Titel: | Neuerungen an Lokomotiven. |
Fundstelle: | Band 312, Jahrgang 1899, S. 188 |
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Neuerungen an Lokomotiven.
(Schluss des Berichtes S. 173 d. Bd.)
Neuerungen an Lokomotiven.
Die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn hat zum Befördern von Schnellzügen zwischen Paris
und Melun eine elektrische Lokomotive in Dienst gestellt, deren Motoren nach Revue industrielle vom 26. November 1898, S. 473, bezw.
Revue générale des chemins de fer, November 1898 S.
331, durch Akkumulatoren gespeist werden, die zum kleineren Teil auf der Lokomotive
selbst, zum grösseren Teil jedoch in einem besonderen Wagen untergebracht sind.
Die Lokomotive ruht auf drei Achsen, deren Räder alle denselben Durchmesser von 1,100
m haben. Die Vorderachse ist nur Tragachse; sie hat Innenlager, die sich in
Achsbüchsen führen, welche behufs seitlicher Einstellung der Achse um je 15 mm mit
schrägen Führungsleisten versehen sind. Die beiden hinteren Achsen haben
Aussenlager; sie werden unabhängig voneinander von je einem Elektromotor
angetrieben, deren Anker unmittelbar auf den Achsen sitzen.
Die Plattform der Lokomotive trägt einen Aufbau, der sich aus fünf verschiedenen
Abteilungen zusammensetzt. Der über den Motorachsen liegende hintere Wagenkasten
dient zum Aufenthalt des Führers und seines Gehülfen, auch sind hier alle zum
Ingangsetzen, der Kontrolle, Regulierung der Motoren u.s.w., notwendigen Apparate
und Instrumente, ferner die Bremskurbel und die Hähne für die Druckluftbremse
untergebracht. Die vordere, im abgeschrägten Teile des Aufbaues liegende Abteilung
ist, um dem Führer die Aussicht nicht zu behindern, nur 1,3 m hoch gehalten; sie
enthält einen Luftkompressor, der durch einen kleinen fünfpferdigen Elektromotor
angetrieben wird, und die Druckluft für die Westinghouse-Bremse, die Pfeife und
mehrere elektrische Reguliervorrichtungen liefert. Von den drei anderen Abteilungen
des Aufbaues auf der Lokomotive enthalten die beiden seitlichen von etwa 1 m Höhe je
neun Akkumulatorenelemente, die hintereinander geschaltet, den Erregerstrom für die
Elektromotoren, ferner den für die Kompression der Luft, die Beleuchtung u.s.w.
notwendigen Strom liefern. Diese Batterie von 18 Elementen genügt auch, um die
Lokomotive mit etwa 3 bis 6 km Geschwindigkeit in der Stunde fortzubewegen. Die
fünfte, mittlere Abteilung hat 1,300 m Höhe über den Rahmen und enthält einen
grossen Flüssigkeitswiderstand, der beim Anlassen eingeschaltet und ausgeschaltet
wird, sobald die Zugs widerstände zu gross werden oder aus irgend einem anderen
Grunde die Beanspruchung der Akkumulatorenbatterie zu sehr steigt.
Diese ist, wie schon erwähnt, zum grösseren Teil in einem an der Lokomotive
angehängten besonderen Wagen untergebracht, der zwei Batterien von je 96 Elementen
enthält und durch vier Leitungen mit den elektrischen Apparaten auf der ersteren in
Verbindung gebracht ist. Einige Angaben über Leistungen und Abmessungen der
Lokomotive mit angehängtem Akkumulatorwagen sind nachstehend zu entnehmen:
Lokomotive.
Normale Stromstärke eines jeden Elektro- motors
700
Amp.
Effektive Leistung eines Elektromotors bei 500
minutlichen Umdrehungen, entspre- chend einer Stromstärke von 700
Amp.
300
Gewicht der Elektroden eines Elements
140
kg
Kapazität der 18 Elemente bei einer Ent-
ladestromstärke von 500 Amp.
1500
Amp.-Std.
Belastung der ersten Achse
12500
kg
„ „ zweiten „
16000
kg
„ „ dritten „
1600
kg
Dienstgewicht der Lokomotive
44500
kg
Akkumulatorwagen.
Anzahl der Achsen
4
Durchmesser der Räder
0,990
m
Entfernung der Achsen
Entfernung der ersten und zweiten AchseEntfernung
der zweiten und dritten AchseEntfernung der dritten und
vierten Achse
2,1002,9002,100
mmm
Gesamter Achsstand
7,100
m
Seitliches Spiel der ersten und vierten Achse
1
mm
„ „ „ zweiten „ dritten
„
17
mm
Anzahl der Akkumulatorenelemente
192
Gewicht der Elektroden eines Elements
90
kg
Kapazität der Elemente bei 500 Amp. Ent-
ladestromstärke
1000
Amp.-Std.
Belastung der ersten Achse
11500
kg
„ „ zweiten „
11500
kg
„ „ dritten „
11400
kg
„ „ vierten „
11400
kg
Gesamtgewicht des Wagens
45800
kg
Die nach Zeichnungen der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn in den Werkstätten von Sautter-Harlé et Cie. in Paris erbauten Elektromotoren
sind symmetrisch zur Längsachse der Lokomotive gebaut und demnach mit zwei
Kollektoren versehen; die aus weichem Stahl gefertigten Magnetschuhe sind derartig
aufgehängt, dass sie stets zentrisch zur Achse bleiben. Zu dem Zwecke wird jeder
Elektromagnet von zwei vertikalen Stangen getragen, die an den äussersten Enden
eines horizontalen Hebels angreifen, der unter Vermittelung einer Stange, die sich
auf eine Schraubenfeder stützt, am Rahmengestell aufgehangen ist. Der obere Teil
dieser Stange ist mit Gewinde versehen, über welches eine Mutter greift, mittels
welcher die Lage der Magneten bezüglich des Rahmens genau eingestellt werden
kann.
An Kontrollinstrumenten sind vorhanden: je ein Strommesser für den gesamten durch die
Anker der Motoren gehenden Strom, den Erregerstrom und den zum Antrieb des
Luftkompressors verbrauchten Strom, ferner ein Spannungsmesser für die
Klemmenspannung der Motoren, einer für die Batterie auf der Lokomotive und zwei für
die Batterien des Akkumulatorwagens.
Diese Instrumente bieten ebenso wie die beiden Bremsvorrichtungen – von Hand und
mittels Druckluft – nichts Bemerkenswertes.
Zum Umsteuern der Lokomotive bezw. zum Umkehren des Erreger Stromes dient ein Hebel,
welcher in drei verschiedene Stellungen gebracht werden kann.
Liegt der Hebel nach vorn, so legt er sich gegen die Stange eines Ventils, und wird
er ganz zurückgelegt, so legt er sich gegen die Stange eines zweiten Ventils. In
beiden Fällen wird Druckluft einem Quecksilberkommutator zugeführt, der aus zwei
miteinander verbundenen Cylindern besteht, in denen sich federbelastete Kolben
bewegen. Je nachdem man hinter den einen oder anderen Kolben Druckluft treten lässt,
wird das Quecksilber mit dem auf ihm ruhenden Plunger gehoben.
Steht der Hebel vertikal, so bethätigt er weder das eine noch das andere Ventil und
diese bringen in diesem Falle die Cylinder des Kommutators mit der Atmosphäre in
Verbindung, womit der Erregerstrom nach dem Anker abgeschnitten ist. Der Apparat
bewirkt hiernach das Schliessen und Unterbrechen des Erregerstromes mit Hilfe eines
Quecksilberbades, dessen Niveau mittels der durch die Kolben bethätigten Plunger
verändert wird.
Hebt man dieses Niveau, so wird der Erregerstrom geschlossen, und will man den
Stromkreis unterbrechen, so lässt man die Druckluft aus dem Apparat entweichen, was
ein Sinken des Quecksilberniveaus zur Folge hat.
Da ein derartiges Sinken bezw. Heben des Flüssigkeitsspiegels im Kommutator immerhin
ein oder zwei Sekunden andauert, würde man sich der Gefahr eines Kurzschlusses
aussetzen, sobald der Steuerhebel plötzlich aus der
einen äussersten Lage in die andere gebracht wird. Um dieses zu verhüten, ist auf
der Führung des Steuerhebels ein elektrischer Riegel angebracht, der durch Strom von
den Klemmschrauben der Anker bethätigt wird und verhütet, dass der Steuerhebel die
vertikale Stellung überschreitet, so lange der Erregerstrom noch nicht abgeschnitten
ist.
Der in der mittleren Abteilung der Lokomotive vollständig isoliert aufgestellte
Anlasswiderstand (Rheostat) besteht aus einem rechteckigen Kasten aus Eisenblech von
etwa 2 cbm Inhalt, in den zwei Reihen von je zehn Bleiplatten, in Art der Elektroden
eines Akkumulators, in Entfernungen von je 100 mm vertikal eingehängt sind. Der
Kasten steht durch zwei Röhren von je 150 mm Durchmesser mit einem ebenfalls
isolierten eisernen Behälter in Verbindung, der unterhalb der Plattform aufgehängt
ist und eine schwache Lösung von kohlensaurem Natron enthält, die auch in den Kasten
eintritt, ohne jedoch mit den in diesem befindlichen Bleiplatten in Berührung zu
kommen. Soll der Anlasswiderstand in Thätigkeit treten, so bringt der Führer nach
Stellang eines Dreiwegehahns den genannten Behälter mit einem Ventilgehäuse in
Verbindung, aus welchem Druckluft in den ersteren strömt, welche die darin
befindliche Flüssigkeit in den oberen Kasten verdrängt.
Hat dieselbe die höchsten Stellen der Bleiplatten beinahe erreicht, so bespült sie
den unteren Teil einer aus Blei bestehenden Hilfsplatte, wodurch sich ein lokaler
Stromkreis schliesst. Infolgedessen kommt ein Apparat in Thätigkeit, welcher die
beiden Reihen Bleiplatten des Rheostaten in Kurzschluss bringt und ausserdem eine im
Führerhaus befindliche Lampe entzündet. Der Führer hat dann die weitere Zufuhr von
Druckluft in den unteren Behälter abzustellen. Will man den Strom unterbrechen bezw.
den Widerstand ausschalten, so lässt man die Druckluft aus dem unteren Behälter
entweichen, worauf das Wasser wieder schnell zurückfliesst. Die Lampe verlöscht dann
zunächst und der Kurzschluss ist aufgehoben. Der Widerstand des Rheostaten wächst
mit dem Sinken des Flüssigkeitsspiegelsund der Strom ist schliesslich gänzlich
abgeschnitten.
Der beschriebene Flüssigkeitswiderstand dient hauptsächlich zum Ein- oder Ausschalten
des Stromes beim Anfahren oder Anhalten des Zuges. Man kann aber auch die
Stromstärke mittels desselben regeln, wenn man das Niveau der Flüssigkeit in
verschiedenen Höhen hält. Dieses Mittel der Regelung der Stromstärke sollte aber, da
ein nutzloser Energieverlust damit verknüpft ist, nur in Ausnahmefällen angewandt
werden.
Damit die Stromstärke in einem der beiden von den Akkumulatoren kommenden Leitern aus
irgend welcher Ursache nicht unverhältnismässig hoch wird, sind in die von den
Akkumulatorwagen kommenden Leitungen Unterbrecher eingeschaltet, durch welche
Elektromagnete bethätigt werden, deren Anker das Luftaustrittsventil des unteren
Behälters selbstthätig öffnen, sobald die Stromstärke in den Leitern 1200 Ampère
übersteigt.
Ein Umschalter gestattet, die nach den Elektromotoren führenden Leitungen entweder
mit Strom aus den Batterien des Anhängewagens oder aus der Batterie der Lokomotive
zu speisen.
Ein zweiter Umschalter kann durch einen Hebel in drei verschiedene Stellungen
gebracht werden, wobei die Akkumulatoren des Wagens und die Motoren der Lokomotive
in verschiedener Weise geschaltet sind.
In der einen Stellung werden die beiden Batterien des Wagens parallel und die Motoren
in Reihe, in der anderen die Batterien und Motoren hintereinander, und endlich in
der dritten Stellung die Batterien in Reihe und die Motoren parallel
geschaltet. Zum Ingangbringen, wie auch zum Regeln der Geschwindigkeit der Luftpumpe
des Kompressors dient ein Rheostat mit Hebel.
Um fehlerhafte Verrichtungen des Führers, welche unheilvolle Folgen für die Erhaltung
der Apparate und der Batterien haben könnten, zu vermeiden, sind die verschiedenen
Steuereinrichtungen durch Verriegelungen voneinander abhängig gemacht.
Versuche, welche zur Prüfung der Brauchbarkeit der mechanischen und elektrischen
Einrichtungen der Lokomotive, sowie der Leistungsfähigkeit der Akkumulatoren
angestellt wurden, ergaben mit einem Traingewicht von 147 t – die Lokomotive nicht
inbegriffen – Geschwindigkeiten von 45 km/Std.; hierbei waren die Motoren in Reihe geschaltet.
Bei Parallelschaltung der Motoren wurde mit 100 t Traingewicht auf ebener Strecke
eine Geschwindigkeit von 100 km/Std. erzielt. Die Motoren machten 500 Umdrehungen in
der Minute; die Stromstärke eines jeden Motors erreichte etwa 700 Ampère. Die
gesamte elektrische Leistung der Lokomotive beträgt in diesem Falle etwa 500
Kilo-Watt, was bei einem Wirkungsgrade der Motoren von 0,9 einer Leistung von 611
entspricht.
3. Verschiedene Einzelteile.
Während bei Schiffsmaschinen und stationären Dampfmaschinen Kolbenschieber schon seit
vielen Jahren vorteilhafte Verwendung gefunden haben, sind dieselben bei Lokomotiven
erst in neuester Zeit in Aufnahme gekommenEngineering vom 11. Juli 1897, S.
798.. Man hatte früher dem Umstände nicht genügend Rechnung getragen,
dass die Lokomotiven zeitweilig längere Strecken mit geschlossenem Regulator, also
mit abgesperrtem Dampfe zurücklegen, wodurch, da währenddessen die Dampfkolben eine
saugende Wirkung ausüben, Rauchkammergase, vermischt mit Flugasche und Sand, durch
das Blasrohr in die Cylinder gelangen und die Arbeitsflächen der Kolbenschieber
beschädigen. Aeltere Kolbenschieber arbeiteten sich auch leicht in die Gleitflächen
des Futters ein, wenn sie bei geringeren Füllungsgraden nur einen Teil ihres vollen
Hubes zurücklegten. Hieran leiden allerdings auch Flachschieber, doch waren die
Folgen des Undichtwerdens bei den Kolbenschiebern älterer Bauart, die ausserdem noch
den Uebelstand zeigten, dass sie das Niederschlagswasser nur mangelhaft ableiteten,
in Bezug auf die Betriebsfähigkeit der Lokomotive weit fühlbarer, als bei Verwendung
der ersteren. Um den Uebelständen zu begegnen, verwendet die Midlandeisenbahn leicht
auswechselbare Kolbenschieber von einfacher, leichter Bauart, die bei allen
Füllungsgraden die Arbeitsflächen des Futters überstreichen und bei denen auch die
Abführung des Niederschlagwassers leicht von statten geht. Um auch die Saugwirkung
der Kolben bei geschlossenem Regulator aufzuheben, ist ein selbstthätiges Luft- und
Dampfeinlassventil zur Verwendung gekommen, welches durch Einführen einer Mischung
von Dampf und Luft die Schmierung der Kolbenschieber bewirkt.
Textabbildung Bd. 312, S. 189
Kolbenschieber.
c Federnder Ring; d Drei
Segmente.
Wie die Abbildungen Fig.
19 bis 21
zeigen, ist der Kolbenschieber an seinen beiden Kopfenden mit je einem, nach dem
Abdrehen durch Sprengen in drei Teile a zerlegten Ringe
aus harter Bronze versehen, neben welchem ein nur einmal geschnittener federnder
Ring aus weicherem Metall liegt. Dieser deckt die zwischen den Teilen a verbleibenden Fugen nach der Seite hin dampfdicht ab, während sie
am Umfange durch in den Oeffnungen des Futters angeordnete Stege gedeckt werden.
Die Ringstücke a werden durch radiale Stifte, die sich
in einer Nut des Kolbenschieberdeckels führen, in der richtigen Lage erhalten und
durch den Dampf auf ihre Arbeitsflächen gedrückt; sie können sich jedoch von diesen
entfernen, wodurch ein freies Entweichen des Niederschlagwassers ermöglicht wird.
Die Schnittfuge des federnden Ringes erhält behufs dampfdichter Abdichtung nach dem
Umfange hin eine Zunge, während seine Verdrehung durch einen im Kolbenkörper
befestigten Dübel gesichert ist.
Der in das Luft- und Dampfeinlassventil tretende Kesseldampf füllt zunächst den Raum
b (Fig. 22) oberhalb
des Dampfventils an und strömt nach Anheben desselben durch die Düse a1 in den Stutzen a2. Hier mischen sich
Dampf und Luft und gelangen vereint in den Schieberkasten. Das Luftventil ist
glockenartig gestaltet und am Umfange mit mehreren Lufteinlassschlitzen
versehen.
Textabbildung Bd. 312, S. 190
Fig. 22. Luft- und Dampfeinlassventil.
c Nach dem Schieberkasten; d
Dampfrohr vom Kessel; e Dampfventil; f Luftventil; g Luftwege.
Was die Vorzüge der Kolbenschieber gewöhnlichen Schiebern gegenüber anbelangt, so
gewähren dieselben die Möglichkeit, grosse Cylinder mit weiten, aber kurzen
Dampfkanälen verwenden zu können, womit eine günstige. Dampfeinströmung und ein
schneller freier Auspuff, sowie eine Verkleinerung des schädlichen Raumes erzielt
wird; sie erfordern ferner, nach angestellten Versuchen, nur etwa ein Sechstel der
zum Betriebe von Flachschiebern aufgewendeten Arbeit und ihre Abnutzungen betrugen
bei einer Leistung von fast 161000 km nur etwa den sechsten Teil derjenigen, welche
bei gewöhnlichen Schiebern auftreten. Sollte ein Ringstück a brechen, so bleibt die Lokomotive, da die Bruchstücke in ihrer Lage
gehalten werden, dennoch betriebsfähig.
Die Pennsylvaniabahn führt bei ihren Lokomotiven den in Fig.
23 dargestellten Speisekopf, Patent William
Wright, einOrgan für die Fortschritte des Eisenbahnwesens,
1897 Heft 1 S. 25.. Das Rückschlagventil ist innerhalb des
Kessels angeordnet, damit bei Unfällen ein Verbrühen der Lokomotivmannschaft auch
nach dem Abreissen der Speiserohre ausgeschlossen ist.
Der Speisekopf b ist aus Messing und zwar mit so
sparsamer Verwendung dieses Materials hergestellt, wie sich mit einer kräftigen und
dauerhaften Bauart vereinigen lässt. Die Anbringung des Kopfes erfolgt mittels
kräftiger Schrauben auf einem mit dem Kessel vernieteten Flansch a, dessen in den Kessel hineintretender Arm a1 den Hub des
senkrecht angeordneten Rückschlagventils auf 6 mm begrenzt. Der mit dem Speisekopf
durch Kopfschrauben verbundene Flansch d des leicht
gehaltenen und deshalb bei Unfällen u.s.w. wenig Widerstand gegen Abreissen
bietenden Knierohres für den Anschluss der Speiseleitung liegt in einem Ausschnitte
der Kesselbekleidung, durch welchen der Speisekopf mit dem Rückschlagventil leicht
entfernt werden kann.
Textabbildung Bd. 312, S. 190
Fig. 23. Speisekopf, Patent Wright.
Da nennenswerte Kesselsteinablagerungen bei dem durch den geringen Ventilhub
bedingten kräftigen Wasserstrome nicht vorkommen können, soll das Rückschlagventil
gut dicht halten. Auch ein Neueinschleifen des Ventils soll bequem auszuführen
sein.
Das Herausfliegen glühender Kohlenteilchen aus den Schornsteinen wird bei den
Lokomotiven der Chicago Indianapolisbahn, wie in Fig.
24 ersichtlich, durch in die Rauchkammer unmittelbar vor die Feuerröhren
gestellte Ablenkplatten verhütet, welche die mitgerissenen glühenden Kohlenteilchen
zwingen, sich zwischen gusseiserne konische Stifte an der Rauchkammerthürwand bezw.
der Rauchkammerthür entlang gegen schräg gestellte Siebe zu bewegen, durch welche
hindurch sie genügend zerkleinert und ausgelöscht in den Schornstein treten. Mit
dieser Anordnung werden auch Ansammlungen unverbrannter Kohlenteilchen in der
Rauchkammer, die nur etwa 380 mm länger als gewöhnlich auszuführen ist,
vermiedenRevue de Mécanique, Juli 1898 S.
101..
Textabbildung Bd. 312, S. 190
Fig. 24. Vorrichtung zur Verhütung des Herausfliegens glühender Kohlenteilchen
aus dem Schornstein bei den Lokomotiven der Indianapolisbahn.
Bei der Baltimore- und Ohiobahn angestellte Versuche mit dem Funkenfänger von Bell haben ergeben, dass derselbe eine bedeutend
grössere Lebensdauer hat, als die in den verlängerten Rauchkammern in üblicher Weise
angebrachten FunkenfängerOrgan für die Fortschritte des Eisenbahnwesens,
1897 Heft 4 S. 87..
Ausser einem in verschiedenen geneigten Ebenen angeordneten Funkensiebe a (Fig. 25) zeigt der
Bell'sche Funkenfänger ebenfalls eine vor den
Feuerröhren liegende, aus zwei durchlochten Platten gebildete Ablenkplatte b. Der den Feuerröhren zunächst liegende, fast
senkrecht angeordnete Teil des Funkensiebes befindet sich aber hier vor den Dampfrohren, so dass diese nicht durch das Sieb
hindurchtreten und missliche Abdichtungen vermieden werden.
Die stark geneigten Funkensiebe sollen das Hindurchtreten grösserer Kohlenstücke
wirksamer verhindern, als nur wenig geneigte oder wagerecht gelegte.
Textabbildung Bd. 312, S. 190
Fig. 25. Funkenfänger von Bell.
Das im Jahre 1892 im Verwaltungsbezirke der Preussischen Staatsbahnen eingeführte
Wechselventil Mallet v. Borries'scher Bauart (1896 301 255), welches ausschliesslich vom Dampfdrucke bewegt
wird, leidet trotz der von dem Ingenieur Jost erst
kürzlich angegebenen Verbesserungen (1898 308 * 145) noch
immer an dem Uebelstande, dass die Wechselkolben durch den rasch eintretenden
Dampfüberdruck und die rasch wechselnden Druckverminderungen während des Leerlaufes
oft heftig gegen den Boden der vorderen Kolbenführung und den Sitz des hinteren
Kolbens geschleudert werdenGlaser's Annalen vom 1. Dezember 1897, S.
218.. Hierdurch sind öfter Brüche, Lockerungen der Kolben, auch
der Stange u.s.w. entstanden.
Diese Schäden können vermieden werden, wenn die Steuerung der Wechselkolben so
eingerichtet wird, dass sie der Bewegung einer Handhabe mit langem Hube genau folgen müssen, sich
also nicht rascher als letztere bewegen können. Die diesem Erfordernis entsprechende
neue Vorrichtung (D. R. P. Nr. 95148) ist in Fig. 26 und 27 dargestellt. Sie
besteht aus einem Doppelkolben ab mit hohler Verbindung
c und Ansatz d,
welcher mittels der Stange s in einem Gehäuse
verschoben werden kann. In der Stellung I (Fig. 26) gelangt der aus
dem Hochdruckcylinder bei h austretende Dampf durch e unmittelbar zum Blasrohr, während der
Niederdruckcylinder durch f und n frischen Dampf erhält; die Maschine arbeitet also mit Zwillingswirkung.
In der Stellung II (Fig. 27) strömt der
Dampf aus h nach n; e und
f sind abgesperrt. Die Maschine arbeitet also mit
Verbundwirkung. Die Stange s ist gegen den Kolben ab etwas verschiebbar und am Kolben a mit einem Ventil v
versehen, welches beim Umstellen der Kolben von I nach
II gegen die Höhlung c
geschoben wird und diese soweit abschliesst, dass der durch das enge Rohr r strömende frische Dampf vor dem Kolben a soviel Ueberdruck gegen b und d erhält, als nötig ist, um die Kolben
langsam in die Stellung II zu verschieben. Der letzte
hinter b befindliche Dampf entweicht durch die Nute n1 nach n. Der Ueberdruck auf a
hält die Kolben in dieser Stellung, so lange das Ventil v die Höhlung c abschliesst. Wird die Stange
s zurückgezogen, so gibt das Ventil v die Höhlung frei, der frische Dampf drückt auf den
Ansatz d stärker als auf a
und bewegt die Kolben hinter dem Ventil v her in die
Stellung I zurück.
Textabbildung Bd. 312, S. 191
Steuerung der Wechselkolben.
Der Kolben a ist um so viel grösser als b, dass der Druck in den Räumen n, c und vor a demjenigen des frischen
Dampfes auf d dann das Gleichgewicht hält, wenn er etwa
gleich der halben Eintrittsspannung in f ist. Steigt
die Spannung in n etwas, so verschliesst der Ueberdruck
auf a mittels des Ansatzes d die Einströmung des frischen Dampfes aus f
soweit, dass jener Druck wieder auf die Hälfte desjenigen bei f sinkt; verringert sich der Druck in n infolge stärkeren Dampfverbrauches des
Niederdruckcylinders, so tritt das Umgekehrte ein.
Es findet also eine selbstthätige Druckverminderung des dem Niederdruckcylinder
zuströmenden frischen Dampfes statt. Das Durchströmen einer geringen Menge frischen
Dampfes durch r bleibt hierauf ohne Einfluss. Die
Druckminderung ist Vorbedingung für gleichmässiges, ruckfreies Anziehen, wodurch ein
Abreissen der Züge vermieden wird.
Läuft die Lokomotive leer, so werden die Kolben durch Einklinken des Handgriffes in
Stellung II festgehalten; bei Leerlauf und beim
Stillstehen können die vom Druck entlasteten Kolben mit der Hand frei verschoben
werden. Unter Dampfdruck stellen die Dichtungsringe und das Ventil v einen dichten Abschluss her.
Textabbildung Bd. 312, S. 191
Fig. 28. Trickschieber von Watkeys.
Damit der Dampf erst nach dem Zurücklegen eines hinreichend grossen Kolbenweges aus
den Cylindern der Lokomotiven entweichen und möglichst lange Arbeit in diesen
verrichten kann, hat H. Watkeys, Obermaschinenmeister
der Chicago-Indianapolis- und Louisvillebahn, die Höhlung des in Fig. 28 ersichtlichen Trickschiebers noch mit zwei
Querstegen a versehen und ferner den im Schieberspiegel
liegenden Ausströmkanal durch einen mittleren Steg geteiltThe Engineer vom
9. Juli 1897, S. 39..
Fig. 28 zeigt den Schieber in seiner Mittelstellung
und auch die Anordnung, welche zu treffen ist, wenn derselbe an Stelle eines
gewöhnlichen Trickschiebers Verwendung finden soll. In diesem Falle ist auf der
bisherigen Schieberkastengleitfläche ein mit entsprechenden Schlitzen versehener
Rahmen von etwa 50 mm Stärke zu befestigen.
Textabbildung Bd. 312, S. 191
Fig. 29. Doppelschiebersteuerung von Panaux.
Bewegt sich der Schieber aus seiner Mittellage von rechts nach links, so wird der
linke Dampfkanal im Cylinder für den Ausströmdampf geöffnet, der nun in die
Schieberhöhlung tritt. Aus dieser kann er jedoch nicht, wie gewöhnlich, sofort in
den Ausströmkanal und ins Freie entweichen, sondern erst dann, wenn sich der
Schieber um etwa 13 mm weiter nach links bewegt und die in der
Schieberkastengleitfläche liegenden Ausströmkanäle geöffnet hat. Da jetzt der
Ausströmquerschnitt doppelt so gross ist, als bei Anordnung eines einzigen
Ausströmkanales, wird der Dampf ohne Hindernisse schnell ins Freie gelangen.
Um bei Lokomotiven, welche mit höheren Expansionsgraden arbeiten, die Drosselung des
Einströmdampfes möglichst herabzumindern, schlägt François
Panoux in Paris die Anwendung von Doppelschiebersteuerungen in der in Fig. 29 ersichtlichen Ausführung vor (D. R. P. Nr.
92370).
Der mit Durchlasskanälen a1 versehene Muschelschieber a wird in der
gewöhnlichen Weise je nach der Stellung eines in der Kulisse gh geführten Steines i bewegt, während der
auf dem Rücken des Schiebers a gleitende
Expansionsschieber b seine Bewegungen mittels der
Verbindungsstange lm von dem Festpunkt l in der Mitte der Kulisse ableitet.
Textabbildung Bd. 312, S. 191
Fig. 30. Vorrichtung zur Verminderung des Gegendruckes auf den Kolben von
Fay.
Die geringste Füllung entspricht der grössten Schieberbewegung. Um grössere Füllungen
zu erhalten, nähert man den Gleitklotz i dem
Mittelpunkte der Kulisse, um so das Abschliessen der Durchlassöffnungen a1 des Grundschiebers
durch den Expansionsschieber zu verzögern. Auf diese Weise lassen sich Füllungsänderungen von etwa 5
bis 30 % des Kolbenhubes erreichen, ohne dass beim Anfahren übermässig grosse
Dampfaustritts- oder Kompressionsperioden eintreten.
Verringert man den Schieberhub noch weiter, so wird schliesslich der Durchlasskanal
a1 durch den
Expansionsschieber nicht mehr geschlossen und es reguliert nun der Grundschieber die
Dampf ein Strömung, die bis etwa 60 % des Kolbenhubes verlängert werden kann,
allein.
Ein Uebelstand der Steuerung ist darin zu erblicken, dass, da die Oeffnungen der
Durchlasskanäle a1
durch den Expansionsschieber bestimmt werden, diese bei mittleren Füllungsgraden dem Arbeitsdampfe den kleinsten Durchlassquerschnitt bieten. Das Umgekehrte ist bei den sonst
gebräuchlichen Kulissensteuerungen der Fall! Nur in Fällen, wo es sich um die
Beförderung leichter Züge auf günstig gelegenen Strecken handelt, können die Vorzüge
der besprochenen Steuerung ausgenutzt werden.
Henry Roland Fay in Boston schlägt vor, behufs
Verminderung des Gegendruckes auf den Kolben ausser der Hauptausströmung a (Fig. 30) noch eine
durch den Hahn c vom Führer beherrschte
Nebenausströmung b anzubringen, die sich etwa
gleichzeitig mit der Einströmung des Dampfes an dem einen Cylinderende, z.B. bei d1, zu öffnen beginnt,
wenn die gewöhnliche Dampfausströmung am anderen Cylinderende, bei d2, fast ganz geöffnet
ist und sich erst wieder schliesst, wenn die Dampfeinströmung am ersten Cylinderende
unterbrochen wird (D. R. P. Nr. 94523). Für einen schnellen Abzug des Auspuffdampfes
wäre es jedenfalls zweckmässiger, wenn die Nebenausströmung b gleichzeitig mit dem Ausströmkanal der betreffenden Cylinderseite durch
den Schieber geöffnet würde. Eine derartige doppelte Ausströmung wird z.B. mittels
des vorbesprochenen Trickschiebers der Chicago-Indianopolis- und Louisvillebahn und
zwar ohne Anordnung noch eines besonderen Hahnzuges erreicht.