatischen Karbidspeiseapparates damals noch nicht gelungen
war.
Nun scheint mir aber auch auf dieser Seite bereits das Bedürfnis einer automatischen
Speisung sehr fühlbar geworden zu sein, denn die ersten diesbezüglichen Versuche
sind nun auch bei diesen Anhängern der Handspeisung in unserer Ausstellung bereits
vorgeführt.
Ich will nun nicht weiter bei den Gaserzeugern verweilen, sondern kurz der Reiniger
und Trockner gedenken. Leider sind diese wichtigen Hilfsapparate der
Acetylenbeleuchtung nur sehr spärlich vertreten.
Ausser der bekannten und nunmehr sich immer mehr einbürgernden Fränk'schen Reinigung finden wir kaum Nennenswerteres.
Die von Bruckwilder und Cie., Rotterdam, ausgestellte,
von Prof. Klemp eingehend untersuchte
Raseneisenerzmasse absorbiert Ammoniak und Schwefelverbindungen in staunenswerter
Vollkommenheit, die Ullman'sche und Dr. Wolf'sche Reinigungsmasse entbehren wir leider,
sonstiges ist in dieser Abteilung derzeit nicht vorhanden. Von den für die Reinigung
speziell konstruierten Apparaten dürfte der gediegenste Vertreter der von J. Pfeifer, Staatsbahnchemiker, neuestens konstruierte
und in dieser Ausstellung zum erstenmal vorgeführte kombinierte Reiniger sein,
welcher so eingerichtet ist, dass dem durchströmenden und zu reinigenden Gas die
möglichst grösste Absorptionsfläche geboten ist.
Erwähnenswert ist auch noch der ebenfalls von der Firma Schilling und Gutzeit bei ihrer Fabrikanlage in Verwendung vorgeführte Rempel'sche Patentreiniger, durch welchen das
Acetylengas bis zur grössten Reinheit – Aethergeruch – raffiniert wird, und endlich
erwähne ich noch den von der Kaiserslauterner
Maschinenfabrik vorgeführten, speziell für Acetylenreinigung eingerichteten
kombinierten Zschocke'schen Skrubber, welcher von der
Jury jedenfalls auch eingehenden Versuchen unterzogen werden sollte.
In Gastrocknern ist nichts besonders Neues, ebenso finden wir in den Abteilungen
Rohrnetz und dessen Ausrüstung nichts nennenswertes.
An Lüster und Beleuchtungsgegenständen haben wir eine reiche und hervorragende
Auswahl. Die Spezialfabriken Calm und Bender, Berlin,
C. Kramme, Berlin, Kissling in Budapest, Sächsische
Bronzewarenfabrik in Leipzig u.s.w., haben alle schöne Stücke vorgeführt,
und bilden dieselben eine willkommene Dekoration des ohnehin schönen Acetylenlichtes
und der ganzen Ausstellung. Ein besonders nennenswertes Stück ist der von C. Schneider in Chemnitz nach eigener Zeichnung
ausgeführte 32armige Lüster im Zentrum der Haupthalle.
In Fernzündern haben wir leider keine Auswahl, doch finden wir in der Schünemann und Rieder'schen Selbstzünderkonstruktion
einen berufenen Vertreter dieser Abteilung.
Was nun die verschiedenen Acetylenlampenkonstruktionen anbelangt, so haben wir in
diesen eine ziemlich reiche Auswahl, in welcher wir auch schon sehr Beachtenswertes
vorfinden.
Fahrrad- und Wagenlaternen haben wir in für praktische Verwendung schon ganz
entsprechenden Konstruktionen und tadellosen Ausführungen, ebenso sind auch schon
solche Acetylentischlampen ausgestellt, welchen volles Vertrauen entgegengebracht
werden kann. Sehr schwach vertreten sind die Acetylenkocher, in Heizapparaten ist
leider nichts vorhanden.
Acetylengasmotoren haben wir von drei verschiedenen Firmen in Betrieb
vorgeführt, und ist mir das rasche Anlassen und der ruhige, nur seltenst explosiv
schlagende Gang derselben, im Gegensatz zu den in Berlin vorgeführt gewesenen
Acetylenmotoren, hier aufgefallen.
Die Bahnbeleuchtung finden wir auch nur sehr arm vertreten, was darauf schliessen
lässt, dass sich die Bahnen noch wenig für die Acetylenwaggonbeleuchtung interessieren.
Und nun komme ich zur Karbidfabrikation.
Karbidfabrikeinrichtungen bezw. diesbezügliche Maschinen finden wir nur von Ganz und Co. ausgestellt und zwar: eine
Dreiphasen-Wechselstrommaschine; weiter einen Stromzuführungsapparat zu einem
Karbidofen, Patent Gin und Leleux, u.s.w.
Karbidmuster haben wir von österreichischen, französischen, italienischen und
englischen Calciumkarbidfabriken, ebenso finden wir eine entsprechende Auswahl von
Karbidemballagen.
Von elektrischen Schmelzöfen haben wir ein kleines Modell und mehrere Zeichnungen,
dagegen fehlen uns die Karbidofenausrüstungen, wie Elektroden u.s.w., leider ganz.
Endlich will ich auch noch der Brenner gedenken, von welchen wir ebenfalls die
berufensten Vertreter in unserer Ausstellung haben.
Hervorheben will ich, dass mit wenigen Ausnahmen sämtliche ausgestellten Apparate,
Lampen u.s.w., bisher schon im Betrieb vorgeführt wurden und begründete
diesbezügliche Klagen weder seitens der Aussteller, noch seitens des besuchenden
Publikums vorgekommen sind.
Was die Beleuchtung der Ausstellung anbelangt, wird diese ausschliesslich mittels
Acetylen besorgt und zwar selbst für die im Betrieb befindlichen Apparate.
Die Budapester Ausstellung dürfte diesbezüglich bahnbrechend wirken, denn es war
bisher weder in London, noch in Berlin und in Lyon, so auch, wie mir bekannt, ist
dies bei der derzeitigen Cannstatter Acetylenausstellung auch nicht der Fall,
dass in allen Räumen und selbst in den geschlossenen Hallen die im Betrieb
befindlichen Acetylenapparate mittels offener Acetylenflammen beleuchtet werden.
Es erscheint dies wohl eine etwas zu freie Disposition, für welche die Verantwortung
in erster Reihe meine Wenigkeit belastet, doch leitete mich hierbei das gewichtige
Motiv, dass wir dem grossen Publikum das Acetylen, wie es ist, vorführen und mit
demselben vertraut machen müssen, wobei wir doch zuförderst die uns so oft
entgegengehaltene Gefährlichkeit des Acetylens entkräften sollen, dies aber nur so
möglich ist, wenn wir in erster Reihe uns selbst... nicht fürchten! Ich will damit
absolut nicht behaupten, dass diese von mir in dieser Ausstellung angewendete freie
Methode eine Verallgemeinerung in gewöhnlicher Praxis erfahren soll, denn die
Einstellung einer offenen Gasflamme in den Entwickelraum soll auch weiterhin
verboten sein; unsere Ausstellung kann und soll aber eine Ausnahme von solchen
Vorsichtsmassregeln bilden, denn wenn es den berufenen Fachleuten nicht möglich sein
würde, unter eigener Aufsicht und ständiger Kontrolle auch mit dem Acetylen sich
beschränkte Freiheiten zu gestatten, dann würde das Acetylen eben nicht ins Publikum
gehören.
Die Beleuchtung selbst besorgen, wenn alles im Betriebe, die Aussteller mitbegriffen,
rund 2600 Flammen, welche einen Lichteffekt von rund 80000 Kerzenstärken, also ein
reines Flammenmeer liefern und stündlich etwa 150 kg Karbid konsumieren.
Mit diesem hoffe ich ein allgemeines Bild unserer Ausstellung skizziert zu haben, und
stelle ich nunmehr zum Schluss nur noch den Wunsch auf, dass auch diese Ausstellung
das allgemeine Interesse der Acetylen- und Karbidindustrie in solchem Masse fördern
möge, wie sich dies das Ausstellungscomité beim Arrangement als Ziel gestellt
hatte.
(Fortsetzung folgt.)