Titel: Unterseeische Boote.
Fundstelle: Band 315, Jahrgang 1900, S. 33
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Unterseeische Boote. Unterseeische Boote. Wie Ingenieur Hachebet im Le genie civil vom 4. November v. J. berichtet, hat sich die öffentliche Aufmerksamkeit in Frankreich seit den glänzenden Erfolgen, welche zu Beginn des letzten Jahres gelegentlich der Manöver der französischen Mittelmeerflotte mit dem Unterseeboote Gustav Zédé erzielt worden sind, wieder mehr denn je dieser Gattung von Schiffen zugewendet. Vor Toulon, wo sich das vorgenannte Unterseeboot dem Geschwader angeschlossen hatte, etwa 500 m hinter den Salinen bei Hyères, tauchte dasselbe zum erstenmal unter, um nach einigen Minuten 200 m weiter wieder an die Oberfläche des Meeres emporzukommen und sofort neuerlich in die Tiefe zu verschwinden. Bei diesen in allen Variationen fortgeführten Uebungen wurden auch mehrere Torpedo aus den Lanzierungsrohren abgeschossen, von denen einer programmmässig das Panzerschiff Magenta erreichte. Später legte das Boot in derselben Weise den ganzen Weg von Toulon nach Marseilles zurück und bewies hierdurch unanfechtbar seine thatsächliche Seetüchtigkeit und tadellose Manövrierfähigkeit. Auf Grund dieses Versuchsergebnisses mit dem Boote Gustav Zédé, wurde seitens der Regierung die Erbauung weiterer unterseeischer Fahrzeuge desselben Systems verfügt und unverzüglich ihrer mehrere davon auf den Werften in Arbeit gegeben. Infolgedessen wird also die Ueberlegenheit, welche in der französischen Marine hinsichtlich des Standes von Unterseebooten gegenüber den anderen Seemächten bereits vorherrschte, neuerdings eine bedeutende Steigerung erfahren. In der That sind in Frankreich bereits seit längerem zwei unterseeische Boote in regelmässigen Dienst gestellt, nämlich seit dem Jahre 1888 der Gymnote, welcher 13 m Länge, eine Maschine von 60 PS und 80 Tonnen Schiffsraum besitzt, sowie der schon früher genannte, 1895 vom Stapel gelassene Gustav Zédé von 40 m Länge, 720 PS und 266 Tonnen Schiffsraum. Ein drittes, nach derselben Bauweise ausgeführtes Unterseeboot Namens Morse ist vorverflossenen Jahres in Cherbourg von Stapel gelaufen und soeben in Vollendungbegriffen. Dasselbe hat 50 m Länge und umfasst 146 Tonnen. Ein viertes Unterseeboot, das jedoch nach anderem Prinzipe ausgeführt ist, befindet sich gleichfalls in der Cherbourger Werfte, um daselbst der Vollendung zugeführt zu werden. Es ist dies der nach dem Entwürfe des Marineingenieurs Laubeuf ausgeführte, am 20. Oktober 1899 von Stapel gelaufene Narval, der 34 m Länge und 100 Tonnen Schiffsraum aufweist und eine Maschine von 200 PS erhalten wird. Man gewärtigt, dass dieses Boot eine Geschwindigkeit von 12 Knoten leisten werde. Weitere unterseeische Fahrzeuge derselben Bauart sind auch den Werften zu Brest, Lorient und Rochefort zur Herstellung überwiesen. Schliesslich haben vor kurzem in Toulon die Versuche mit einem ganz neuartigen, fast kugelförmigen Unterseeboote begonnen, das 3 m hoch, ebenso breit und 4 m lang ist. England scheint dagegen in stolzer Zuversicht auf seine mächtige Flotte und deren überlegene Zahl von grossen Kreuzern und Panzerschiffen auf Unterseeboote gar keinen ernstlichen Wert zu legen, und seitens der deutschen Kriegsmarine, wo diese Frage allerdings sorglich geprüft wird, scheinen die Ergebnisse der Vorversuche noch zu keinem befriedigenden Abschluss gediehen zu sein. Wenigstens wird über die etwaige Indienststellung von Fahrzeugen der in Rede stehenden Gattung nichts verlautbart. Dafür hat Italien seiner Kriegsflotte das vor 4 Jahren in Spezzia von Stapel gelassene Unterseeboot Delfino einverleibt, das eine Länge von 15 m und eine Schnelligkeit von 10 Knoten besitzt; desgleichen liess Portugal bereits 1892 ein Unterseeboot Plongeur erbauen, das sich mit 6 Knoten Geschwindigkeit bewegt und 21 m lang ist. Diese beiden Schiffe sind eigentlich nur zu Versuchszwecken bestimmt gewesen und es darf wohl angenommen werden, dass sich ihre Anordnung und Leistungsfähigkeit keineswegs vollkommen bewährt hat, da weitere Anschaffungen nicht mehr gemacht wurden. Was endlich die Kriegsmarine der Vereinigten Staaten von Nordamerika anbelangt, so hat dieselbe bekanntlich vor 6 Jahren einen besonderen Wettbewerb für die Konstruktion unterseeischer Boote ausgeschrieben und als diesfälliges Ergebnis sind von der Prüfungskommission die Pläne eines Ingenieurs Holland angenommen worden. Nach diesem System wurde denn auch auf der Werft von Baltimore das Unterseeboot Plunger ausgeführt, ein Fahrzeug von 168 Tonnen, 25 m Länge, 1200 PSi und einer Geschwindigkeit von 8 Knoten. Dasselbe ist derzeit, obwohl es schon vorverflossenen Jahres von Stapel gelassen wurde, noch nicht vollendet, und es darf daher nicht Wunder nehmen, dass über die Einzelheiten der Einrichtung vorläufig nichts NäheresEinzelne Tagesblätter berichteten kürzlich allerdings bereits von glänzenden Versuchsergebnissen des Holland'schen Unterseebootes; fachtechnische Mitteilungen darüber liegen unseres Wissens noch keine vor. Anm. d. Red. bekannt gegeben wird. Bessere, praktischere Erfolge hatte inzwischen Simon Lake, ein Mitbewerber Holland's mit seinem System errungen, denn obwohl demselben seitens der amerikanischen Prüfungskommission das Holland'sche vorgezogen worden war, ist durch ein Musterboot nach Latschen Plänen – der Argonaut Nr. 1 – in wenigen Jahren im Wege der Privatindustrie fertiggestellt worden. Dasselbe soll überdem seine Probefahrten glänzend bestanden haben; es ist 11 m lang, 2,70 m breit und besitzt, vollständig untergetaucht, einen Schiffsraum von 57 Tonnen. Der Querschnitt der aus ungefähr 10 mm starkem Stahlblech hergestellten, in Abständen von 0,5 m durch Längs- und Querrippen versteiften Bootes ist nahezu kreisrund. Ein Petroleummotor von 30 PS bewegt die Schraube, hat aber auch eine Dynamomaschine anzutreiben, welche den Strom für die elektrische Beleuchtung liefert; ausserdem dient derselbe Petroleummotor zum Betriebe der Luftpressen. Als Behälter für die Pressluft sind starkwändige Stahlblechcylinder in Verwendung. Alle Bootsräume stellen untereinander durch Mikrophontelephone in Verbindung, so dass überall vernehmlich ist, was gegen eines der Mikrophone gesprochen oder gerufen wird. Die Besatzung besteht nur aus fünf Mann. Der Argonaut Nr. 1 hat sich durch seine kühnen Fahrten in der Chesapeakebai und nächst New York für alle Zeiten eine gewisse Berühmtheit gesichert. Das Boot kann sich nämlich ebenso leicht auf der Oberfläche des Meeres als unter dem Wasser bewegen, es kann sich aber auch auf dem Meeresgrunde dahinrollen, zu welchem Ende es eigens mit vier Fahrrädern versehen ist, oder es kann endlich ebensowohl in einer beliebigen Tiefe unter dem Wasserspiegel unbeweglich stehen bleiben. Eigentümlicherweise zeigt es sich, dass das Boot in der untergetauchten Lage grössere Geschwindigkeiten zu erzielen vermag, als beim Schwimmen auf der Meeresoberfläche, was wohl nur durch den Umstand erklärt werden kann, dass in nennenswerteren Tiefen infolge der zunehmenden Dichte des Wassers die Schraube besser zur Wirksamkeit gelangt. Während der Fortbewegungen auf dem Meeresgrunde ist hinsichtlich der für die Fahrt auf ebenem Boden oder zum Erklimmen von Steigungen erforderlichen Kraft nur ein geringfügiger Unterschied zu merken, dank dem geringen Gewichte bezw. der Entlastung, welche das Boot durch das verdrängte Meerwassererfährt. Diese Entlastung, gleichbedeutend mit dem Auftriebe des Fahrzeuges, lässt sich natürlich beliebig regulieren und gestattet es, dass das Boot selbst in seichter See mit freiem Einsteigschachte oder fast zur Hälfte aus dem Wasser ragend auf dem Meeresboden zu fahren im stände ist. Wie die Bedienungsmannschaft versichert, soll der Aufenthalt im Boote während des Tauchens in keiner Weise unangenehm sein; es sind denn auch wiederholt unterseeische Versuchsfahrten von zehnstündiger Dauer ausgeführt worden ohne die Besatzung irgendwie zu belästigen oder auch nur zu ermüden. Textabbildung Bd. 315, S. 33 Längsschnitt des Lake'schen Unterseebootes Argonaut Nr. 2. Genau nach denselben Konstruktionsprinzipien, nur in grösseren Dimensionen und mit einigen Verbesserungen ausgestattet, ist später das Unterseeboot Argonaut Nr. 2 erbaut worden, dessen Querschnitt Fig. 1 ersichtlich macht. Die Länge desselben beträgt 20 m, die Breite 3 m und das Deplacement 100 Tonnen. Der Hauptkörper des Fahrzeuges bildet ein vorne und rückwärts zuckerhutförmig abschliessender Cylinder, der so überbaut ist, dass das Boot, wenn es auf der Oberfläche des Meeres schwimmt, so ziemlich die sonst bei den Seeschiffen übliche Form des Bordes zeigt. Dieser Aufbau wird auf der vorderen Schiffshälfte zur Unterbringung der Behälter 2 für die Pressluft und auf der rückwärtigen zur Unterbringung der Kessel 1 für die Petroleumvorräte ausgenutzt. Der in der Mitte befindliche, wie ein kleiner kreisrunder Turm angeordnete Einsteigschacht, welcher mit dem Innenraume des Bootes durch zwei Böden und Treppen mit luft- und wasserdichten Klappthüren in Verbindung steht, ist nach Art einer gewöhnlichen Kommandobrücke kioskartig überbaut und mit Steuerrad, Kompas und Telephon ausgerüstet. Hier kann nämlich der Steuermann und Kommandant des Bootes sich aufhalten und seines Dienstes walten, wenn auf der Meeresoberfläche gefahren wird. Zwei im Maschinenraum G aufgestellte, nach dem System White und Middleton konstruierte Petroleummotore von 60 PS treiben bei der Fahrt im freien Wasser die Schiffsschraube, zur Fortbewegung auf dem Meeresgrunde aber die beiden Vorderräder R1 an. Am Hinterteil des Fahrzeuges befindet sich – und das ist einer der wesentlichsten Unterschiede gegenüber des Musterbootes Argonaut Nr. 1 – nur ein Fahrrad, welches unmittelbar am Steuerblatte T sitzt, und mit diesem zusammen sowohl beim Schwimmen als beim Fahren als Steuer dient. Zum Betriebe einer 3000 Watt leistenden Dynamomaschine ist ein dritter Petroleummotor M3 von 4 PS vorhanden, der übrigens, bevor das Fahrzeug unter See geht, auch zum Betriebe der Luftpressen verwendet wird. Die aus gewalztem Stahl hergestellten Pressluftbehälter sind für einen Druck von 280 kg geprüft und gewähren einer Luftmenge Raum, die genügt, um einen 24stündigen ununterbrochenen Aufenthalt unter dem Meeresspiegel zu ermöglichen. Auch die Vorratskessel für das Petroleum (Gasolin) sind reichlich bemessen, denn ihre einmalige Füllung würde für eine Fahrt von 1500 Meilen (2400 km) vorhalten. Der elektrische Strom, welcher die obenerwähnte Dynamomaschine erzeugt, wird zur Speisung einer Anzahl in den verschiedenen Innenräumen des Bootes verteilten Glühlampen gebraucht, zu seinem wesentlichsten Teile jedoch für vier Bogenlampen P1 P2 . . verwendet, die vorne am Buge des Fahrzeuges in dem Raume A ihren Platz haben und mit Hilfe vorzüglicher Scheinwerfer ihr Licht durch linsenförmige Fenster ins Meer entsenden. Diese Fenster sind in der Bugwand derart eingesetzt, dass drei davon nebeneinander in einer wagerechten Linie liegen, eines, P2, in der Achse des Buges, die anderen rechts und links gleich weit abstehend, während das vierte, P1, über P2, etwa 1 in höher angebracht ist. Hier im Raume A hält sich auch während der unterseeischen Fahrten der Kapitän auf, der durch Guckfenster die beleuchteten Partien des Wassers oder Meeresbodens beobachten kann. In den Räumen B und C befinden sich die Vorrichtungen, mit welchen die Vermehrung des Wasserballastes durch Herabminderung des Luftdruckes in den Kielkammern oder die Austreibung desselben durch Vermehrung des Luftdruckes behufs Regulierung des Auftriebes für das Tauchen bezw. Aufsteigen des Fahrzeuges bewerkstelligt wird. Als Kajüte für die aus acht Mann bestehende Besatzung dient der seinem Zwecke angemessen ausgestattete Raum D, in welchem auch die Trinkwasser- und Proviantkisten untergebracht sind. Unmittelbar daneben befindet sich der Dienstraum E mit den Pumpen, den Luftpressen, den verschiedenen Kontrollinstrumenten, dem Schaltbrette der Lichtanlage, einem Tiefseemesser u.s.w. Nebenan liegt die Küche F und zuletzt am Schiffsende der bereits genannte Maschinenraum G. Von der Kajüte angefangen bis zum Steuer ist der ganze Kielraum unter dem Fussboden der Räumlichkeiten D, E, F und G für Querkammern zur Aufnahme des Wasserballastes ausgenutzt. Das 300 Tonnen schwere Stück HH des Aussenkieles ist aus Sicherheitsgründen ganz eigenartig, nämlich lostrennbar, an dem Schiffskörper angebracht, d.h. dasselbe kann im Falle der Not, wenn etwa infolge eines Apparatgebrechens die zum Emporsteigen nötige Verminderung des Schiffsgewichtes in regelrechtem Wege beschränkt oderbehindert würde, zur Entlastung des Bootes von demselben losgetrennt und abgeworfen werden. Demselben Zwecke könnten in äusserst dringenden Fällen auch noch die zwei Klumpenanker J1 und J2 von je 1 Tonne Gewicht geopfert werden, deren Aufgabe jedoch unter regelrechten Verhältnissen darin besteht, das Niedertauchen des Bootes an einer bestimmten Stelle oder auch das Stillstehen des Bootes in einer bestimmten Tiefe zu ermöglichen. Zu diesem Behufe werden die Anker, sobald das Fahrzeug die betreffende Meeresstelle erreicht hat, auf den Grund gelassen und sodann wird der Auftrieb des Bootes durch die Ballastregulierung so weit verringert, bis er kleiner wird als das Gewicht der Anker. Nunmehr unterliegt es keiner Schwierigkeit, das Boot an den Ankerketten so tief niederzuwinden oder so lange in einer erreichten Tiefe festzuhalten, als es erforderlich erscheint. Um auf dem Meeresgrund zu fahren, werden die Anker nicht ausgeworfen und natürlich der Auftrieb des Fahrzeuges negativ gemacht. Letzterer lässt sich hierbei ganz nach Bedarf und nach Massgabe der am Meeresgrunde vorhandenen Strömungen ebensowohl auf wenige Kilogramm als auf mehrere Tonnen einregulieren. Bei diesem Fahren oder Rollen auf dem Meeresgrunde kann erfahrungsmässig eine Geschwindigkeit von 6 Knoten erreicht werden, während die sonstige äusserste Fahrgeschwindigkeit beim Schwimmen 8 Knoten beträgt. Es erübrigt schliesslich nur noch zu bemerken, dass der Argonaut Nr. 2, obwohl er ausschliesslich für industrielle Zwecke erbaut worden ist, nämlich zum Aufsuchen gesunkener Schiffe, von Korallen, Schwämmen, Perlen u.s.w., ohne Schwierigkeiten auch für Kriegszwecke verwendbar wäre, und dass es namentlich gut und leicht anginge, ihn für das Abschiessen unterseeischer Torpedo einzurichten.