Titel: | Die Nernst-Lampe der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft, Berlin. |
Fundstelle: | Band 312, Jahrgang 1899, S. 198 |
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Die Nernst-Lampe der Allgemeinen
Elektrizitäts-Gesellschaft, Berlin.
Die Nernst-Lampe der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft,
Berlin.
Im Mai 1899 hielt Prof. Dr. Walther Nernst aus
Göttingen im Sitzungssaale der Allgemeinen
Elektrizitätsgesellschaft in Berlin vor einem geladenen Publikum einen mit
Demonstrationen verbundenen Vortrag über die von ihm erfundene neue Glühlampe.
Generaldirektor Rathenau begrüsste zunächst die
Anwesenden und führte folgendes aus:
„Sicherlich erinnern sich einzelne von Ihnen, meine Herren, der elektrischen
Ausstellung in Paris vor 17 Jahren und der ersten Vorführung der
Glühlichtbeleuchtung. Mehrere geräumige Säle waren mit den Erfindungen und
Konstruktionen Edison's angefüllt; den Kernpunkt
dieser Darbietungen, vielleicht der gesamten Ausstellung, bildete das neue
Beleuchtungssystem.
Seit Jahrzehnten hatte man sich daran gewöhnt, die einzige Möglichkeit
zentralisierter Beleuchtung im Gaslicht zu sehen, und die Gasanstalten
hatten, im beruhigten Vertrauen auf ihre Monopole, sich im wesentlichen damit
beschäftigt, durch Verbilligung ihrer Gasbereitung die Einnahmen zu
steigern.
Hier in Paris zeigte sich nun ein Beleuchtungssystem, der Eigenart einer neuen, im
grossen Massstabe nie benutzten Naturkraft angepasst und durchgearbeitet bis auf
die letzten Einzelheiten, das in jedem Sinne von allem abwich, was man bisher in
Gaszentralen zu sehen gewohnt war.
Hier handelte es sich nicht mehr um eine Lampe, sondern um ein System. Dampfdynamos von bisher unbekannter
Konstruktion und Leistungsfähigkeit, ein durchgearbeitetes Leitungsnetz, das an
jeder Stelle den Strom mit vorausberechneter Spannung zu entnehmen gestattete,
komplette Hausinstallationen mit geeigneten Leitungen und Isolationen:
Reguliervorrichtungen und Sicherungen, nicht anders, als sie noch heutigen Tages
verwendet werden – kurz, der ganze Apparat der modernen elektrischen
Beleuchtungstechnik, wohl zwar verbesserungsfähig, doch immerhin in allen
Grundzügen fertiggestellt, lag hier als Werk eines einzelnen Mannes vor den
Augen der Welt. Auch die Lampe selbst hatte bereits mit dem Kohlenbügel, der
Glasbirne und der Metallfassung ihre endgültige Gestalt angenommen. Entsprechend
Edison's damaligem Patentanspruch: „Eine
elektrische Lampe, die durch Weissglühen Licht gibt und in der Hauptsache
aus Kohlenfaser von grossem Widerstände besteht, welche, wie beschrieben
hergestellt und mit den metallischen Drähten verbunden ist,“ werden noch
heute Millionen von Glühlampen jährlich in allen Kulturländern hergestellt. Dass
der Erfinder den verdienten Lohn seiner Arbeit nicht gefunden hat, sei nebenher
erwähnt: nur in wenigen Ländern vermochte die Patentgesetzgebung sein Eigentum
gegen die Unzahl der auftauchenden Nachahmungen zu schützen.
Für den Elektriker ergab sich nun die Aufgabe, Zentralen zu bauen und die
Ausnutzbarkeit derselben nach Möglichkeit zu steigern. Um letzteres zu
erreichen, sind zwei Wege vorhanden: man schafft entweder Lampen mit möglichst
geringem Stromverbrauch oder solche, die es gestatten, mit möglichst hoher
Spannung zu arbeiten. Im ersten Falle reicht die ganze Zentrale für eine
grössere Zahl von Lampen aus, im zweiten Falle wird das Leitungsnetz in seiner
Aufnahmefähigkeit verstärkt.
In beiden Richtungen ist seit den achtziger Jahren gearbeitet worden, und nicht
ohne Erfolg. Der Stromverbrauch der Lampen hat sich erheblich vermindern lassen,
und es ist gelungen, bis mehr als zum Doppelten der früher üblichen Spannung zu
gelangen. Damit scheint aber die Ausbildungsfähigkeit der Kohlenglühlampe
erschöpft zu sein, und es bedurfte eines neuen Prinzips, um einen Schritt vorwärts zu kommen.
Ich überlasse es Berufeneren, Ihnen, meine Herren, darüber zu berichten, wie es
möglich wurde, als Glühkörper Stoffe zu verwenden, die man bisher als
Nichtleiter der Elektrizität betrachtete, und so eine Lampe herzustellen, die an
Oekonomie die bisherigen weit übertrifft und Spannungen zu verwenden gestattet,
denen die Kohlenglühlampe nicht würde widerstehen können. Mein Bericht hatte nur
den Zweck, zu erläutern, dass das Wesen der neuen Beleuchtung nicht allein in
der Ersparnis von ein paar Zentnern Kohlen liegt, sondern dass es sich um
weitergehende Aufgaben handelt: die Ausnutzung der
Leitungsnetze und Zentralen und die Schaffung eines billigen Lichtes für den
bürgerlichen Hausbedarf. So wenig wie irgend eine der neueren
Beleuchtungsarten irgend eine der alten verdrängt hat, glaube ich, dass die
Nernst-Lampe sich an die Stelle des Glühlichts oder des Bogenlichtes setzen
wird. Ihr Platz wird in der Mitte zwischen beiden sein, und sie wird sich zum
Kohlenglühlicht etwa so verhalten wie die Auer-Lampe zum alten Gaslicht.
Wiederum stehen wir, meine Herren, wie damals in Paris, an der Wiege einer neuen
Beleuchtungsart. Zwar handelt es sich hier nicht um neue Naturkräfte und
ungeahnte Wirkungen, sondern um die rationelle und wirtschaftliche Verwendung
der Elektrizität zur Beleuchtung. Sollten aber die Hoffnungen weiterer Kreise
sich in der That verwirklichen – und nach den bisherigen Ergebnissen liegt kein
Grund vor, daran zu zweifeln –. so wird das elektrische Licht mit Erfindung der
elektrolytischen Leuchtkörper nicht länger als Vorrecht der Begüterten seinen
Triumphzug auf Paläste und vornehme Häuser beschränken; die neue Lampe wird
alsdann vielmehr in die Hütten und Werkstätten Minderbemittelter eindringen und
den Wettbewerb mit untergeordneten Beleuchtungsmitteln auch in ökonomischer
Hinsicht erfolgreich bestehen.“
Hierauf nahm das Wort Prof. Dr. Walther Nernst aus
Göttingen:
„Hochverehrte Anwesende! Wenn ich an die Worte des Herrn Generaldirektors gleich
anknüpfen darf, so möchte ich meiner Freude über das gute Omen Ausdruck geben,
dass meine Lampe unter den Auspizien des verehrten Vorredners der
Oeffentlichkeit übergeben werden soll. Dieselbe Energie und Thatkraft, mit
welcher die Direktion der Allgemeinen
Elektrizitätsgesellschaft, in erster Linie ihr Generaldirektor, der Edison'schen Lampe sieb angenommen hat – besitzt
diese Gesellschaft doch heute die grösste Glühlampenfabrik der Welt! – hat uns
nunmehr in den Stand gesetzt, Sie zur Vorführung der neuen Lampen
einzuladen. Und heute möchte ich daher zuerst die Gelegenheit ergreifen, um
meiner Dankbarkeit dafür Ausdruck zu geben, dass der Herr Generaldirektor Rathenau und der Leiter der Glühlampenfabrik, Herr
Bussmann, durch die grossen Schwierigkeiten,
auf die wir bei der praktischen Ausgestaltung der neuen Lampen stiessen, niemals
sich entmutigen, vielmehr zu immer grösseren Anstrengungen sich anspornen
liessen. –
Im Jahre 1877 liess sich Jablochkoff eine elektrische
Lampe patentieren, bei der Plättchen aus Kaolin und ähnlichen Substanzen durch
die Funken einer Induktionsrolle erhitzt und hierauf durch den Strom der Rolle
im Glühen erhalten wurden. Teils wegen ihres schlechten Nutzeffekts, vor allem
aber wohl wegen der mannigfachen Gefahren und Missstände, die Spannungen von
vielen tausend Volt mit sich bringen, ist diese Lampe nie in Gebrauch gekommen
und deshalb fast völlig vergessen. Um so mehr scheint es mir eine Pflicht der
Pietät, wenn ich zunächst Ihnen den Jablochkoff-Versuch vorführe.
Ohne von dem erwähnten Patent Kenntnis zu haben, wurde ich durch rein theoretische
Erwägungen zu dem Schlusse geführt, dass mit Kohle oder anderen metallischen
Leitern als Glühkörper elektrische Glühlampen von gutem Nutzeffekt nicht
herzustellen sind, dass sie aber mit Leitern zweiter Klasse (elektrolytischen
Leitern) prinzipiell möglich sein müssen. Es ist ja bekannt, dass jede
Lichtquelle neben Lichtstrahlen auch Wärmestrahlen aussendet, welche letzteren
jedoch zum eigentlichen Zweck der Lampe nicht nur nichts beitragen, sondern
obendrein nutzlos Energie verzehren (beim gewöhnlichen Glühlichte ca. 97 %, beim
Bogenlichte ca. 90 % der hineingesteckten Energie); je höher man die Temperatur
der lichtspendenden Substanz steigern kann, um so günstiger wird das Verhältnis
von Licht zur Wärme, und der bessere Lichteffekt einer Bogenlampe beruht
lediglich darauf, dass man ihre Kohlenstifte durch den Lichtbogen auf weit
höhere Temperaturen bringt, als es der Faden einer Glühlampe auf die Dauer
verträgt. Da man nun aber aus praktischen Rücksichten die Temperaturen der
bisherigen elektrischen Lampen kaum wird erheblich steigern können, so ist auch
auf eine erhebliche Vermehrung des Lichteffekts wenig Aussicht
vorhanden.
Sehr viel weiter würde man natürlich kommen, wenn man als Glühkörper Substanzen
verwenden könnte, die wenig Wärmestrahlen emittieren, bei denen also die
hineingesteckte elektrische Energie möglichst vollständig als Licht erscheint.
Dass unter den metallisch leitenden Materialien, gleichgültig, ob es sich um
reine metallische Substanzen oder um Gemische von metallisch leitenden
Substanzen mit seltenen Erden o. dgl. handelt, solche Substanzen nicht zu finden
sein werden, scheint mir aus folgender Ueberlegung mit Sicherheit hervorzugehen.
Alle undurchsichtigen Stoffe müssen nach einem von Kirchhoff entdeckten und völlig sicheren Naturgesetze viel mehr
Wärmestrahlen als Lichtstrahlen aussenden, indem sie das sogen. normale Spektrum
eines schwarzen Körpers liefern; nach der ebenso vortrefflich begründeten
elektromagnetischen Lichttheorie müssen andererseits die metallisch leitenden
Stoffe undurchsichtig sein. Daraus folgt also, dass sehr ökonomische Lampen
(aussei- wenn man mit den Temperaturen der Bogenlampen oder womöglich noch
höheren operieren kann) mit metallischen Leitern nicht herzustellen
sind.
Eine gewisse Analogie zu unserem Problem bietet die Erzeugung des Lichts in den
Gasflammen; solange Kohlenteilchen, wie früher, ausschliesslich die Träger der
Lichtemission waren, hatte man stets durch strahlende Wärme empfindliche
Verluste, und ihr Ersatz durch Substanzen, die kein normales Spektrum liefern,
insbesondere durch den Auer'schen Strumpf, war
daher ein enormer Fortschritt. Dabei möchte ich vor einem weitverbreiteten
Missverständnis warnen; man braucht dem Auer'schen
Strumpf zwar weniger Energie hinzuzuführen als Kohlenteilchen, um eine gewisse
Lichtmenge zu erhalten, bei gegebener Temperatur aber strahlen umgekehrt
Kohlenteilchen mehr Licht aus als das Auer'sche
Gewebe, weil ja das Maximum der Emission, und zwar sowohl für Licht als für
Wärme, der Kirchhoff'sche schwarze Körper liefert.
Nur weil das Verhältnis von Licht zur Wärme beim Auer'schen Strumpf sehr viel günstiger ist als beim glühenden
Kohlenstoff, vermag der erstere viel leichter die hohe Temperatur der Flamme
anzunehmen, und deshalb ist der Auer-Brenner der gewöhnlichen Gasflamme so
bedeutend überlegen. Auf die, wie ich glaube, überzeugenden Experimente, die ich
zur Prüfung dieser Anschauung gemacht habe, kann ich hier nicht eingehen; nur
möchte ich noch bemerken, dass das Auer-Problem mir die Anregung zu den
Versuchen bot, die schliesslich zur Herstellung der neuen elektrischen Glühlampe
führten.
Es genügt nun zwar, das Auer'sche Gewebe in die
Gasflamme zu bringen, um es auf hohe Temperatur und damit zum hellen Leuchten zu
bringen; für uns aber bleibt die Frage bestehen, wie die elektrische Erhitzung von Magnesia und ähnlichen Oxyden möglich ist.
Von Funkenbildung abgesehen, vermag selbst hochgespannte Elektrizität solche
Substanzen wegen ihrer hohen Isolierfähigkeit nicht zu durchdringen und zu
erwärmen; „die Benutzung der Funken von grosser Spannung, um Streifen von
feuerfesten Körpern zur Weissglühhitze zu bringen“, wie der
Patentanspruch von Jablochkoff lautete, ist für die
Praxis, wie schon erwähnt, fast aussichtslos. Bekannt ist zwar, dass im
geschmolzenen Zustande Oxyde und andere Elektrolyte sehr gut leiten, aber es ist
ebenfalls aussichtslos, mit geschmolzenen Glühkörpern zu operieren. Die von van t'Hoff vor einigen Jahren entwickelte
Auffassung der festen Lösungen liess aber wenigstens die
Existenz fester Elektrolyte von praktisch genügender Leitfähigkeit
ahnen, und durch Vorversuche konstatierte ich alsbald, dass Gemische von Oxyden,
z.B. von Magnesia und Porzellan, bei hohen Temperaturen überraschend gute Leiter
werden.
Ein weiteres Bedenken liefert der Umstand, dass Elektrolyte durch den galvanischen
Strom chemisch zersetzt werden, und die Befürchtung lag nahe, dass derselbe
Strom, der den Elektrolyt in heller Weissglut erhält, alsbald ihn gleichzeitig
durch seine chemische Einwirkung zerstört. Bei Anwendung von Wechselströmen fand
ich die Elektrolyse zu geringfügig, um Störungen zu veranlassen, wie dies auch
von vornherein zu erwarten war. Schliesslich aber glückte es auch, die sehr viel
stärkere elektrolysierende Wirkung des Gleichstromes praktisch unschädlich zu
machen.
Damit aber sind wir immer noch nicht im stande, eine Lampe mit im kalten Zustande
isolierenden Glühkörpern zu bauen, denn auch nach Stromschluss bleibt der
Glühkörper als Isolator völlig kalt. Erwärmt man aber gleichzeitig den
Glühkörper, so wird er ein wenig leitend, ein schwacher Strom durchfliesst ihn,
bringt ihn nunmehr auf immer höhere Temperatur, unser Glühkörper wird zu einem
ausgezeichneten Leiter und bleibt es, solange der Strom geschlossen ist. Zur
Anregung des Glühkörpers ist also eine Vorwärmung erforderlich, und wir
konstruieren so durch Kombination eines elektrolytischen Glühkörpers mit einer
stets paraten äusseren Wärmequelle eine gebrauchsfertige Lampe. Die völlige
Unverbrennlichkeit der Oxyde macht das schützende Vakuum der gewöhnlichen
Glühlampe entbehrlich.
Am einfachsten macht sich die Vorwärmung des Glühkörpers mit einem Streichholze.
Man erhält so eine zwar billige, aber nicht sehr bequeme Lampe. Ein zweiter Weg
besteht in der Kombination des Glühkörpers mit einem elektrischen Heizkörper,
der auf geeignete Weise durch den Strom, welcher den Glühkörper durchfliesst,
ausgeschaltet wird; wir haben so die Automatlampe, die freilich ihr Licht erst
10 bis 20 Sekunden nach Stromschluss zu spenden vermag. Ich habe sowohl mit
feststehenden wie mit beweglichen Heizkörpern Lampen konstruiert.
Vielleicht könnte man meinen, dass nach den mitgeteilten Betrachtungen und auf
Grund der vorgeführten Versuche alle Bedenken beseitigt seien und dass man
nunmehr rüstig an die Fabrikation der Lampen gehen könne; ich selber muss
gestehen, dass ich vor etwa einem Jahre ebenfalls dieser Meinung war. Ich wusste
damals noch nicht, welche Hindernisse zu überwinden sind, ehe ein im
Laboratorium leidlich funktionierender Apparat der allgemeinen Benutzung
übergeben werden kann; und auch dann, wenn es gelungen ist, die weite Kluft
zwischen Erfindungsgedanken und seiner wirklichen Ausführung oder, wie man sich
in der Regel ausdrückt, zwischen Theorie und Praxis zu überbrücken, hat man doch
noch einen weiten, dornenvollen Weg von der Laboratoriumspraxis bis zur Praxis
des täglichen Lebens zurückzulegen.
Herr Bussmann wird die Freundlichkeit haben, seine
Erfahrungen über die praktische Ausgestaltung der neuen Lampen uns persönlich
mitzuteilen“.
Hiernach ergriff das Wort Bussmann, Oberingenieur der
Glühlampenfabrik der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft
Berlin, der in Gemeinschaft mit Dr. Ochs und
Dr. Salomon die Aufgabe gelöst hatte, die Erfindung von
Prof. Nernst dem praktischen Gebrauch dienstbar zu
machen. Bussmann führte folgendes aus:
„Gegenüber der Kohle, die, wie schon erwähnt, in allen übrigen Lichtquellen
(Bogenlicht, Gaslicht, elektrisches Glühlicht) den leuchtenden Körper bildet,
haben die feuerfesten Körper der Nernst-Lampe den Vorteil, dass sie vom
Sauerstoff der Atmosphäre nicht angegriffen werden. Ein solcher Leuchtkörper
braucht also nicht in einem luftleeren Raum eingeschlossen zu werden; die vielen
Fehlerquellen, die das Evakuieren der gewöhnlichen Glühlampen verursacht,
bestehen daher für die neue Lampe nicht. Das Licht, das diese Körper
ausstrahlen, ist der Farbe nach dem Tageslicht sehr ähnlich. Es hat zwar nicht
die warmen gelben Farbentöne des Glühlichts, ist dafür aber ebenso frei von dem
Violett der Bogenlampe wie von dem Grün der Auer-Lampe.
Dem Kohlenbügel der Glühlampe gegenüber haben die neuen Leuchtkörper dagegen den
schon erwähnten Nachteil, dass sie bei gewöhnlicher Temperatur nicht leiten und
dass eine Erwärmung bis auf etwa 700° C. notwendig ist, um sie genügend leitend
zu machen.
In der Praxis geschieht die Erwärmung des Nernst'schen Leuchtkörpers in einfachster Weise mit einem brennenden
Streichholz; ist er zum Schutz gegen Bruch mit einer Glasglocke umgeben, so wird
er durch eine an der untersten Stelle der Glocke angebrachte Oeffnung mit einem
Spirituszünder erhitzt. Solche Lampen lassen sich leicht in der üblichen
Glühlampenform herstellen. Sie sind billig und gestatten überdies, den
Leuchtkörper, wenn er versagt, einfach gegen einen neuen auszuwechseln, Sockel
und Glocke aber wieder zu benutzen. Können die Lampen nicht so bequem angebracht
werden, dass das Anzünden von aussen möglich ist, oder erscheint das Anregen mit
einer Flamme zu umständlich, so kommen Lampen mit selbstthätiger Zündung in
Betracht. Die selbstthätige Anregung des Stiftes geschieht dadurch, dass der
elektrische Strom einen feinen Platindraht, der, auf ein Porzellanröhrchen
gewickelt, dicht bei dem Leuchtkörper angebracht ist, ins Glühen bringt und
dadurch den Leuchtkörper erhitzt, bis er leitet. Mit dem Leuchtkörper ist ein
Elektromagnet in Serie geschaltet, der, sobald er durch den Strom des
Leuchtkörpers magnetisiert wird, durch Anziehen seines Ankers den Stromkreis des
Heizkörpers öffnet. Der ganze Mechanismus ist so einfach, dass er im
Lampensockel selbst untergebracht werden konnte und dass ein Versagen
unwahrscheinlich ist. Selbstverständlich ist der Anschaffungspreis einer Lampe
mit Selbstzündung ungleich höher als der einer Lampe ohne Selbstzündung. Die
Mehrkosten werden durch den selbstthätigen elektromagnetischen Ausschalter und
durch den Heizkörper verursacht. Für jenen ist die gleiche Gebrauchsdauer
anzunehmen wie für eine Lampenfassung, Abnutzung findet nicht statt. Für den
Heizkörper hingegen kann man eine gleiche Gebrauchsdauer nicht garantieren; aber
er hat, auch nachdem er unbrauchbar geworden ist, noch etwa ⅔ seines
ursprünglichen Wertes. Uebrigens wird der Platindraht voraussichtlich bald durch
ein billigeres Material ersetzt werden können, das denselben Dienst leistet. Im
übrigen sind die Herstellungskosten der Ersatzteile, nämlich des Heiz- und des
Leuchtkörpers, gering, so dass der Ersatz der Lampenbrennstunde für den
Konsumenten voraussichtlich nicht höher sein wird, als es der Glühlampenersatz
in der gleichen Zeit wäre.
Die Lebensdauer der Leuchtkörper hängt von der Stromzufuhr ab, wenn auch nicht im
gleichen Masse wie bei den Glühlampen. Wenn die Spannungsschwankungen das
normale Mass nicht überschreiten, kann schon jetzt auf eine Lebensdauer von 300
Stunden gerechnet werden. Begrenzt wird die Lebensdauer des Glühkörpers in der
Regel durch eine allmählich eintretende molekulare Veränderung seines Stoffes.
Damit ist stets eine Verminderung der mechanischen Festigkeit und häufig auch
eine Widerstandserhöhung verbunden, die ein Herabsinken der Leuchtkraft zur
Folge hat. Es ist dann wahrscheinlich, dass eine äusserliche Erschütterung oder
die bei dem Anzünden und Auslöschen auftretenden inneren Reibungen sehr wohl im
stande sind, den mechanischen Zusammenhang in solchem Falle ganz zu
lösen.
Der Energieverbrauch für die Nernst-Lampe ist zur Zeit auf 1½ bis 1¾ Watt per
Kerze festgesetzt worden. Die Nernst-Lampe wird zunächst für 25 Kerzen, 50
Kerzen und 100 Kerzen für Spannungen von 110 und 220 Volt hergestellt werden. Es
sind aber auch Versuche im Gange, Lampen von solcher Grösse herzustellen, dass
sie nicht nur die Wechselstrombogenlampen, sondern auch die kleineren Typen der
Gleichstrombogenlampen, Jandus-Lampen etc., mit Erfolg ersetzen können. Als
Sockel können bei Lampen mit selbstthätiger Zündung wegen der Schwierigkeit, den
Ausschalter einzupassen, einstweilen nur Gewinde- (Edison-) und Bajonett-
(Swan-) Sockel verwendet werden, für die Lampen ohne selbstthätigen Ausschalter
(Anzünderlampen) werden aber voraussichtlich die meisten der marktgängigen
Sockel bis auf weiteres beibehalten werden können.
Die Fabrikation im kleinen Massstabe ist bereits begonnen worden. Ein neues
Fabrikgebäude, das im Laufe des Sommers in Betrieb genommen werden kann, wird
die Fabrikation im grossen aufnehmen.
Um jedem Missverständnisse vorzubeugen, betonen wir ausdrücklich, dass wir neben
der Fabrikation der Nernst-Lampe die Glühlampenfabrikation in vollem Umfange
weiterführen. Wir glauben keineswegs, dass die Nernst-Lampe die Glühlampe in
absehbarer Zeit verdrängen wird, wenn sie auch auf die weitere Steigerung des
Verbrauchs an Glühlampen wie an Bogenlampen nicht ganz ohne Einfluss bleiben
wird. Die entschiedenste Wendung in der Gestaltung unseres Beleuchtungswesens
wird sie aber voraussichtlich dadurch herbeiführen, dass sie das durch die
Auer-Lampen verloren gegangene Gebiet wieder zurückerobern wird. Nicht allein
wird durch sie das elektrische Licht für die allgemeine Strassenbeleuchtung
geeignet gemacht werden, sondern es wird mit ihrer Hilfe endlich auch, wie
bereits Herr Generaldirektor Rathenau eingangs
genauer ausführte, die elektrische Beleuchtung aufhören, eine Luxusbeleuchtung
zu sein, vielmehr auch allen denen zugänglich werden, die bisher der hohen
Kosten wegen darauf verzichten mussten.“