Titel: Die Stufenbahn auf der Pariser Weltausstellung 1900 und ihre Vorläufer.
Fundstelle: Band 313, Jahrgang 1899, S. 3
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Die Stufenbahn auf der Pariser Weltausstellung 1900 und ihre Vorläufer. Die Stufenbahn auf der Pariser Weltausstellung 1900 und ihre Vorläufer. Unter den jüngeren, zur Bewältigung der Personen-Massenbeförderung innerhalb beschränkter Gebiete, namentlich auf Ausstellungen in Versuch gekommenen Verkehrsmitteln ist die sogen. Stufenbahn (vgl. D. p. J. 1891 281 143) in vieler Hinsicht die interessanteste. Der Betrieb dieser Bahnen gilt als besonders sicher, indem sowohl der Fahrweg als die die Sitzplätze tragenden Fahrzeuge ein ununterbrochenes, in sich zurückkehrendes Ganzes bilden, und sonach nirgends durch Weichen oder Kreuzungen unterbrochen werden oder Hindernisse im Geleise vorfinden können. Alle auf diese Einrichtungen und Möglichkeiten zurückzuführenden Unfälle, wie beispielsweise Zugsstreifungen, Zusammenstösse und Entgleisungen sind also von vorhinein hintangehalten. Da ferner die Schienen, Räder und Antriebsvorrichtungen durch Verschalungen vollkommen abgeschlossen sind, so entfallen auch alle diesfälligen Gefährdungen und selbst das Ausgleiten einer Person auf einer der Plattformen der Bahn kann keine grösseren Nachteile nach sich ziehen als auf dem Erdboden. Für die Fahrgäste liegt ein besonderer Vorteil in der gleichmässigen, vollständig stossfreien Geschwindigkeit der Fahrzeuge, welche keinerlei Bremsvorrichtungen erfordern und für das Kommen und Gehen der Fahrgäste ihren Lauf nicht erst zu massigen brauchen. Die letzteren können vielmehr von jedem beliebigen Punkte der Strasse aus die Sitzplätze der Bahn mit wenigen Schritten erreichen oder verlassen, ohne dass zu diesem Behufe das sonstige, so zeitraubende Anhalten erforderlich ist. Mit dieser Bequemlichkeit verbindet sich noch eine Leistungsfähigkeit, welche die grössten Anforderungen übertrifft, die an irgend ein Verkehrsmittel ähnlicher Art bisher gestellt worden sind. Wenn die Fahrgeschwindigkeit der wie die Glieder einer Kette ohne Ende aneinander gereihten Fahrzeuge einer Stufenbahn nur 9,6 km/Std. beträgt, wie es bei den bisherigen praktischen Ausführungen immer der Fall gewesen ist, und auf je 3,65 m Bahnlänge 12 Sitzplatze entfallen, so beläuft sich die Maximalzahl der Personen, welche in der Stunde befördert werden können, auf \frac{3,65}{12}\,\times\,9600=31578, eine Zahl, welche unter gleichen Gewichts Verhältnissen des rollenden Materials und unter Aufwendung der gleichen Zugkräfte wohl kaum von irgend einem verwandten Verkehrsmittel erreicht werden kann. Dabei ist auch der Bedarf an Zugsbeamten nur ein ganz geringer, da sich derselbe lediglich auf mehrere Schaffner erstreckt, welche die Aufgabe haben, den ungewandten Fahrgästen beim Aufsteigen oder beim Verlassen der Fahrbahn behilflich zu sein, und auf ein paar Beamte, welche die Bezahlung des Fahrgeldes überwachen. Selbstverständlich fehlt es den Stufenbahnen nicht auch an leidigen Schattenseiten, an deren Spitze wohl die Misslichkeit steht, dass das System nur für relativ kurze Anlagen brauchbar erscheint und bezüglich des Befahrens schärferer Kurven keine Eignung besitzt. Die volle äusserste Leistungsfähigkeit wird während des Betriebstages nur in wenigen Stunden zur Geltung gelangen, wogegen in all der übrigen Zeit bei einer um so niedrigeren Leistung der ganze Betriebs aufwand derselbe bleibt. Schon die laufende Unterhaltung bietet Schwierigkeiten, insofern sie im wesentlichen nur in den dienstfreien Stunden, also während der Nacht vorgenommen werden kann; einzelne plötzlich eintretende Gebrechen an dem rollenden Material können aber, selbst wenn sie an sich ganz geringfügig sind, kleinere oder grössere Unfälle verursachen oder mindestens Verkehrsstörungen veranlassen, die sich stets auf den gesamten Verlauf der Bahn ausdehnen. Alle Reparaturen an jenen Teilen, welche unter den Bodenplatten liegen, werden sich in der Regel nur ausführen lassen, wenn die Bahn ausser Betrieb gestellt ist. Tritt auch nur auf einem Punkte der Bahn die Notwendigkeit ein, dass daselbst die Bewegung aufhöre, so erstreckt sich dieser Zwang auf die ganze Bahnlinie. Im übrigen sind die mit den Stufenbahnen gemachten praktischen Erfahrungen bisher so gering, dass die hieraus in Betreff der Vorzüge und Nachteile dieses Verkehrsmittels gewonnenen Urteile noch keineswegs als erschöpfend oder endgültig gelten können. Ausser der von den Gebrüdern Wilhelm und Heinrich Rettig, den Erfindern der Stufenbahn, im Jahre 1889 in Münster i. W. ausgeführten, 160 m langen Probelinie ist nur noch 1891 eine zweite 270 m lange Probelinie im Jakson-Park in Chicago, ferner im Juli des darauffolgenden Jahres im Gebiete der Chicago er Weltausstellung eine 1281 m lange, und im Jahre 1895 auf der Berliner Gewerbeausstellung eine 463,016 m lange Linie zur Ausführung gelangt. Neuerlich steht nun auch anlässlich der im nächsten Jahre stattfindenden Pariser Weltausstellung die Errichtung einer Stufenbahn in Aussicht, welche alle bisherigen Beispiele nicht nur der Ausdehnung nach beträchtlich übertreffen soll, sondern auch von den älteren Anlagen hinsichtlich der Antriebsweise und mancher anderer wichtiger Teile vollständig verschieden sein wird. Es war also in diesem Falle wieder geboten, vorerst durch eine kleine Probelinie sich über die Zulässigkeit und die Vor- oder Nachteile der Neuerungen Rechenschaft zu geben, und hatte man zu diesem Zwecke vorigen Jahres in Saint Ouen eine Versuchsanlage hergestellt, die unausgesetzt den sorgsamsten Beobachtungen unterzogen worden ist. Erst die hier erzielten ausserordentlich befriedigenden Ergebnisse waren dafür ausschlaggebend, dass dasselbe System endgültig für die Weltausstellung angenommen wurde, wo diese jüngste Stufenbahn den Personenverkehr auf dem Ausstellungsringe, zwischen dem Marsfelde und dem Invalidenplatze (vgl. Fig. 7) zu vermitteln haben wird. Ueber diese soeben in Ausführung begriffene Anlage und die betreffenden Vorstudien hat Armengaud unlängst in der Gesellschaft der Zivilingenieure in Paris einen Vortrag gehalten (vgl. Revue industrielle vom 19. Mai 1899), der um so interessanter ist, als er auch auf die Entwickelungsgeschichte und auf die konstruktiven Eigentümlichkeiten fast aller einschlägigen älteren Systeme erläuternde Streiflichter wirft. Armengaud findet mit Recht das Urbild der Stufenbahn in der sogen. Rollbahn (Rollweg, Chemin mobil), deren erster Vertreter, wie es scheint, von Dalifor erdacht und als Ersatz für die gewöhnlichen Omnibuslinien in Städten, ausdrücklich für die Massenbeförderung von Personen, in Vorschlag gebracht worden ist. Das Eigentümliche dieses 1880 in Frankreich patentierten Verkehrsmittels, dessen Anordnung der in Fig. 1 dargestellte Querschnitt erkennen lässt, besteht im direkten Gegensatze zu den Eisenbahnen und Trambahnen. Während nämlich bei den letzteren die Fahrbahn festliegt, der Motor aber beweglich ist, soll an der „Rollbahn“, wie schon der Name andeutet, die Fahrbahn beweglich, dagegen der Motor festliegen. Zu dem Ende sollte die Fahrbahn eine in sich zurückkehrende Kurve bilden und aus zweierlei Plattformen bestehen, wovon die einen HH1 (Fig. 1) gleichsam die Bahnsteige darstellen und unbeweglich festliegen, während die anderen AA1 die Fahrstrasse bilden, beweglich sind und die hintereinander angebrachten schmalen Querbänke SS1 für die Fahrgäste tragen. Wie schon aus der Zeichnung hervorgeht, sollte das Verkehrsmittel auf einem von Säulen getragenen Viadukte errichtet werden, hoch genug, um dem Verkehr der gewöhnlichen Strassenfuhrwerke nicht hinderlich zu sein; ferner war die Anlage zweigeleisig gedacht, derart, dass sich die Wagen AS hinwärts, A1S1 aber herwärts bewegen und durch eine fortlaufende Scheidewand W voneinander abgetrennt sind. Die Platten A und A1 sollten aus einem endlosen Kranze von dicht aneinander gereihten Teilen (Wagen) bestehen, die von je zwei auf festen Schienen laufenden Räderpaaren oder Rollen BB bezw. B1B1 getragen werden. Schienen und Räder sind unter der Fahrbahn, die also hier gleichzeitig Fahrzeug ist, vollständig verborgen. Zum Antriebe der sich gleich einem wagerechten Paternosterwerke bewegenden Wagen hat ein stabiler Motor zu dienen, der diese Aufgabe, wie Dalifor in seiner Patentschrift hervorhebt, in verschiedener Weise lösen könne, sei es mittels Reibungsscheiben, mittels Zahnstangenantriebes oder mittels Seile und Rollen, wie es in Fig. 1 angedeutet erscheint. Für je 200 m Weg bezw. innerhalb jenes Zeitintervalls, welches diesem Wege entspricht, war ein Anhalten der ganzen Fahrbahn vorgesehen, um das Ein- und Absteigen der Fahrgäste zu ermöglichen. Während dieses Anhaltens hatte der einsteigende Fahrgast nur einen grösseren Schritt von dem Bahnsteig H auf die bewegliche Platte A zu machen und hier auf der Sitzbank Platz zu nehmen, sowie der absteigende auf die unbewegliche Platte H überzutreten. Bis zu einem praktischen Versuche ist das Projekt infolge des frühzeitigen Todes des Erfinders nicht gediehen. Textabbildung Bd. 313, S. 4 Fig. 1.Rollbahn von Dalifor. Im Jahre 1886 erwarb Blot das Patent für eine Rollbahn, die von der früher geschilderten, wie der in Fig. 2 ersichtlich gemachte Querschnitt nachweist, wesentlich abweicht. Auch diese Anlage ist als Hochbahn gedacht, jedoch nur eingeleisig und, damit sie möglichst schmal werde, mit zwei Sitzbänken S und S1 versehen, die mit dem Rücken einander zugekehrt, fortlaufend längs der ganzen Bahn angebracht sind. Die bewegliche, in sich selbst zurückkehrende Fahrbahn AA1 kann von einem der unbeweglichen, sie rechts und links einfassenden Bahnsteige T oder T1 durch einen Schritt erreicht werden; sie besteht aus lauter eng aneinander gereihten, durch Scharniere untereinander verbundenen, durch Bretter verschalten Rahmengestellen aus Flach- und Winkeleisen, welche zu unterst die beiden parallelen Laufschienen F und F1 tragen. Durch Vermittelung dieser Schienen lauft die Fahrbahn auf ausgekehlten Räderpaaren EE1, die in gleichen Abständen in unbeweglichen Achslagern längs der ganzen Strecke angebracht sind, und in deren Nuten die betreffenden Schienenstränge hineinpassen. Eine Anzahl der Radachsen D haben als Triebachsen zu dienen, d.h. sie haben das Geleise bezw. die damit verbundene Fahrbahn durch Adhäsion fortzuschieben, zu welchem Behufe ein Elektromotor B die Achse D durch Vermittelung des Zahnrades C antreibt. Da die Bewegung der Fahrstrasse eine ziemlich rasche sein sollte, waren auch von Blot regelmässige Fahrtunterbrechungen vorgesehen, die alle zwei Minuten erfolgen und den weniger kühnen Fahrgästen ein bequemes Auf- und Absteigen gestatten sollten. Gegenüber dem Dalifor'schen System unterscheidet sich also das Blot'sche im besonderen durch den in Aussicht genommenen elektrischen Betrieb und durch die Anwendung von Antriebrädern mit unbeweglichen Achslagern. Diese letzte Anordnung ist übrigens bereits im Jahre 1884 einem gewissen Bliven in Amerika als Karusselleinrichtung patentiert worden. Blot wollte seine Rollbahn auf der Pariser Ausstellung im Jahre 1889 zur Ausführung bringen und legte die diesfälligen Pläne schon 1887 der Ausstellungskommission vor, wo sie freundliche Beurteilung fanden. Allein infolge des Sturzes des damaligen Handelsministers Locroy ist auch die Verwirklichung des Blot'schen Projektes unterblieben. Textabbildung Bd. 313, S. 5 Fig. 2.Rollbahn von Blot. Textabbildung Bd. 313, S. 5 Fig. 3.Stufenbahn von den Gebrüdern Rettig. Allen diesen Vorläufern der Stufenbahn haftet gleich den sonstigen Strassen- oder Trambahnen der Uebelstand an, dass ein beträchtlicher Teil ihrer Leistung durch das oftmalige Anhalten verloren geht; es war sonach besonders erstrebenswert, ein Verkehrsmittel zu ersinnen, bei dem das Anhalten ganz erspart wird, indem die Bewegung der Fahrzeuge unausgesetzt gleich bleiben kann, ohne das Auf- und Absteigen der Fahrgäste zu behindern oder zu gefährden. Diese Aufgabe ist von den Gebrüdern Wilhelm und Heinrich Rettig zuerst gelöst worden und zwar in der Weise, dass sie zwei, drei oder auch mehrere sich in derselben Richtung bewegende, parallele Rollbahnstränge dicht nebeneinander anordnen, wovon bloss der oberste A (Fig. 3) als eigentliche Fahrbahn eingerichtet, nämlich mit Sitzplätzen versehen wird, während die übrigen T und T1 lediglich die Stelle von Bahnsteigen einnehmen. Die sonstige Einrichtung der einzelnen Rollbahnstränge ist insofern ganz übereinstimmend, als jeder derselben aus einer Anzahl vierräderiger, auf einem Geleise laufender, untereinander enge gekuppelter, flacher Fahrzeuge besteht, die eine Kette ohne Ende bilden und mittels je eines Drahtseiles KK1K2, das seinen Antrieb von einer Dampfmaschine oder sonst einem Motor erhält, gezogen werden. In Fig. 3 wird die Rettig'sche Stufenbahn als Untergrundbahn angedeutet; sie könnte jedoch ebensowohl als Hochbahn angeordnet werden und ist auch bisher noch nie in einer anderen als in der letztgenannten Form ausgeführt worden. Das Massgebende und Wichtigste an der Einrichtung liegt in der Ungleichheit und in dem bestimmten gegenseitigen Verhältnisse der Geschwindigkeiten der einzelnen Rollbahnstränge. Es soll nämlich der erste niedrigste Strang ohne Nachteil gleich vom festen Erdboden aus betreten werden können; dies ist nur dann der Fall, wenn sich T nicht schneller bewegt als etwa ein rasch dahinschreitender Fussgänger. Die Erfinder geben daher dem ersten der beweglichen Bahnsteige T eine Fahrgeschwindigkeit von 1,5 m pro Sekunde und unter diesem Umstände lässt sich in der That der Uebertritt ohne Anstand bewerkstelligen, insbesondere wenn sich der Fahrgast dabei einer der reichlich vorhandenen Handhaben H bedient. Um den weiteren Aufstieg zu ermöglichen, darf auch die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den nebeneinander liegenden Strängen nicht grösser sein, als 1,5 m pro Sekunde; so wird also die Fahrgeschwindigkeit des zweiten Stranges T1 pro Sekunde 3 m und jene des dritten Stranges A pro Sekunde 4,5 m betragen. Ersichtlichermassen liesse sich bei entsprechender Vermehrung der Bahnsteigstränge schliesslich für das eigentliche Fahrzeug selbst die Geschwindigkeit der schnellfahrenden Eisenbahnzüge erreichen, während nichtsdestoweniger für gesunde Menschen das Besteigen oder Verlassen des endlosen Zuges keinerlei Schwierigkeiten darbieten würde. Durch diese Abstufungen in der Höhenlage und in der Fahrgeschwindigkeit der zusammenwirkenden Rollbahnstränge hat sich mit Recht der bezeichnende Name Stufenbahn ergeben. Die Durchführbarkeit des Rettig'schen Systems wurde auf der bereits eingangs erwähnten Probestrecke in Münster 1889 vor Behörden und einem geladenen Publikum erfolgreich nachgewiesen. Textabbildung Bd. 313, S. 5 Fig. 4.Stufenbahn von Schmidt und Silsbee. Im Jahre 1890 wurde in Chicago der Plan gefasst, eine Stufenbahn für die Ausstellung zu errichten, und zu dem Ende 1891 im Jakson-Park eine Probelinie erbaut, an der das Rettig'sche System bezüglich der Zugförderung durch die Ingenieure Schmidt und Silsbee eine Vervollkommnung erfuhr, indem sie das weiter oben angeführte, zuerst von Bliven für ein Karussell, dann von Blot (Fig. 2) für seine Rollbahn angewendete Prinzip in Kombination zogen. Der Vorteil dieses Prinzips liegt in der bekannten Thatsache, dass ein am äussersten Umfange der Räder eines Wagens bewegter Körper doppelt so rasch fortschreitet, als der Wagen selbst. Bei der von Schmidt und Silsbee eingerichteten Stufenbahn (Fig. 4) waren nur zwei rollende Stränge vorhanden, DD1 und JJ1; hiervon bildete der erstere den bewegten Bahnsteig, der letztere die eigentliche Fahrbahn, weshalb er mit den Sitzbänken S für die Fahrgäste versehen ist. Auf einem Geleise von gewöhnlichen Breitfussschienen AA1 laufen die Räder RR1; je zwei Radachsen bilden ein Truckgestell, d.h. sie tragen nach Art der gewöhnlichen Eisenbahnwagen auf den Achsenstummeln einen Rahmen PP1, auf dem die beiden Dielen D und D1 angebracht sind. Der Rahmen PP1 liegt so tief, dass die obersten Teile der Radspurkränze frei darüber hinaus reichen. Die besagten Druckgestelle oder Wagen sind wieder, wie in allen früher besprochenen Fällen, nach Art einer endlosen Kette in erforderlicher Anzahl hintereinander gekuppelt. Auf den Spurkränzen der Räder R und R1 liegen mit ihrer unteren Kante die Flachschienen C bezw. C1 auf, welche jede für sich einen längs der ganzen Bahn fortlaufenden geschlossenen Kranz bilden, und die, durch Querbleche oder Balken BB1 verbunden, zwei Längshölzer i0 und i'0 tragen, auf welchen schliesslich die Dielen JJ1 mit den Sitzbänken S samt Schutzdach angebracht sind. Ein gewisser Prozentsatz der Truckgestelle ist als elektrische Motorwagen eingerichtet, die den erforderlichen Betriebsstrom mittels eigener Stromabnehmer aus einer längs der ganzen Bahn vorhandenen, aus Altschienen hergestellten Speiseleitung empfangen, während die Fahrschienen A und A1 als Rückleitung dienen. Sobald die Untergestelle PP1 in Bewegung gelangen, werden auch die Obergestelle BB1 bezw. JJ1 durch Adhäsion in Lauf geraten, und zwar die letzteren mit doppelt so grosser Geschwindigkeit als die ersteren. Genau nach diesem Muster errichtete man die im Juli 1893 eröffnete, 1281 m lange definitive Stufenbahn der Chicagoer Weltausstellung mit dem einzigen Unterschiede, dass sie als Hochbahn ausgeführt wurde und nur auf einer Seite, wie der Querschnitt Fig. 5 erkennen lässt, den beweglichen Bahnsteig D hatte. Der Radstand der Untergestelle betrug hier 1,753 m, der Durchmesser an den Rädern RR1 0,457 m und die Spurweite des Geleises AA1 1,143 m; die Flachschienen C und C1 hatten eine Höhe von 100 mm und eine Stärke von 13 mm. Im ganzen waren 350 Untergestelle und ebenso viele Obergestelle vorhanden, wovon unter den ersteren jedes fünfunddreissigste als Antriebwagen mit zwei Elektromotoren eingerichtet war. Von den Obergestellen enthielt jedes einzelne vier Sitzbänke mit je drei Sitzen. Die Fahrgeschwindigkeit des Bahnsteiges D betrug 4,8 km/Std. (1,333 m pro Sekunde), jene der Fahrbahn JJ1 9,6 km/Std. (2,666 m pro Sekunde). Bei vollkommener Benutzung aller 4200 Sitzplätze entfielen für jede Person nur 113 kg des rollenden Materials. Während der Ausstellung wurden durchschnittlich täglich, d. i. innerhalb 10 Arbeitsstunden, 6000 und an den verkehrsreichsten Tagen bis zu 10000 Personen befördert. Textabbildung Bd. 313, S. 6 Fig. 5.Stufenbahn der Chicagoer Weltausstellung. Eine verkleinerte Nachahmung der Chicagoer Ausstellungs-Stufenbahn ist im Jahre 1896 auch auf der Berliner Gewerbeausstellung errichtet worden, mit der Aufgabe, den Verkehr zwischen dem Vergnügungspark und dem Ausstellungsgelände zu vermitteln. Diese im ganzen 463,016 m lange Strecke ruhte auf hölzernen Böcken, welche in Abständen von etwa 5 m auf Monier-Cementplatten fundiert und durch Längsbalken untereinander steif verbunden waren. Was aber den Oberteil anbelangt, so besass die Bahn im wesentlichen genau die in Fig. 5 dargestellte Anordnung. Das Geleise AA1 bestand aus 7 m langen Stahlschienen von 10 kg Gewicht pro laufenden Meter. Die Spurweite betrug 1,14 m und der Radstand an den Untergestellen 2,6 m. Dieselben Fahrzeuge (Sitze), welche auf der amerikanischen Weltausstellung in Benutzung standen, wurden auch in Berlin verwendet und waren direkt von der Multiple Speed and Traction Company in Chicago käuflich erworben worden. Nur hinsichtlich der Flachschienenkränze C und C1 bestand ein konstruktiver Unterschied insofern sie in Berlin nicht fest zu je einem einzigen endlosen Bande vereinigt, sondern aus einzelnen, die Länge des Wagens besitzenden Stücken zusammengesetzt waren, welche an den Stössen mittels Sattelstücken übereinander griffen; eine Anordnung, vermöge welcher das Befahren der Krümmungen mit geringerer Abnutzung der Schienen C und C1 und der Spurkränze der Räder R und R1 verbunden ist. Neben dem Geleise AA1 lag auf isolierenden Unterlagen noch ein dritter, aus ⌶-Eisen hergestellter Strang, welcher die Zuleitung für die elektrischen Motorwagen bildete, von der die letzteren den Betriebsstrom von 500 Volt mittels gleitender Schleifschuhe abnahmen. Von den 124 Wagen, aus denen die Berliner Stufenbahn bestand, waren zehn als Antrieb wagen eingerichtet und mit je einem 15pferdigen Strassenbahnmotor der Berliner Union-Elektrizitätsgesellschaft versehen. Je zwei Motorwagen waren hintereinander geschaltet und das Fahrgeleise AA1 diente als Rückleitung. Zur Sicherung des Publikums hatte man eine besondere Abstellvorrichtung vorgesehen, zu welchem Ende längs der ganzen Bahn in gleichen Abständen verteilt 20 Knöpfe angebracht waren, von denen in Fällen dringender Gefahr nur einer niedergedrückt zu werden brauchte, um die Unterbrechung des Betriebsstromes bezw. das Anhalten der ganzen Bahn zu veranlassen. Obwohl nun die in Chicago und in Berlin ausgeführten Stufenbahnen den an sie gestellten Anforderungen in Bezug auf Bequemlichkeit und Sicherheit der Personenbeförderung, sowie den hinsichtlich der Leistungsfähigkeit gehegten Voraussetzungen bestens entsprochen haben, bleibt dem betreffenden System doch noch vorzuwerfen, dass durch die im Zuge mitgeführten Motoren nicht nur überflüssige tote Last zuwächst, sondern namentlich die Unterhaltung sich schwierig gestaltet und die Gefahr öfterer Betriebsstörungen nahe gerückt wird. Diesem Uebelstande suchte Blot, der 1894 die Errichtung einer Stufenbahn für die Pariser Säkularausstellung anregte, bei seinem jüngsten Entwürfe auszuweichen, indem er wieder auf das bei seiner Rollbahn angewendete Prinzip der stabilen Motoren zurückgriff und sich, um ein nach jeder Richtung hin möglichst vollkommenes Projekt fertig zu stellen, hierzu mit den Ingenieuren Guyenet und Moncable verband. Gleich zu Beginn der diesfälligen Arbeiten erkannte man, dass es von besonderem Vorteile wäre, auch die Fortbewegung der einzelnen Rollbahnstränge mit Hilfe zweier konzentrischer Flachschienenkränze, wie sie in Chicago und in Berlin angewendet worden ist, und die insbesondere für schärfere Krümmungen nicht zu unterschätzende Misslichkeiten mit sich bringt, in irgend einer Weise gründlich zu verbessern. Guyenet schlug zu diesem Zwecke vor, die zwei Flachschienen durch eine einzige, stärkere zu ersetzen, die in der Längsachse der einzelnen Fahrzeuge anzubringen sei. Im Zusammenhange damit musste natürlich jeder der einzelnen Rollbahnstränge seine eigenen, wagenartigen Untergestelle erhalten. Weiter handelte es sich darum, die stabilen Elektromotoren, welche die Rollbahnstränge mittels Friktionswalzen antreiben sollten, derart elastisch zu verlagern, dass allfällige durch Abnutzung oder aus anderen Ursachen an den Spurkränzen der Wagenräder oder an der Höhe der stehenden Schienen vorkommende Abweichungen u.s.w. kein Schleifen oder Leerlaufen verursachen könne. Nach Massgabe dieser Konstruktionsgrundsätze wurde verflossenen Jahres in Saint Ouen eine Versuchslinie errichtet, deren Querschnitt Fig. 6 anschaulich macht. Diese Probestrecke ist eiförmig angelegt und 400 m lang; die schärfste Krümmung entsprich einem Radius von 40 m. Im Längenprofil sind absichtlich Steigungen von 3 ‰ eingeschaltet, weil die definitive Ausführung in Paris ebensolche Maximalsteigungen aufweisen wird. Auch diese jüngste Stufenbahn in Saint Ouen ist als Hochbahn ausgeführt und besteht aus nur zwei beweglichen Strängen B und D1 (Fig. 6) und dem fixen Bahnsteig A. Die Diele des ersten bewegten Stranges B, der als zweiter Bahnsteig dient, ist 90 cm breit und wird ebenso wie die 2 m breite, eigentliche Fahrbahn D von vierräderigen, ganz einfach angeordneten Wagen getragen, die elastisch aneinander gekuppelt sind und auf gewöhnlichen Eisenbahngeleisen laufen. In der Längenachse jedes Wagengestelles ist mittels Winkeleisen die aus zwei hochkantig gestellten und einem Gurtbleche hergestellte Schiene Q bezw. P befestigt; von Wagen zu Wagen sind dieselben durch Feder und Nut lose verbunden und in dieser Form einer elastischen Kette gleiten sie – überall an den Antriebstellen, deren in der ganzen Linie 27 bestehen – auf den Friktionsrollen F bezw. G. Textabbildung Bd. 313, S. 7 Fig. 6.Stufenbahn in Saint Ouen. Der Antrieb dieser letzteren auf einer gemeinsamen Achse H festsitzenden Rollen erfolgt von dem Elektromotor K durch Vermittelung eines Zahnradvorgeleges. Die Fahrgeschwindigkeiten der beiden Stränge sind natürlich proportional den Radien der Friktionsrollen und dieselben können also bei dieser Anordnung des Antriebes ganz beliebig gewählt werden. Vorliegendenfalls ist übrigens das Verhältnis der Geschwindigkeiten zwischen B und D auch wieder wie 1 zu 2 gewählt worden und da sich der Bahnsteig B mit 4 km/Std. bewegt, beträgt die Geschwindigkeit der Fahrbahn D sonach 8 km/Std. Besonders wichtig ist an der Einrichtung die von Moncable angegebene zweckmässige Anbringung der Motoren. Jeder Motor wird von einem eigenen Gestellsrahmen L getragen, der einerseits auf der Drehachse M, andererseits auf dem federnden Gestänge N hängt, welch letzteres sich durch Anziehen oder Lüften einer Schraubenmutter verkürzen oder verlängern lässt. Da die Lager der Achse H auch am zweiten Ende zunächst der Friktionsrolle F durch Stellschrauben gehoben oder gesenkt werden kann, so ist es leicht, die Pression zwischen den Rollen F bezw. G und den Treibschienen Q bezw. P den Bedürfnissen angemessen einzuregulieren. Zufolge des Umstandes, dass die Motoren unterhalb der übrigen Einrichtung ganz für sich angebracht sind, können sie durch entsprechende Verschlusskasten weit besser gegen äussere Einflüsse und namentlich gegen Staub geschützt werden als gewöhnliche Strassenbahnmotoren; auch ist es leicht, an ihnen Reparaturen und Regulierungen durchzuführen, die zum Teil selbst während des Betriebes vorgenommen werden können. Bei der Versuchslinie in Saint Ouen erhalten die 27 Motoren Dreiphasenstrom von einer Elektrizitätsmaschine, die in dem ungefähr 600 m von der Stufenbahn entfernten Werke der Société de la Transmission de la Force par l'Electricité aufgestellt ist. Trotz der Vorteile aber, welche die Dreiphasenströme in Bezug auf Einfachheit im Baue der Motoren bieten, da sie die Unannehmlichkeiten der Reibbürsten ersparen lassen, wird man bei der definitiven Anlage wahrscheinlich wieder auf Gleichstrom zurückgreifen, um ein leichteres Anlaufen zu ermöglichen und die Füglichkeit zu gewinnen, die Geschwindigkeiten nach Massgabe der Anforderungen des Verkehrs innerhalb der zulässigen Grenzen erhöhen oder vermindern zu können. In allem übrigen wird die zur Ausführung endgültig bestimmte und teilweise bereits in Angriff genommene Stufenbahn der Pariser Weltausstellung dem Vorbilde von Saint Ouen genau gleichen; sie wird vom Quai d'Orsay ausgehen, die Rue Fabet und sodann die Avenue de la Motte Piquet durchlaufen, um längs der Avenue de la Bourdonnais wieder zur Ausgangsstelle Quai d'Orsay zurückzukehren. Im ganzen bildet die Bahn ein ungleichseitiges Viereck mit stark abgerundeten Ecken. Die Länge der Stufenbahn wird nahezu 3400 m erreichen und für die Zugförderung werden im ganzen 150 Elektromotoren vorhanden sein. Die erforderliche Energie soll von einem Elektrizitätswerk bezogen werden und zwar wahrscheinlich von jenem, welches die Orleansbahn soeben zu bauen im Begriffe steht. Die Stufenbahn wird beiläufig in einer Höhe von 7 m auf einem aus Winkelblechen hergestellten Traggerüste errichtet, das auf hölzernen, in den Erdboden festgemachten Jochen liegt. Etwa an zehn Stellen wird dem Publikum der Zugang zum festen Bahnsteig durch breite Treppen ermöglicht werden. Da der feste Bahnsteig längs der ganzen Strecke vorhanden sein wird, so gewährt derselbe fortlaufend eine Reihe sehr interessanter Aussichtspunkte, welche die Fahrgäste zum Verweilen einladen, um die Sehenswürdigkeiten zu betrachten, die sich ihren Blicken auf der Esplanade des Invalides, an den Ufern der Seine und im linksseitigen Teile des Marsfeldes darbieten. Auch auf der 2 m breiten Fahrbahn wird es möglich sein, hin und her zu gehen, weil dieselbe nur in gewissen Abständen mit Stühlen und Sitzbänken versehen werden soll, wo die weniger gewandten oder ermüdeten Fahrgäste Platz nehmen können. Hingegen ist die erste schmale Stufe lediglich bestimmt, als beweglicher Bahnsteig das Betreten und Verlassen der Fahrbahn zu vermitteln. Ueber die riesige Leistungsfähigkeit dieser Stufenbahn lässt sich leicht Rechenschaft geben: Wird die Fahrgeschwindigkeit der Fahrbahn mit 8 km in der Stunde gewählt, so erfordert der volle Umlauf der 3400 m langen Strecke 25,5 Minuten; der zurückgelegte Weg belauft sich sonach auf 2,2 m pro Sekunde. Rechnet man pro laufenden Meter auf vier Fahrgäste, was in Anbetracht der aussergewöhnlich grossen Breite der Fahrbahn nicht für übertrieben gelten kann, so würden in der Stunde etwa 32 000 Personen an jedem Punkte vorüberkommen, vorausgesetzt, dass sie alle eine volle Umfahrt mitmachen. Letzteres wird aber im Hinblick der grossen Streckenlänge wohl nur ausserst selten vorkommen; es kann vielmehr ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass die Fahrgäste im Durchschnitte höchstens 2 bis 2,5 km durchfahren, wodurch die mögliche Leistungsfähigkeit wieder um 40 bis 30% steigt. Die Beförderung von 50000 Personen innerhalb einer Stunde und in Zeiten besonderen Andranges – für welchen Fall man immerhin auf fünf Personen pro laufenden Meter rechnen dürfte – sogar von 60000 Fahrgästen pro Stunde erscheint sonach keineswegs ausgeschlossen, und das bedeutet eine so aussergewöhnlich hohe Leistung, wie sie sich mit keinem anderen Verkehrsmittel erreichen lassen würde.