Titel: Grundlagen zur Fluglehre.
Autor: F. Heinz
Fundstelle: Band 315, Jahrgang 1900, S. 224
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Grundlagen zur Fluglehre. Von F. Heinz-Sarajevo. (Fortsetzung von S. 207 d. Bd.) Grundlagen zur Fluglehre. Wie aus der Zeitschrift für Luftschiffahrt, Heft 3/4 vom Jahre 1893 zu ersehen ist, haben Langley's Experimente zu dem Ergebnisse geführt, dass eine Fläche von 0,91 × 0,10 m horizontal gestellt, im senkrechten freien Falle 1,22 m in 0,53 Sekunden zurücklegte, während dieselbe Fläche bei horizontal gerichteter Verschiebung von 5, 10, 15 und 20 m Geschwindigkeit entsprechend 0,61, 0,75, 1,05 und 2,00 Sekunden brauchte, um dieselbe Höhe senkrecht herabzufallen. Auf welcher Ursache beruht diese auffallende Erscheinung? Diese Frage wurde wiederholt eingehend und gründlich untersucht, namentlich von Ingenieur Popper-Wien, ohne dass es gelungen wäre, hierfür eine befriedigende Erklärung zu finden. Von Oberingenieur v. Loessl wurden diesbezüglich ebenfalls Versuche vorgenommen, aus welchen sich die gleiche rätselhafte Erscheinung ergab; v. Loessl gelang es aber, hierbei noch eine weitere, sehr wichtige Erscheinung festzustellen; er fand nämlich, dass die Geschwindigkeit der Bewegung der horizontal gestellten, schräg fallenden, ebenen Platte während ihres Falles in horizontaler Richtung zunimmt; es konnte jedoch auch diese Erscheinung nicht befriedigend erklärt werden. Beruhen beide Erscheinungen nicht auf der gleichen Ursache, wie der Segelflug, nämlich auf Wirkungen der Reaktivkraft, wie wir sie in D. p. J. 1899 313 28 bis 29 kennen gelernt haben? Steffen-Röhrsdorf war so freundlich, diese Reaktivkraft in D. p. J. 1899 314 80 einer Kritik zu unterziehen, wofür er im Interesse der Sache Dank verdient, trotzdem ihn dieselbe zu einem negativen Resultate geführt hat, weil wir dadurch Gelegenheit erhalten, zu beweisen, ob und inwiefern es uns möglich ist, gegen die These erhobene Bedenken zu zerstreuen. Wer die von Steffen angeführte Kräfteplanskizze in D. p. J. 1899 314 80 mit meinem Kräfteplane in D. p. J. 1899 313 29 vergleicht, wird finden, dass in beiden Kräfteplänen ganz die gleichen Kräfte zu finden sind, nämlich dass Rs = cd, S1 = ce, S2 = cf, Ra = cg, a2 = ci und a1 = ch ist. Danach aber ist nicht die Komponente S2, wie Steffen vermutet, sondern die Komponente a1 dasjenige, was ich mit Reaktivkraft bezeichnet habe; es dürfte diese Erklärung genügen, Steffen's Einwand zu entkräften, da er ja gewiss nicht bestreiten wird, dass sich die Kugel in der Richtung dieser Komponente a1 selbst dann bewegen muss, wenn weder die Kugel noch ihre Unterlage Reibung auszuüben vermag; ob die Kugel wegen Mangel dieser Reibung rotiert oder nicht, ist gleichgültig, wenn sie sich nur in der Richtung a1 bewegt, und das muss sie, wenn der Stoss Rs entsprechend kräftig ist. Wir dürfen uns daher auch weiterhin auf die Reaktivkraft berufen und wir können nun untersuchen, inwiefern dieselbe bei schräg durch die Luft fallenden Horizontalplatten thätig ist. Wenn eine Horizontalplatte in schräger Richtung durch die Luft abwärts fällt, dann wirkt der Luftwiderstand in schräger Richtung aufwärts der Platte entgegen in der gleichen Weise, nur mit geringerer Kraft, wie der Schrägaufwärtswind gegen die Prof. Wellner'sche Versuchsfläche (D. p. J. 1899 313 29 Fig. 2), d.h. diesen Luftwiderstand empfindet die Platte (wenn sie Empfindung hätte) genau so, wie Wind. Wenn wir uns also diesen Luftwiderstand wie Wind vorstellen dürfen, dann wird er auch wie dieser eine stossähnliche Wirkung auf die fallende Platte ausüben, dieser Stoss (Aktion) wird eine Reaktion der Platte zur Folge haben, und zwar diejenige Reaktion, die ich als Reaktivkraft bezeichnet habe; es wird also dasselbe Kräftespiel eintreten, wie bei der Prof. Wellner'schen Versuchsfläche, nur in schwächerem Grade. Wird aber ein Teil des Gewichtes der Platte in Reaktion (Reaktivkraft) verwandelt, und wirkt von dieser Reaktivkraft ein Teil (D. p. J. 1899 313 29 ch Fig. 3) auf Vergrösserung der Geschwindigkeit der Bewegung der Platte in horizontaler Richtung und nimmt diese Geschwindigkeit thatsächlich zu, dann muss auch die Sinkgeschwindigkeit der Platte eine Verminderung erfahren, da ja durch die vergrösserte Horizontalgeschwindigkeit auch die Geschwindigkeit des Schrägaufwärtsflugwindes an Grösse zunimmt. Da die v. Loessl'schen Platten im schrägen Fall dem SchrägaufwärtsflugwindeUnter Flugwind ist nach Dr. Ahlborn der Luftwiderstand zu verstehen, den eine Fläche zu überwinden hat, wenn sie gegen ruhende Luft bewegt wird, welche Bezeichnung zweckmässig ist, da sie ein mehr aktives als passives Verhalten des Luftwiderstandes ausdrückt, was den Wirkungen besser entspricht. fallend ebenso entgegenzogen, wie die Prof. Wellner'sche Versuchsfläche einem natürlichen Schrägaufwärtswinde steigend entgegengezogen ist, die v. Loessl'schen Versuchsplatten aber keine Wölbung besassen, wie die Prof. Wellner'sche Versuchsfläche, sondern von vollkommen ebener Beschaffenheit waren, so erweist sich die auf die Flächenwölbung gegründete Segelflugerklärung als haltlos, während die Erklärung des Segelfluges aus den Wirkungen der beschriebenen Reaktivkraft an Stärke gewinnt. Die bezeichneten Versuchsergebnisse v. Loessl's und Langley's führen noch zu einer weiteren Betrachtung, zur Untersuchung einer Frage, die bis heute in der Fluglehre nicht behandelt wurde, und diese Frage lautet: Welchen Einfluss hat die Erdkrümmung auf die Fallgeschwindigkeitsverminderung eines horizontal (also tangential) bewegten Flugkörpers; werden bei grosser Geschwindigkeit dieser Bewegung die Wirkungen der Fliehkraft bemerkbar werden, und zwar derjenigen Fliehkraft, welche daraus resultiert, dass der Flugkörper um den Mittelpunkt der Erde einen Kreis beschreibt, wenn er sich ganz um die Erde herumbewegt, oder einen Teil dieses Kreises, wenn er nur einen Teil dieses Weges zurücklegt? In der Ballistik darf die Erdkrümmung schon lange nicht mehr ausser Rechnung gelassen werden, und ist bereits festgestellt, dass dieselbe sich bei einer Geschosswurfweite von 20 km (1000 m Anfangsgeschwindigkeit) auf die Form der Flugbahn geltend macht. Die Fluglehre hat aber weit mehr Ursache, auf die Erdrundung Rücksicht zu nehmen, als die Ballistik, denn während in der Ballistik die grosse Anfangsgeschwindigkeit der Geschosse von 1000 m pro Sekunde derjenige Faktor ist, der sie zwingt, die Erdrundung für ihre Rechnungen zu berücksichtigen, erwächst der Fluglehre dagegen in der ungemein geringen Sinkgeschwindigkeit der Flugkörper, die nach Langley's Versuchsergebnissen schon bei 20 m Horizontalgeschwindigkeit der Versuchsfläche nur \left(\frac{1,22\mbox{ m}}{2,00\mbox{ Sek.}}=\right)0,61\mbox{ m} pro Sekunde beträgt, ein Faktor, welcher betreffs Rücksichtnahme auf die Erdrundung für die Fluglehre eine weit grössere Bedeutung hat, als die grosse Anfangsgeschwindigkeit von Geschossen für die Ballistik, denn je geringer die Sinkgeschwindigkeit des Flugkörpers ist, desto geringer kann dann auch die Tangentialgeschwindigkeit sein, um die Wirkungen der Fliehkraft infolge der Erdkrümmung in die Erscheinung treten zu lassen. Würde z.B. die Sinkgeschwindigkeit nur 0,001 m, die Tangentialgeschwindigkeit dagegen 113 m pro Sekunde betragen, dann würde dieser Sinkgeschwindigkeit von der Fliehkraft infolge der Erdkrümmung die Wage gehalten werden, die bei 113 m Tangentialgeschwindigkeit ebenfalls 0,001 m beträgt. Eine Tangentialgeschwindigkeit von 113 m wird aber schon von Flugtieren erreicht; nach Gätke's Werk: „Die Vogelwarte Helgoland“, S. 66, beträgt die Fluggeschwindigkeit des nordischen Blaukehlchens 114 m pro Sekunde, und in Projekten für elektrische Eisenbahnen wird eine Fahrgeschwindigkeit von 60 m pro Sekunde angestrebt, so dass also eine Tangentialgeschwindigkeit von 113 m pro Sekunde für dynamische Luftschiffe nicht als schlechterdings unmöglich bezeichnet werden kann. Wie aber die hohe Tangentialgeschwindigkeit von 113 m möglich erscheint, so liegt auch die geringe Sinkgeschwindigkeit von 0,001 m im Bereiche der Möglichkeit, wie sich aus der durch Langley's Versuche konstatierten, rapiden Abnahme derselben schliessen lässt, wonach sie bei lotrechtem Fall 2,3 m (1,22 m in 0,53 Sekunde), bei einer Tangentialgeschwindigkeit von 20 m der Versuchsfläche aber nur noch 0,61 m pro Sekunde beträgt. Durch die vorstehende Betrachtung werden wir zu einer allgemeinen Untersuchung der Fliehkraftwirkungen geführt. Wenn also ein so mächtiger Radius von 6377 km, wie der Erdhalbmesser in den Rechnungen der Fluglehre für die Tangentialbewegung dynamischer Luftschiffe bezüglich Fliehkraftwirkung berücksichtigt werden muss, wie wir oben gesehen haben, sodarf in diesen Rechnungen die Berücksichtigung der ungemein kleinen Halbmesser von Kreisen oder Bögen, wie sie von dynamischen Luftschiffen in horizontaler Ebene (Kreisen der Flugtiere) beschrieben werden können, noch weit weniger fehlen, weil jede Fliehkraftwirkung einen Teil der Schwerkraftwirkung paralysiert und das Schwebevermögen des Flugkörpers erhöht. In welcher Weise die Paralysierung der Schwerkraft durch die Fliehkraft erfolgt, wird uns am besten und raschesten durch folgendes Beispiel klar werden. Wenn sich ein Dampfschiff auf dem Meere mit einer Geschwindigkeit von 7905 m pro Sekunde in gleicher Richtung fortbewegen würde, dann wäre seine Fliehkraft seiner Schwerkraft vollkommen gleich, es vermöchte infolgedessen keine noch so geringe Wassermenge zu verdrängen, es würde also nicht mehr schwimmen, sondern schweben. Bei geringeren Fahrgeschwindigkeiten würde das Dampfschiff nur zum Teil schweben, zum Teil aber schwimmen, weil bei geringeren Fahrgeschwindigkeiten die Schwerkraft von der Fliehkraft nicht ganz, sondern nur zum Teil paralysiert wird, es würde nämlich keine so grosse Wassermenge zu verdrängen vermögen, als im Zustande der Ruhe. Würde das Dampfschiff sich nur mit einer Geschwindigkeit von 113 m pro Sekunde fortbewegen, so würde doch schon eine teilweise Paralysierung der Schwerkraft durch die Fliehkraft in ganz geringem Masse bemerkbar werden, da dieselbe bei einem Gewichte des Schiffes von 15000 t bereits 3060 kg beträgt, was sich in einer ganz geringen Abnahme der Wasserverdrängung äussern müsste. Eine ähnliche teilweise Paralysierung der Schwerkraft durch die Fliehkraft, also Verminderung der Wasserverdrängung und Erhöhung des Schwebevermögens, muss sich auch ergeben, wenn von dem Dampfschiff Bögen oder Kreise mit kleinen Halbmessern in horizontaler Ebene ausgeführt werden. Wie aber dieses Dampfschiff beim Kreisen in horizontaler Ebene sein grösstes Schwebevermögen erlangen müsste, so ist auch das Schwebevermögen eines Vogels oder dynamischen Luftschiffes beim „Kreisen“ am grössten. Die Untersuchung über die Bedeutung der Fliehkraft für die Fluglehre hat mich auch zur Erforschung der Frage geführt, ob die Fliehkraft etwa „beschleunigend“ auf die Fortbewegung eines dynamischen Luftschiffes zu wirken vermag, indem sich als Resultierende aus Fliehkraft und Schwerkraft, dieselben rechtwinklig zu einander gedacht, eine Kraft ergäbe, welche grösser wäre, als eine der beiden Kräfte und nicht eine lotrechte, sondern eine schräge Richtung (nach vor- und abwärts) des bewegten Körpers hätte, zumal ja in den Lehrbüchern über Mechanik die Wirkungen beider Kräfte als „Beschleunigungsfaktoren“ dargestellt erscheinen. Diese Frage führte mich denn zu einer gründlichen Vertiefung über das Wesen der Fliehkraft und damit im Zusammenhange in eine Durchforschung der Newton'schen Gravitationstheorie, und ich müsste infolgedessen zu meinem Bedauern gar bald einsehen, dass meine Vermutung, die Fliehkraft könne vielleicht beschleunigend auf Fortbewegung eines dynamischen Luftschiffes wirken, eine vollkommen irrige ist, indem die Fliehkraft nicht als eine Kraft, sondern nur als eine Reaktion aufgefasst werden kann, die derjenigen Kraft, welche den in tangentialer, geradliniger Richtung fortbewegten Körper in eine kreis-, ellipsen- oder bogenförmige Bewegung zwingt, entgegenwirkt. Die Fliehkraft ist nur eine Reaktion gegen die Aenderung des Beharrungszustandes eines geradlinig sich fortbewegenden Körpers, genau so, wie die von mir bezeichnete Reaktivkraft nur eine Reaktion ist gegen die Aenderung des Beharrungszustandes eines Körpers, aus dem Zustande der Ruhe in den Zustand der Bewegung oder aus dem Zustand der Bewegung von geringer Geschwindigkeit in den Zustand der Bewegung von grösserer Geschwindigkeit überzugehen. Ist die Fliehkraft aber thatsächlich nur eine Reaktion gegen Aenderung geradliniger Bewegung, woran gar nicht zu zweifeln ist, dann ergibt sich gerade das umgekehrte von dem, was ich von ihr erhofft, dann wird sie nicht beschleunigend, sondern hemmend auf die Bewegung eines kreisenden Körpers und in gleicher Weise auch auf die Rotation eines Körpers wirken, welche Schlussfolgerung durch die Thatsache an Bedeutung gewinnt, dass die Geschwindigkeit der Rotation der Erde (Differenz zwischen mittlerer und faktischer Tageszeit) zu- und abnimmt, je nachdem die Geschwindigkeit der Bewegung der Erde um die Sonne grösser oder kleiner ist. Sollte diese Schlussfolgerung allgemein als richtig erkannt werden, dann müsste dadurch die These eine grosse Einbusse erleiden, welche lehrt, dass ein Körper im Zustande der Bewegung in unbegrenzter Dauer verharrt, wenn er keine Widerstände zu überwinden hat, eine These, die um so merkwürdiger ist, als derselben der von Dr. Max Planck in seinem Werke: „Das Prinzip der Erhaltung der Energie“ aufgestellte Satz: „Die Unmöglichkeit eines Perpetuum mobile ist ein Naturgesetz“ gegenübersteht. Jedenfalls aber schützt mich die Schlussfolgerung vor dem Verdachte, wie ihn Steffen in D. p. J. 1899 314 80 hegt, als ob ich glauben würde, das Bestreben eines bewegten Körpers im Zustande der Bewegung zu verharren, erkläre den Segelflug; es wird vielmehr klar werden, dass ich mit Reaktivkraft nicht dieses Bestreben, sondern diejenige Reaktion des Flugkörpers meine, die infolge Stoss des Stirnwindes auf Aenderung des Beharrungszustandes der Bewegung von geringer Geschwindigkeit in Bewegung grösserer Geschwindigkeit wirkt, wie es der Bazin'sche Versuch und die Versuche von Prof. Wellner und v. Loessl zeigen. Die Bedeutung der Fliehkraft für die Fluglehre erweckt aber noch in einer anderen Richtung unser Interesse. Wenn nämlich die Fliehkraft infolge der Erdrundung der vom Luftwiderstande auf 0,001 m pro Sekunde verminderten Sinkgeschwindigkeit der Schwerkraft schon bei einer Tangentialgeschwindigkeit des Flugkörpers von 113 m pro Sekunde die Wage hält, dann ist auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass diese verminderte Schwerkraft an Grösse von der Fliehkraft sogar übertroffen wird, sei es, dass die verminderte Sinkgeschwindigkeit von 0,001 m schon bei einer geringeren Tangentialgeschwindigkeit eintritt, oder dass eine höhere Tangentialgeschwindigkeit erreichbar wäre und infolgedessen erhebt sich die Frage: Was geschieht, wenn die Fliehkraft grösser wird als die verminderte Schwerkraft? Für die Planetenbewegungen ist die Antwort auf diese Frage schon untersucht worden, jedoch ohne dass es gelungen wäre, dieselbe zu einem vollkommen befriedigenden Abschluss zu bringen, was daraus zu ersehen ist, dass Karl Freiherr du Prel in seiner Entwickelungsgeschichte des Weltalles, S. 191, glaubte, ein Planet könne nur dann dauernd um die Sonne laufen, wenn Schwerkraft und Zentrifugalkraft sich gerade ausgleichen, während jedes Ueberwiegen der Schwerkraft die Vereinigung des Planeten mit der Sonne, dagegen jedes Ueberwiegen der Zentrifugalkraft seine Entfernung auf Nimmerwiedersehen herbeiführen müsse, eine Ansicht, die allerdings schon von Prof. Oswald Köhler in seinem Werke: „Weltschöpfung und Weltuntergang“, Stuttgart 1890, als unrichtig bekämpft wurde. Eine kreisförmige Bahn eines Planeten um die Sonne wäre allerdings nur dann möglich, wenn Schwerkraft und Fliehkraft gleich gross wären. Nun bewegen sich aber die Planeten nicht in kreisförmigen, sondern in ellipsenförmigen Bahnen um die Sonne, was zur Folge hat, dass sie sich während eines Umlaufes einmal von der Sonne entfernen und einmal derselben wieder nähern müssen, was doch offenbar nur dann möglich ist, wenn einmal die Fliehkraft grösser als die Schwerkraft, das anderemal die Schwerkraft grösser als die Fliehkraft ist; denn bei gleicher Grösse beider Kräfte kann sich der Abstand des Planeten von der Sonne weder vergrössern noch vermindern, und bei unverändertem, stets gleich grossem Abstande eines Planeten von der Sonne ergibt sich selbstredend keine ellipsenförmige, sondern eine kreisförmige Bahn des Planeten. Die Rechnung zeigt denn auch in der That, dass die vorstehende Schlussfolgerung richtig ist. Bekanntlich beträgt die Entfernung der Erde von der Sonne in Sonnenhalbmessern, diese zu 692700 km angenommen im Aphel 218,175 Sonnenhalbmesser im Perihel 210,971 Wenn die Erde aus diesen Entfernungen lotrecht gegen die Sonne fallen könnte, so würde der Fall weg in der ersten Sekunde betragen, wenn auf der Sonnenoberfläche der Fallweg in der ersten Sekunde 136 m beträgt: im Aphel \frac{136\mbox{ m}}{218,175^2}=2,856\mbox{ mm} im Perihel \frac{136\mbox{ m}}{210,971^2}=3,055\mbox{ mm.} Diesen beiden Fallweggrössen wäre aber die Fliehkraft nur dann vollkommen gleich, wenn die Tangentialgeschwindigkeit der Erde im Aphel \sqrt{2,856\mbox{ mm}\,\times\,302260000\mbox{ km}=29381\mbox{ m}} im Perihel \sqrt{3,055\mbox{ mm}\,\times\,292280000\mbox{ km}=29881\mbox{ m}} betragen, wenn sie einen Kreis mit einem Halbmesser gleich dem Aphel- bezw. Perihelabstande beschreiben würde. Da aber die faktisch beobachtete Tangentialgeschwindigkeit der Erde im Aphel nicht 29381 m, sondern 29100 m im Perihel nicht 29881 m, sondern 30090 m beträgt, so ergibt sich daraus eine Fliehkraft in der Grösse von im Aphel \frac{29100^2}{302260000000}=2,800\mbox{ mm} im Perihel \frac{30090^2}{292280000000}=3,095\mbox{ mm}, die somit im Aphel um 0,056 mm kleiner, im Perihel dagegen um 0,040 mm grösser ist, als die Schwerkraft. Wie aber die Erde nicht davon fliegt, trotzdem ihre Fliehkraft im Perihel grösser ist als die Anziehungskraft der Sonne, so wird auch ein dynamisches Luftschiff nicht davonfliegen können,wenn die Fliehkraft desselben grösser ist als die um den Luftwiderstand verminderte Schwerkraft der Erde. Während Freiherr du Prel in einem Ueberwiegen der Schwerkraft über die Fliehkraft einen Sturz des Planeten in die Sonne, und in einem Ueberwiegen der Fliehkraft über die Schwerkraft ein Davonfliegen des Planeten von der Sonne auf Nimmerwiedersehen befürchtete, erblicken wir dagegen mit Prof. Oswald Köhler gerade darin die grösste Bürgschaft für den dauernden Fortbestand der Planetenbewegung, denn, sowie sich der Planet im Perihel seiner ellipsenförmigen Bahn dem Sturze in die Sonne nähert, ist die Fliehkraft grösser als die Schwerkraft und verhindert den Sturz, während durch das Ueberwiegen der Schwerkraft über die Fliehkraft im Aphel ein weiteres Davonfliegen des Planeten verhindert wird. Durch diese wertvolle Erkenntnis wird nicht nur der von Dr. Max Planck aufgestellte Satz: „Die Unmöglichkeit eines Perpetuum mobile ist ein Naturgesetz“ vollkommen entkräftet, sondern auch das Vertrauen geweckt, das zu einer gedeihlichen Weiterentwickelung des in D. p. J. 1900 315 207Wir verweisen auf die Fussnote 1) S. 207 d. Bd. D. R. angeregten, auf die Lösbarkeit des Problems eines Perpetuum mobile abzielenden Gedankens erforderlich ist, weil aus der Erkenntnis hervorgeht, dass die Planetenbewegung nicht durch „das Bestreben im Zustande der Bewegung zu beharren“ (Beharrungsgesetz), sondern durch das Kräftespiel zwischen Schwerkraft und Fliehkraft aufrecht erhalten wird, und sie infolgedessen von unbegrenzter Dauer sein muss. Es verdient weiter die östliche Abweichung eines freifallenden Körpers von der Lotlinie und deren Einfluss auf ein dynamisches Luftschiff eine kurze Betrachtung. Dass ein freifallender Körper nicht lotrecht, sondern etwas schräg nach Osten fällt, ist durch Versuche genügend sichergestellt, die Ursache dieser Erscheinung ist bekannt. Erwägen wir aber, dass die aus der Rotation der Erde sich ergebende Fliehkraft stets senkrecht zur Erdachse, die Schwerkraft aber senkrecht zum Mittelpunkte der Erde gerichtet ist, so ergibt sich daraus eine Resultierende, die ein ganz geringes Abweichen des freifallenden Körpers auf der nördlichen Halbkugel nach Süden, auf der südlichen Halbkugel nach Norden bewirken muss. Ein dynamisches Luftschiff müsste bei einer nach Osten gerichteten Bewegung infolge des Einflusses dieser Kräfte auf der nördlichen und südlichen Halbkugel ein Bestreben zeigen, sich dem Aequator zu nähern. Da die Sonne ebenfalls rotiert, wie die Erde, so ist auch auf der Sonne die Fliehkraft infolge ihrer Rotation stets senkrecht zu ihrer Rotationsachse, ihre Schwerkraft aber senkrecht zu ihrem Mittelpunkte gerichtet, woraus sich gleichfalls eine Resultierende ergibt, welche nicht ein lotrechtes, sondern ein schräges Fallen eines Planeten gegen die Sonne zur Folge haben muss, wenn der Planet sich nördlich oder südlich des Sonnenäquators gegen Osten um die Sonne bewegt. Und in der That bewegen sich alle Planeten bei ihrer nach Osten gerichteten Bewegung derart schräg gegen eine durch den Aequator der Sonne gedachte Vertikalebene, dass sie dieselbe bei einem einmaligen Umlauf zweimal passieren, was uns unter dem Namen Schiefe der Ekliptik bekannt ist, deren Ursache uns aber in dieser Weise bisher nicht erklärt wurde. Also auch in diesem Falle ist ein unaufhörliches Wirken von Schwerkraft und Fliehkraft nicht zu verkennen und macht dies die Annahme hinfällig, als ob die Bewegung eines Planeten schräg zur Ekliptik bloss auf dem Beharrungsgesetz allein beruhen würde, indem der Planet die Richtung der Bewegung beibehalte, die der Planet im Augenblicke seiner Entstehung durch den hypothetisch angenommenen Stoss einer Kraft erhalten habe. Wenn wir sehen, wie das Schweben und die Bewegung der Planeten durch die einfachen Wirkungen der Schwerkraft und Fliehkraft allein erhalten wird, so wird uns klar, dass das Schweben und die Bewegung dynamischer Luftschiffe noch viel leichter möglich sein muss, für welche nebst den beiden Kräften auch der Luftwiderstand und maschinelle Kräfte zur Wirksamkeit gelangen. – Wir haben aber schon in D. p. J. 1899 313 * 134 bemerkt, dass noch keine Klarheit darüber besteht, in welcher Eigenschaft das Luftschiffgewicht gegen den Luftwiderstand (Flugwind) wirkt, ob lediglich als Gewicht oder als lebendige Kraft \left(\frac{M\,v^2}{2}\right); diese Unklarheit hat wohl mit dazu beigetragen, dass uns die praktische Lösung des Flugproblems noch immer nicht gelungen ist, und das veranlasst uns, diesen Punkt noch einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Es wurde bisher mit Hartnäckigkeit daran festgehalten, dass das Luftschiffgewicht nicht in der Eigenschaft als lebendige Kraft \left(\frac{M\,v^2}{2}\right) und in der Richtung schräg nach vor- und abwärts, sondern stets nur in der Eigenschaft als Gewicht lotrecht gegen den Luftwiderstand wirkt; es ist mir aber nicht gelungen, den Grund dieser Ansicht kennen zu lernen. Wird ein Körper in horizontaler Richtung geworfen, so wird derselbe unter der Einwirkung der Schwere und der Wurf kraft selbstredend in schräger Richtung auf dem Boden auffallen und die Kraft, mit welcher derselbe gegen die Auffallstelle wirkt, wird nicht gleich sein seinem Gewichte, sondern einer Komponente seiner lebendigen Kraft \left(\frac{M\,v^2}{2}\right). In gleichem Falle befindet sich nun doch wohl auch ein dynamisches Luftfahrzeug beim Schwingenflug, indem es bei dieser Flugart bei tangentialer Fortbewegung abwechselnd sinkt und steigt, so dass es während des Sinkens mit seinen Horizontaltragflächen nicht mit seinem Gewichte, sondern mit einer Komponente seiner lebendigen Kraft \left(\frac{M\,v^2}{2}\right) abwärts gegen den Luftwiderstand (Flugwind) wirken wird. Der Flugwind (Luftwiderstand) hat danach nicht dem Gewichte, sondern einer Komponente der lebendigen Kraft \left(\frac{M\,v^2}{2}\right) des Fahrzeuges das Gleichgewicht zu halten, um Schweben zu ermöglichen. Die Gleichung hierfür wird also, auf den Kräfteplan in D. p. J. 1899 313 * 134 Fig. 5 angewendet, zu lauten haben: \frac{M\,v^2}{2}\,sin\,∢\,\overline{d\,e\,n}=\frac{\gamma}{g}\,F\,v^2\,sin\,∢\,\overline{f\,c\,b}. Durch den ersten Teil der Gleichung ist die lotrecht gerichtete Komponente der lebendigen Kraft \left(\frac{M\,v^2}{2}\right) des Luftfahrzeuges, durch den zweiten Teil der Gleichung dagegen ist die Komponente der Kraft des schräg nach rück- und aufwärtswirkenden Flugwindes ausgedrückt. In dem zweiten Teile der Gleichung bedeutet γ das spezifische Gewicht eines Kubikmeters Luft, g die Beschleunigung (9,81 m pro Sekunde), F den Flächeninhalt der Luftfahrzeugtragflächen in Quadratmetern. Die Komponente der lebendigen Kraft des Luftfahrzeuges \frac{M\,v^2}{2}\,cos\,∢\,\overline{d\,c\,a} wirkt, wie schon in D. p. J. 1899 313 134 erwähnt, auf Vortrieb des Fahrzeuges, während die Komponente des Flugwindes \frac{\gamma}{g}\,F\,v^2\,cos\,∢\overline{f\,c\,b} wirkungslos an den Tragflächen entlang streicht. Eine nähere Prüfung darüber, ob die Anwendung des Parallelogrammgesetzes auf die Zerlegung einer Kraft in zwei Seitenkräfte richtige Rechnungsergebnisse liefert, führte mich zu der Ueberzeugung, dass diese Ergebnisse um so viel zu gross sind, als die beiden Katheten eines rechtwinkligen Dreieckes zu einander addiert grösser sind, als die Hypothenuse des Dreieckes, und dieser Ueberzeugung gemäss hätten die Gleichungen für das Schweben und den Vortrieb wie folgt zu lauten, um zu richtigen Rechnungsergebnissen zu gelangen: Für das Schweben: \frac{M\,v^2}{2}\ \frac{sin\,∢\,\overline{d\,c\,a}}{sin\,∢\,\overline{d\,c\,a}+cos\,∢\,\overline{d\,c\,a}}=\frac{\gamma}{g}\,F\,v^2\,.\,\frac{sin\,∢\,\overline{f\,c\,b}}{sin\,∢\,\overline{f\,c\,b}+cos\,∢\,\overline{f\,c\,b}} Für den Vortrieb: \frac{M\,v^2}{2}\,.\,\frac{cos\,∢\,\overline{d\,c\,a}}{sin\,∢\,\mbox{d\,c\,a}+cos\,∢\,\mbox{d\,c\,a}}